Donnerstag, 8. März 1934

108. Jahrgang

Nr. 56

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NM pMWer MWstsWe ahgeWossev

Unterzeichnung des Protokolls über die Beendigung des 9jährigen Zollkriegs

Warschau, 7. März.

Am Mittwoch, den 7. März, vormittags, ist in Warschau durch den polnischen Außenminister Beck und den deutschen Ge­sandten von Moltke ein Abkommen unterzeichnet worden, durch das der deutsch-polnische Zollkrieg e n d- gültig ausgehoben und die Grund­lage für einen normalen Aus - bau der beiderseitigen Handels­beziehungen geschaffen wird. Das in Form eines Protokolls gekleidete Abkommen soll sobald als möglich ratifiziert werden. Jedoch werden seine Bestimmungen unab­hängig hiervon bereits vom 15. d. M. an in Anwendung kommen.

Das Protokoll stellt bor allen Dingen fest, daß durch die Beseitigung des bisherigen anormalen Zustandes für die deutsch-polni­schen Wirtschaftsbeziehungen eine tragfähige und gesunde Grundlage geschaffen wurde, auf der ein weiterer Ausbau derselben er­folgen soll.

Ser Inhalt -es Protokolls

Dieses Protokoll bestimmt ferner, daß die Kampfmaßnahmen, d. h. Einfuhrverbote und Maximalzvlle ans polnischer Seite sowie Obertarif ans deutscher Seite. aufgehoben werden, wobei sich beide Teile die Gewäh- r n n q d e r b e st e h e n d c n a u t o n o m e n Zotlnachlässe znsichern. Bei dem kom­plizierten System der polnischen Handels­politik bedeutet dies, daß die Einfuhr der in Polen benötigten Waren, die an sich durch den prohibitiven Zolltarif unmöglich ge­macht wird, vermittels autonomer Gewäh­rung von Zollnachlässen doch ermöglicht wurde. Diese Möglichkeit bildet eine der­be d e u t s a m st e n B e st i m m u n g c n des Protokolls.

Soweit solche autonomen Zollnachlüsse nicht in Frage kommen, wird die Verzollung der deutschen Waren in Polen, wie übrigens schon seit Beginn der jetzt beendeten deutsch­polnischen Wirtschaftsverhandlungen in dem sogenannten Zollprobisorium fest­gelegt. nach der Spalte 2 des autonomen neuen polnischen Zolltarife? und die Ver­zollung der polnischen Waren in Deutschland nach den Sätzen des allgemeinen deutschen Zolltarife? erfolgen.

Für Waren, die einem allgemeinen Ein­fuhrverbot unterliegen, erhält Deutschland Kontingente, so daß nach Aufhebung der Spezialverbote trotz Weiterbestehen der allgemeinen polnischen Einfuhrverbote eine gewisse Ausfuhr deutscher Waren nach Polen ermöglicht wird. Die Kontingente, die Deutschland in dem Abkommen vom März 1982 und Januar 1933 erhalten hat, sowie das B u t t e r k o n t i n g e n t, das für Polen in dem Januarabkommen von 1933 enthalten war. sind in das Protokoll aus­genommen worden. Auch für solche Waren, für die im Laufe des Jahres 1933 in Polen neue allgemeine Einfuhrverbote erlassen wurden, werden gewisse Einfuhr- Möglichkeiten geschaffen, außerdem ge­währt Deutschland Polen unter Wahrung der bestehenden veterinärpolizeilichen Erfor­dernisse die Durchsührmöglichkeit von Tieren und tierischen Erzeugnissen aus Polen nach den westeuropäischen Märkten.

Das Protokoll enthält ferner eine all­gemeine Klausel, in der beiderseits zugesagt wird, in Zukunft alle Diskri - u> i n i e r u n g e n, die als Folgen des Wirt- ichaftskrieges außerhalb der formalen Maß­nahmen entstanden waren, zu unterlassen.

Das Abkommen gilt für un­bestimmte Zeit, wobei jedem der ver­tragsschließenden Teile die Möglichkeit ge­geben ist. die Aufnahme von Verhandlungen zu verlangen, wenn sich die Auswirkungen des Protokolls für einen der beiden Teile unbefriedigend gestalten sollten, oder wenn einer der Teile sich durch wirtschaftliche Maßnahmen des anderen Teiles benachteiligt erachtet oder schließlich, wenn ein Teil die in dem Protokoll niedergelegten Zusagen nicht einzuhalten in der Lage wäre. Führen diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis, so be-

neht ein 11 undig u n g s r e ch l zur den geschädigte» Teil mit einer Frist von einem Monat.

Ferner wird bestimmt, daß daß das Ab­kommen möglichst bald nach Unterzeichnung ratifizier« werden soll. Es wird aber schon vor der Ratifizierung provisorisch am 15. ds. MtS in Kraft treten.

Gleichzeitig sind zwei Privatwirt­schaft l i ch e A b k v w m e n getrosten wor­den. Das eine zwischen den Eisen- industriellen beider Länder über Zulassung vm> polnischem Eisen und Stahl nach Deutschland, wobei eine Störung des deutschen Marktes vermieden wird. Dafür -vird eine beschränkte Ausfuhr von Schrott aus Deutschland nach Polen gewährt. Das zweite Abkommen winde z w ischen den deutschen S ch i s s a h r t s l i n i e n, die zwischen den Nordseehäfen und den polni­schen Häfen fahren und derZehlnga Polska" über eine Zusammenarbeit getroffen, wobei die deutschen Schissahrislmien in solchem Maße beteiligt sind, daß bei cnlsprechender Zunahme der Gesamtionnage eine Auf­teilung im Verhältnis 1:1 eintritt.

Sie BehMWg des WsöenßWWes

Das dentschpolnische Wirtschaftsabkommen bedeutet einen entscheidenden Schritt in der Nichtung auf eine wirtschaftliche Zusammen­arbeit zwischen den beidl n Ländern nn Sinne der freundschaftlichen Verständigung, wie sie durch die Erklärung oom 26. Januar ein­geleitet wurde. Durch den Abschluß des vor­liegenden Abkommens wird allerdings mü­der seit 1925 mit abwechselnder Heftigkeit andauernde Wirtschaftskrieg aufgehoben. Dieser Kriegszustand bestand bekanntlich darin, daß aus beiden Seiten die Einsnhr berschiedener Waren durch Kampfzölle oder Verbote verhindert und überdies ans pol-

mjcher Seite der deutsche Zwischenhandel und die deutschen Schiffahrtslinien ans dem polnischen Einfuhrgeschäft ausgeschaltet wur­den. Das Abkommen bedeutet demnach nicht den Abschluß eines regulä­ren Handelsvertrages, da es weder die Meistbegünstigungsklansel nach Zoll- abredeu enthält.

Wie erinnerlich, ist im Jahre 1939 ein Handelsvertrag mit Pvlen znstandegekvm- men, der aber niemals in Kraft gesetzt wurde, weil sich zwischen dem Abschluß »nd seiner Ratifizierung durch Polen die wirt­schaftlichen Verhältnisse, namentlich in Deutschland, derart verschlechtert harten, daß die deutschen Zugeständnisse ans dem Gebiete der polnischen Kohle- und Schweineausfuhr nach Deutschland nicht mehr ansrecht erhal­ten werden konnten. Ta sich die Lage seither in keiner Weise verändert hat. konnte der Abschluß eines Handelsvertrages in dem Ausmaße, wie beispielsweise im Jahre 1930 nvch nicht in Betracht gezogen werden. Durch das jetzige Abkommen wird der zwar be­scheidenere, aber praktisch allein zweckmäßige Weg beschrittcn, um ans dem wirtschaftlichen Kriegszustand etappen­weise zu einem Ausbau der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen zu gelangen. Tie ? r st e E t a p p e b e d e n t c t d i e N o r m a- ! iIi e r u n g. Auf einer durch einen gegen­seitigen Kamp! nicht mehr gestörten und be­lasteten Noimalgrnndlage soll der weitere Ausbau sich vollziehen. In welcher Form und in welchem Ausmaße sich diese Aus­gestaltung der beiderseitigen Wir sts- beziehungen - in Zukunft entwickeln wird, kann im Augenblick natürlich nicht voraus- gesehen werden. Es besteht aber die begrün­dete Aussicht, daß schon das vorliegende Ab­kommen zu einer erheblichen Erweiterung der beiderseitigen Handelsbeziehungen füh- i'en, wird und daß an die Stelle eines fast 10jährigen Kampfes eine für beide Teile aNkliche Zusammenarbeit aus wirtschaft­lichem Gebiet treten wird

Schweres Gruben-WM in Beuchen

11 Bergarbeiter verschüttet

Beuthcn, 7. März.

Auf der K a r st e n - Z e n t r u m - G r u b e ereignete sich am Dienstag abend kurz nach 13 Uhr ein schwerer Gebirgsschlag, wobei zwei Z n h r n n g s st r c cke n zu einem Pfeiler zum Einsturz kamen. Ein Steiger und 10 Bergleute wur­den von der Außenwelt ab- geschnitten. Maßnahmen zur Bergung der Eingeschlossenen wurden sofort ein­geleitet. Die Rettungskolonne hat mit den eingeschlossenen Bergleuten die Hörverbin­dung bereits ausgenommen.

Die Verwaltung der Karsten-Zentrums- Grube gibt über den Nnglückssall folgenden Bericht heraus:

Als Folge einer um 18.05 Uhr erfolgten Erschütterung, die sich auf das ganze ober­schlesische Revier auswirkte, wurden auf der Karsten-Zentrumsgrube zwei Zugangsstrecken zu einem Stollen im Flöz 14 durch Hochpresse der Sohle verschüttet, wodurch ein Steigerstellvertreter und 10 Bergleute ab­geschnitten wurden. Die Rettungsarbeiten setzten sofort ein.

Zurzeit ist mit einem Teil der abgefchnit- tenen Bergleute Verbindung ausgenommen worden.

Die Bergbehörde befindet sich an der Un- sallstelle unid leitet das Rettungswerk.

Z Lote aut -er

KlmtenZkntrumGrube geborgen

Beuchen, 7. März.

Am Mittwoch früh gegen 2 Uhr hatten die Bergungsarbeiten den ersten Erfolg. Tie Rettungsmannschaften stießen nach fieber­hafter Arbeit auf einen Häuer aus Miecho- witz, der jedoch nur als Leiche geborgen wer­den konnte. Mit einem Teil der Verschütteten stehen die Rettungsmannschaften in guter Perbindung.

Gegen V42 Uhr am zwei leitende Beamte

Mittwoch früh sind der Bergbehörde in Breslau in die Grube eingefahren, um die Rettnngsarbeiten zu überwachen.

Im Laufe der Morgenstunden wurden die Bergungsarbeiten nach den 9 noch eingeschlos­senen Bergleuten unter Einsatz aller Kräfte fortgeführt. Es gelang, zwei weitere Ver­unglückte, leider jedoch nur als Tote, aus den Kohlentrümmern freizulegen. Bei den Toten handelt es sich um einen weiteren Fördermann aus Miechowitz und den Steiger­stellvertreter Spallek aus Beuchen. Da­mit sind bisher 3 Tote und 1 Verletzter ge­borgen worden.

Kattowitz, 7. März.

In den Nachmittagsstunden des Diens­tags ereignete sich aus der Giesche- Grube in Ianow ein Gebirgsschlag. Im R i ch t h o f e n - S ch a ch t lösten sin) riesige Kvhlenmasscn und verschütteten vier Bergleute, die in einem Pfeiler arbei­teten. Nach mehrstündigen Rettungsarbeiten konnten die vier Verunglückten le­bend, aber mit schweren Verletzungen g e - borgen werden. Zwei von ihnen liegen hoffnungslos darnieder.

Man vermutet, daß auch dieser Gebirgs­schlag die gleiche Ursache wie auf Karsten- Zentrum in Beuchen hat.

Nach -er Bergung -er ersten Bier

Das schwere Unglück ans der Karsten- Zentrum-Grube, das sich am Dienstag abend infolge einer starken Erderschütterung ereig­nete, ist znr Zeit in seinen Folgen n och nicht abzusehe n. Die ganze Nacht über waren die Rettungsmannschaften bei ihrem schweren Werk. Gegenwärtig ist man bemüht, sich auf zwei Wegen an die Pfeiler- Beleglchast heranznarbeiten. Diese Ar­beiten sind sehr schwierig und zeitraubend, lieber das Schicksal der

I noch Eingeschtvsscnen kann nn Augenblick « Bestimmtes nicht gesagt werden.

, Zn dem Hergang des Unglücks erfahren i wir folgende Einzelheiten: Am Dienstag gegen 18.10 Uhr wurde das Benthener Berg- reiner von einem außerordentlich heftigen Erdstoß hcimgesucht, der auf der Grube Karsten-Zentrum und den Nach­bargruben besonders stark verspürt wurde. Ans Karsten-Zentrum wurden im Flöz 14 die Sohlen von 250 Meter von einander ent­fernt liegenden gleichlaufenden Strecken emporgedrnckt. Ans den Nachbargruben wurde größerer «schaden, wie bisher bekannt geworden ist, nicht angerichtet. Tie anderen Grüben um Gleiwitz und Hinden- burg und im ostoberschlesischen Bergrevier blieben ohne Schaden.

Wie wir von fachmännischer Seite erfah­ren. handelt es sich bei dem gewaltigen Erd­stoß um ein tektonisches Beben, wie sie im oberschlesischen Berg- revier nicht selten sind. Die Erdstöße, die erdbebenähnlichen Charakter haben, tre­ten von Zeit zu Zeit aus und erreichen be­sonders im Gebiet der Stadt Beuchen die stärkste Auswirkung. Abgesehen von den Erdbewegungen, die infolge des tektonischen Aufbaues des Untergrudes des ober schlesi­schen Bergbaureviers durch den Berg­bau selbst künstlich hervorgern- sen werden, hat dieses Revier noch mit zu­sätzlichen Druckspannungen in der Erdrinde zu rechnen. Diese Eigenart des Reviers hat bisher eine wissenschaftliche Klärung noch nicht erfahren

öckon 1SM . . .

Bereits im Januar 1932 wurde die Kar- sten-Zentrnm-Grnbe von einem solchen tek­tonischen Beben hart betroffen. Damals wurden 14 Bergleute von der Außenwelt abge schnitte n. Erst nach 144 Stunden aufopfernder Arbeit, als man bereits alle Hoffnungen ans Bergung der Verunglückten ausgegeben hatte, konnten die Bergungsmarmschästen zur Unglücksstelle Vordringen und noch 7 Bergleute lebend bergen. Ganz Deutschland erlebte damals den heroischen Kampf der Rettungsmann­schaften mit und dankte ihnen mit zahl­reichen Ehrenbeweisen. Der am Dienstag aift dem Schlachtfeld der Arbeit gefallene Stei- gerstelldertreter Spallek, der in der ver­gangenen Nacht geborgen wurde, war an den Rettungsarbeiten im Jahre 1932 her­vorragend beteiligt und wurde seinerzeit mit der Rettungsmedaille ausgezeichnet.

Noch keine weitere Bergung

Ans den Fördertürmen der Grube Karste« Zentrum wehen seit Mittwoch mittag die Fahnen auf Halbmast. Sonst deutet nicht? im äußeren Bild der Schachtanlagen darauf hin, daß in fast 800 Meter Tiefe tapfere Berg­leute mit den äußersten Kräften um das Leben von 7 Arbeitskameraden ringen. Werden iie noch am Leben sein? Diese bange Frage liegt auf den Gesichtern der ein- und ansfahrenden Bergleute und derer, die über Tage ihrer Arbeit nachgehen. Die Grubenverwaltnna kann ank jede Frage s nur immer die unbestimmte Antwort er- ! teilen: Wir wissen nichts. Die Net- > tungsmannschaiten tun ihr Mentchenmög- ! lichstes. Kolonnen gehen nun von zwei Sei- ! ten der zu Bruch gegangenen Strecke zu Leibe. Wann sie an die Nnglücksstelle ge- j langen werden, ist nicht voransnisehen.

! Wenn nicht unvorhergesehene Schwierig- I leiten anstreten, ist mit einem Erwlge im Laufe des späten Abends zu rechnen.

Zm Nebel verirrt UN- tS-W Bgejtürzt

Arosa, 7. März.

Zwei Fremde, die die Gegend nicht kann­ten, machten von Arosa auS einen Schi- Ausflug. Sie gerieten am steilen Hang des Ur dentales in dichten Nebel. Der eine fuhr über eine Schneewächte hinaus und stürzte etwa 200 Meter auf den llrdenweg ab und blieb tot liegen. Eine Rettungskolonne konnte wegen Nebel und Schneetreiben erst am anderen Tage die Leiche bergen. E? handelt sich um den 32jährigen JnaenieuU Fla dt aus Duisburg. d