Nr. 16

Samstag, 20. Januar 1934

107. Jahrgang

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NrWdiWgsWtllge iv Paris

Indiskretionen desPetit Parisien" Chautemps über Außenpolitik

Sturm in der Kammer

ZI. Paris, 19. Jan. Alan gewinnt hier fast den Eindruck, als würde die französische Negierung selbst alles daransetzen, die wei­tere deutsch-französische Aussprache zu stören. To ist wieder einmal der berüchtigtePetit Parisien", dessen Verlcnmdungsversnche vom November noch nicht vergessen sind, mit einer Veröffentlichung hervorgetreten, die keineswegs geeignet ist. die deutsch-französi­sche Verständigung zu fördern. Das Blatt, das als halbamtliches Organ der Negierung angesehen werden muß, bringt eine angebliche Inhaltsa n- gabe der französischen Denk­schrift. Ist diese Inhaltsangabe richtig, so liegt hier ein offensichtlicher V er­such v v r , die d e u t s ch - f r a n z ö s i - sehe Verständigung zu sabotie- r e n. In Pariser Kreisen scheint man nervös deswegen geworden zu sein, weil die Neichs- regierung pflichtgemäß die französische Denk­schrift genauestens studiert und prüft. Er­weist sich die Mitteilung desPetit Parisien" als richtig, so zeigt es sich, daß man in Paris seit Oktober nichts gelernt hat. Die Zumu­tung an Deutschland, eine entehrende Kon­trolle ans sich zu nehmen und durch die Um­wandlung der Reichswehr in eine Miliz eine Vorleistung aus sich zu nehmen, ohne daß Garantien' dafür geboten werden, daß Frankreich dann wirklich abrüstet, ist natür­lich untragbar. Der Neichsregierung zu unterstellen, daß sie über die Antwort ans die französische Denkschriftstark in Ver­legenheit" geraten sei, ist für ein halbamt­liches Blatt ein starkes Stück.

Chautemps aOenpolitifthe Rebe tm Senat

Auch Chautemps, der französische Ministerpräsident, hat Donnerstag im Senat zu außenpolitischen Fragen in eurer Weise Stellung genommen, die vielleicht zu Zeiten des Reichskanzlers Wirth von durchschlagendem Erfolg begleitet gewesen wäre wenn auch berücksichtigt werden muß, daß im Senat seine außenpolitischen Erklärungen stark von den innerpolitischen Widerständen, aus die das französische Kabinett dort stoßt, diktiert waren.

Nachdem die Senatoren La Brousse, La so nt und Lemery die Debatte mit den üblichen Besorgnissen wegen derdeut- schen Ausrüstung" eingeleitet hatten, ergriff Ministerpräsident Chautemps das Wort.

Eine Einmischung in innerdeutsche Dinge liege ihm ferne, die nationalsozialistische Lehre aber lause Gefahr, sich im Auslande auszuwirken. Der Austritt Deutschlands aus dein Völkerbund sei ungerechtfertigt. Frankreich habe bereits viele Zugeständnisse gemacht, um seinen Friedenswillen zu be­kunden: es hätte niemals daran gedacht, einem so großen Lande mit so großer Ver­gangenheit den Plaß zu verwehren, der ihm zukomme.

Chautemps versuchte dann, den Aus-ritt Deutschlands aus dem Völkerbundgerade m dem Augenblick, als ein Abrüstungsvor- Ichlag eingebracht worden ist, womit sich fast sämtliche Staaten einverstanden erklärten" >u Umdrehung der Tatsachen als eine Abrüstungssabotage hinznstellen, die in der ganzen Welt und besonders in Frank­reich Beunruhigung ausgelöst habe.

unter Betonung der Freundschaft nui Eng­land erklärte Chautemps, d a ß es si cd vei der A b r ü st u n g im m e r n m .1 Paterzu t r e f f e n d e M a ß n a h m c n H " " . ?, da Frankreich nicht die ^jhcht habe, seine Macht zu schwächen. Auch eine Völkerbundsresorm und die Bildung eines Direktoriums, wie stauen vorgeschlagen hat, lehnte Chautemps

Zu den deutsch-französischen Besprechun­gen erklärte Chautemps, daß die Ver - ? " " blungen nicht sortgcsct; t könnten, wenn sie zur führen sollten, ^"schlich an diese intransigenten Er- ^s Ministerpräsidenten bil- ? ^nat die Politik der Regierung einer Stimmen und forderte in

ntscliließnnci das Festhalten an den

heiligen Grundsätzen" der Verträge von Versailles und Locarno, sowie am Völker­bundspakt.

StavM-Skanbal in der Kammer

Paris, 18. Jan. Die Kammer hat am Donnerstag nachmittag die Beratung des Haushaltes für 1 9 3 4, und zwar mit dem Haushalt des Justizministeriums, be­gonnen. Außerdem hat der Justizminister die sofortige Aussprache über den von der Re­gierung vor einigen Tagen eingebrachten Gesetzentwurf verlangt, der allen denjenigen, die sich Verfehlungen zum Schaden der Spa­rer haben zuschulden kommen lassen, den Handel mit Wertpapieren verbietet.

Die Interpellation des rechtsgerichteten Abgeordneten Henriot über die gericht­liche Untersuchung des Falles Stavisky verursachte gleich zu Beginn einen wahren Sturm. Der Kammerpräsident hatte zeit­weise Mühe, die Ruhe wiederherzustellen. Es zeigt sich, daß diese Angelegenheit auch par­lamentarisch noch nicht begraben ist. In dem Geklapper der Pultdeckel, den Zwischenrufen und dem Klatschen der Abge­ordneten, mit dem sie ihre jeweils sprechen­den Gesinnungsgenossen zu unterstützen ver­suchten, verhallte ab und zu sogar die Glocke des Präsidenten. Es gab eine erregte Auseinandersetzung zwischen dem Interpellanten und dem Finanzminister. Immer wieder griffen einzelne Abgeordnete von ihren Bänken in die Ausführungen Hen- riots ein. Sachliche Angriffe wechselten mit Persönlichen Seitenhieben. In dem Hin und Her zwischen Rechts und Links war minuten­lang kein Wort zu verstehen, so daß der Kammerpräsident schließlich die Sitzung ab­brach.

Nach Wiederaufnahme der Stavisky-Aus- sprache erklärte der Abg. Henriot, die Regie­rung habe versprochen, zu handeln; aber nian vertusche den Fall Stavisky. Es dürfe nicht eine verschiedene Justiz geben, je nachdem, ob man über Politische oder amt­liche Fürsprache verfüge oder nicht. Henriot fuhr fort, daß sich nach den neuesten Ver­öffentlichungen in den Akten des Unter­suchungsrichters 120 von Stavisky ausgesüllte Schecks befänden. Dabei habe aber schon Credit Lyonnais allein mitgeteilt, daß er 300 Schecks von Stavisky der Polizei übergeben habe. Wo seien die restlichen Schecks geblieben? Es kam wieder zu stürmischen Zwischenrufen. Die Kommunisten schreien

von ihren Bänken:Hoch die Sowjets! Ter Skandal ist schmutziger als Panama." Daraus verlas Henriot einige Schriftstücke, die be­weisen sollen, daß das Verfahren gegen Stavisky schon vor Monaten hätte angestrengt werden müssen, wenn sich nicht besondere Einflüsse geltend gemacht hätten. Der Finanz­minister mußte sich ans die Beantwortung eines persönlichen Angriffes des Interpellan­ten beschränken. Von den Bänken der Rech­ten werden Zwischenrufe laut. Schließlich legte die Kammer wieder eine Pause ein.

Als die Sitzung wieder ausgenommen wurde, nahm Ministerpräsident Cha u - t e m p s das Wort. Er beantragte, die Kammer möge Freitag vormittag erneut zwecks Beratung des Gesetzentwurfes zum Schutze des Sparkapitals zusammentreten. Sodann verwahrte er sich gegen verschiedene Angriffe Henriots. Er appellierte an die Kammer, aus dem Falle Stavsiky keine Kriegsmaschine gegen die Regierung zu machen, da man nur dann das ganze Parla­ment träfe. Chautemps Ausführungen wur­den von den Regierungsparteien mit starkem Beifall ausgenommen.

Tie Sitzung wurde dann auf Freitag vertagt.

Ohrseigen in -er französischen Kammer Der Schutz der französischen Sparer

Paris, 19. Jan. Im Gegensatz zur Don­nerstag-Sitzung bot die französische Kam­mer, die am Freitag vormittag wieder zu­sammentrat, ein Bild der Ruhe und Leere. Auf der Negierungsbank ist anfangs nur der Justizminister, später auch der Ministerprä­sident und der Luftfahrtminister anwesend. Nur ein geringer Teil der Abgeordneten wohnt der Beratung bei. Auf der Tagesord­nung steht der Gesetzentwurf, der denen, die wegen Schädigung des Sparkapitals verur­teilt worden sind, den Handel mit Wert­papieren und anderen Finanzoperationen verbietet.

In den Wandelgängen der Kammer kam es am Freitag vormittag zu einem tätlichen Angriff des Abgeordneten Lagrosil- liers von der sozialistischen Partei mit dem Abgeordneten Dosirs Ferry, dem Direktor der nationalistischenLiberto", wegen eines am Donnerstag in diesem Blatt erschienenen beleidigenden Artikels gegen Lagrosilliers. Lagrvsilliers verabreichte sei­nem Gegner eine Reihe von Ohr­feigen. Ferry konnte nicht entsprechend antworten, weil sofort Angestellte der Kam­mer die Gegner trennten. Ferry ist auch Vorsitzender der Vereinigung französischer Reseveosfiziere. Ferry hat seinem Gegner eine T ii e l l f o r d e r u n g überbriugen lassen.

MW ' -ns Reich und seine Mhrer

Wien, 19. Januar.

Bundeskanzler Dollfuß gab am Don­nerstag abend in einer Vollsitzung der Christ­lich-sozialen Vereinigung im Parlament in Anwesenheit zahlreicher Kabinettsmitglieder eine grundsätzliche Erklärung über die außen- und inenpolitische Lage Oesterreichs ab. Aus das Verhältnis Oesterreichs zum Deutschen Reich eingehend, erklärte Dollfuß u. a. dann wörtlich:Unser größtes Nachbarland wird endlich begreifen müssen, daß es vielleicht ein international nicht ganz ungefährliches Spiel ist, wenn ein Land, dessen Bedeutung, auch wenn es territorial klein ist, allseits verstanden und erkannt wurde, von einer Großmacht, leider noch dazu einem Staat, den ein Brudervolk bewohnt, in seiner Frei­heit und Unabhängigkeit weiterhin ständig bedroht wird. (?) Ich bedaure dies um so mehr, weil es sich hier eben um zwei Staaten handelt, die die engsten Blutbande und die ältesten historischen Gemeinsamkeiten mit­einander verbinden."

Auf die innerpolitische Lage eingehend, be­hauptete Dollfuß, die österreichische Regie­rung habe in den letzten Monaten die aller­größte Zurückhaltung und Geduld bewiesen. Um so stärker sei vor aller Welt das mora­lische Recht der Regierung, mit aller Rück­sichtslosigkeit durchzngreifen. Der Bundes­kanzler erhob in diesem Zusammenhang die

schwersten Borwürse gegen die deulschc Re­gierung und die Bevölkerung im Reich, die er der unbefugten Einmischung in die inner­politischen Verhältnisse Oestereichs beschul­digte. Dollfuß verstieg sich dabei auch zu der Behauptung, die Antwort aus die Ver­ständigungsbereitschaft der österreichischen Regierung sei eine neue Terrorwelle gewesen.

Tollfuß kam dann noch auf die Vorkomm­nisse im Heimatschutz zu sprechen.

Die Frage der Niederlegung der Mandate streifend, forderte der Bundes­kanzler, daß die Abgeordneten aus ihrem Platze auszuharren hätten, chlange er es für nötig finde.

Graf Alberti wieder verhaftet

Der Landesführer des Niederösterreichi- sche Heimatschutzes, Graf Alberti, wurde am Donnerstag erneut verhaftet. Gleich­zeitig wurden auch einige seiner Freunde, darunter der Landesführerstellvertreter K »- bazek, in Hast genommen.

Die Politische Korrespondenz will dazu er­fahren haben, die Alberti geführte Unter­suchung habe ergeben, daß er in der letzten Zeit eine geheimnisvolle Tätigkeit entfaltet habe, die den Verdacht der Vorbereitung staatsfeindlicher Handlungen gerechtfertigt erscheinen lasse. Graf Alberti soll jetzt auf dem Verwaltungswege nach dem Konzentra­tionslager Wölkersdorf gebracht werden.

Das Nrurjst in Kürrr

Tie deutsche Außenhandelsbilanz weist einen Ausfuhrüberschuß von rund 5V Mil­lionen RM. auf.

Die Danziger Polizei hat ein großes kom­munistisches Zentralbüro ausgehoben. Der Leiter war ein Ostjude.

Bei Bozen hat sich ein schweres Bobunglück ereignet, bei dem 1 Toter und 7 Verletzte zu beklagen sind.

Die im Allgäu verschütteten ReichSwehr- soldatcn sind bisher noch nicht gefunden worden.

In Tirol sind weitere Massenverhaftungen vorgenommen worden.

Ter Hrhenstofseln wurde allen Protesten zum Trotz doch enthauptet.

Die im Anschluß an die Kammersitzung vom Donnerstag erfolgten Zusammenstöße zwischen dem Interpellanten Henriot und dem Unterrichtsminister d e M onzie bilden das Tagesgespräch von Paris. Ter Abgeord­nete Henriot hatte bei der Begründung seiner Interpellation u. a. behauptet, daß 1926 eine Bande von Betrügern verhaftet worden war, unter denen sich ein gewisser Comby und ein Fräulein Simo n befanden, d i e später Frau Stavisky wurde. Fräulein Simon sei seinerzeit im Gefängnis von zwei Rechtsanwälten besucht worden, die heute aus der Regierungsbank saßen. Ter Abgeordnete ließ ironisch durchblickcn, daß die Betreffenden es handelt sich um Anatole de Monzie und Paul-Bon- cour vielleicht niclu nur in ibrer Eio n- schaft als Rechtsanwälte den fraglichen Be­such im Gefängnis abgestattet hätten. Unter- richtsminister de Monzie, der mit einer schweren Grippe zu Bett lag und der Sitzung nicht beiwohnte, wurde von dieser Aeußerung des Interpellanten verständigt. Er macht sich eilends trotz seiner Erkrankung zur Kammer auf, wo er in den Wandel- güngen mit seinem Widersacher zusammen-- stieß. Die Gegner sollen sich zu Aeußerungen haben Hinreißen lassen, deren Wiedergabe kaum möglich ist. Die Angelegenheit endete damit, daß Unterrichtsminister de Monzie dem Abgeordneten Henriot eine Duellsorde- rung zugehen ließ. Tie Zeugen werden am Montag über die Folgen, die dieser Ange­legenheit zu geben ist, beraten.

Ist Berhlmdllmgen Euvlchs in Wstn

Reue Massenverhaftunger»

ek. Wien, 19. Jan. Die Besprechungen des italienischen Unterstaatssekretärs des Auswärtigen, S u v i ch, mit dem österreichi­schen Bundeskanzler Dr. Dollfuß und mit dem Gesandten Hornbostel wurden Freitag fortgesetzt.

In Wien dauern die Kundgebungen der Nationalsozialisten fort. Auf dem Gebäude der Technischen Hochschule wurden sechs große Hakenkreuzfahnen gehißt. Die Fahndung nach den Tätern blieb erfolg­los, die Beseitigung der Fahnen durch die Polizei dauerte lange Zeit.

Auch in der Provinz werden die national­sozialistischen Demonstrationen fortgesetzt. In der letzten Nacht explodierten Papier­böller vor dem Gerichtsgebäude und dem katholischen Gesellenvereinshaus in Linz a. d. Donau. Die Polizei setzte darauf die Jagd nach Nationalsozialisten mit größtem Aufgebot fort und verhaftete mehr als 100 Personen, darunter zwei Rechtsanwälte, zwei Mittelschulprofessoren und einen Bundes­bahninspektor. Ein Teil der Verhafteten wurde bereits ins Konzentrationslager nach Wölkersdorf abgeschoben. Eine ganze Reihe von Betrieben soll durch Konzessionsentzug und Betriebssperre bestraft werden. Auch die Errichtung eines Konzentra­tionslagers in Obe röst erreich ist in Aussicht genommen.

Auch inTirol dauern die Massenverhaf­tungen von Nationalsozialisten fort. In Innsbruck wurden etwa 20 Personen