Dienstag, 13. Februar 1934

108. Jahrgang

Nr. 36

er GeseUschatter

Bezugspreise: In der Stadt bem. durch Agenten monatl. AMI. 150' durch die Post monatlich RMt. 1.40 einschl.

iSpfg-Sesörderungs-GebüIir ,nzaglich3bpfg.Zust°llgebühr Einzelnummer 10 pfg. Bei hkderer Gewalt besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder auf Rückzah­lung des Bezugspreises. -

-lationalfoziaiiftifche Tageszeitung

Alleiniges Amisblaii für sämtliche Behörden in Stadt und Oberamtsbezirk Nagold

Beilagen: Pflug und Scholle - Der deutsche Arbeiter Bilder vom Tag- . Die deutsche Glocke > Hitlerjugend

Die deutsche Krau > Das deutsche Mädel - Brunnenstube Schwabenland > Heimatland - - Sport vom Sonntag

! Telegramm. Adresse:Gesellschafter" Nagold // Gegr. 482lI j Fernsprecher GA. 429 / Marktstraße 14 / Schließfach ZZ >

Postscheckkonto: Stuttgart Nr. 40086 / Girokonto: Oberamtssparkoste Nagold 882 > Bei gerichtl. Beitreibung, Konkursen usw. gelten die Bruttopreise

Anzeigeupreise: vte ispatt

Mllimeter-Zeile oder brr»» Raum 6 pfg^Famtlün-, Doe- eins-Anz. u. Stellenges. s psg. Rekl. 48 pfg., Sammel-Aizz. soo/o Aufschlag. - Für bas de- scheinen von Anz. in bestimmt. Ausgaben und an besonderen Plätzen, wie für telef.Aufträge und Chiffre - Anzeigen wird keine Gewähr übernommen.

Blutiger Aufruhr gegeu die Heimwehr!

Stratzenkämpfe in Linz und Wien Verhängung des Standrechtes Generalstreik Wien ohne Licht nnd Gas

Bewegung isi das Militär nnd die Polizei

ek. Wien, 12. Febr., In Lesterreich ist es : Montag zn einein dlniigen Ausstaud gegeu ^ die iZeimwehrdiktatnr getoinmen. Tos Ver- ^ langen der Hcimwehr nach Auflösung der j sozialdemokratischen Partei hat in den Ar- bciterkreisen - - nicht in der obersten Pariei- sührmig selbst unerhörte Erregung her- dorgernien.

Als Montag früh Polizei in, Parteihaus der Tozialdeinoiraten in Linz a. d. D.. im Hotel..Schiss" erschien, mn eine Wasfensnche vorzmichmen, innrde vom P arteihans ans mit s ch a r fen 2 ch ü sscn g e a n t- ivortet. Tie Polizei mußte sich zurück­ziehen und Verstärkungen herbeiholen. Als diese eingetrossen ivar. ivnrde erneut die Herausgabe der Massen verlangt, doch ant­wortete die Besatzung des Hauses aber- m als ni i t s eh a r f e n 2 ch n s s e n.

Nunmehr ivnrden zivei Kompanieii Alpen­jäger. die mit M a s ch i n e n ge >ve h r e n u n d H a n d g r a nate n ausgerüstet wur­den, eingesetzt. Polizei und Militär besetzte die umliegenden Häuser nnd eröffnete das Feuer ani das Varteihans. von dein ans das Feuer mit Handgranaten erwidert wurde. Gegen mittag setzten die eingesetzten Streit­kräfte zum stürme an nnd eroberten das Gebäude. Nach einer amtlichen Mitteilung ivnrden ein W a ch b e a m t e r getötet und mehrere Wachbeamte nnd Soldaten verletzt. Die Verteidiger des Ge­bäudes wurden verhaftet.

Im Laufe des Vormittags kam es zu zahl­reichen Zusammenstößen zwischen Arbeitern nnd Exekutive auch in den übrigen Stadt­teilen. so daß sich regelrechte Stra­ßen! ä m p f e entwickelten. Auf dem Freien Berge oberhalb der Stadt haben sich die So­zialdemokraten verschanzt und leisten hef­tigen Widerstand.

lieber Lin^ ivnrde das Standrecht verhängt. Tie Arbeiter der Städt. Elektrizi­tätswerke sind in Streik getreten. Alle Haus- tvre müssen um 19 Uhr geschlossen werden, ebenso alle Gastwirtschaften. Tie Polizei hat Auftrag, beim geringsten Widerstand von der Waffe Gebrauch zn machen.

GeimMmk in Wien

Die Nachricht vom bewaffneten Widerstand der Arbeiter in Linz traf im Laufe der Früh- üiinden in Wien ein. Während noch der Lei­ter des Sicherheitswesens, Vizekanzler F e v. dem Bundeskanzler berichtete, brach in Wien der Generalstreik aus. Um 12 Uhr legte die gesamte Arbeiterschaft in Wien die Arbeit nieder. Die Straßen­bahnen, das Gas- und Elektrizi­tätswerk, der F e r n s P r e ch b e t r i e b wurden ei n gestell t. Die Polizei mußte Zur Aufrechterhaltnng ihres Fernsprech­dienstes eigene S t r o m m a s ch i n e n in Betrieb setzen.

Die sozialdemokratische Parteiführung Hai nach dem Losbrechen des Widerstandes einen Ausruf gegen diefaschistischen Verfassungs­brecher" der Heimwehr erlassen.

In der Stadt sind Unruhen aus­gebrochen. Ein bewaffneter Demonstra­tionszug tötete einen Polizei- I ns p e k t o r, der dem Zug entgegenzutreten versuchte. In den äußeren Bezirken ist es zu mehreren blutigen Zusammenstößen ge- kommen.

Die Polizei wurde in Alarmzustand versetzt. Mit Stahlhelmen und Karabinern ausgerüstete Polizeiabteilungen und Militär durchziehen die Stadt. Die Zeitun gs- setzer haben sich dem Streik äu­ge s ch l o s s e n.

Auch über Wien wurde das Stand- rechtver hängt und Haustor- und Gast­haussperre ab 20 Uhr verfügt.

I" den Nachmittagsstunden wurden alle öffentlichen Gebäude von Polizei besetzt und Ml weiten Umkreis abgesperrt. Die sozial­demokratischen Parteihäuser wurden ebenfalls von Polizei ^setzt. Zahlreiche Streikposten wurden verhaftet.

In einigen Stadtteilen konnte der Betrieb der Elektrizitätswerke aufrechterhalten werden.

Am Nachmittag trat im Heeresmimsterium ein Ministerrat zusammen, der vermutlich das Verbot der Sozialdemokratischen Partei und umfassende Sicherheitsmaßnahmen be- ! schließen wird.

Tie Regierung soll eine großangelegte Aktion gegen das Wiener Rathaus, die Hoch­burg und das Symbol des österreichischen Sozialismus, vorbereiten.

Man erwartet allgemein, daß die Regie­rung jetzt zum Verbot oder zur A n f - l ö s u n g der S v z i a l d e in o k r a t i s ch e n Partei schreitet.

Die Stadt bietet einen durchaus kriegeri­schen Eindruck. Die großen Straßenzüge sind mit spanischen Reitern versperrt. lieberall Patrouilliert Militär und Polizei mit aus- . gepflanztem Seitengewehr. Zeitungen sind ! am Montag abend nicht mehr erschienen. Ans i der Provinz treffen keinerlei Meldungen ein, da der lokale Telephonverkehr vollständig gesperrt ist. Am Polizeipräsidium wurden gegen 17 Uhr Maschinengewehre in Stellung gebracht.

Die Wache des seit mittag besetzten sozial­demokratischen Parteihauses, das gleichzeitig Sitz des republikanischen Schutzbundsekre- , tariates ist, Ivnrde am Nachmittag weiter j verstärkt und gleichfalls mit Maschinenge- i wehren ausgerüstet. Dagegen sind die Ar- ^ beiterheime in den verschiedenen Bezirken : bisher nicht besetzt worden. Die Arbeiter j haben sich in den Heimen verbarrikadiert.

: Wie verlautet, sind Betriebsräte großer Jn- dustriewerke verhaftet worden. Nach einigen sozialdemokratischen Nationalräten wird ge­sucht.

Die Stromversorgung durch die Ueber- landleitung ist in einzelnen Stadtteilen wie­der in Gang gesetzt worden. Dagegen ruht der lokale Telephonverkehr vollständig, so daß gegenwärtig nur Anrufe vom Auslände her möglich sind. Der Straßenbahnverkehr ruht vollständig. In den Nachmittagsstmiden ist auch der städtische Antobnsverkehr ein­gestellt worden.

Zu größeren Zwischenfällen ist es bisher nicht gekommen. Von einem Arbeiterhans aus wurden Schüsse aus die Polizei abge­geben. Tie Täter konnten ohne Widerstand verhaftet werden.

Das Wiener Rathaus kampflos besetzt

Das Wiener Nathans ist in den Abend­stunden von einem größeren Aufgebot von Truppen, Polizei und Gendarmerie besetzt worden, ohne daß von sozialdemokratischer Seite ein ernsthafter Widerstand geleistet wurde. Hierbei ist eine Reihe von sozialdemo­kratischen Beamten, die nach einer amtlichen Erklärung in offenkundigem Zusammenhang mit den gegenwärtigen Gewalttätigkeiten stan­den, verhaftet worden. Ebenso ist der Vize­bürgermeister der Stadt Wien, Emmerling, der Leiter der gesamten städtischen Betriebe, in den Abendstunden verhaftet worden.

Minimum an den Wiener Bürgermeister

Die Lage spitzt sich hier immer mehr ans den endgültigen großen Schlag der Regie­rung gegen die sozialdemokratische Partei­leitung zn. Durch die eben erfolgte Besetzung des 'Rathauses ist nunmehr die Zentrale der österreichischen Sozialdemokratie in den Hän­den der Regierung.

Die Negierung beabsichtigt, wie verlautet, dem sozialdemokratischen Bürgermeister von Wien, Seitz, ein Ultimatum zn stellen, ent­weder freiwillig zurückzutreten und die Macht sofort der Regierung zu übergeben, andern­falls er der Gewalt werde weichen müssen. Weiter soll nach der Besetzung des Rathauses ein Negierungskommissar für Wien ernannt werden.

Aeußerst strenge Absperrnngsmaßnahmen sind in der ganzen Stadt mit einem riesigen Aufgebot von Polizei und Militär, Maschinen- gewchren und Drahtverhauen durchgeführt worden. Die Stadt macht einen ausgestvrbe-

neu Eindruck, Die aus den Schienen stehenden, oon der Mannschaft verlassenen Straßenbahn- vagen sind in den Abendstunden von der Poli­zei mit Kraft wagen abgeschleppt worden. In den Straßen ist die Polizeikontrolle außer­gewöhnlich scharf. Alle verdächtigen Personen werden durchsucht. In den Hauptstraßen ist wer Personenverkehr vollständig gesperrt. Die Theater- und Kinovorstellungen sind aus­nahmslos abgesagt worden. Alle Restaurants nüssen bis 8 Uhr abends geschlossen sein. In der Stadt herrscht vollständige Ruhe, jedoch ist es in den einzelnen äußeren Arbeiter­bezirken zu heftigen Zusammenstößen zwischen der Polizei und Arbeitern gekommen, bei denen von Arbeiterseite Maschinengewehre verwendet worden sind. Die Polizeiaktion in den äußeren Stadtvierteln ist bisher noch nicht zum Abschluß gelangt.

Artillerie ln Linz eingefetzt

Der Sicherheitsdirektor von Oberösterreich erläßt eine amtliche Mitteilung, nach der bei dem Sturm ans das Parteihaus in Linz 40 Personen gefangen genommen wurden und Maschinengewehre, sowie Sprengkörper beschlagnahmt wurden. Die sozialdemokra­tische Besatzung des Parkbades ergab sich auf die Drohung der Einsetzung von Artillerie hin. Ausslackernder Widerstand an verschie­denen Stellen wurde mit Gewalt gebrochen.

Gegen eine Schule, die zurzeit noch von Sozialdemokraten besetzt ist, ist eine größere Aktion im Gange, bei der Artillerie eingesetzt worden ist.

Um 18 Uhr ist die glühe in Linz im gro­ßen hergestellt worden. An einzelnen Punk­ten sind jedoch Zusammenrottungen noch im Ganae. Trotz der starken Ausbreituna der

Paris, 12. Febr. Durch den Generalstreik, der am Montag begonnen wurde, ist Paris gewissermaßen von der Außenwelt abge­schnitten. Das Fernamt stellt keine Verbin­dungen her. Die Telegrammannahme ist ge­schlossen. Militär mit aufgepflanztem Seiten­gewehr bewacht die Postämter. Innerhalb oon Paris ist der Telephonverkehr nur zum Teil in Betrieb.

Ter Verkehr der Autobusse und der Unter­grundbahnen wird nur in beschränktem Um­fang durchgeführt. Tank der technischen Not­hilfe ist die V e r s o r g u u g derStadt m i t G a s, W a s s e r u u d E l e k t r i z i t ä r einstweilen gesichert. Ter Eisenbahnverkehr wickelt sich normal ab. Es gab am Vormittag nur eine kurze Protestpause auf den Bahnen. Vor den großen Arbeitsstätten stehen überall Streikposten: sie werden jedoch durch Polizeistreifen scharf überwacht. Die Laden­geschäfte waren am Vormittag znm größten Teil geöffnet.

Von leichteren Zusammenstößen in Pariser Vororten abgesehen, wo polizeiliche Verstär­kungen eingreisen mußten, ist, soweit bekannt der Streik r uhig verlausen.

Generalsekretär I onhaux erwartet eine Ausdehnung des Streikes. Der Autobnsver- kehr in Paris und in den Vororten ist ein­gestellt. Massenkundgebungen in M a r - ieille nnd Bordeaux sind ruhig ver­laufen.

In der Marseiller Schwefelrassinerie ist ein Großfeuer ausgebrochen, das wegen Wassermangel schwer zu bekämpfen ist. Der Schaden beläuft sich auf drei Millionen Franken. Seine Entstehung dürfte auf einen Bombenanschlag zurückzuführen sein.

ssl. Paris, 12. Febr. Paris im Zeichen deS Generalstreiks! Eigentlich war man am Morgen enttäuscht, als man die Straße be­trat: Mit Ausnahme des Fehlens der Zei­tungen nur die .Action Fran^aise" war erschienen hatte sich das Straßenbild kaum verändert.

nach wie vor Herr der Lage und konnte bis­her den Widerstand brechen.

Eine weitere amtliche Mitteilung aus Lin- besagt, daß der Widerstand der Sozialdemo­kraten jetzt im großen als zusammengebro­chen angesehen werden könne; jedoch wird aus Linz berichtet, daß bewaffnete Sozial­demokraten sich noch immer an einzelnen Stellen der Stadt, am Gaswerk und an der Neuen Brücke, hakten, und daß das Feuer auch an den Stellen, wo die Polizei die Ord­nung hergestellt habe, immer wieder auf­sflackere. Tie Lage in Linz wird daher noch nicht als endgültig geklärt beurteilt. Nähere Angaben über die Verluste an Toten und Verwundeten auf beiden Seiten liegen bis­her noch nicht vor. Weiter wird von Regie­rungsseite erklärt, daß die meisten in Linz und Oberösterreich von den Sozialdemokra­ten besetzten Plätze jetzt von den Truppen und der Polizei genommen worden seien. In Ttehr ist es gleichfalls zu heftigen Zusam­menstößen zwischen Schutzbündlern und Poli- zei gekommen. Tie herangezogene militärisch« Verstärkung ist im Begriff, die Ruhe wieder herzustellen.

Weitere Gewalttätigkeiten sozialdemokra­tischer Parteigänger werden aus Bruck a, d. Mur und Eggenberg gemeldet. Auch hier wurde Militär eingesetzt. In den übrige» Bundesländern herrscht Ruhe. Die Negierung erklärt, daß der Bahn- und Telephonverkehr normal funktioniert und daß die Regierung im gesamten Bundesgebiet Herr der Lage sei und fest entschlossen ist, alle verbrecheri­schen Anschläge auf die Ruhe und Ordnung mit den schärfsten Mitteln zu nichte zu machen.

Tie erste» Z w i s ch e n s ü l l e gab es beim Verkauf derAetion Fraritzaise", der von Streikposten zu verhindern versucht wurde. Militär war nur wenig zu sehen, da die Truppen in den Kasernen bereitgehakten wurden. Elektrizitätswerk, Gas- und Wasser­werke funktionierten normal, in den Mor­genstunden konnte man sogar noch telefo- ! nieren. Erst allmählich wurde der Fernsprech­betrieb eingestellt.

In den Vormittagsstunden war dann Paris durch die völlige Einstellung deS Fernsprech-, Telegramm- und BriefverkehrS von der Außenwelt völlig ab­geschnitten. Militär übernahm die Be­wachung der Postämter. Autobusse und Untergrundbahnen verkehrten nur in großen Abständen, hingegen war der Eisenbahnver­kehr normal.

Wegen Behinderung Arbeitswilliger wur­den 367 Streikposten verhaftet.

In der Provinz wurde der Generalstreik zu etwa 60 v. H. durchgeführt. In Bou- logne-sur-Mer kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Polizei und kom­munistischen Demonstranten, die 11 Verhaf­tete zu befreien versuchten.

In Marseille explodierte vor einer Kirche eine Bombe, die die umliegenden Gebäude beschädigte. In der Marseiller Schwefelrassinerie ist ein G r o ß f e u e r aus- gebrochen, das wegen des Wassermangels schwer zu bekämpfen war. Es dürfte infolge des Bombenanschlags ausgebrochen sein. Der Schaden beträgt 3 Millionen Franken.

Im Pariser Vorort Lhaville ist ei» Mann bei Zusammenstößen mit der Polizei auf der Barrikade getötet worden.

Vaul-Nomom bleibt Bölkerbundsvertret«

Außenminister Barthou erklärte Pressever- tretern, daß Paul-Boncour auch wei­terhin Führer der französischen Abordnung beim Völkerbund bleibe.

Zer Gkllttchreik in Frankreich

Paris von der Außenwelt abgeschnitten - Ruhiger Verlauf des Streikes