Nr. 283

Mittwoch, 5. Dezember 1934

108. Jahrgang

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Bor der Ratstagung in Genf

Allgemeine Befriedigung über den Abschluß der Saarverhandlungen

Stimmen des Auslandes

kk. Berlin, 4. Dezember.

In Genf tritt heute, Mittwoch, der Völker- bundsrat zusammen, um den Bericht des Eaarausschusses über die eben abgeschlosie- nen römischen Verhandlungen entgegen- zunchmen. Eden, Laval, Jeftitsch und die meisten Staatsmänner sind bereits eingetrof- sen. Allgemein macht sich die Entspannung bemerkbar, die der glückliche Abschluß der römischen Verhandlungen zur Folge gehabt hat.

Das geht auch aus den zahlreichen Stim­men der In- und Auslandspreise hervor, von denen wir einige besonders bemerkenswerte hier anführen wollen:

Äaarbrücker Zeitung":

Niemand - kann davon mit größerer Be- iriedigung Kenntnis nehmen, als die deutsche Bevölkerung des Saargebiets. Eine Zeit un­ruhevoller Spannung ist beendet durch diese Verhandlungen. Daß die Ratstagung in Genf die Vereinbarungen korrigieren, Vor­behalte oder Einwände erheben werde, ist nicht anzunehmen. Es waren Verhandlun­gen zwischen der deutschen und der französi­

schen Regierung. Daß beide Regierungen i

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diesen viel besprochenen, durch die deutsch­feindliche Presse mehr vernebelten als sachlich diskutierten Fragen zu einer Uebereinkunst gelangt sind, nehmen wir als günstiges Zei­chen für die weitere Entwicklung der deutsch- französischen Aussprache. So könnte gerade die Saarsrage, mehr in böswilliger Absicht als mit sachlichen Gründen, als derGefah­renherd Europas" bezeichnet, der Ausgangs­punkt einer wirklichen Befriedigung werden. Mr Baron Aloisi, den Vorsitzenden des Dreierausschusses, bedeutet das Zustandekom­men des deutsch-französischen Uebereinkom- mens einen weiteren großen,Erfolg. Tie absolute Voraussetzung der Vereinbarung von Rom ist die sofortige und bedingungs­lose Rückgliederung des Saargebietes. Ohne sic bleibt die Absprache unverständlich."

Saarbrücker Landeszeikung"

Der Weg nach Deutschland ist also, so hoffen wir, kürzer und freier geworden, und das ist das. was uns Saarländer am mei­sten berührt. Es liegt nun bei uns, am 13. Januar durch eine glänzende Abstim­mung die Voraussetzungen dafür zu schas­sen, daß die Rückkehr des Saargebietes in das deutsche Vaterland auf Grund der jetzt getroffenen Vereinbarungen möglichst bald erfolgt."

Daily Herald" (London):

Vor allem aber, und dies ist das beste, bedeutet die Vereinbarung einen Triumph sürdie deutscheundsürdiesran- zösische Regierung; sie habe gemein- ichaftlich einen Weg für den Frieden und die Vernunft über Vorurteile und Uebelwollen errungen. Es könnte wirklich kein besseres Vorzeichen für die Zukunft Europas geben. Die Saarregelung ist eins von den vielen Zeichen, daß gerade in der scheinbar dunkel­sten und an Gefahren reichsten Stunde die Kräfte des gesunden Menschenverstandes sich wieder fühlbar zu machen beginnen."

»Oevvre" (Paris):

Besonders die nunmehr gelöste Frage der Garantie für die Gegner der Rückkehr des Saargebietes an Deutschland hatte in Gens «nen vorzüglichen Eindruck hervorgerusen. Das Generalsekretariat des Völkerbundes Rht der kommenden Sitzung optimistisch entgegen. Auch die Besprechungen, die der stauOsische Außenminister mit dem deutschen Botschafter in Paris und dem deutschen Ab- eustungsbevollmächtigten von Ribben- >rop gehabt habe, sind in Genf aufmcrk- lani verfolgt worden. Man schließt im all­gemeinen daraus, daß eine spätere Ver­st andigung möglich sei. Gewisse Gen- str Kreiie wollen sogar wissen, daß Baron ^loisj sich an geboten habe, als Vermittler bei einer demnäch- >igkn Verhandlung über eine

Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund tätig zu sein. Tie Möglichkeit einer solchen Rückkehr ist nach einer Anerkennung der deutschen Rüstungen gegeben. Die gleichen-Kreise hielten es nicht für ausgeschlossen, daß die Verhandlungen auf der Grundlage einer erneuten Unter­zeichnung einer Gleichberechtigungserklärung nach dem Muster derjenigen vom 11. Dezem­ber 1932 geführt werden können."

Reichspost", (Wien):

Am Abgrund vorbei": Der Friede Euro­pas wird auch den Abstimmungstag und die endgültige Regelung des Saarproblems über­leben. Es ist ein Glück für Deutschland, das ein Stück kostbaren Gebietes zurückerhalte, wie auch für seine Prozeßgegner, die eine bittere sorge los werden, am besten für die Saarbevölkernng selbst, die endlich aushört, Zankapfel zu sein.

Zur und gegen die Ser> Wadigung mit SeutMand

London, 4. Dezember.

Daily Mail" veröffentlicht in großer Auf­machung einen an den Chefredakteur des BlaiteZ gerichteten Brief Lord Rother- meres. Dieses Schreiben befaßt sich zu­nächst mit Vermutungen über die angebliche Herstellung oon Militärflugzeugen bzw. kriegstauglichen Flugzeugen in Deutschland und behauptet kurzerhand, daß Deutschland bereits über 10 000 Flugzeuge verfüge. Da­bei muß der Verfasser selbst einräumen, daß es sich bei dieser Angabe um nichts weiter handelt als seine subjektive Schätzung. Der Schluß des Briefes ist allgemeinen Politischen Betrachtungen gewidmet.Wenn andere lei­tende Persönlichkeiten vorsichtig wären", so heißt es da unter anderem,so würden sie Deutschland die Freundschaftshand hinstrek- ken. Ich gehöre zu den Leuten, die glauben, daß Deutschland und Großbritannien

Freunde sein sollten. Es gibt zwischen beiden Ländern keine Gegensätze. Die meisten Nach­richten, die in England über Deutschland veröffentlicht werden, sind Schwindel. Hitler ist der glänzende Führer eines großen Vol­kes. Das Hitler-Regime steht nicht vor dem Zusammenbruch, und Deutschlands Wirt­schaftslage ist nicht so tragisch. Wenn es nach mir ginge, so würde ich die Kriegsschuldfrags des Versailler Vertrages Preisgeben, Deutsch­land' alle unter britischem Mandat stehenden afrikanischen Kolonien zurückgeben und der deutschen Regierung Mitteilen, daß Großbritan - nien kein Interesse an der deutschen Politik in Osteuropa habe. Ferner sollte es ein englisch­französisches Verteidigungsbündnis geben, das die Unverletzlichkeit der beiden Länder mit Einschluß ihrer überseeischen Besitzungen Verbürgen würde. Ein solches Bündnis würde Frankreich in den Stand setzen, sich von der Kleinen Entente loszulösen, d. h. von einer Verbindung, die für Frankreich selbst voller Drohungen und Gefahren ist."

Ter französische rechtsgerichtete Abgeord­nete Henriot sprach am Montag abend in einem der großen Pariser Säle über das ThemaGegen den Krieg". Henrivt erklärte, er sei kein Anhänger der Unveränderlichkeit der Verträge, denrf gewisse Grenz­pfähle seien ein Hindernis für den Frieden. Der Redner wandte sich gegen eine französisch-russische Annäherung und trat für ein franzö­sisch-italienisches Abkommen ein. Ter Schritt Südslawiens beim Völkerbund sei zu be­dauern.

Die Besprechungen ehemaliger Frontkämp­fer mit den Vertretern deutscher Frontkämp­fer wurden von dem Redner abgelehnt. Der Abgeordnete erklärte abschließend, daß die Liebe Frankreichs zum Frieden die Umsicht nicht, ausschließen dürfe.

Fast gleichzeitig sprach in der Sorbonne vor der intellektuellen Jugend der franzö­sische Schriftsteller Jules Romain über das gleiche Thema. Der Redner gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Abstimmung im Saargebiet den Auftakt zu einer Entspan­nung zwischen den beiden Ländern darstellen möge. Er vertrat ferner denselben Stand­punkt wie Jean Goh in seiner Kammerrede und wies mit Nachdruck auf die Notwendig­keit hin, die Vorschläge der nationalsoziali- Lnchen Regierung entgegenzunehmen.

Mafsenverhaftungen'in Leningrad

Moskau, 4. Dezember.

Die Beamten des Vundeskommissariats des Innern (OGPU.) haben, wie amtlich mitgctcilt wird, in Moskau 33 Per­sonen und in Leningrad 40 Per­sonen wegen terroristischer Tätigkeit in der Sowjetunion s e st g e n o m m e n. Unter den Verhafteten, gegen die ein Verfahren beim Obersten Militärgerichtshof anhängig gemacht worden ist, befinden sich nach halb­amtlichen Berichten der Stellvertreter des Leiters der chinesischen Ostbahn, Eis- mont, und ein Nesse des ehemaligen Koltschak-Ministers Ustrugotv.

Wie amtlich mitgeteilt wird, hat das Volkskommissariat des Innern (OGPU.) den Leiter der Polizeiverwaltung in Leningrad Medwed, seinen Stellvertreter Fomin und weitere sechs Mitarbeiter der OGPU. ihrer Aemter enthoben und in Haft genom­men. Gegen sie soll ein Verfahren wegen Fahrlässigkeit beim Schutze der Sowset- behörden eingeleitet werden.

Das Volkskommissariat des Innern (OG­PU.) hat den bekannten Tschekisten Agranow mit der Führung des Polizeisicherhcits- wesens in Leningrad betraut.

Bei dem Leiter der Polizeiverwaltung in Leningrad. Medwed. seinem Gehilfen Fomin und den übrigen sechs höheren GPU.-Beamten, die gleichzeitig verhaftet wurden, handelt es sich um alte. Mit­glieder der Kommunistischen Partei, die zudem etwa 17 Jahre lang im Dienste der sowjetrussischen Geheim- . Polizei standen. Medwed war wegen seiner Verdienste zweimal mit dem Orden, de i^. Roten Fahne ausgezeichnet

worden. Wegen der Unterdrückung eines Aufstandes in Mittelasien hatte er ferner eine Eh reu waffe erhalten. Als Chef der Geheimpolizei im Kaukasus war er be­kannt als außerordentlich guter Tscheka- mann, der keine Milde kannte. Fomin ge­hört der Kommunistischen Partei ebenfalls seit 19l( an und war der besonderen Ab­teilung der OGPU. zum Kampf gegen Kolt- schak in Sibirien zugeteilt.

Die verhafteten GPU.-Beamten werden von einem Sondergericht der OGPU. ab­geurteilt. Bei den übrigen 73 Festgenom- ' menen handelt es sich durchweg um Sowjet­beamte, die bisher noch nicht in die Oeffent- lichkeit getreten waren. Auf Grund des Sondergesetzes vom 3. Dezember droht allen Verhafteten die Todesstrafe.

Da die Politische Polizei in Leningrad vollkommen versagt Hot, beauftragte der Chef der Geheimpolizei Jagoda seinen Stellvertreter Agranow mit der Säuberung der Polizeibehörden. Außerdem wurde eine Säuberungsaktion bei der obersten Staatsanwaltschaft in Leningrad angekündigt, da sie nach Aus- sassung der amtlichen Stellen keine genügen­den Maßnahmen für die Bekämpfung der

regierungsfeindlichen Elemente getroffen hat. Die Untersuchung hat gezeigt, daß es sich bei dem Mord an Kirow nicht um einen Einzelfall handele, sondern daß gegen­revolutionäre Elemente Maßnahmen getrof­fen hätten, um gegen die Sowjetbehörden mit Terrormitteln zu arbeiten.

Am Montag abend wurde die Leiche Kirows feierlich nach dem Bahnhof ge­leitet. In den Straßen bildeten Truppen und GPU. Spalier. Stalin, Molotow

und Woroichilow sowie der Oberkom- mandierende des Leningrader Militärbezirks gaben dem Sarg das Geleit. Wegen der Anwesenheit Stalins waren besondere Vor­sichtsmaßnahmen getroffen. Die Leiche des Ermordeten wird am Dienstag früh in Moskau eintrefseu.

Der Hergang des Mordanschlages

Das Jnneukommissariat gibt folgende Ein­zelheiten des Todes Kirows bekannt: Am 1. Dezember befand sich Kirow im Smolny, wo er sich in seinem Arbeitszimmer zu einer Rede in einer Leningrader Partei­versammlung vorbereitete. Neben seinem Arbeitszimmer hielt sich Nikolajew auf, der, als Kirow das Zimmer verließ, von hin­ten einen Nevolverschuß in den Nacken Kirows abgab. Der Täter wurde sofort fest­genommen. Der schwerverwundete Kirow fiel bewußtlos zu Boden und wurde in sein Zim­mer getragen. Die herbeigerufenen Aerzte fanden Kirow ohne Puls und ohne Atem; sämtliche Wiederbelebungsversuche waren er­folglos. Die Aerzte stellten darauf den Tod Kirows fest. Am 2. Dezember wurde die Leiche Kirows geöffnet. Dabei wurde fest­gestellt, daß die in den Nacken eingedrungene Kugel den Kopf bis zum Stirnknochen durch­schlagen hat, wodurch der Schuß sofort töd­lich wirkte. Der Mörder benutzte einen Nagan-Nevolver, der in der Roten Armee verwendet wird.

Zum Nacbfolger des ermordeten Kirows im Polit-Büro wird automatisch der erste Kandidat des Polit-Büros, Mi kos an. be­rufen werden. Dieser gehört zu den intimsten Freunden Stalins und ist selbst Georgier.

Wer als Chef der Parteiorganisation des Leningrader Bezirks an Stelle Kirows tre- ren wird, isi bis jetzt noch nicht bestimmt.

71 verhafteteWeißaarWen*

Moskau, 4. Dezember.

Tie namentliche Liste der 39 Personen aus dem Leningrader Gebiet und der 32 aus dem Moskauer, gegen die laut amtlicher Mittei­lung ein Verfahren vor dem Kriegskollegium des Obersten Gerichts anhängig gemacht wird, ist nunmehr veröffentlicht worden. Die Angeklagten werden dabei alsW eitzgar - disten" bezeichnet, die in letzter Zeit als derVorbereitung zur Organisierung terro- ristischer Akte gegen die Amtsträger des Sow­jetregimes" beschuldigt, verhaftet worden seien. Daß solche Beschuldigungen erhoben und solche Verhaftungen in letzter Zeit er- folgt seien, war bisher nicht bekannt. Tie erwähnte Liste enthält, soweit sich zurzeit er­kennen läßt, keine Namen, die der Oeffent- lichkeit bekannt wären.

Ter Mörder Kirows, Nikolajew, wurde bisher in den Veröffentlichungen über den Leningrader Anschlag mitWeißgardisten" nicht in Verbindung gebracht. Er war, wie gemeldet, Angestellter einer mit wichtigen Vertrauensfunktionen ausgestatteten Sowsel- behörde, der sogenannten Arbeiter- und Bauerninspektion.

Unter den im Zusammenhang mit der Er­mordung Kirows Verhafteten befinden sich: auch sechs Frauen, die angeblich einer gegen­revolutionären Gruppe angehört haben, dar­unter mehrere Verwandte des Mörders Ni­kolajew. Die acht verhafteten Beamten der Leningrader OGPU. werden wahrscheinlich zum Ausschluß aus der Partei und zum Ver­lust ihre Aemter verurteilt werden.

Die Leiche Kirows ln Moskau

Moskau, 4. Dezember.

Der Sonderzug mit der Leiche KirowS ist in Moskau eingetroffen. Stalin, Kaga- nowitsch und andere Mitglieder des Polit­büros trugen den Sara aus dem Zug und hoben ihn auf die Lafette. Vom Bahnhof aus bewegte sich der Trauerzug durch ein vieltausendköpfiges Spalier zum Gewerk- schastshaus.

Reichsmimsirr sammeln.'

Die Sammelzeit

> am Tage der nationalen Solidarität

j Berlin, 4. Dezember.

! Das ReichSPiwPagandaministerium gibt

> bekannt: Auf verschiedene Anfragen aus be-