§Kie 5
N-. 75
Der Gekcllichairer
Lamstag, Len 31. Mär,; 1ÄS4
Ostern — daS ist Knospen und Blühen. Erwachen der Natur nach langem Wintertod. Wir sind ein Glied der Schöpfung und werden von ihrem Rhythmus mitbewegt. Es müßte ein totes Herz sein, das nicht mit- schwünge in der Melodie des Lebens: Ich singe miß wenn alles singt! Es ist ein eigener Zauber in dem blühenden Frühlingstag: „Nun armes Herz, vergiß die Qual! Nun muß sich alles, alles wenden!" — Wenn nur nicht in all dem immer ein dunkler Unterton mitklänge: Es muß sich einmal alles wenden — dem Tod entgegen. Wir sind eben nicht wie die jubelnden Vögel im Gezweig, wir sind mehr als Natur und können uns über die Wirklichkeit nicht täuschen.
Aber Ostern ist uns ja mehr als Wonne des vorüberrauschenden Frühlings, denn wir feiern deutsche Ostern. Das Erwachen der Natur ist uns ein Gleichnis für das deutsche Geschehen, Sinnbild für die neu sich verjüngende Kraft unseres Volkstums. Nach einem Winterschlaf deutscher Geschichte braust wieder Frühlingssturm durch das Land der deutschen Seele. Es ist Zeit der Jugend. Kräfte, die unter dem Eishauch der Hoffnungslosigkeit erstorben schienen, sind wieder aufgefproßt und weben an einer neuen Zukunft. Es müßte in einem Menschen das deutsche Blut erstarrt sein, wenn es von dem Rhythmus dieser großen deutschen Stunde nicht freudig mitgerissen würde. Aber es ist nicht nörgelndere Griesgram, sondern die Wucht der Wirklichkeit, wenn wir bei all Sem die Augen offen halten für die dunklen Todesmächte, die über uns drohen wie die Arostnacht über dem Blütenbaum. Es ist nicht bloß die Feindschaft einer neidigen Welt. Wir kennkn die unheimlichen dunklen Mächte auch in den Tiefen unseres eigenen Mutes, die immer lauern, um die Seele von ihrem Flug zu stürzen.
Ist am Ende Natur und Geschichte nur ein ewiger Kreislauf des Werdens und Vergehens, ein ewiges Ringen dunkler und lichter Mächte, demgegenüber die Frage nach einem letzten Sinn selbst eine Sinnlosigkeit ist? Da fällt auf Natur und Geschichte ein neues Licht. Wir feiern christliches Ostern, d. h. nicht nur die Feier der erwachenden Kräfte von Natur und Volk, sondern das Fest der Gotteskrast, die Auferstehung des Herrn. Das ist mehr als eine Erinnerung an ein Ereignis der Vergangenheit. Der Versuch, Jesus in das Grab der Geschichte zu legen, ist tausendmal gemacht worden und tausendmal mißlungen. Er läßt sich nicht aus der Menschheit entfernen, denn er ist der Auferstandene. Der von ihm zur Auferstehung des Glaubens Gerufene ist gewiß, daß der Tod nicht das Leben aufhält und das Heer der Hölle nicht das kommende Gottesreich. Diese Schau des Glaubens macht nicht weltflüchtige Träumer, aber auch keine wirklichkeitsfremden Schwärmer. Auch im wonnigsten Frühlingstag vernimmt das wache Ohr das Seufzen der Kreatur, aber nicht als das hoffnungslose Todeslied, sondern als das Lied der Sehnsucht, die auf die Erlösung wartet. Menschen des Osterglaubens sehen die Unzulänglichkeit aller Mcn- 'chcnkrast, aber sie bleiben nicht hängen in dem müden Jammer über die Erbärmlichkeit der Welt, sondern heben das Haupt empor und sehen die Osterverheißung über dem Menschen.
Auch die Stunde der Geschichte unseres Volkes, die wir mit heißem Herzen miterleben, wird erst im Osterlicht wahrhaft zu einer Stunde Gottes. Wer jeden Morgen von dem vergebenden Gott zur Auferstehung gerufen wird, schreitet in jeden Tag hinein
AuserstestllnZ
mit dem getrosten Glauben, daß Gott auch durch ihn eine Tat tun will, die vielleicht niemand beachtet, die aber gesegnet sein wird an unserem Volk. Der Kreislauf von Tod und Leben, Auf und Nieder, ohne Sinn ist an dem zerbrochen, der der letzte Sinn der Geschichte ist: Christ ist erstanden.
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Noch nicht lange wars her, seit der Schreiuergeselle Peter Lorenzen zugewandert war. Aber ein forscher, wackerer Bursch war er und hatte sogleich bei einem tüchtigen Meister Arbeit bekommen. Sein Gesellenbrief ward in Ordnung befunden — was in den Zeiten der gestrengen Zünfte von hoher Wichtigkeit war — und rasch wurde er heimisch. Es konnte nicht fehlen, daß die Mädchen dem schmucken Burschen nachsahen, wenn er am Feiertag die Domstraße entlang ging, und daß sie chm zunickten, wenn er, um einmal Luft zu schnappen, in die Tür der Werkstatt trat. Manches sauber gearbeitete Stück ging unter seinen Händen hervor, und dem Meister wäre es bitter leid gewesen, hätte sein guter Geselle ihn schon wieder verlassen wollen.
Stand da der Peter Lorenzen eines Morgens vorm Tor. Scherz- und Grußworie wechselte er mit den Vorübergehenden. Plötzlich hörte man ein heiseres Gekläff, das näher und immer näher kam; dazwischen Rufe, die zum Schreien wurden. Peter Lorenzen sah etwas um die Ecke biegen, einen großen, schwarzen Hund, Schaum vorm Munde. Hinter ihm drein ein Mann mit einein Knüttel in der Hand. „Der Hund
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ist toll, der Hund ist toll! Achtung! —" schrie der Mann in einem fort. „Er beißt, er ist tollwütig! Achtung." Wenige Häuser
gann das Mädchen zu wanken, und es konnte sie nur noch in seinen Armen aufsangen. Während sich alle Türen und Fenster in den Nachbarhäusern öffneten, trug er die junge Grittje hinüber nach dem Haus seines Meisters, wo die Frau Meisterin sich um sie bemühte, bis sie langsam, wie aus tiefem Schlaf erwachend, die Augen wieder aufschlug. Da bekam Peter Lorenzen auch seinen Dank, aber als er gerade die Hand des Mädchens in der seinen hielt, rief der Meister ihn in seine Stube.
Gewiß mar es gut und tapfer, was er getan, aber so gern der Meister eine Ausnahme gemacht hätte, konnte er doch nicht anders handeln: Peter Lorenzen hatte sich gegen die Zunftgesetze vergangen. Wer einen Hund erschlägt, pfuscht damit dem Schinder ins Handwerk, wer aber Schinders Arbeit tut, der kann einer ehrsamen Zunft nicht länger angehören, wird mit Schimpf und Schande ausgestoßen und ehrlos erklärt.
Peter Lorenzen kannte die Gesetze, die die Zunft aufgestellt, aber er hatte, als er sein Nettungswerk ausgesührt, daran nicht gedacht. Hätte er aber auch die Folgen vor sich gesehen, so würde er sich doch nicht einen Augenblick bedacht haben, so zu handeln, wie er tat.
Dennoch waren es trübe Gedanken, mit denen er sein Nänzel schnürte, seinen Stecken ergriff, dem Meister Lebewohl sagte und zur Stadt hinauswanderte.
Da kam einer hinter ihm hergekeucht, mit weißbemehltem Rock. Eine Hand streckte sich hin. Grittjes Vater, der Windmüller. „Suchte Euch m der ganzen Stadt", der Atem ging ihm aus. er mußte verschnaufen. „Habt mir Grittje. meine Einzige, gerettet. Seid ein wackerer Mann. Könnt bei nur wohnen, bis sich alles schlichtet."
Es gelang dem Müller, ihn zu überreden, mit ihm zu gehen. Er hatte auch schon seinen Plan. Es mußte alles getan werden, den Gesellen wieder ehrlich zu machen.
„Aber wie?" fragte Peter verzagt.
„Nur Geduld. Es wird schon werden".
l/nck am Ostermontag: Lierspieten
vor dem wild dahinjagenden Hunde trat tröstete der Windmüller. „Die Grittje hat jetzt ein junges Mädchen auf die Straße, sich etwas ausgedacht." einen Korb am Arm. Das war die Grittje Und so kam Ostern heran. Die große von der Windmühle. Peter hatte sie schon Osterprvzession schritt durch die Stadt, manchmal gesehen, aber das spröde Ding Ganz nahe dem Dom aber kniete einer am hatte ihm nie einen Blick gegönnt. Wege, der trug einen Strick um den Hals.
Grittje wollte sich straßab wenden,> da schaute indes nicht zu Boden wie ein armer fuhr sie zusammen: sie hatte das schwarze, Sünder, sondern hielt den Blick frei und keuchende Ungeheuer bemerkt.
Erschrocken blieb sie stehen. Jetzt drang auch das Rufen des Mannes an ihr Ohr:
„Der Hund ist toll, Achtung, toller Hund!" Und sie sah, wie die Straße wie mit Zauberschlag leer von Menschen wurde und wie sich alle Türen fest schlossen. Nur sie selber stand noch da, schutzlos.
Jetzt hatte der Hund sie gesehen.
Mit einem wilden Gekläff raste er heran.
Grittje ließ den Korb fallen, Wäschestücke voll auf die Prozession gerichtet. Und letzt fielen zu Boden, der Hund ließ sich einen nahte im Zuge die Oberin des Fraueu- Augenblick dadurch aufhalten, schnubberte, klosters. Sie löste sich aus den Reihen, trat rannte dann wieder hinter dein Mädchen aus den Knienden zu und schnitt ihm mit her, das nun, laut um Hilfe schreiend, sich einer Schere den Strick vom Halse. „Peter zur Flucht gewandt hatte. Immer mehr ver- Lorenzen, ich spreche dich frei. Kehre zurück ringerte sich der Abstand zwischen Hund und in die Reihen deines GewerkS. Sei, der du Mädchen. Ein toller Hund, das war etwas warst. Gott löst dich, denn er sah dein Her; Abscheuliches, das wußte Peter Lorenzen. und das war rein."
Wen er biß, der wurde ebenfalls tollwütig. Als Peter Loreuzen, ein dem Leben neu um man konnte nicht wieder getund davon Geschenkter, aufstand und der Strick zur weroen. Erde glitt, war er ans einmal nicht mehr
Peter Lorenzen riß von einem Bretter- allein. Die Freunde von einst waren um stapel von der Tür eine kräftige Stange, ihn. wollten ihn zum Ostertrnnk in die Her- Mit seinen langen Beinen brauchte er nicht berge holen. Und sein Meister winkte ihn viel Schritte zu machen. — der Hund, der heran. „Die Werkstatt steht dir ossen. wenn Gefahr witterte, wandte sich ihm zähne- du zur Arbeit zurückkehren magst." fletschend zu. Da holte Peter Lorenzen aus. Da schüttelte Peter Lorenzen freimütig Ein wohlgezielter Schlag. Der Hund brach den Kopf. „Nichts für ungut, Meister, aber zusammen, zuckte, wollte sich wieder aufrich- ich werde jetzt selber ein Meister sein hier ten, aber Peter Lorenzen schlug und schlug in der Stadt. Mögt Ihr meine Frau Mei- bis der Hundekörper sich nicht mehr regte. sterin begrüßen?"
Grittje war stehen geblieben, lehnte Grittje aber hatte sich ties über die Hand kreidebleich an der Hauswand. Peter Loren- der Oberin gebeugt, und diese strich lieb- zen trat zu dem zitternden Mädchen, lachte kosend über den Scheitel des MädehenS. Nock, gutmütig. „Augst bekommen. Grittje Möl- nie hatte sie von diesem ihrem Recht der lers? Ist ja noch gut gegangen!" Aber er Lossprechung so gern und trendig Gebraue:- mußte schnell zugre.se». denn Plötzlich be- gemacht wie an diesem Osterwge
Oer Osioral am Ostermorßen