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Der Gesellschafter
Samstag, den 10. Februar IW
das würdige Stadtoberhaupt mit seinen» eifrigen Büttel und dem bebrillten Secre- tarius mit dem Narrenbuch.
Die Festwagen fahren in die Mündungen der Seitenstraßen und schließen so den Platz nach allen Seiten ab.
Und nun beginnt daS eigentliche Bräu- teln. Der erste Ehemann wird von sehnigen Bräutlingsgesellen auf das Sitzpolster der Stange gehoben, so daß er reitend ans der Stange sitzt, die nun zwei kräftige Gesellen schultern: zwei andere Gesellen stützen ihn rechts und links an den Beinen; sein Answers-Korb wird ihm gereicht, und nnn gehts unter: Dideldi — Tvdeldv um den Brunnen, wobei ihn springende Masken begleiten. Ter Jubel der Menge setzt ein. Der Bräntling wirft seine Brezel in elegantem Bogen unter die Zuschauer, in die Fenster der benachbarten Häuscrgiebel und in die gierigen Hände der herandrängenden Jugend. Brötchen. Orangen, Berliner Pfannkuchen und Würstchen folgen — die Musikkapelle spielt und die Menge, die von dem eigenartigen Za ber dieses uralten Brauchs ergriffen ist, singt:
„Freut euch deS Lebens
W Timcringer Modle Hand Peterle a.
Aeltcs ischt vergebe»?
Kvme kriegt kviu Mn."
„Und wenn sie die Peterle mit Lgitze» garnieret, Und wenn sie die Preußen am 'Arm nmifüiuet, Aelles ischt vergebens, kvine kriegt kviu Ma." —
Die Gesichter strahlen, und alte Erinnerungen steigen bei denen auf. die vor Jahren, vor Jahrzehnten auch um den Brunnen gesprungen sind. — Der Bräutling reckt den Hals — und nnn fliegt in kühnem Bogen, wohl gezielt, eine Brezel nach den Fenstern des Pfarrgiebels, wo der Hof sich eingefunden hat — ein schallendes Hallo — und geschickte Hände haben die spende für die kleinen Prinzessinnen aufgefangen.
Bräutlmg folgt nun auf Bräutling und gar mancher weiße Hemdkragen hat unter dem Querschläger eines saftigen Saitenwürstleins oder eines fetten Berliners gelitten.
Und so ziehen — Jahr um Jahr heute noch — mag es regnen, mag es schneien, mag bitterer Frost die Straßen Härten und die Nasen röten, mag milde Vorfrühlingssonne auf dem Marktplatz liegen — die Bräut- lingsgesellen am Fastnacht-Dienstag um de» Brunnen, bis die letzte Brezel verworfen ist.
M es andtniiirls Wetzt
Ner FMelamn-schnark in SchleswigHolstein
Eine F a st n a ch t s p I a n d e r e i von Bruno Giersche
Wenn sich am Sonntag vor Aschermittwoch mal zufällig ein Fremdling in unseren Ort verirrte, dann stieg ihm, die Dorfstraße entlang, ein unbeschreiblich köstlicher Duft in die Nase. Tenn Haus für Haus schwammen zu dieser frühen Nachmittagsstunde in den mächtigen Eisentiegeln die faustgroßen „Pummelchen." Und die Bäuerin stand mit hochgervteten Wangen andächtig davor und drehte sie behutsam und andächtig so lange mit der Gabel, bis sie fein bräunlich und knusprig das kühle Zuckerbad nehmen konnten. Um die Hausfrau aber standen die Jungen und Mädchen. -- still — wartend
— geduldig! Selbst den wildesten Rangen lockte es heute nicht auf die Straße. Und damit hatte es seine eigene Bewandtnis. Denn draußen lauerten heute im verborgenen Hinterhalt die Fastnachtburschen. Tie hatten beide Hände mit Ruß bestrichen und fielen dann ans ihrem Versteck hinterrücks über den Ahnungslosen her, indem sie ihm mit der berußten Hand einen langen, breiten „Schmarren" über die Wange zogen. Dieser heiklen Angelegenheit suchte aber ein jeder sorgsam aus dem Wege zu gehen; denn die Fastnachtsburschen merkten sich sehr gewissenhaft ihre gezeichneten Opfer. Wer nämlich die meisten „Schmarren" erhalten hatte, wurde von den Dörflern das ganze Jahr lang als „schwarzer Fastelawendpeter" gehänselt. Begreiflicherweise verspürte niemand das Verlangen, diesen wenig schmeichelhaften Titel zu erringen.
Um die Vesperstunde zogen sich die Faste- lawendburschen von der Straße zurück: denn jetzt spielte unsere Dorfmusik Hof für Hof den „Fastelawend" ein.
Das Zugstück unserer Dorfmusik — sozusagen ihxe Glanznummer — war und blieb der stramme Marsch: „Schier dreißig Jahre bist du alt!" Mochten die Vier nun zur Kindtaufe, zur Hochzeit oder zum Erntebier aufspielen, immer Hub die Festlichkeit mit der Weise an: „Schier dreißig Jahre bist du alt!" Und so auch heute zum „Fastelawend".
— Hof für Hof! — Flott, stramm und kernig: „Schier dreißig usw-"
Kumpane ein: „Schier dreißig Jahre bist du alt!" —
Indessen sich die Dörfler einer beschaulichen Erwartung Hingaben, hatte unser Krüger heute alle Hände voll zu tun. Schon seit den frühen Morgenstunden war ihm die Arbeit für keinen Augenblick abgerissen. Jetzt war er aber auch mit allem im reinen. Eben hatten seine beiden Aeltesten die letzte bunte Papiergirlande über die Saaldecke gespannt. In einer Ecke stand schon der weißgescheuerte Schanktisch, dicht bestellt mit Gläsern und Flaschen. Seine Tochter war flink dabei, um die riesige Hängelampe mit Petroleum auszufüllen. Nnn steckte der Krüger das große Faß „echt Münchener" an. das er hinter dem Schanktisch liegen hatte. — In einer halben Stunde begann der Fastelawendumzug. Schnell gab er seinem Aeltesten ein paar- kurze Anordnungen und verschwand dann in die Wohnstube, um sich in das schwarze Zeug zu werfen. Ja, unser Krüger wußte, was sich für ein bedeutsames Fest geziemt. An solchem Tag ließ er sich auch nicht lumpen. Denn wie er jetzt wieder heraustrat, hatten sich ein paar maskierte Dorfbuben eingefun- den. die sich keck vor ihm aufpflanzten und ihr Verslein hcrunterleierten:
Fastelawend sind hier.
Drei Düttchen zum Bier.
Drei Düttchen für Speck.
Dann gehn wir erst weg!
Da erschallt in der Ferne Trompetenlärm.
— „Schier dreißig usw_" Seine Tochter
kommt durch die offene Saaltür hereingestürzt:
„Vater, hörst? Der Fastelawendzug kommt." „All gut! — Geh man!"
Während jeden einzelnen Dörfler — ob jung oder alt — jetzt eine närrische Unruhe packte — unfern Krüger ließ alles kalt. Er war heute sozusagen der einzige ruhende Punkt in der allgemeinen Kopflosigkeit und Ungebundenheit. — Er kramte also gleichmütig hinter seinem Schanktisch herum und entkorkte eine Flasche Kümmel. — Draußen wurde das Getöse lauter:
„Hann, ist alles in Schick!" — Seine Frau kam atemlos aus der Küche gelaufen. „Der
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Fajtclatvendschnack in Schleswig-Holstein
Ludwig Kittel
Wenn jetzt die bekannte Weise ertönte. Dann trat die Bäuerin eilig aus der Tür und teilte an jeden der Musikanten drei schöne, knusperige „Pummelchen" aus. Hatte sich aber der Bauer zu einem Extrageschenk auf- gerafft und es dem alten Marten in Form eines „Achthalbers" umständlich in die Hand gedrückt, dann ließ dieser für das künftige Wohl des Bauern einen besonderen Tusch steigen. Dann hob der alte Marten nur kurz die Trompete, und prompt fielen seine drei
Fastelawendzug kommt!" — „All gut! — Ick weet all!"
Seelenruhig goß er sich zur Probe einen „Kurzen" aus der neuen Flasche ein. — Schon erklang ber ohrenbetäubende Lärm in nächster Nähe. — Atemlos kam sein Nachbar hereingekeucht.
„Hann! — Minsch!"
Doch der Krüger winkte verständnisvoll ab.
„All gut. Naber! — Ick weet all! — Der Fastelawendzug kommt!"
Und so war es. Am Ausgang des Dorfes hatten sich die Burschen und Mädchen zu einem bunten Zuge geordnet. Nur selten sah man eine Maske dazwischen. Die meisten hatten sich mit langen bunten Bändern ans Papier oder Stoff Phantastisch aufgeputzt. Unter Vorantritt der Dorfmusik bewegte sich der Zug unter Lachen und Lärmen einmal durch das ganze Dorf und dann zu-
Kölner Karneval Kurt D c r ck » >n
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rück bis an den Krug. Die schulpflichtig? Jugend, die sich noch nicht mit anreihr,, durfte, umschwärmte den Zug mit einen, wahren Jndianergeheul. Dabei taten sich wie für gewöhnlich die Jungen besonders her- vor. Die meisten von ihnen hatten sich alte Blechgefäße besorgt, auf denen sie mittels zweier Holzstäbe einen trommelähnlichen Lärm erzeugten. —
Vor dem Gasthause angelaugt, löste sich der Zug rasch ans, und alles strömte i» den Saal hinein. Die „vier Brüder" bezogen ihren Platz, und nnn begann der „Fastela- wendball!" —
Später, als das Fest schon richtig im Zuge war, erschienen nach und nach die Alten unk» ließen sich zu beiden Seiten des Schanktisches ans den Bänken nieder. Bei einem „langen Schluck" von unserem bewährten „echt Mün- chener" fanden sie Gelegenheit genug, um » mit dem Nachbar über Wetter. Viehstmid und Kornpreise bedächtige Meinungen zu tauschen. Gegen Mitternacht brachen dam, die ersten auf. Jetzt hatte das Fest seinen Höhepunkt erreicht. Ticke Rauchschwaden, die den Saal durchzogen, dämpften das trübe, flackernde Licht der Lampe. Lachen und drot»- nende Scherzreden klangen durcheinander. Die schwerfälligen Dorfbnrschen. von dem reichlich genossenen Alkohol angeregt, waren lebhafter geworden und machten herausfordernde Späße. Die Mädchen glühten Vvn den Anstrengungen des Tanzes und fächelten sich mit ihren Linnentaschentüchern Kühll- zu. Nasch verstrich nun Stunde um Stunde. Wenn das erste blaffe Frührot ausdümmerte. dann spielte die Musik zum letzten Tanze auf. Und dann war „Fastelawend" aus. —
Am Montag und Dienstag stellte die Bäuerin wohl noch die große Schüssel mit den schmalzigen „Pummelchen" zum Vesper aus den Tisch; — wohl trieb auch noch das kleine Kruppzeug der Schulbuben abends auf der Dorfstraße feinen harmlosen Schnack; Trotzdem! — der richtige „Fastelawend" war mit dem Sonntag aus. Am Montag standen die Burschen und Deerns schon wieder in der alten, stillen Tagesfrvne.
(Aus: Niederdeutsche Welt, Monatsschrift für Volkstum und Heimatpflege, Niedersächsische Verlagsanstalt, Bremen.)
Der Karneval in Köln LL L -
Von Jos. Vinc. E r u n a u
Mit kurzen Worten läßt es sich gar nicht sagen, was eigentlich alles in dem Worte „Karneval" für die echten Kölner liegt und lebt —; es ist so ein Stück von seinem glücklichen, fröhlichen Herzen selbst, ohne das er nnn einmal nicht auskommt.
Das rumort schon in dem kleinen Knirpse, der mit seinen Altersgenossen keine wichtigere Frage zu erörtern weiß, als: „Wat manche mer uns nächste Fastelovend?"
Und nun ist es Nosenmontag geworden: Das Prunkstück des Karnevals bereitet sich schon zu guter Stunde vor. Von allen Richtungen laufen Sonderzüge ein. Hunderttausende von Fremden entströmen dem Bahnhof und mischen sich in den närrischen Zauber der Urkölner.
Das Maskentreiben, das am Sonntag zumeist auf die Kinderwelt beschränkt war, ist allgemein, jeder trägt zum wenigsten eine bunte Mütze oder eine Phantastische Blume, sei es auch nur eine Pfauenfeder, um damit dem lieben Nächsten am Ohr oder an der Nase zu kitzeln.
Schon von 10 Uhr an ertönen die Fan- faren der Musikkapellen, welche die einzelnen Gruppen sammeln, bei den Vorsitzenden der Gesellschaften ihre Aufwartung zu machen, sich die nötige Stimmung anpicheln, um dann, nmjanchzt von der Menge, dem Neu- markte zu zu fahren, wo sich der Zug ordnet.
Wer den ganzen Reiz des Nosenmontags genießen will, der muß sich hier gegen ein Eintrittsgeld von zwei Mark Einlaß verschaffen. Ta breitet sich vor seinen Augen die ganze, oft Jahrtausende wieder Aufleben lam-nde zauberhafte Pracht aus.
vier halten die alten Stadtsoldaten, die roten und die blauen Funken, ein fröhliches Biwak ab, bei dem manch hübsches Kind in den Arrest abgeführt wird und ein Küßchen als Lösegeld zahlen muß. Da tanzen die „billigen Mädchen und Knechte" ihre zierlichen Neigen im Kostüm der Großvaterszeit, und das „Gecke-Bähnchen" schlägt den Takt dam.
-Römer und alte Germanen in prächtigen Gewändern, zu Fuß, zu Roß, vergessen den alten Streit und bringen ein Prosit der Faschingssreude. Das lebensfrohe Mittel- alter verbrüdert sich mit den Abgesandten wilder Volksstämme und den noch ungeborenen Zukunftsmenschen der Neuzeit, und alles huldigt dem lustigen Prinzen, der. im glänzenden bunten Seidenkostüm, den Hermelin um die Schulter, hoch von seinem Prunkwagen herab sein närrisches Manifest unter die Menge wirft. Blumen und Leckereien mit vollen Händen folgen läßt, denn sein Volk soll sich freuen!
Der „Kölner Bauer und die Jungfrau", in die städischen Farben Rot-Weiß kostbar gekleidet, ahmen sein Beispiel nach, sie verkörpern das alte deftige Kölner Bürgertum, das nul Stolz die Losung führt:
Halt faß am Nich, dv kölschen Boor. nn fällt et söß, vv fällt et soor."
Was ein Jahr lang der sprudelnde Humor mit Bienenfleiß gesammelt, das tritt uns, eingereiht in das große, gemeinsame Bild des Hauptgedankens des Zuges, hier in Frühlingsfrische entgegen und wirst den närrischen Zauber als zündenden Funken in die vielen Tausende, die den Zug umlagern, die in den Straßen seiner warten.
Unterdessen sind die Straßen, die der Zug durchziehen soll, gepfropft voll, die Bürgerseite bis zum Hausgiebel besetzt, die Fenster, ja die Dächer überfüllt.
„Do kütt der Zog!" schreit eine verlaute Stimme, vieltanscnd Hälse recken sich, aber vergebens, es war blinder Alarm, der dem Veranstalter vst eine gehörige Tracht Prügel einbringcn kann — denn die Sache ist zu ernst!
Aber endlich kommt er doch, die Musik schmettert ihre Weisen, die Vorrciter mit den bunten Standarten werden sichtbar, und all das Gewvge preßt sich noch mehr zu den Seiten zusammen. Meiner Treu, was können sich die Menschen ineinanderschieben, wenn's notwendig ist. Langsam zieht das Rosenwunder vorbei. Das jauchzt vor Freude, ruft Bekannten zu: „Pitter, mir e Strüßche!" — „Schäng, los mich ens drucke!" Es regnet Süßigkeiten und Blumen, dazwischen Konfetti , Papierschlangen. Karnevalslieder. Apfelsinen, Weinflaschen — es ist ein großes Geben und Freudemachen, als wenn sich alle Milliardäre zu einem Zuge vereinigt hätten.
Da ist alles herzwarme Freude, sprudelnder Humor und ejn gutes Korn: freier Bürgersinn und vaterländischer Stolz.
Fast eine Stunde dauert der Vorbeizug des Nosenmontagszuges, von den Funken, die ihn einleiten, bis zum Prinzen Karneval, der mit seiner farbenprächtigen Ehrengardc den glanzvollen Abschluß bildet.
War vorher das Gedränge groß, so nachher erst recht, wo alles durcheinander wogt, tun aus dem nächsten Wege zu einer neuen Stelle zu gelangen, wo man noch einmal die Herrlichkeiten genießen kann.
Rach Beendigung des großen Zuges beginnen in den besseren Gasthösen die teuren Mahlzeiten, zu denen Plätze oft wochenlang vorher bestellt wurden. Auch hier eine echte Karnevalsstimmung, die ganze Festtafel eine große Familie, die miteinander trinkt und singt und schunkelt und lacht. Ta gibt's kein Nebelnehmen, keine Steifheit und vor allem auch nicht das böse Kräritlein Eifersucht Das eben ist das Zeichen des echten rheinischen Humors, daß er goldig glänzt, perlt und Prickelt, aber doch klar und rein bleibt, wie funkelnder Wein!
Herausgegeben im Austrag der NS.-Presse Württemberg von Hans Reyhing llllm a. D-).