108. Jahrgang
Nr. 4
Freitag, 5. Januar 1934
er OeseUseturkter
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e r (Inh. Karl Za > ser), Aagold
A« AllllllNkMab der 132 Bergleilte von SW
Keine Hoffnung auf Rettung mehr Das Feuer greift weiter
Bon unserem nach Ossegg entsandten Sonderberichterstatter.
ivä. Qssegg, 4. Jan. Je näher unser Wagen dem kleinen Bergarbeiterstädtchen kommt, desto dichter wird der Ranch und Qualm, der kaum mehr das Atmen zuläßt. Aus dem Chaos der zerstörten oberirdischen Anlagen der Nelsongrube ragt das Trümmerwerk des Förderturms des Schachtes Nelson 3 in den Nebel. Von den Bergarbeiterhäuschen slat- tern schwarze Fahnen.
Wir sind an der Stätte des größten Bergwerksunglücks, das das nvrdbvhmische Kohlenrevier seit Jahrzehnten betroffen hat. Ringsum eilte Stätte der.Verwüstung. Die Gewalt der unterirdischen Explosion muß ungeheuer gewesen sein. Rauchschwaden hüllen das ganze Revier in Nebel.
Gendarmerie hält die Ordnung aufrecht; verhindert, daß die Angehörigen der verunglückten Bergleute den Schachteingang stürmen.
Die Rettungsarbeiien
Seit dem Eintritt der Explosion wird fieberhaft an der Rettung der in 300 Nieter Tiefe Eingeschlvssenen gearbeitet. Ter Leiter der Ossegger Feuerwehr, Stadtrat Treliker, der als einer der ersten an der Nn- gtücksstätte erschien, schilderte den Hergang des Unglücks folgendermaßen:
„Um 16.45 Uhr gab es eine Explosion und einen gewaltigen Knall. Er war, wie ich erfuhr, bis an die 20 Kilometer entfernte sächsische Grenze zu hören. Durch den mit der Explosion verbundenen Feuerschein — ich sah eine Stichflamme, die höher war als der Schlot des Schachtes, also etwa 100 Bieter — wurden die Feuerwehren der gesamten Umgebung alarmiert. Wir waren wenige Minuten nach der Explosion mit etwa 20 Mann als die ersten an der Stelle. Zuerst galt es, das sehr erschütterte Gebäude der Sortierungsanlage abzustühen. Es brannte an tnzelnen Stellen und eine Helfergruppe verachte dort zu löschen. Die anderen machten »ich zunächst an die Bergung der verunglücken Bergleute, die unter dem eingcstürzten Turm lagen. Nach kurzer Zeit trafen die anderen Feuerwehren ein. Drei Stunden später gelang die erste Rettung. Wir befreien den Werkschmied Ferdinand Linke. Er hatte einen Lberschenkelbruch erlitten. Linke berichtete uns, daß der Werkmeister Schmidt in seiner Nähe liegen müsse. Tatsächlich war Schmidt gefunden, aber er war völlig unkenntlich. Zentnerschwere eiserne Konstruktionsteile waren aus ihn herabgc- stürzt. Daneben fanden wir auch die Leiche . mer Frau, die beim Reinigen der Schachtstube beschäftigt gewesen war."
Im Laufe der Rettungsarbeiten konnten bisher 10 Leichen geborgen werden. Das Feuer in der Grube breitet sich immer mehr ans. Um 4 Uhr morgens mußten die Ret- lungsarbeiteu in Schacht 7 eingestellt werde,N da der Brand auch diesen Schacht ergriff und sich immer weiter ausbreitet.
14» Mann verloren, darunter 68 Deutsche
Noch immer steigen aus den Oeffnungen -es Schachts starke Rauchwolken hervor, )ie ganze Gegend in Gistdunst hüllend. Wo >er Förderturm einstürzte, türmen sich steine, Schuttgeröll und Eisenstäbe. Aus >em Chaos ragen die Neste der Eisenkon-
iniktion des eingestürzten Fördertnrms in Nebel. Bor dem Zechentor haben sich chon seit frühmorgens Tausende von Meuchen angesammelt. Auf allen Straßen der Umgebung ziehen zahllose Menschen der Un- > ücksgrube zu. Eine Frau ist bis auf den örderhof vorgedrnngen und lehnt laut klagend und schreiend an einer Mauer. In Tssegg sind die ersten Trauerfahnen aufge- ivgen. An allen Ecken stehen erregte Men- chengrnppen. Ueberall sieht man weinende ,„,d klagende Frauen. In einer kleinen zechenstubU liegen die vier geborgenen Leiben nebeneinander an der Wand. Kohlen
geschwärzte Gesichter, die Hände vor dem Körper verkrampft, als wollten sie ihn schützen. Tie Haut schält sich von den Gesichtern. Es werden einfache Holzsärge herbeigeschafst und die Toten hineingelegt. Ein Betriebsleiter schreibt die Namen auf die Holzsärge. Dann schlägt inan die Nägel in die Särge.
Dumpf Hallen die Hammerschlüge durch den hohen Raum, ein Atemzug lang Schweigen; die Gendarmen und Feuerwehrleute nehmen die Helme vom Kopfe.
Ans der Grube Nelson 3 arbeiteten an dem Unglückstag in der Nachmittagsschicht 131 Bergleute und 9 Steiger, insgesamt 140 Personen. Ter Nationalität nach sind es 68 Deutsch e, 61 Tschechen und 1 Pole.
Von Ben 140 Eingefährenen haben sich nur 4 gerettet. 10 wurden bisher als Leichen geborgen. Es sind demnach noch 126 Bergarbeiter im Schacht eingeschlossen. Die eingeschlossenen Bergleute haben kein Lebenszeichen von sich gegeben und es ist bisher auch nicht gelungen, eine Verbindung mit ihnen herzustellen. Es besteht kaum eine Hoffnung, die Verschütteten zu retten, da im Stollen keine Luft mehr vorhanden ist. Eine hernntergelassene Lampe erlosch sofort. Tie Rettungsarbeiten schreiten sehr langsam vorwärts, da sie neuen Schwierigkeiten begegnen. In den Schächten 7 und 9 ist Feuer ansgebrochen. Nur noch eine kurze Verbindung zwischen Schacht 7 und 9 ist frei von Feuer. Gegen 3 Uhr wurden Feuerwehrwagen, Sanitätskraftwagen und Rettungsmannschaften zum größten Teil nach Hause geschickt. Allmählich leerte sich der Schacht und es wurde Weisung gegeben, erst bei Tagesanbruch mit den Arbeiten wieder zu beginnen. Um die Mittagsstunde wurden aus dem Schacht Nelson 3 Tote geborgen.
Wunderbare Rettung
Die vier Bergleute, denen es gelang, nch durch einen Notausgang des Schachtes Nelson 7 durchzuarbeiten und sich zu retten, hatten sich Donnerstag vormittag so weit erholt, daß sie ihren Eindruck von der Katastrophe schildern konnten. Was sie ve- richten können, trägt aber zur Aufklärung der Ursache der Katastrophe nicht bei. An ihrer Arbeitsstelle verbreitete sich plötzlich ein dichter Qualm. Die vier Hauer wurden dadurch so beunruhigt, daß sie sofort versuchten, zum Förderschacht zu gelangen. Sie konnten aber infolge des Rauches nicht weiter und kehrten zunächst um. Es gelang ihnen dann, durch den nicht weit entfernten Notausgang des Schachtes 7 herans- zukommen, aber auch aus dieser kurzen Strecke lagen bereits überall Tote, über die die Flüchtlinge stolperten. Tie Geretteten sind durch die grausigen Eindrücke seelisch ans das schwerste erschüttert.
Geradezu wunderbar ist die Rettung des einen der vier mit dem Leben davon- gckommenen Bergleute, des Bergmanns Dalibor Sykory. Etwa in der Mitte deS Schachtes, noch 150 Meter unter der Erdoberfläche, verließen ihn die letzten Kräfte. Die zu Tode erschöpften Kameraden, die selbst jede Sekunde glaubten, nicht mehr weiter zu können, hätten ihn seinem Schicksal überlassen müssen, als in demselben Augenblick vor ihnen der Umkreis eines Mannes auftauchte, der auf den Leitern des Lüstungsschachtes eilends Herabstieg. Der Retter faßte den taumelnden Sykory und holte ihn mit Hilfe der anderen weiter heraus bis ans Tageslicht. Es war durch einen wunderbaren Zufall der Bruder des Geretteten, Franz Sykory.
Die Wachen der Explosion
Der erste Direktor der Nelsonschächte, Ingenieur Löcker, hat über den gegenwärtigen Stand der Rettungsarbeiten erklärt, daß es gelungen sei, durch den Mannschaftsschacht bis nim Füllort vorzudringen. Man habe
aber nicht' in den Stollen weiter Vorstößen können, da bereits der Zugang Von Trümmern und Geröll angesüllt sei. Man sei bestrebt, an den Unfallort selbst auf zwei Wegen zu gelangen. Einmal sei man augenblicklich dabei, alle Trümmer beiseite zu räumen. Zum anderen ist eine Rettungsmannschaft beauftragt worben, das Verrammelte Gebiet zu umgehen. Sollte das der Rettungsmannschaft gelingen,, dann würde sie den Abschnitt des Stollens, der Verrammelt sei und aller Wahrscheinlichkeit nach in Flammen steht, durch Ziehung einer Mauer zu isolieren Versuchen. Ueber die Ursache der Katastrophe könne zur Zeit nichts Konkretes gesagt werden. So viel stehe jedenfalls fest, daß der Stollen noch gestern mittag vollständig seuerrein gewesen sei. Die Meldungen der Bergingenieure seien gestern mittag durchaus normal gewesen und hätten zu keinerlei Befürchtungen Anlaß gegeben.
Im Laufe des heutigen Vormittags haben sich die Aussichten für die Rettungsarbeiten verschlechtert, da im 7. und 9. Schacht Feuer ausgebrochen ist. Zwischen dem 7. und 9. Schacht ist nur noch eine kurze Verbindung frei. Aus dem Wasserhaltungsschacht schlägt bereits eine Flamnie empor. Die Hoffnung auf Rettung der Bergarbeiter der Grube „Nelson 3" wurde heute vormittag als überaus gering bezeichnet.
Ministerpräsident Bia ly Petr und der Minister für soziale Fürsorge, die an der Unglücksstäite weilen, sind mittags nach Prag zurückgekehrt. Stuf dem Von der Explosion betroffenen Revier sind zahlreiche Abgeordnete cingetrosfcn.
Keine Hoffnung mehr
Zu den Rettnngs- und Aufräumnngs- arbeiten auf den Gruben Nelson wird noch gemeldet, daß um 13 Uhr in geringer Entfernung von der Wassergrube Feuer beobachtet wurde. Es wird ietzt daran gearbeitet, die die Förder- und Wassergrube verbindenden Gänge abzudichtcn, um das Vordringen frischer Lust zum Brandherd zu verhindern. Es besteht kaum noch Hoffnung, die verschütteten Bergleute zu retten. Die Gesamtzahl der in die Grube eingefahrenen Arbeiter wird jetzt mit 144 angegeben.
Zur Untersuchung der Katastrophe wurde ein besonderer Ausschuß eingesetzt. Aus dem Umfang der Verwüstungen schließt man, daß es sich höchstwahrscheinlich um eine Kohlenstaubexplosion gehandelt hat.
ArbMtWung der Reichs- lettung der REIM.
Vorerst
keine Aufhebung der Mitgliedersperre
München, 4. Jan. Im Braunen Haus traten am Donnerstag unter dem Vorsitz des stellvertretenden Führers die Reichsleiter, die Amtsleiter der obersten Leitung der PO. und die Be^ iebsinspekteure zu einer Tagung zusammen.
Die Tagung begann mit einer Besprechung der Reichsleiter, in der neben internen Fragen der Parteileitung und Parteiorganisation insbesondere auch die Ausgestaltung des Verhältnisses von Partei und Staat eingehend behandelt wurde.
In der sich anschließenden gemeinsamen Sitzung der Reichsleiter mit den Gebiets- inspektenren und den Amtsleitern der obersten Leitung der PO. erstatteten die Gebiets- inspektenre Bericht über dieEntwickl n n g des Parteilebens in den einzelnen Gebieten des Reiches.
Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden insbesondere behandelt die Fr a n e n f r a g e unter Zurückweisung kleinlicher Gesichtspunkte und das Verhältnis der NS.-Frauen- schast, weiter organisatorische Probleme der Ausgestaltung des Arbeitsdienstes, sowie eine Reihe wichtiger Parteiorganisatorischer Fragen.
Neichsschatzmeister Schwarz teilte dabei mit, daß die letzte Million Aufnahmeanträge aus dem April vorigen Jahres bis zum 1. März 1934 ihre parteimäßige Erledigung finden werde. Mit einer Aushebung der vor- läiniaen Mitaliedersperre sei vorerst
Das Neueste in Kürze
Für die in Dux eingeschlossenen 132 Bergleute besteht bis jetzt wenig Hoffnung auf Rettung.
Der russische Außenminister Litwinow Hai der Polmschen Regierung einen Garantiepakt für die Selbständigkeit der Randstaaten vorgeschlagen.
Sir John Simon hatte in Rom eine Besprechung mit Mussolini, bei der die mögliche Reform des Völkerbundes erörtert wurde.
In Frankreich ereignete sich schon wieder ein Eisenbahnunglück; 12 Verletzte sind zu beklagen.
In Peking steht eine neue Intervention Japans bevor
nicht zu rechnen, da zunächst infolge des Millionenzuwachses eine Sichtung und Säuberungsaktion in Aussicht genommen sei.
HrW mit dem Deutschen HM!
Ter Reichsinnenminister an den Deutschen Industrie- und Handelstag
kk. Berlin, 4. Jan. „Ten Deutschen Gruß als Ausdruck der inneren Geschlossenheit der Nation bei allen Kreisen einzusühren", io heißt es in einem Schreiben, das der Reichsinnenminister dieser Tage an den Deutschen Industrie- und Handelstag gerichtet hat, „ist eine Aufgabe der Volksaufklärung". Er sei überzeugt, daß die großen Verbünde und Wirtschaftsorganisationen ihre Mitwirkung bei der Erreichung dieses Zieles nicht versagen werden.
Bekanntlich hat das Rcichsinnenministe- rium bereits genaue Anweisungen über den Deutschen Gruß für die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Reiches bekanntae- geben. Die Landesregierungen, die Reichsbahnverwaltung und das Reichsbankdirektorium haben diese Anweisungen auch für ihre Beamten und Arbeiter übernommen und nun soll auch die Privatwirtschaft dafür sorgen, daß der Deutsche Gruß wirklich Gemeingut aller Kreise wird. Selbstverständlich darf, wie auch der Stellvertreter des Führers ausdrücklich angeordnet hat, keine kleinliche Auffassung oder gar S ch i k a n i e r n n g von N i ch t p a r t eigenossen Platz greisen. Ter Tag ist ja doch nicht mehr fern, da der Deutsche Gruß eine S e l o st v e r st ä n d l i ch - keit für jeden Deutschen ist, ohne daß diese Selbstverständlichkeit anigezwun- gen zu werden braucht.
Finnland
kündigt das Kandelsübereinkonimen
Keine Meistbegünstigung mehr für finnische Waren
Berlin, 4. Jan. Von amtlicher Seite wird mitgeteilt, daß seit dem 2. Januar 1934 deutsche Waren bei der Einfuhr nach Finnland nicht mehr meistbegünstigt behandelt, sondern mit den Sätzen des finnischen autonomen Zolltarifs belegt werden. Gleichzeitig wird mitgeteilt, daß die finnische Regierung am 2. Januar 1934 das vorläufige deutschfinnische Uebereinkominen vom 21. April 1922 gekündigt hat. Da die Kündigungsfrist nach Artikel 19 dieses Uebereinkommens drei Monate beträgt, tritt das Uebereinkommen mit dem 2. April 1934 außer Kraft.
Von zuständiger Seite erfahren wir dazu noch folgendes: Nachdem die deutschen Waren in Finnland nicht' mehr meistbegünstigt behandelt werden, ist zunächst auch Finnland von der deutschen Meistbegünstigungsliste gestrichen worden und zwar mit Wirkung vom 10. Januar. Die deutsche Regierung hat sich zu der Einhaltung dieser kurzen Ueber- gangszett bis zum 10. Januar entschlossen, um die mit dem Nebergang zu neuen Zollsätzen gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten und Härten nach Möglichkeit zu vermeiden. In, Hinblick auf die Tatsache, daß der finnische autonome Zolltarif gerade bei den Deutschland interessierenden Waren das