Nr. 79
Freitag, 6. April 1934
108. Jahrgang
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Umpsansage Ay; an SiarhemUttg
Schwere Krise der österreichischen Regierungsfronl
Sk. Wien, 5. April.
Innerhalb der österreichischen Regierungs- sront ist eine schwere Krise ausgebrochen, deren Urheber Fürst Starhemberg, der Bundessührer der Heimwehren, ist. Kurz nach der Rückkehr des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß war eine Vereinbarung zustandegekommeu, wonach sämtliche Wehrverbände in Oesterreich zu eitlem einzigen Verband unter Führung des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß zusammengefaßt und als „Wehrfront" in die Vaterländische Front eingegliedert werden. Diese Vereinbarung, zu der anfänglich auch Fürst Starhemberg gegen die Zusage, Führer der Wehrfront und zweiter Vizekanzler im Kabinett zu werden, seine Zustimmung gegeben hatte, wird jetzt von Fürst Starhemberg, dem das Einhalten von Vereinbarungen immer schon schwer gefallen ist, nicht anerkannt. In einem Befehle verbietet er die Eingliederung anderer Verbände in die Heimwehr, die das Rückgrat der Wehrfront zu bilden hätte, ohne seine ausdrückliche und persönliche Zustimmung. Gleichzeitig lehnt er es ab, als zweiter Vizekanzler — also mit einem geringeren Range als Feh — in das Kabinett einzutreten.
Die Absicht, die ihn dabei leitet, ist vor allem das Bestreben, mit Hilfe seiner bewaffneten Banden nach wie vor der österreichischen Regierung seine Wünsche aufzwingen zu können. Dazu kommt, daß er noch stärker als je den Totalitätsanspruch der Heimwehr aufrecht erhält und die Christlichsozialen von den Regierungsgeschäften ganz ausschalten möchte. Er befürchtet, daß durch die Eingliederung der Ostmärkischen Sturmscharen, der christlich-deutschen Turner, des christlich-sozialen Freiheitsbundes usw. seine eigene Garde in die Minderheit gerät, wodurch er natürlich seine Machtstellung verlöre.
Feh, der schon seit langem seine eigene Nachtpolitik verfolgt, hat nun durch die ihm unterstellten Sicherheitsdirektionen die Verbreitung des genannten Befehles Starhembergs verbieten las- s e n. Damit ist der Konflikt offen zum Ausbruch gekommen, dessen Ausgang noch nichl abzusehen ist. Feh verfügt nicht nur über die staatliche Sicherheitsexekütive, sondern auch über die in das Schutzkorps eingereihten Heimwehrmänner, die vom Staate bezahlt werden und voraussichtlich kaum für Experimente Starhembergs zur Verfügung stehen werden.
Abgeschodene Politiker
lienifchen Unterstaatssekretärs Suvich in London auch die Abrüstungslage besprochen wird, dürfte das Hauptgewicht der Verhandlungen doch auf der österreichischen Frage liegen. Wie aber eingeweihte Kreise wissen wollen, wird das Problem nur von der wirtschaftlichen Seite her behandelt werden, da Großbritannien jede aktive Einmischung in Sie Politischen Verhältnisse des Donauraumes strikte ablehnt.
in Saragvjsli
Madrid, 5. April.
InSaragossa haben die Syndikalisten gemeinsam mit den Sozialdemokraten erneut einen 48stündigen Generalstreik vom Zaun gebrochen und wieder einmal das Leben dieser Stadt lahmgelegt. Der dortige Regierungspräsident hat diesen Streik für ungesetzlich erklärt und die Polizei, sowie Militär zur Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Betriebe eingesetzt.
In Malaga wurden verschiedene Anschläge verübt, wobei ein Polizist erschossen wurde. Ferner wird von dort ein großer Brand in einer Nitratsabrik gemeldet, der großen Sachschaden verursachte, und bei dessen Löschung mehrere Feuerwehrleute lcichi verletzt wurden.
EmvörimMmm
Beschwichtigungsaufruf der Regierung ist. Paris, 5. April.
Der Beschluß der Regierung, Kürzungen der Beamteubezüge durchzuführen, hat in der gesamten Beamtenschaft Frankreichs einen E m p ö r u n g s st u r m ausgelöst. Nach den Postbeamten, die, wie berichtet, sogar die Möglichkeit eines Generalstreiks ins Auge gefaßt haben, haben auch eine Reihe anderer Beamtenverbände, so die autonomeBeamtenvereinigung. die Beamten der Verwaltung der indirekten Steuern und die For st- bea inten scharfe Protestentschließungen gefaßt. Man rechnet allgemein damit, daß
vie Protestwelle immer größer wird, so daß die Regierung noch vor schwerwiegende Entscheidungen gestellt werden könnte.
Von dieser Erwägung ausgehend, hat die Negierung einen Aufruf an die Beamten gerichtet, in dem es u. a. heißt:
Die Regierung lenkt die Aufmerksamkeit aller Beamten auf die außergewöhnlich
wüsten Beweggründe, die sie zwingen, Maßnahmen zu ergreifen, die die Beamten treffen. Trotz der bereits vorgenommenen Einschränkungen der Staatsausgaben in Höhe von 8 Milliarden muß der noch bestehende Fehlbetrag von 4 Milliarden Franken ab- zedeckt werden, denn ein Land kann ebensowenig wie ein Privatmann ständig überfeine Mittel hinaus leben. Die Auflegung von Anleihen zur Sicherung der zum Monatsende fälligen Zahlungen ruft ein ständiges Anziehen des Diskontsatzes hervor, was für die Wirtschaft und die Finanz die bedenklichsten Nachteile hat. Alle anderen Mittel sind erschöpft.
Die Regierung ist gezwungen, von den Beamten eine Herabsetzung ihrer Gehälter und Pensionen zu verlangen. Es gibt keine andere Wahl, als die Annahme dieses Programmes oder die Schließung der Staatskassen oder Jnflarion.
Generalstabe der Meinen Entente rauten
Budapest, 5. April.
„Uj Nemzedek", dessen zwei Mitteilungen über die Bukarester Beratungen der Generalstabschefs oer drei Staaten der Kleinen Entente gewisses Aufsehen erregten, berichtet am Mittwoch über den Gegenstand und daS Ergebnis der Beratungen. Der serbische und der tschechoslowakische Generalstab sollen danach dem rumänischen schwere Vorwürfe gemacht haben, weil er den Bau kleiner kurzer, aber strategisch wichtiger Eisenbahnlinien unterlassen habe, so die Eisenbahnlinien Dorna — Watra — Altradna, Kä r a n s eb e s—N e si cz a und Galacz — T u l c e a.
Im ungarischen Oberhaus brachte am Donnerstag Graf Ladislaus Somsfiach die Jnterpellätion Manius und die Antwort Titulescus zur Sprache und trat als seinerzeitiges Mitglied der ungarischen Friedensdelegation der Behauptung Titulescus mit Nachdruck entgegen, als hätte die ungarische Friedensdelegation Gelegenheit gehabt, die Festsetzung der Friedensbedingungen durch
England lehnt die Bürgschaft für die Berfailler Grenzen ab
Scharfe Erklärungen der „Times" zu den französischen Sicherheitsforderungen
Zum Bürgermeister von Wien wurde der msherige Bundeskommissar Dr. Schmitz ernannt. Er war einer der „Köpfe" der Christ- mchsozialen Partei und hat bis zu den Februar tagen auch als Sozialminister dem Kabinett angehört. Seine Ernennung zum Wiener Bürgermeister kommt gewissermaßen einer Kaltstellung gleich.
Auch der Bundeskommissar für Propaganda, Dr. Richard Steidle, dürfte die Politik in Kürze verlassen. Er begibt sich auf das nahrhaftere Gebiet der Wirtschaft und soll Präsident der kürzlich zusammengelegten beiden Großbanken Wiener Bankverein und Niederösterreichische Eskompte-Gesellschaft werden.
Ausbürgerungen
Am Mittwoch hat die Wiener Polizeidirek- üon die Aberkennung der Staatsbürgerschaft u>r kV Nationalsozialisten, darunter des Kammersängers Jölli, verlautbart. Der öster- teichischen Staatsbürgerschaft wurde auch der vezirksarzt Dr. Radauerin Rauris (Salzburg) verlustig erklärt.
Am britisches Eingreifen in Sesterreichs Politik
Der Zweck des Suvich-Besuches in London
eg. London, 5. April.
Obgleich es selbstverständlich ist, daß wüh- des dreitägigen Aufenthaltes des ita-
cg. London, 5. April.
Die französische Rüstungsindustrie bemüht sich, in ihrer Presse den gegenwärtigen Stand der Abrüstuugsfrage so darzustellen, als würde Großbritannien die von der französischen Negierung aufgestellten Sicher- heitsforderungen anerkennen, Forderungen, die auf die Verewigung des Versailler Vertrages Hinzielen. Gegen diese — im französischen Sinne — optimistische Auffassung nehmen nun die „Times" in einem anscheinend vom Außenamt inspirierten Aufsatz in sehr scharfer Form Stellung.
Einleitend wird festgestellt, daß die letzte französischer Note zu einem Punkt des Weges zurückgeführt habe, der längst überschritten worden war. Die französische, zu Beginn der Abrüstungskonferenz aufgestellte These, daß keine Rüstungsverminderung möglich sei. ehe nicht ein Plan gegenseitigen Beistandes aufgestellt werde, wurde von Großbritannien und den Vereinigten Staaten nach langen Verhandlungen in der Form übernommen, daß ein System unmittelbarer und automatischer Ucberwachungen einzu- setze» habe. Jetzt aber geht die französische Negierung her und fordert weitgehende Bürgschaften für die Verbündeten Frankreichs in Mittel- u n d O st e u r o v a.
Jedes der beteiligten Länder habe weitgehende Opfer gebracht, indem es energisch sestgehaltene Anschauungen preisgab. Es habe eines beträchtlichen Maßes guten Zuredens bedurft, ehe Deutschland der Umwandlung der Reichswehr m eine Truppe mit kurzer Dienstzeit zustimmte. Wenn aber einmal gemachte Zugeständnisse später wieder zurückgezogen werden, dann müssen die Verhandlungen ewig fortdauern. (Was auch das Ziel der französischen Politik sein dürfte. Die Schriftleitung.)
Großbritannien hat nicht die Aufgabe und die Absicht, sich selbst für die Aufrechterhaltung aller europäischen Grenzen verantwortlich zu machen, von denen einige nicht in jeder Hinsicht gut gezogen sind.
Die französische Ansicht, daß zwischen der Bürgschaft für die Ausrechterhaltung des Versailler Zustandes und der Bürgschaft für die Durchführung eines neuen Rüstungs- shstems kein wesentlicher Unterschied bestehe, entbehrt jeglicher Logik.
Das Blatt schließt mit dem Vorschläge, einen garantierten Pakt für die Begrenzung der Rüstungen in Westeuropa als erste Grundlage zu schließen, um ihn dann allmählich in regionalen Vereinbarungen zu erweitern.
ihre Argumente zu beeinflussen. Der Redner- erklärte, daß die ungarische Friedensdele- gatiou in einem Pariser Vorort sozusagen gefangen gehalten wurde und lediglich zur Üebernahme der Friedensbedingungen von dem Fünferrat bestellt worden sei. Die Behauptung, daß mit der ungarischen Delegation Verhandlungen geführt worden seien, sei eine zynische Entstellung.
Moskau gegen die Revision der Verträge
Rede Litwinows bei der Verlängerung der 'baltischeil Nichtangriffspakte
8p Reval, 5. März.
Am Mittwoch nachmittag fand in Moskau die Unterzeichnung der Protokolle über die Verlängerung der Nichtangriffspakte zwischen Sowjetrußland einerseits und Estland, Lettland und Litauen andererseits statt. Finnland hat bisher zu dem russischen Vorschlag nicht Stellung genommen.
Der Außentommissar Litwinow hielt nach der Unterzeichnung, durch die die Nichtangriffsabkommen bis 1945 verlängert werden, eine Rede, in der er u. a. erklärte, daß Rußland eine Revision der bestehenden Verträge nie verlangt habe und es zu tun auch nicht beab-
RMsminiittr Rohm in Aaguia
Belgrad, 5. April.
Reichsminister Stabschef Rohm ist a« Mittwoch nachmittag mit einem italienische« Wasserflugzeug von Brioni in Dubrovnik (Ragusa) eingetroffen. Er wurde von den Spitzen der militärischen und der zivilen Behörden sowie vom Landesvertrauensmann der NS. DAP., Neuhause n, herzlichst begrüßt. Obwohl die Ankunftszeit nicht bekanntgegebev worden war, hatten sich Tausende im Hafen eingefunden. Sie warteten geduldig stundenlang, um den Stabschef bei seiner Ankunft stürmisch begrüßen zu können. Röhm, der im Hotel Imperial Wohnung genommen hat, bleibt eine Woche in Dubrovnik. Die Presse beschäftigt sich schon seit Tagen mit der Ankunft Röhms, der in Südslawien besonders volkstümlich ist.
Reichsminister- Stabschef Röhm hat die Ehrenführerschaft des Deutschen Reichskriegerbundes „Kyffhäuser" übernommen. Stabschef Röhm hat damit die besondere Verbundenheit der Obersten SA.-Führung mit der größte« Organisation der Frontsoldaten sichtbar zum Ausdruck gebracht.
Welche Ersatz-Krankenkassen sind neu zugelassen?
Berlin, 5. April. Der Reichsarbeitsmini- ster hat mit Wirkung vom 1. April dS. Js. ab folgende Berufskrankenkassen als Ersatzkassen zugelassen: DTV.-Kasse, Berufskasse der Techniker in Berlin. Geda-Kasse, Berufs- krankenkasse der Büro- und Behörden-Ange- stellten in Berlin. DWV.-Kaste, Berufskrankenkasse der Werkmeister in Berlin und DHV.-Kaffe, Berufskrankenkaffe der Kaufmanns-Gehilfen in Berlin; die Zulassung erfolgte, nachdem die Kassen als Versicherungs- Vereine a. G. neu gebildet worden sind.
MmdMrisO-iavsnWer Vormarsch in der Mongolei
kx. Tokio, 5. April (Funk).
Mandschurische Kavallerie hat in Begleitung japanischer Panzerwagen in der Nacht zum Donnerstag den Vormarsch in die innereMougoleiinRichtungauk Kalgan angetreten.
Nach Zeituugsmeldungen haben die mandschurischen und japanischen Militärbehör- den für diesen Vormarsch etwa 45 OVO Mann bereitgestellt, die mit zahlreichen leichten und schweren Geschützen, sowie mit 68 schweren und leichten Bombenflugzeugen ausgerüstet sind. Die Chinesen haben nach Nieldungen aus gleicher Quelle etwa 120 000 Mann zur Verfügung, die aber zu einem großen Teil aus irregulären Banden bestehen, die militärisch nicht sehr wertvoll sind.