Nr. 296
Donnerstag, 20. Dezember 1934
108. Jahrgang
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Lavals MstellW voll Verständigung
Aklgkden über die Durchführbatkett fehlen
Paris. 19. Dezember.
Der Senat befaßte sich am Dienstagnachmittag mit dem Haushalt des Außenministeriums. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Senator Verenger, richtete an den Außenminister die Bitte, sich zu der Außenpolitik Frankreichs zu äußern. Er wünschte vor allem Ausklärung über die Verhandlungen mit Polen, der Sowjetunion, der Kleinen Entente und Italien und über das mit der Sowjetunion Unterzeichnete Protokoll. Er nahm auch Bezug auf die Fühlungnahme zwischen den Vertretern französischer und deutscher Frontkämpfer.
Außenminister Laval verlas daraus eine ausführliche Darlegung der wichtigsten außenpolitischen Probleme. Er begann mit einem Bericht über die Beschlüsse des Völkerbundsrates zu der S a a r a b st i m m u n g. In seinem Bericht über die Beilegung des ungarisch -südslawischen Streitsalles betonte Laval nochmals die Solidarität Frankreichs und Süd- slawiens, hob aber auch hervor, mit welcher Würde die Budapester Regierung der Entschließung des Völkerbundsrates zugestimmt habe. Für den festen Ausbau des Friedens seien die Verhandlungen zum Abschluß eines Ost Paktes und zu einer engeren Zusammenarbeit mit Italien ausgenommen worden. Laval betonte sein Vertrauen in den Erfolg dieser Verhandlungen. Mit der italienischen Regierung will Laval nicht nur die rein französisch- italienischen Fragen regeln, sondern eine Uebereinstimmung über die wichtigsten Probleme der allgemeinen Politik zu erreichen suchen. Er versicherte Mussolini seiner höchsten Achtung und zollte seiner versöhnlichen Haltung und seinem Friedenswillen Anerkennung. Von der Üeberein- stimmung zwischen beiden Regierungen hänge die Aufrechterhaltung einer eng mtl den Interessen des europäischen Friedens verknüpften politischen Ordnung in Mittel- nnd Osteuropa ab. Da die Freundschaft Frankreichs unerschütterlich sei. müsse die Kleine Entente im voraus alles, was die französische Regierung mit der italienischen Negierung planen könnte, als vollständig übereinstimmend ansehen mit der Auffassung, die die Regelung ihrer ider Kleinen Entente) eigenen Interessen Frankreich vorschreibe und immer vorschreiben werde.
Zu den Verhandlungen über den Ostpakl übergehend, hob Laval den Willen der Sowjetunion zur internationalen Zusammenarbeit für den Frieden hervor.
Die Verhandlungen über den Ostpakt
würden fortgesetzt und Frankreich sei bestrebt. sich die Zustimmung Polens zu sichern. Frankreich habe Polen ebenso herzliche wie genaue Aufklärungen gegeben. In Polen könne kein Zweifel darüber bestehen daß Frankreich bestrebt sein könne, den berechtigten polnischen Wünschen Rechnung z» tragen.
„Wir werden", so fuhr Laval fort, „sehr bald unsere Unterhaltung mit Deutschland wieder aufnehmen. Ich habe bereits gesagt, daß Deutschland aufgefordert werden werde, mit uns und den übrigen Ländern unter den gleichen Bedingungen und mit gleichem Recht (»u mörv titre) zu verhandeln. Deutschland wird aufs neue auf- gesordert werden, sich diesem Kollektivpakt anzuschlietzen, in dessen Rahmen es versichert ist, die gleichen Garantien zu erhalten, die es den übrigen beteiligten Ländern gewähren wird."
Laval gab sodann den Wortlaut des am 5- Dezember zwischen ihm und Litwinow Unterzeichneten Protokolls bekannt, dem inwischen die Tschechoslowakei beigetreten ist Zum Schluß betonte Laval. daß Frank- *kich einzig und allein aus dem Gebiet der mternationalen Zusammenarbeit handeln wolle und bereit sei. auf diesem Gebiet mit wen zusammenzuarbeiten. Frankreich betreibe eine Friedenspolitik, eine solche Politik ^ neuen kein Land aerickitet.
Laval erklärte: Ich schließe auch nieman- den aus. Ich werbe in diesem Teil um den Beistand aller, die guten Willens sind. Wir haben uns um sie bemüht, wir mühen nw auch jetzt noch um sie.
Die französische Regierung wird nie etwa: tun, was Deutschland zu dem Glaubei: berechtigt, Frankreich wolle ihm gegen über eine Politik der Vereinsamung betreiben. Die deutsch-französische Annähe rung im internationalen Rahmen ist eine wirkliche Friedensbürgschaft.
Möge Deutschland davon überzeug! sein möge es' dementsprechend handeln. Und dann wird ein großer Schritt in Richtung auf die notwendige Versöhnung unserer beiden Völker getan sein. Deutschland wird be' den kommenden Verhandlungen sich zu äußern haben. Es wird sagen, ob es an der: geplanten Kollektivpakten Anteil nehmen will. Es wird auf diese Weise im Stande sein, sein Solidaritätsgesühl zu bezeugen. Wir schließen vor keiner Gefahr die Augen aber wir verzichten auch auf keine Hoffnung Wir bewahren die Ueberzeugung. daß in der heutigen Zeit etwas Dauerhaftes nur au> einer aufrichtigen und wirklichen Anwen düng der internationalen Zusammenarbeii begründet werden kann.
Der Senat billigt
Der Senat schloß sich der außenpolitischen Erklärung Lavals mit einer Entschließung an. di? eine Anerkennung für England Italien und alle anderen Mächte enthält deren solidarische Haltung die versöhnlichen internationalen Lösungen ermöglicht habe. Durch die Entschließung stimmt der Senat ferner den glücklichen Ergebnissen der letzten Völkerbundsratssttzung zu und nimmt mit Befriedigung von den Erklärungen Lavals über den Ostpakt und die italienischfranzösischen Verhandlungen Kenntnis and beglückwünscht den französischen Außenminister zu seiner Festigkeit und seinem Takt.
Baris mit Laval zufrieden
Paris, 19. Dezember.
Tie Erklärungen des Ministerpräsidenten Flau bin in der Kammer über die Notwendigkeit der Landesverteidigung und der. außenpolitische Bericht Lavals im Senat stehen im Mittelpunkt der allgemeinen Er- önerungen. Beide werden als Ansdruck des Sicherheits- und gleichzeitig Friedenswillens Frankreichs gewertet. Die Bewilligung der zusätzlichen Militärkredite in Höhe von 809 Millionen Franken durch die Kammer und die Glückwunschadresse des Senats an Laval gelten als einmütige Zustimmung der Nation zu den Grundsätzen, die beide am Dienstag vertreten haben. Die. Presse ist deshalb des Lobes voll. Sie hebt besonders hervor. daß der Anerkennung des Senats für Laval eine ganz besondere Bedeutung zukomme, weil seit dem Bestehen der dritten Republik bisher nur ein Mann, George Cle- menceau im Jahre 1919, eine ähnlich? Ehrung durch Sen Senat erfahren habe. Das beweise die hohe Achtung, die Laval im Parlament genieße, und das verleihe ihm am Vorabend wichtiger Verhandlungen, die die Regierung im Hinblick auf eine engere Zusammenarbeit mit Italien und für den Abschluß eines Ostpaktes zu führen habe, ein erhöhtes Ansehen und die notwendige Au- lorität, um im Namen ganz Frankreichs mit Ser wünschenswerten Energie aufzutreten. Die Italien- und Ostpaktverhandlungen sind nach Auffassung der Presse die beiden Tragpfeiler. auf denen das französische Friedens- gebänds errichtet werden müsse. Die Ausführungen Lavals über die Verhandlungen mit Deutschland in diesem internationalen Nahmen finden die Zustimmung der Blätter allerdings nur deshalb, weil dabei die Annahme des Ostpaktes durch Deutschland zur Bedingung gemacht worden sei. .
Von der marxistischen Presse abgesehen, ist es eigentlich nur das ..Echo de Paris", dessen Außenpolitiker seine Bedenken gegen die Politik Lavals geltend macht. Laval werde zwischen zwei Dingen hin- und hergezogen.
Sie Rettung der Norweger durch Jenyorlt"
16 Mann starkeZBesatzung an BordLdessdeutschenISchiffes Tankdampfer pumpt Oel^auMe^Wogen
-I a !!! b u r g, 19. Dezember.
Wie Kommodore Kruse vom Hapag- dampser „Ne «York" der Hambnrg-Rmc- rika-Linie berichtete, ist ihm die Rettung der vollzählige» Besatzung des norwegischen Dampfers „Sisto" südwestlich der irischen Küste trotz sehr stürmischen Wetters geglückt. Erst in der Nacht um 2 Uhr konnte die „Neuyork" ihre Reise nach Cherbourg, Southampton und Hamburg fortsetzen. Sie wird voraussichtlich am Donnerstag um 21 Uhr in Cherbourg ein- treffen. An Bord der „Neuyork" ist alles Wohl.
In Neuyork liegen nunmehr ausführlichere Berichte über die Rettung der Mannschaft des Dampfers „Sisto" vor, die größtenteils durch Fnnksprüche vom Lloyddampfer „Europa" übermittelt worden und. Danach eilten nach Ausnahme der ersten Hilferufe des schwerbeschädigten Schiffes Dienstag früh alle in der Nähe sich aushaltenden Fahrzeuge, darunter sechs Ozeandampfer, nach der Unglücksstelle.
Als erstes Schiff traf der britische Tankdampfer „M obile Oil" ein, der den ganzen Tag über Oel auf die riesigen Wellen pumpte, um eine Rettung der Besatzung zu ermöglichen. Der Tankdampfer blieb in der Nähe des st e u e r l o s treibenden Norwegers, konnte aber von sich aus keinen
Versuch zur Rettung machen.
In der Nacht trafen weitere Schiffe ein und zwar der britische Dampfer „A Urania". der Hapagdampfer „Neuyork" und der Nordlloyddampfer „Europa". Um 1 Uhr früh funkte die „Aurania". daß die „Neuyork" Boote ausgesetzt habe. Nach einem anderen Bericht soll es sich nur um ein Boot gehandelt haben. Alle Schiffe pumpten während der Rettungsarbeiten ebenfalls Oel ins Wasser. Die Scheinwerfer
oer ..Anrama' uno oer „Europa" eryeulen die Nacht und zeigten die „Sisto". die schon st a r k a u s d e r S e i t e lag und heftig von der hohen See hin- und hergeworfen wurde. Die Kommandobrücke und das Steuerruder waren zertrümmert und die Rettungsboote des Schiffes fortgetrieben.
Schließlich konnten die Helfer vom Dampfer „Neuyork" die ganze Besatzung der „Sisto", 16 Mann, vom Ungliicksschiff herunterholen, was besonders schwierig war, da sie sich auf dem Deck fest gebunden hatte, um nicht fortgefpült zu werden. Um 2 Uhr telegraphierte die „Neuyork", daß sie alle Schiffbrüchigen wohlbehalten geborgen habe und daß diese in glücklicher Stimmung feien.
Hierauf traten die übrigen Dampfer ihre Weiterreise an. Daß sich das norwegische Schiff überhaupt so lange über Wasser halten konnte, ist darauf zurückzuführen, daß es Holz geladen hatte. An der Unglücksstelle der „Sisto" ist in der letzten Woche der englische Dampfer „Usworth" unter gegangen und der japanische Dampfer „Viktoria Maru" schwer beschädigt worden.
Die Spende der Rordfiern-AG.
Der Hamburg-Amerika-Linie ist von der Nordstern Allgemeine Versiche- rungs-AG. aus Anlaß der Rettungstat des Dampfers „Neuyork" folgendes Telegramm zugegangen:
„In aufrichtiger Bewunderung für das todesmutige Einsetzen eigenen Lebens zur Rettung ihrer norwegischen Kameraden herzlichste Glückwünsche. Als sichtbares Zeichen unserer Verehrung und des Stolzes auf imwre tapferen Seeleute stellen wir für die Besatzung des Rettungsbootes 3606 RM. zur Verfügung."
Einerseits fürchte er, durch die Organisierung der Friedensfreunde Deutschland den Eindruck der Einkreisung zu geben; andererseits wolle er gegen die deutsche Brutalität (!) die Sicherheit seines Landes gewährleisten. Zwischen beiden Gefühlen zögere er und schwanke wie der Esel Buridans.
Zer Wortlaut -es franzöftfch-folvjet- russischen Protokolls
Paris, 19. Dezember.
Ter Wortlaut des französisch-sowjetrussischen Protokolls lautet wie folgt:
Der französische Außenminister und der sow- jetrussische Volkskommissar für auswärtige Angelegenheiten, die in Genf einen Gedankenaustausch über den Stand der Verhandlungen zum Abschluß eines Ostpaktes für den von ihren Negierungen die Initiative ergriffen worden ist, geführt haben, sind gU der Feststellung gelangt, daß beide Regierungen gemeinsam entschlossen sind, den Abschluß der vorgesehenen internationalen Akte zu betreiben. Sie sind in dem Augenblick, in dem die Verhandlungen eine aktivere Wendung genommen haben, übereingekommen, im Namen ihrer Regierungen folgende Haltung eiuzunehmen:
1. Keine der beiden Regierungen wird sich mit den Regierungen, die zur Teilnahme an dem Ostpakt aufgefordert worden sind, und insbesondere mit denen, die ihren grundsätzlichen Beitritt noch nicht erklärt haben, in Verhandlungen einlassen, die zum Abschluß von zwei- oder mehrseitigen Verträgen führen kömtten. die die Vorbereitung und den Abschluß der regionalen Ostpaktes und der mit ihm Verdun denen Verträge kompromittieren könnten, oder die dem Geiste widersprechen, dem sie entsprungen sind.
2. Zu diesem Zweck wird jede der beiden Regierungen die andere über jeden Vorschlag aus dem Laufenden halten, der eine derartige Trag weite haben könnte, auf gleich welchem Wege er ihr von einer der in Frage kommenden Regierungen unterbreitet werden würde. Diese Verpflichtungen gelten für die Dauer des laufenden diplomatischen Unternehmens (Entreprise) und aller folgenden Unternehmen, die gemäß der gleichen allgemeinen Auffassung und mir der gleichen Absicht an seine Stelle gesetzt werden könnten.
Beide Regierungen verpflichten sich, auf diese Unternehmen nicht zu verzichten, ohne durch gemeinsames Uebereinkommen festgestellt zu haben, daß es nutzlos wäre, sie weiter zu verfolgen. In diesem einen Falle würden sie über die neuen Versicherungen beraten, die sie sicb im gleichen Geist und zum Zwecke eines gleichen Gegenstandes zu geben für zweckmäßig erachten würden.
Die beiden Regierungen sind überzeugt, daß eine solche Garantie der Kontinuität und der Wirksamkeit in der diplomatischen französischrussischen Zusammenarbeit d Erfolg der laufenden internationalen Verhandlungen erleichtern und gleichzeitig dazu dienen wird, allgemein den Geist des gegenseitigen Vertrauens in den amtlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern zu stärken. Im Vertrauen daraus Haber, die Unterzeichneten, die von ihren Regierungen hierzu ermächtigt waren, das vorliegende Protokoll unterzeichnet
Ge n f, 5. 12. 1934. (Unterschriften) Litwinow, Laval.
Sie Verordnung zur Durchführung des Eammkungsgefetzes
Berlin, 19. Dezember.
Auf Grund des Gesetzes zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen lTcimmlniigs- gesetz) vom 5. November hat nunmehr der Reichsinnenminister eine Verordnung er- lassen. Diese regelt zuerst die Zustünbigkei- ten für die Erteilung der Sammlungsgeueh» migung. Es heißt dann weiter u. a.: Sainm- lungen und sammlungsähnliche Veranstal- tungen jeder Art dürfen nur genehmigt wer- den, wenn für ihre Durchführung ein hinreichendes öffentliches Bedürfnis besteht und wenn der Veranstalter genügend Gewähr für die ordnungsmäßige Durchführung sowie für die zweckentsprechende und einwandfreie Verwendung des Sammlungsertrages bietet. Sammlungen zu gemeinnützigen oder