Der Gesellschafter
Samstag, den 1v. Februar 19S1.
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Eonderbeilage der NS.-Presst Württemberg
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Aarri-Narro, Elzacher Fastnacht
Von Hermann Eris Busse
Am Sinn der Fastnacht wird viel Herumgerätselt. Der Mummenschanz ging unbedingt aus Menschenfurcht vor den Naturgewalten hervor, er war stets ein wildes Spiel gegen den Tod. ein Zauber gegen böse Bernichtungsgeister, indem man ihre schrecklichen Gestalten nachzuahmen und sie damit zu verscheuchen suchte aus dem nun dem Winter entwachsenden Tag. Auf der Schwelle der Jahreszeiten bekämpfen sich Tod und Leben. Und die Menschen, deren Sinn noch «nicht durch Großstadtleben und Landschasts- »erne abgestumpft ist, die bodennah und na- turgebiiuden leben, wie es am Oberrhein, diesem Bauernland und Land der kleinen Städte noch möglich ist. sie beunruhigt noch der Nrsiun der Fastnacht. Die Zeit hat natürlich das ihre dazu getan, indem sie die verborgene Völkererinnerung überdeckte mit vielen anderen Zutaten und Deutungen, so daß man kaum den Ursprung des Brauchs wiederfindet.
Das Gefühl des Ursprünglichen mit allem augenblicklich Schreckenden, das Gefühl des Mythischen fällt uns am wildesten an bei der Fastnachtsseier in Elza ch.
Elz ach liegt im schönen Breisgau, im Tal der Elz, des hurtigen Schwarzwaldkindes und ist ein kleines heimeliges Städtchen bäuerlichen Ansehens mit gutem Handwerkerstand und etwas Industrie. Alljährlich an der Fastnacht geht eine Freude um. und vb- ichou von der ganzen Umgegend die Zuschauer hcrbeiströmen, vom Schwarzwald herunter und aus den Tälern die Bauern, aus Freiburg, Offenburg und Eminendingcn und noch weiter her die Städter, wird dem Elzacher Schuddig nichts von seinem eingeborenen Wildenmanuswesen genommen Da sausen die brüllenden Kerle durch die Gassen und Straßen mit großen Narrensprüngen. Feuerrot ist das "Narrengewand und zottlig wie ein Bärenfell. Auf dem Kopf tragen sie einen merkwürdigen Hut, einen Dreispitz aus Stroh, an dem Schneckenhäus- chen in Reihen befestigt sind, die bei jedem Schritt aneinanderklirren. Der Hut hat Gewicht. Auf den drei Spitzen sitzen dicke Woll- vder Papierrosen. Eine schwere, handgeschnitzte Holzmaske wird seitlich am Hut mit Lederriemen festgeschnallt. Ein grünes Filztuch deckt die Lücke zwischen Brust uud Maske so daß es unmöglich ist, den Träger eines Schuddingkostüms zu erkennen. Es gibt einen Maskenschnitzer in der Stadt, der ein echter Volkskünstler ist: aber viele der Schnd- dignarren schnitzen sich ihre Masken selber.
Sw legen sich einen Vorrat an, sie tauschen mit anderen aus. Es gibt sehr alte Masken darunter, vom Urahn vererbt, so die aus einem Aststück geschnitzten „Langnasen". Sie haben je nach ihrem Ausdruck Namen. Die Bärenlarve heißt das „Bärengfriß", eine Larve, die den Tod vorstellt, das „Totengfriß", eine lächelnde glatte Larve heißt das „Mundle". eine überaus häßliche Schrcck- maske die „Lütsch". Eines gilt: die verzerrten, abschreckenden, dämonischen Masken sind besonders bevorzugt.
Am Fastnachtsmontag früh um's Morgengrauen eilen die roten Schüddig — vor dem Betzeitlänten hängt die Maske auf der Brust — mit ihrem charakteristischen Knurren aus
ler Winter mit viel Nebel überm grauen See vergeht, die Kurgäste kommen erst im Sommer wieder, Strandpromenaden und Kurpark sind verödet. Der Ueberlinger Bürger trinkt geruhsam seine Schoppen, die wunderschöne alte Stadt ums Münster her traumelt dem Frühling entgegen, der sich hier im Nizza des Bodensees früh zeigt. Da plötzlich, wenn es gegen den „schmotzige Dnnschtig" zugeht, dem Auftakt der Fastnacht, rumort's aus allen Plätzen. Eigentümlicher Lärm hallt durch die Stadt, er kommt von den Uebungs- Plätzen der K a r b a t s ch e n k n a l l e r her. Auf die Fastnacht muß das laufen, und es ist keine kleine Kunst, es kostet ordentlich Muskelschmalz, diese riesige Peitsche (4 Meter) am kurzen Stiel so schwingen zu können, daß sie ein Trommelfeuer von Knallen losläßt, ohne den Schwinger selbst empfindlich zu zwicken. Wie dem Elzacher Schüddig der Far- renschwanz, dem Villinger Narro das Schwert, so gehört dem Ueberlinger Hänsele
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Elzacher Schiittig, die berühmte Elzacher Narre»- sigur
Erwin Kr» m m
Laganruicn bei der Elzacher Fastnacht
den Häusern auf die Ladstatt vor dem Städtchen. Es ist unheimlich: dunkel, neblig, kalt. Gesprochen wird kaum. Die Tagaurufer kommen: Männer mit hohen spitzen Hüten, wie sie die Zauberer im Märchen tragen, mit schwarzen Brillenmasken vor den Augen, in weißen mit bunten Bändern benähten Kitteln steckend, bei ihnen der alte Nachtwächter mit der alten Laterne und sein Hexenhaftes Weib. Eine ungeheure Spannung erfüllt die Männer, drunten harrt ihrer das ganze Städtchen. Das Narrcnbuch, großmächtig, wird sorgsam behütet, ein Mat- tendatscher wird mitgeführt, um später als Lesepult für das Buch zu dienen. Die Taganrufer tragen zuweilen Fackeln. Jetzt läu- tet's Betzeit. Kanin verhallt der letzte Ton, nesteln die Schüddig die Masken vor's Gesicht, fassen die Farreuschwänze fester, an deren Ende eine Schweinsblase sitzt, und nun beginnt das halb gefürchtete, halb mit Spannung von der ganzen Stadt erwartete Taganrufen. Ter Nachtwächter singt monoton sein altertümliches, recht derbes Lied. Man zieht vor bestimmte Häuser, .und der Wächter liest aus dem Narrenbuch die gereimte „chronique scandaleuse" des vergangenen Jahres vor. Da kommen oft Peinliche Ereignisse an den Tag, man nimmt kein Blatt vor den Mund. Jede Feststellung begleiten die roten Teufel, die Schüddig. mit unnachahmlichem Geknurr (den Schuddigbrüll lernt nur, wer ihn von zarter Jugend auf als „Narrensamen" übt) und mit rhythmifchem Schlagen der Schweiusblasen aus den Boden. In den Tagen bis zum Aschermittwoch morgen ist dann das nun entspannte und gewissermaßen von unliebsamen Geheimnissen gereinigte Städtchen einem riesigen Bienenschwarm gleich in surrender, lodernder, wilder,, leidenschaftlicher Bewegung. Arm und reich, alt und jung beteiligt sich am Narrenlaufen. Die Lust übcrtäubt alle Sorgen und Aengste. Es ist wahrhaft ein dämonisches Spiel wider den Tod. Am Aschermittwoch tritt dann die fromme SEW der Fastenzeit ein. Die Fahne der Narrcnzunft. die zu Beginn der Fastnacht feierlich aus dem Rathaus gehängt wurde, verschwindet wieder auf ein Jährlein.
Die dritte berühmte badische Narrenstadt ist lieber lingen am Bodensee. Ein stil-
Erwin Krumm
die Karbatsche zu. Das Schnellen muß von Jugend auf geübt sein.
Ter Ueberlinger Hänsele sieht elegant aus in seinem Plätzlehäs aus bunten Tuchfransen: das vornehme Schwarz herrscht vor. Die Tracht wirkt ästhetisch schön durch ihre Einheitlichkeit, sie erscheint vom Fußknöchel bis zum Scheitel wie aus einem Stück geschaffen, verhüllt den Kopf vollkommen. Eigentümlich ist die Nase, sie besteht aus einem langen, schwarzsamtenen Rüssel. Als Kopfschmuck trägt er den Fuchsschwanz, wie ihn auch der Villinger Narro hat. Mit Glöckchen und Flitter ist das Gewand reich besät.
Tie eigentliche Fastnacht beginnt hier wic auch an manchen anderen Orten mit dem Narrcnbaumsetzen am schmutzigen Donnerstag. Fett heißt auf alemannisch Schmutz. Man backt in diesen Tagen fast überall die Küchle im Schmutz für die festlichen Tage. Das Setzen der überhaushohcn geschälten Tanne auf dem Marktplatz wird sehr umständlich. nach echter Schildbürgerart vorgenommen. Ehrenwerte, alteingesessene Männer, die in normalen Zeiten dem Stadtrat angehören, fungieren als Narreneltern. Die Narrenmutter ist auch männlichen Geschlechts. Sie geht oder fährt würdig daher in der alten Ueberlinger Tracht, die mächtige Radhaube, ähnlich wie die der Villinger Bürgerin, schmückt ihr Haupt. Sie lehrt mit dem Narrenvater den Narrensamen (die jungen Ueberlinger) närrische Jucht und Sitte und sorgt dafür, daß die Kinder mit Brezeln und Würsten reich beschenkt werden. Selten noch wird an der Ueberlinger Fastnacht der alte kriegerische Schwertlestanz Vvrgeführt.
Der Narrenlauf vieler Hänselegruppen durch die engen Seegasieu hat etwas unbeschreiblich Reizvolles. Trifft man Bekannte, so wird geschnurrt oder gehechelt, noch eine Spur spöttischer, witziger und zungenfertiger, als dies der Villinger kan», der „strählt". Immer toller wird Leben und Treiben, die ganze Stadt surrt, summt, lacht, tanzt, trinkt, die Straßen dröhnen, die Plätze sind erfüllt von Karbatschenknall. Am Aschermittwoch ist der Spuk auch hier vorbei. Man geht um 1l Uhr mit müden Knien, aber angenehm ansgetobt zum traditionellen Schnek- kenessen. Und dann wird's wieder still ein
Weilchen, bis der erste Frühliugsdampfer die österlichen Kurgäste bringt.
In all den Narrenstädten mit historischem Treiben, es kommen noch Stockach, Tonau- eschingen, Hüfingen, Laufenburg, Oberndorf, Nottweil dazu, bestehen die Narrenzünfte mit strengen, närrischen Gesetzen und Ehrengerichten. Ein mißliebiger wird nicht gern gesehen im Hänselekleid; auch Frauen, als Hänsele verkleidet, müssen mit sehr derber Demaskierung rechnen. Da wehrt sich ein uraltes, männliches Recht dagegen, den» es ist nicht von der Hand zu weisen, daß gerade in der dämonischen Elzacher Fastnacht der Schüddig ein echter Nachfahr der wilden Männer ist. die mit ihrem merkwürdigen Brüllen und ihren Schreckmaskeu aus dem Wes- des Fruchtbarkeitszaubers überliefert sind.
Wic dem auch sei, solche Fastnachlfeicru am Oberrhein, vorab im alemannischen Gebiet, sind nicht allein für de» harmlofrn Zuschauer ein Erlebnis, Volkstumssorscher und Künstler spüren hier weit Urigeres heraus, sie ahnen das Elementare der Menschhcits- erlebnisse überhaupt. Sie sind von Grund auf anders als die heutigen Faschingsfeiern und der Karneval gewisser deutscher und italienischer Städte.
Das Bräuteln ln Sigmarmgen
Von N. B u in i l l e r s
Fastnacht m Sigmarmgen!
Jetzt nähert sich die Musik: Sie kommen! Die Menge verdoppelt sich — alle Fenster am Marktplatz sind besetzt, Kopf an Kopf, von Basen. Onkeln und Tanten und von wildfremden Menschen, die sich heute zu den guten Bekannten rechnen. Ein Vorreiter mit der Stadtfahne erscheint, auf der Hinterhand dreht er seinen rassigen Gaul nach rechts und nach links, um dem folgenden Zuge den Weg zu bahnen. Kreischend weicht die Menge. Kinder schreien und nun hebt ein Drängen an. daß keine Brezel mehr zu Boden fallen kann. Die Bräutlingsgcfellen rücken in den Kreis, der um den Markt- brunnen sreigehalten ist. — An dem Ohr meines Vordermannes vorbei sehe ich junge Burschen, hemdärmelig, mit roten Hosenträgern und dunklen langen Hosen. Sie tragen die Bräutlingsfahne und vor ihnen tanzt ein Bräutlingsgeselle in eleganten Sprüngen eine Art Hopswalzer, der von einer eigenartigen Musik begleitet ist. Dideldi — Todcldo, — Dideldi — Tvdeldo! locken die Ouerpfeifer im langsamen Walzertakt einer Primitiven Weise, die nur bei diesem
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Waldshutcr Narr (Aus „Badische Heimat')
feierlichen Akt zu hören ist. Auf der Schulten trägt der springende Bräutlingsgeselle di« schwarzweiß geringelte drei Nieter lang« Bräutlingsstange, die in der Mitte mit einen Lederpolster ausgestattet ist. Hinter ihn folgen die übrigen Bräutler, junge ledig« Leute von Sigmaringen, in derselben Trach« mit dem Bräutlingsbuch, in dem all« Bräutlinge, d. h. alle diejenigen Ehemännei von Sigmaringen ausgezeichnet sind, di« sich im verflossenen Jahre verheiratet haben Diese Bräutlinge folgen teils im Zuge — kostümiert und maskiert, — teils stehen s« unter dem Nathausbogen bei den gefüllter Körben bereit. Den Schluß des Zuges bilde!
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