Leite 8 Nr. 283
De, Gesellschafter
Mittwoch, de» 5 . Dezember 183 «
te« die Dörfer um Hefibronn. Dörfer im Remstal u. a.
Eine vorwärtsdrängende Entwicklung habe» auch die Dörfer im Ebinger Industriegebiet genommen, namentlich im Talabschnitt zwischen Ebingen und Onstmettingen. Noch »ehr als Onstmettingen, das alte Feinmecha- «kerdorf. das stark vorangetrieben hat. ist Tailfingen gewachsen, das breite Ringe »euer Häuser mit fast noch hellroten Ziegeldächern um den alten Dörflern angesetzt hat »nd fast die ganze Talbreite ausfüllt. Seine Trikotfabriken schaffen Hunderten und aber Hunderten Brot, schafften es auch in jüngst- vergangenen Zeiten der härtesten Arbeitslosigkeit in erstaunlichem Ausmaße. Es ist nun auch Stadt geworden und hat Truchtelfingen in sich eingemeindet.
Alle diese Dörfer sind nicht mehr Dörfer u»st> sind auch keine Städte. Es sind Zwi- schenformen, Siedlungen „zwischen Dorf und Stadt", deren beide Elemente noch lange miteinander zu ringen haben. Sie haben etwas erst Werdendes, etwas mehr oder weniger. ja in vielen Fällen etwas stark Unfertiges. wie ein im stärksten Wachstum befindlicher junger Mensch, dessen lange Arme und kurze Joppenärmel oft ein komisches Bild geben und der auch in seiner Haltung und in seinem Benehmen noch keine Form und Festigkeit gefunden hat. Diesen Charakter in Leben und Wesen zeigen auch alle diese werdenden und wachsenden Dörfer. In dieser ihrer zunächst bleibenden Unruhe und Unfertigkeit liegt nun ihr Charakter, der Charakter des I n d u st r i e d o r f e s.
So stehen sie in einem gewissen Gegensatz zu den reinen Bauerndörfern, die auf den Weiten der Schwäbischen Alb, in Oberschwaben. nur noch teilweise im Gäu. vor allein aber noch im Hohenlohischen. in den Gebieten des Schwäbischen Waldes und anderwärts ihre unerschütterte Ruhe und ihre wohl in manchem veränderte, aber im Grundsätzlichen doch gleichbleibende Form und ihren Aus
druck bewahrt und als Brunnenstuben des völkischen Lebens ihre besondere Ausgabe bekommen haben.
Aber beide. Bauerndörfer und Industrie» dörfer. sind gleich wichtige Formen unseres völkischen Lebens, mit deren Entwicklung unser völkisches Schicksal verbunden ist, und wir wollen uns bemühen, gerade auch den lebendigen Jndustriedörfern unsere ganze Aufmerksamkeit und unser offenes Auge zu schenken, diesen eigenartigen Siedlungssor- men zwischen Dorf und Stadt.
Ein Liivenhardter Bürstenbinder auf -er Reife.
S. R.
Nie Menhmdter Bürstenbinder /»«,«>«
Warum Lühenhardk auch Schafhof und die Lühenhardker Hoferner heißen
Etwa zwei Stunden von Freudenstadt, dem bedeutendsten Höhenkurort des Schwarzwaldes. entfernt liegt das Dorf Lützenhardt in einer kleinen Talsenkung, am Einfluß des Breitenbaches in die muntere Waldach, inmitten schöner, fast unübersehbarer Tannenwaldungen. Freundlich liegen die sauberen Häuser an Straße und Abhang.
Die Uranfänge von Lützenhardt reichen schon Jahrhunderte zurück. Zum ersten Male wird der Ort 1140 als Liutzenhart --- Lutzenhart kleiner Wald erwähnt. Zur Zeit zählt er rund 1000 (katholische) Einwohner und gehört zum Oberamt Horb. Bahnstation ist Schopfloch, an der Strecke Stuttgart—Eutingen—Freudenstadt—Hausach—Offenburg. Ursprünglich war es nur ein Hof, und wie viele Dörfer und Höfe, die Eigentum irgendeiner Herrschaft waren, durch Kauf von einer Hand in die andere gingen, so auch Lützenhardt. Nach vielfachem Besitzwechsel wurde es von Erzherzog Leopold von Oesterreich, in dessen Besitz es auch gekommen war. 1621 seinem Kammerdiener Martin Kraus geschenkt. Später ging es mitsamt dem entstandenen Weiler an den Freiherrn David Keller von Schleitheim über.
Im Jahr 1750 nun kam der Hof — den nur erst ein Meier mit einem Schäfer bewohnte — durch Kauf an den Freiherrn Joseph von Raßler-Weitenburg, der die Ansiedlung von Freileuten (Zigeunern, Spielleuten, Bürsten- und Besenbindern usw.) begünstigte. Infolge des raschen Anwachsens der Bevölkerung und weil der Lehenshos (auch ..Schafhof" genannt) selbst nicht viel abwarf, wurde derselbe 1785 von dem Baron von Raßler an die Einwohner zu gleichen Teilen verteilt und gegen jährliche bestimmte Abgaben als Erbpachtgut überlassen. 1805 kam Lützenhardt mit dem ritterschaftlichen Kanton Neckarschwarzwald zu Württemberg. Heutigestages Pflegen die Lützenhardter noch häufig ..Schafhof" oder nur kurzweg ..Hof" statt Lützenhardt und „Hoferner" für Lützenhardter zu sagen.
Großen Umfang hatte das erwähnte Gut, bas die heutige Lützenhardter Markung bildet. nicht, denn dieselbe beträgt nur 81 Hektar, von denen bloß wenige landwirtschaft- kich benützt sind. Daher war und ist die Landwirtschaft in dem Orte bei solchem Ausmaße ohne sonderlichen Belang und dessen Einwohner, wie einst, auch heute noch gezwungen. sich auf das Handwerk zu verlegen.
Börste«! Börsten!
Den Haupterwerbszweig bildet seit etwa ISO Jahren die Bürstenindustrie. Von insgesamt 150 Familien befaßen sich etwa 130 nebst Angehörigen mit der Herstellung und dem Vertrieb von Bürsten- und Borstenwaren. Eine andere Hausindustrie ist nicht vorhanden. Verfertigt werden, und zwar ausschließlich durch Handarbeit, alle Arten von Bürsten (Handfeger. Staubbesen. Kleider». Wichs-, Äbreib-, Boden-, Faß-, Roß- und Viehbürsten. Pinsel. Flaschen- und Gläserwischer usw.). Der Verschleiß der Waren erfolgt im Wege des Hausieren?, so
wohl in der Nähe wie in weiterer Entfernung. Die auf auswärtigen Erwerb angewiesenen Bürstenbinder, Männer und Frauen, sind fast das ganze Jahr bei jeder Witterung schwer bepackt unterwegs, durch mühsamen Handel kärglich, aber ehrlich, sich ernährend. Während der Reise schleppen die Männer aus dem Rücken die schwere „Krätze", mit dem schweren Eisenring darauf, und daran die Bürstenwaren. Wer keine Krätze hat. zumal die Frauen, tragen ihre Last, den „Bürstenring" oder den ..Bürstenriemen", auf der Schulter. So ziehen die Lützenhardter Bürstenleute immer wacker und guten Mutes, auch bei schlechtem Geschäftsgang zufrieden, durch ganz Württemberg. Hohenzollern und Baden, und früher kamen einige auch in die Schweiz hinüber.
Die Zeiten sind jetzt für Lützenhardt besser geworden. Der Ort ist in sichtlicher Hebung begriffen. Das frühere Elend hat einem bescheidenen Wohlstand Platz gemacht. Seit 1904 besitzt die Gemeinde eine eigene Kirche (vorher war Lützenhardt der einer Viertelstunde entfernten, auf Markung Salzstetten befindlichen. Filialkirche Heiligenbronn zugeteilt), elektrisches Licht. Wasserleitung. Kleinkinder- und Handarbeitsschule, sowie viele neue Häuschen. Durch rastlose, harte Arbeit und zähen Fleiß haben die Bewohner aus der einstigen dürftigen Kolonie ein schönes Pfarrdorf gemacht. Neuerdings ließ die Forstverwaltung 22 Morgen Wald abholzen. von denen auch 36 Parzellen zu 800 Quadratmeter auf 12 Jahre zum jährlichen Pachtpreis von je 12.50 Mark der Gemeinde Lützenhardt überlassen wurden. Ueberraschend schnell hat sich auch die Vereins- und Sportbewegung entwickelt. Zumal der Gesangverein und die Musikkapelle sind durch ihre hervorragenden Leistungen in der nächsten und weiteren Umgebung gut bekannt. Neben dem Krieger- und Militärverein gibt es noch verschiedene Sportvereinigungen, welche gelegentlich schon namhafte Preise errungen haben. Ebenso trat das Parteileben in den letzten Jahren sehr stark in den Vordergrund der öffentlichen Interessen. Durch die Kanzlerschaft unseres Führers Adolf Hitler beherrscht heute die NSDAP, das Feld. Sturm 4/180 hat seinen Sitz in Lützenhardt.
A» DiststklNtS
Ein durch die Entstehungsgeschichte Lützenhardts etwa voreingenommener Besucher ist angenehm überrascht von dem guten Eindruck, den der Ort aus ihn macht. Als erstes grüßt aus den farbenfreudig gestrichenen, zumeist kleinen, aber reinlich gehaltenen Häusern, mit hübsch gerichteten Wohnungen, umgeben von grünen Obstbäumen, die frei auf einer Anhöhe gelegene, weiße Kirche freundlich hervor. Massig hebt sich das alte „Meier- Haus" ab (der ehemalige „Schashos"), das genau noch so dasteht, wie zurzeit der ersten Ansiedler. Breit nehmen sich die Wirtschaften aus. Es ist ja bekannt, daß die Bürstenbinder an einem nicht unerheblichen Durst leiden, was wohl zu ihrem trockenen und staubigen Handwerk gehören mag. War man wochenlang bei jedem Wetter draußen aus der Reise und kommt dann mit dem sauer erworbenen Verdienst heim, so muß es auch gestattet stein, ein übriges zu tun und sich seines Lebens ein wenig zu freuen.
Daß in Lützenhardt die Landwirtschaft keine Rolle spielt, drückt dem Dorf den Stempel des Eigentümlichen auf. Während die umliegenden Ortschaften im Sommer wie ausgestorben scheinen und all die Leute mit Feldarbeiten vollauf in Anspruch genommen sind, herrscht hier ein reges Leben und Treiben. Bei schönem Wetter verlassen die Bewohner die dumpfen Stuben und schlagen ihre Werkstätte vor dem Hause im Freien auf. Da werden Bürsten „eingezogen", dort ist man am „Pechen". Einige sind beim Kämmen und Schneiden der Ware oder beim Zurichten (fertig machen zum Einziehen in die Bürstenhölzer) der Borsten, Fibre und „Reiß" (Wurzeln). Andere sind beim „Aus- Hecheln" der Borsten und Roßhaare oder binden diese zu Büscheln usw. Frauen und Mädchen sind meistenteils am „Bach" unten — wie die Waldach einfach kurz genannt wird — beschäftigt, wo sie Borsten waschen und reinigen. Oder sie sind beim „Haarputzen" (Hecheln der gewaschenen Borsten). Niemand geht müßig, alles ist beschäftigt.
Die Lützenhardker können sich sehen lasten
Die Lützenhardter erfreuten sich früher keines sonderlichen Rufes. Das ist aber doch schon vielfach anders geworden. Wie tapfer haben sich die Lützenhardter Bürstenmacher — bei denen-es nicht einen einzigen Reklamierten gab — im Weltkrieg gezeigt. Das beweist schon, daß das kleine Dorf, prozentual gerechnet, die größten Verluste in Württemberg hatte. Das im Herbst 1926 bei der Dorfkirche ausgestellte Kriegerdenkmal — eine Zierde des Ortes — verzeichnet 37 Gefallene und Vermißte. Bei der damaligen Einwohnerzahl von 800 Seelen kommt auf je 23 von ihnen ein Gefallener.
An jeder Front waren sie zu finden. 1l. a, befand sich auch einer in der Seeschlacht am Skagerrak.
Die. „Hofemer" sind übrigens ein froher, gesunder Menschenschlag, liebe und kluge Menschenkinder, denen man nach näherem Kennenlernen Wohl geneigt wird. Weit gerühmt ist auch die Lützenhardter Gastfreundschaft.
MigrG schichte
dui Speist dämpf« und kocha müasta. Ratüv. licherweist hat se wohl Salz und Essig Pfeffer na tao. Und a bißle en grmrcht« Speck, wo se no gheet hat. au no. 's HÄ grad ausgseha wia saure Kuttla. Aber Wh» dia Kerle dui nuimodisch Speis' na(b)bringch. dao drüber isch em Schneider doch a bWe angst gwea und der Schneidere »et wearnger.
Der Bru«»»e«a»ttlieb
Karl Lrirner.
Wenn dr Ma kochek
's Weib hat ihre Kiudla zum Jmpfa traga i müasfa. Vor se futt ist. hat se zum Ma, gsait: I hao scho älls herg'richt zum Mittag- essa; du derfst 's nu voll fertig macha; dees wirst au zweaga bringa. Am Ofa hanget d' Nudlaplätz, wo i gwarglet hao; die schneidest; aber auch a bißle fei! Nao tuast a Wasser ans Fuir, und wenns suid't. nao gheist d' Nudla nei, laßt's en Waler tua und seihest s raus! 's ander will i nao scho bsorga, wenn i hoim komm. Der Mann hat e bißle brummtet: Dees Malefixkocha. hat aber em Weib doch gfolget. Dees ist er scho gwohnet gwea. Guat ist 's Nudlaschneida net ganga. und wo 's Weib hoimkomma ist. hat er gsait: „I hätt's net glaubt, daß dees so a Gschäft wär. Mei Messer hat gschnitta wia Bux und i hao schwitza müasfa wia Magister. Und a Toil von deane Nudla find gar net woich worra. Was hast fetz dao für a Meahl der- zu gnomma? 's Weib hat gucket und 's ist würrlewoahr gwea: Oine von de Nudla sind arg zäh gwea. Denn bei de Nudlaplätz ist au 's Fensterleder ghanget, und dees hat der Ma für en Nudlaplätz ghalta. Dui U'muaß! Und wia 's Weib da Ma globet hat für sei Kochkunst!
Nomaol a lederna Kocherei
Bor hundert und etle Jaohr sind d' Russa im Land gwea und a Schneider von Finning« hat Ei'quartiering kriagt. 's Essa ist um dui Zeit klemm gwea. und der Schneider hat nex im Haus gheet as Kuttelfleck. D' Schneidere hat dia saur kochet mit era Brüh, und des Essa hat de Russa prächtig gschmeckt. Am ander« Tag hant se wieder so a Supp verlangt; se sei so gut gwea. Der Schneider hat gsait, er häb koine Kuttelfleck maih. Aber d' Soldata hant gsait. dees sei ihne gleich: er soll seha. wo er oine herbring, sonst gang's ihm letz. Und herbraocht hat der Schneider oine, aber halt was für oine. Er hat von seim Naochber a alta Leaderhos zum Flick« dao gheet. Dui hat er mit der Scher zu lauter Stroiska verschnitt«, und 's Weib hat
Boid hant müasfa zua deane Bu(r)scht na- hocka beim Essa und zuagucka und ällawcil hant se denkt, wenn 's nu scho rum wär! Aber dia Kuttelfleck sind rubesstubes gfressa worra. Bloß beim letzte Schub hat oincr von de Russa gfraoget, woher denn der Hosa- knopf komm, wo dinna sei. Der Schneider hat gsait-, O mei, dees ka halt Vorkomma, daß a Stückle Vieh en Knopf verschluckt. Der Ruß hat gsait. dees häb er au denkt; aber net begreif« könn er. wer deam Vieh dea Knopf in Mag« neignäht Hab. Und wia dees ganga ist. ist älle a Rätsel blieba bis uf da Schneider und sei(n) Weib.
Wie s -em Brunnengoltlieb das Herz abbrennt
Der Brunnengottlieb von Gächingen spaltet dem Herrn Pfarrer das Bürgerholz, das er von der Gemeinde bekommen. Der Holzhaufen ist groß, und es ist kalt, so kalt, daß die Frau Pfarrer die Eisblumen nicht von den Fenstern herunterbringt. Dem Brunnen- gottlieb aber fallen die Finger schier weg. obwohl er nagelneue Zwilchhandschuhe an hat. die gut gefüttert sind, und der Atem gefriert ihm in dicken Eiszapfen an den Bart. Da saßt die Frau Pfarrer ein menschliches Rühren. Von ihrer Base drunten in Kirch- heim hat sie eine Flasche guten Kirschengeistes erhalten. Für Fälle der Not. hat die Bas geschrieben; denn sie weiß wohl, daß man im Pfarrhaus nicht für den Schnaps ist. Und so ein Notfall ist nun da. Die Frau Pfarrer greift nach Flasche und Gläsle. aber nicht nach dem kleinsten, denn wenn man Gutes tun will, soll man die linke Hand nicht wissen lasten, was die rechte tut. und sie bringt dem Gottlieb das Gläsle Schnaps in den Hof. Der lacht mit dem ganzen Gesicht. ergreift das Gläsle und trinkt es aus einmal aus. Die Frau Pfarrer, der guten Bräuche des Schnapstrinkens nicht recht kundig. denkt nur an die Stärke des Getränkes und ruft besorgt: „Ei. ei. der brennt Ihnen ja das Herz ab!" — Drauf der Gottlieb voll Ehrlichkeit und Furchtlosigkeit: „O, Frau Pfarrer, länt Se m'rs a nömal abbrennek"
Sm Mt des övricklvvrt»
Wenn zwei Weiber zusammeukommen.
Wird eine dritte in die Hechel genommen.
Zwei Weiber und drei Gänse machen einen Jahrmarkt.
Mit zwei zornige Weiber kann mr ackre.
Wenn de alte Weiber z'sämmestandet. geits a Wetter.
E schö's Weib, e schöner Ose und e schöne Uhr zieret die ganz Stub.
Der Ma v«chricht d' Höfe und 's Weib d' Schüßle.
*
Wann ist der Ma Herr im Haus? — Wenn 's Weib nit daheim ist.
*
Wenn a Haus gvht bis an Rhest,
G'hört no a gozigs Weib nei'.
Wer über sei' Weib schimpft, versthimpft sei' oiges G'sicht.
Tim Auftrag des Vereins zur Körderung der Volks-
bildung für die NS--Preffe Württemberg, beraus- araebc» von Hans Revbina. Mm g. D.