Nr. 78
Donnerstag, 5. April 1934
108. Jahrgang
er O elelllcli alter
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Französische Sorgen
Aendernng der Verträge zwecks Erleichterung des Kriegführens? Sparmaßnahmen und Streikdrohungen
ZI. Paris, 4. April.
Sie WanMulben Frankreichs
dürfte und weder der Landesgerichtspräsident noch der Leiter der Staatsanwaltschaft in der Nacht fernmündlich erreichbar sind, so daß sich die Aufnahme der Verfolgung ziemlich hinauszögerte, hatten die Ausbrecher einen Vorsprung von mindestens 5 Stunden. Eine Spur von den Flüchtigen wurde bisher noch nicht gefunden.
Außen- und innenpolitisch trägt die französische Regierung einen ansehnlichen Pack von Sorgen. In der Abrüstungsfrage hat sie sich durch ihre halsstarrige Haltung — die nicht zuletzt diktiert ist von innerpolitischen Vorgängen, von denen die Massen des französischen Volkes abgelenkt werden sollen — in eine Lage hineinmanövriert, die gerade nicht als rosig bezeichnet werden darf. Tie Antwort auf die englische Rückfrage macht beträchtliches Kopfzerbrechen. Die Aussicht, von England für eine mit tausenderlei Vorbehalten gespickte formelle Anerkennung der Gleichberechtigung Deutschlands einen Bündnisvertrag zu erhalten, werden von Tag zu Tag geringer — trotzdem aber ist die Presse voll von manchmal hysterisch anmntenden Sicherheitsforderungen.
Sv fordert Pertinax, der Außenpoli- tiker des „Echo de Paris", auf alle Fälle militärische Zwangsmaßnahmen gegen den Staat, der die Abrüstungskonvention verletzen würde. Deshalb müsse sowohl Artikel 2 des Versailler Vertrages erweitert, aber auch der Locarnopakt abgeändert werden, weil in diesem Frankreich sich verpflichtet habe, keine kriegerischen Handlungen gegen Deutschland zu unternehmen. Auch die Bestimmung des : Locarnopaktes, daß die Garanten des Ver- j träges keine militärischen Bündnisse mit ! einem der garantierten Mächte Frankreich,
! Belgien und Deutschland, abschließen, sei ^ ein Hindernis der französischen Sicherheit. Pertinax geht dabei von der fixen Idee aus. daß eine Verletzung einer Abrüstungsvereinbarung nur von Deutschland kommen könne, obwohl er die jüngste Erklärung des deutschen Reichskanzlers bereits gekannt haben muß, daß Deutschland keine Bindung eingeht, die es nicht halten kann.
Dem Snvich-Besuch in London bringt man ebenfalls großes Interesse entgegen. Mit aller Anstrengung umschmeichelt ! man Italien, in der Hoffnung, auch diesen Staat in ein französisches Sicherheitssystem ^ einspannen zu können.
Ueberhaupt entwickelt man ans außenpolitischem Gebiete eine große Regsamkeit. In den nächsten Tagen wird der rumänische Außenminister in Paris erwartet, kurz darauf der Russe Litwinow. Mit dem polnischen Gesandten in Paris hat Außenminister ! Barthon bereits die Einzelheiten seines War- ! schauer Besuches behandelt, der vor allem der Bereinigung des polnisch-tschechischen Konfliktes dienen soll. Das zahlreiche Risse aufweisende französische Bündnissystem in Europa soll geflickt werden, den Völkerbund möchte man zu neuem Leben erwecken —
! aber es ist noch nicht zu erkennen, welcher von den zahlreichen Aufgaben der französi- ! scheu Außenpolitik ein Erfolg beschieden sein wird.
Slreikbrohungen der Beamten
Zu diesen außenpolitischen Sorgen kommen nicht weniger schwerwiegende inner- : politische. Der Stavisky-Skandal ist noch lange nicht zu Ende — es vergeht kaum ein Tag, der nicht neue Sensationen bringt, durch die französische Politiker belastet werden. In dieser geladenen Atmosphäre muß die Negierung aber ein Sparprogramm durchführen, gegen die sich die Betroffenen lebhaft wehren. So wird seit Tagen mit den Frontkämpfern über die Kürzung ihrer Pensionen verhandelt, ohne daß bisher ein Ergebnis erzielt worden wäre. Und die Staatsbeamten drohen ganz offen mit dem Streik, wenn ihnen im Zuge der Sparmaßnahmen Gehaltskürzungen zugemutet werden würden. Auch die Gefahr einer Vertrauenskrise des Franken darf nicht außer acht gelassen werden.
Dazu kommt noch manches andere, so daß es wirklich nicht zu verwundern braucht, wenn die französischen Minister mit tiefen Sorgenfalten herumgehen . . .
In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage teilt das französische Finanzministerium mit, daß sich die Jnlandsschulden des Staates am 1. Oktober 1933 auf insgesamt z 302 Milliarden 405 Millionen Franken be- f liefen, die sich im einzelnen wie folgt zu- ^ sammensetzen: Unveränderliche Schulden- f Verpflichtungen 52 145 000 000, tilgbare ^ Schulden 169 179 000 000, mittel- und kurzfristige Schulden 19 004 000 000, schwebende Schulden 54 279 000 000, Schulden der Postverwaltung 7 798 000 000. Die Auslands- Handelsschulden Frankreichs werden für den Stichtag des 1. Oktober 1933 mit 4139000000 Franken angegeben, gegenüber 4 368 000 000 am 31. März 1932.
Sie ziiiiht aus Lin,
Stellung des österreichischen Staatssekretärs sür Justiz erschüttert
Wien, 4. April.
Der Ausbruch der 5 politischen Häftlinge aus dem Linzer Landesgericht zieht immer weitere Kreise. Die Stellung des Staatssekretärs inr Justiz, des Landbündlers Dr. G l a ß, gilt als erschüttert. Da den Wiener Zeitungen nähere Meldungen über die Angelegenheit verboten wurden, erfährt man jetzt erst aus übrigens später auch be- ichlagnahmten Provinzblättern nähere Einzelheiten über das nähere Ereignis. Als Dienstag früh um 6 Uhr sür den Justizbeamten Dobler, der als einziger in dem ganzen großen Gerichtsgebäude Dienst hatte, die Ablösung eintras, bemerkte sie, daß alle Gänge erleuchtet und die Zellentüren zu den betreffenden Häftlingen und sämtliche Gittertore des Gefängnisses geöffnet waren. Nun j erst stellte sich heraus, daß Dobler mit den ! fünf Häftlingen geflüchtet war. Da die Flucht knapp nach dem Dienstantritt des Dobler um 2 Uhr morgens vor sich gegangen sein
Etarbemberg gegen Fell?
Der Bundesführer des Heimatschutzes. Starhemberg, hat einen Befehl an die Heimwehr erlassen, in dem er sich in Zukunft die Entscheidung über die Unterstellung von Verbanden unter die Führung des Heimat- schntzes ausdrücklich vorbehält. Den Unter- sührern des Heimatschutzes wird strengstens verboten, die Eingliederung von Verbänden in den Hcimatschutz selbständig vorzunehmen. Dieser Befehl wird allgemein dahin ausgelegt, daß hierdurch die in der letzten Zeit mehrfach erfolgte Unterstellung einzelner Verbände unter die Führung des Vizekanzlers Feh verhindert werden soll.
Auch Scharlach in Wöllers-ors
Im Konzentrationslager Möller sdors sind nach der Rnhrcpidemie in den letzten Wochen jetzt zahlreiche Scharlach fälle aufgetreten, die darauf zurückgeführt werden, daß sich in der Ruhrbaracke zu wenig Wasser befand und das Wasser aus der Scharlachbaracke geholt werden mußte.
Sie ersten Erfolge
nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik Berlin, 3. April.
Im Berichtsjahr trat, wie das Preußische Statistische Landesamt mitteilt, eine wesentliche Aenderung in der Heirats- srequenz ein. Nachdem die Jahre 1931 und 1932 einen starken Rückgang in den Heiratsziffern gebracht hatten, der sich auch im ersten Vierteljahr 1933 fortsetzte, trat im zweiten Vierteljahr unter der Einwirkung der durch Gesetz vom 1. Juni 1933 geschaffenen Ehestandsdarlehen eine starke Steigerung ein, die im weiteren Verlauf > des Jahres unvermindert anhielt. Die mitt-
MinmuSlllitz des illtkMilWlkll MOlNS
Holländischer Parteivorstand der Sozialdemokratie gegen Pazifismus
i'll. Berlin, 4. April.
Wir haben erst kürzlich berichten können, daß die ungarischen Marxisten in ihrer Angst, ausgelöscht zu werden, eine Schwenkung vollzogen haben, die ihren Anhängern Vortäuschen soll, daß auch die Sozialdemokraten „nationale Gefühle" besäßen. Jetzt kommt aus A m st e r d a m, das nebenbei die Rolle des Sitzes der sogenannten „Zweiten Internationale" spielt — obwohl schon 1914 bewiesen wurde, daß es eine Internationale überhaupt nicht gibt —. die Nachricht, daß auchdieniederländischenSozial- demokraten dem Zug der Zeit Rechnung tragen, und unter Beweis stellen wollen, daß der Marxismus gar nicht internationalen Schemen nachläuft, sondern „national- bewuß t" ist.
Der 40. Parteikongreß der holländischen Sozialdemokratie hat aus Angst vor dem stetig wachsenden Mitgliederschwnnd — die Abrechnungen der Gewerkschaften liefern dafür deutliche Beweise — eine grundsätzliche Kursänderung beschlossen. Obwohl die niederländische Regierung bisher von den Marxisten auf das heftigste bekämpft wurde, hat der Parteivorstand aus Angst vor dem Faschismus, vollkommene Loyalität gegenüber der Regierung beantragt und diesen Antrag auch durck znsetzcn verstanden.
Diese Tolerierungspolitik wäre an sich nichts Neues, wenn die niederländische Sozialdemokratie nicht in zusätzlichen Entschließungen geradezu den Grundsätzen des Marxismus abaeschworen hätte. Die 1928 und
1931 mit großer Mehrheit angenommenen Resolutionen, in denen die einseitige Abrüstung der Niederlande und die Verweigerung der Militärdienstpflicht im Kriegsfälle gefordert wurde, wurden feierlich zurückgezogen mit der geradezu eine Rechtfertigung des Nationalsozialismus — wenn es einer solchen je bedurft hätte — darstellenden Begründung, daß sich die politische Lage in Europa grundlegend geändert hätte.
Gleichzeitig hat der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Hollands mit nicht weniger feierlicher Gebärde das Band, das ihn mit der „Liga gegen Krieg und Faschismus" verbunden hat, zerschnitten. Der vom Parteivorstand eingeleitete neue Kurs ist auf dem Parteikongreß allerdings auf mannigfachen Widerstand gestoßen, der die Zersetzungserscheinungen des Marxismus — die in Holland ebenso wie in anderen Ländern keine Zusallserscheinungen sind — deutlich zum Ausdruck brachte.
Die Arbeiterschaft aller Länder und aller Völker hat eben den Schwindel des Marxismus erkannt und den Parteibonzen wird es bereits unheimlich. Es spricht nur für die Dummheit der m a r x i st i s ch e n F ü h- rer, wenn sie glauben, daß ein „nationales Mäntelchen" den Marxismus vor der restlosen Vernichtung retten kann.
Das neue Deutschland aber darf für sich in Anspruch nehmen, daß es der Ausgangspunkt jener Erkenntnisse war, die heute alle arbeitenden Menschen in der Welt erfaßen.
Skis Neueste in Kurze
Der Reichsarbeitsminister hat eine Anordnung erlassen, wonach die Tarifverträge auch nach dem 1. Mai weiterzugclten haben.
Von den verschollenen drei Flugzeugen der Tscheljuskin-Rettungsexpedition sind zwei «ach fünf Tagen eingetrosfen.
Die Pariser Presse hat erneute Sicherheitsmaßnahmen gegen Deutschland gefordert, die bis zur Aenderung der Verträge zwecks Erleichterung des Kriegführens gingen.
In der Bukowina ist eine kommunistische Zentrale ansgehoben worden. Von den 30 verhafteten Kommunisten waren 28 Juden.
Das Württ. Innenministerium hat eine sehr weitgehende Neuregelung der Tchutzhaftbejtinv- mnngen erlassen.
lere Hciratsziffer aller preußischen Großstädte. die sich im Jahre 1932 auf 8,8 v. H. belief, stieg auf 10,7 v. H. An der Steigerung nahmen sämtliche preußischen Großstädte teil.
Die Geburtlichkeit entwickelte sich in den Großstädten sehr verschieden. Die meisten Großstädte, insbesondere die des rheinischwestfälischen Industriegebietes, hatten noch einen Rückgang ihrer Geburtenziffer zu verzeichnen. Andererseits machte sich bei einer Reihe von Großstädten eine erfreuliche Zunahme der Geburtenziffer bemerkbar.
SkWischof Nr. Nobrrrrrmn
Nachfolger Dr. Schlegels
Berlin, 4. April.
Ter Reichspräsident hat zum Nachfolger des bisherigen Feldbischoss der Wehrmacht Dr. Schlegel, der am 1. April wegen Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist, Wehrkreispsarrer Konsistorial- rat Dr. Franz Dohrmann (Stettin) ernannt.
Feldbischof Tr. Toh r m a n n - Stettin steht im 53. Lebensjahr. Er studierte in Greifswald, Tübingen und Berlin und ist seit seiner Ordination in der Militärseelsorgc tätig. 1920 wurde er zum Wehrkreispfarrer des Wehrkreises II (Stettin) berufen und 1927 zum Konsistorialrai ernannt. Die theol. Fakultät der Universität Greifswald verlieh ihm den Ehrendvktortitel.
Wieder Merieeboots- Stützpunkt Lalals?
Paris, 4. April.
Das „Journal" glaubt aus sicherer Quelle zu wissen, daß der Unterseeboots st ütz- Punkt Calais demnächst wieder hergestellt werden soll. Die französische Regierung habe im Haushalt für 1934 entsprechende Kredite vorgesehen. Man sei bereits mit den Bauarbeiten beschäftigt, die für die Aufnahme der demnächst eintreffenden Einheiten notwendig seien. Der französische Unterseebootsstützpunkt in Calais war nach dem Kriege aufgegeben worden.
Englische Arbeitölosenzahl sinkt
London, 4. April.
Die Zahl der englischen Arbeitslosen belief sich am 19. März auf rund 2,202 Millionen. Dies stellt gegenüber dem gleichen Zeitpunkt des Vormonats einen Rückgang von 116 000 und gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang von 575 000 Arbeitslosen dar.
Französisches Marmrslugzeug abgestürzt
Paris, 4. April.
B-i V i l l e n e u v e -1 e - R o i stürzte ein MarU'ewasserflugzeug am Dienstag nachmittag in die Seine. Der Führer und der Bordmechaniker konnten wohlerhatten aus den Trümmern geborgen werden. Dagegen konnte Konteradmiral Martin, der sich als Fluggast an Bord befand, nur noch als Leiche geborgen werden.