Nr. 27S

Freitag, 3V. November 1934

108. Jahrgang

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Lloyd George: LeoWM als MM gegen dro

Deutsche Gleichberechtigung mutz anerkannt werden!

London, 29. November.

Bei der großen Rüstungsdebatte im Unter­haus am Mittwoch ergriff nach der Rede Baldwins auch Lloyd George zur all­gemeinen Uebcrraschung das Wort, der Baldwin für die sehr klare und beruhigende Erklärung über die von der Regierung unternommenen Schritte dankte. Vom mili­tärischen Standpunkt, so fuhr er fort, be­stehe kein Zweifel, daß Deutschland unend­lich stärker für seine Verteidigung fei als vor einem Jahre. Aber es sei ein gro­ßer Unterschied zwischen einein Heer, das vorbereitet für die Verteidigung sei, und einem Heer, das aus den eigenen Befe­stigungen in ein anderes Land einbrechen könne. Lloyd George er klärte:

Ich habe keinen Zweifel, daß Deutschland m einer starken Stellung ist. wenn es an­gegriffen wird. Aber es ist etwas anderes, wenn man glauben wollte, daß Deutschland die mächtigen Festungen durchbrechen tonnte, die die Franzosen errichtet haben. Festungen, die, wenn sie im Jahre 19 l4 vor Händen gewesen wären, bedeutet hätten daß man niemals verwüstete Gebiete erleb! hätte. Es gebe, so fuhr Lloyd George fori keine Beweise irgendwelcher Art. daß Deutschland schwere Geschütze hergesteln habe. Deutschland brauche sehr lange Zeii Ausrüstungen dieser Art herzustellcn.

Lloyd George erinnerte dann an die Worte von Smuts. daß Deutschland in lehr großem Maße der Schlüssel für die Schwierigkeiten Großbritanniens im Osten sei. behandelte ironisch die Lobsprüche Ar- chimbauds ans das russische Heer und den dadurch erfolgten Aufstand in der französi­schen Kammer und rief aus:Das kommu­nistische Rußland hält Wache über ein hei­lig antikommunistisches Deutschland! Ich sage voraus, daß in einer sehr kur­zen Zeit vielleicht nicht ein. vielleicht nicht zwei Jahre die konservati­ven Elemente in England au! Deutschland als einBollwerk gegen den Kommunismus in Eu­ropa blicken werden. Wenn Deutsch­land vor dem Kommunismus niederbricht und der Kommunismus Deutschland er­greift, so wird Europa folgen. Ihr werde! Deutschland als euren Freund begrüßen. Ich bitte die Regierung, zu erwägen, ob nicht eine weitere Möglichkeit besteht, zu versuchen, die Mächte in Europa zu über­reden, ihre Zusage und ihr feierliches Ver­sprechen, abzurüsten, wenn Deutschland dies tut, neu zu erwägen. Ihr werdet nicht Frie- den in Europa haben, bis ihr das tut."

Das konservative Mitglied Lord Win- terton, eines der Mitglieder, die Chur- chills Abänderungsantrag unterstützen, er­klärte:Wir werden Deutschland ° in den Völkerbund nicht zurückbekvmmen. wenn nicht nur Frankreich, sondern auch die Welt ihre Ansicht im allgemeinen über Deutschland ändern wird."

Hieraus fragte Lloyd George, ob Timon eine Information über die schwere Artillerie und die 15-Zentimeter-Geschütze geben könne. Churchill verlange Informa­tionen über das deutsche Heer.

Simon erwiderte, das Friedenskurz­dienstheer von 300 000 Mann werde in 21 Divisionen organisiert, wie er annehme, zu­sammen mit mechanisierten Formationen und Kavallerie. Er wüßte nichts über die Ausrüstung mit 15-Zentimeter-Geschützen.

Der oppositionelle Arbeiterparteiler P e - dan kritisierte lebhaft die Rede Lloyd Jorges. Nach weiteren Redner erklärte der Führer der Oppositionsarbeiterpartei l-ansburh, die Arbeiterpartei sei der Ansicht, daß es bei Nichterfüllung der im Friedensvertrag gemachten Versprechungen truher oder später zu einem furchtbaren Krieg kommen werde.

! Sir John Simon

Der Staatssekretär des Aeußeren, Sir- John Simon, der die Aussprache für die Regierung beendete, beantwortete einige Fragen, die während der Erörterungen über die Punkte in Baldwins Rede gemacht wor­den waren. Zur Rede Baldwins bemerkte er, es handle sich heute nicht um eine einfache Erklärung. Die Regierung habe bereits seit ! einiger Zeit eine besondere Prüfung des ! Problems vorgenommen. Bevor die Rede ge- i halten worden sei, sei ihr Inhalt dem deut- ! schen Reichskanzler, Frankreich, Italien und ! den Vereinigten Staaten mit vollen Erläute- . rungen mitgeteilt worden. Dieses Verfahren : sei eingeschlagen worden, weil es sich nicht ! um eine englisch-deutsche Frage, sondern um eine europäische und eine Weltfrage handele. Durch dieses Verfahren habe die Regierung geholfen, einen großen Teil des Argwohns und Nebels zu beseitigen. Wenn wir eine Vereinbarung erzielen können, so würden wir gern eine vereinbarte Abrüstung aus einem niedrigen Stand sehen. Wenn wir nicht ein unerreichbares Ideal erreichen können, so müssen wir suchen, eine Verein- ! baruntz zu niedrigstem Stand, zu dem sie : erreicht werden kann, zu erzielen. Wir er­klären von neuem, wie wir zuvor erklärt haben, daß wir für geregelte Beschränkung sind im Gegensatz zu Wettbewerb und un­geregelten Rüstungen. Wir ersuchen das Haus, uns zu helfen, dies als eine neue Ge­legenheit zu behandeln, die darauf hinzielt, für Europa eine Politik des Friedens zu fördern, die nicht auf die Vorschriften der Nachkriegsberiode gegründet ist, sondern eine neue Bemühung darstellt, fester eine sichere Aussicht des Friedens in der Welt zu er­richten.

Der Abänderungsantrag der Arbeiter­partei für Churchills Abänderungsantrag zu der Antwortadresse aus die Thronrede wurde mit 276 gegen 85 Stimmen abgelehnt. Churchill zog hierauf seinen Ab­änderungsantrag zurück. Die Ant­wortadresse selbst wurde daraufhin gebilligt.

zSiis Echo der Surr-Mde»«»

London, 29. November.

Von den Leitaufsützen der Moraenblättei zur gestrigen Unterhausdebatte find vor allem bemerkenswert die Ausführungen der Limes", die nachdrücklich dafür eintritt daß die deutsche Rüstungsgleichheit eine sak- > tische Anerkennung finden muß.

Besonders unterstreicht das Blatt Bald­wins Ausführungen über die Folgen der Geheimhaltung der Rüstungen und heb! lobend hervor, daß Baldwin die Frage au: dem engeren Bereich des deutsch-englische« Verhältnisses herausgenommen und ihre« alleuropäischen Charakter hervorgekehrt habe Es wird natürlich alM darauf ankommen ob der Reichskanzler seinen Wunsch beweist die ihm zukommeude Rolle in einem Kyllek- tivshstem zu spielen. Zweifellos ist vom deutschen Gesichtspunkt aus betrachtet, die ! notwendige Vorbedingung die- ser Rückkehr in die Gemeinschaft der Nationen die Anerkennung der deutschen Gleichheit in ir­gendeiner praktischen Art und Weise. Das Blatt stimmt den Aeußerun- gen zu. die von Mitgliedern der Regierung und des Unterhauses über den Locarnover­trag und seine Möglichkeiten gemacht wur­den. Er Pflichtet Lloyd Georges Aeuße- ' rungen über die Sinnlosigkeit eines deutsch- j französischen Wettrüstens bei und schließt:

! Was ist geeignet, dieser zwecklosen, fieber- , haften und herausfordernden Nebenbuhler- I fchaft ein Ende zu machen? Sicher wird ! hier zum erstenmal Einhalt getan werden, j wenn wir wagen, um die Worte des General ! Smuts zu gebrauchen, Deutschlands völlige GleichbereKtiauna der Rechtsstellung mit

seinen Gefährten offen, freimütig und ohu - > Vorbehalt" zuzuerkennen. Dann kann j ein neuer Anfang gemacht wer- ^ , den. ' !

Der liberaleNews Chronicle" verurteilt Churchillsunüberlegte Rede" als einen schamlosen" Versuch, eine Panikstimmung , zu erzeugen. Das Blatt hat gegen eine be- i scheiden? Verstärkung der britischen Streit- : kräfte nichts einzuwenden, beklagt aber, daß Baldwin kein Zeichen für eine Aenderung der Rüstungspolitik der Regierung gegeben habe. Das Blatt bedauert, daß England sich niemals mit voller Kraft für ein kol­lektives Sicherheitssystem eingesetzt und keim wesentliche Verminderung der Rüstung her­beigeführt habe.

Unzufriedenheit der französischen Presse

Die Debatte im englischen Unterhaus fin­det in der Pariser Presse starken Widerhall. Tie meisten Blätter sind zwar zufrieden mit dem scharfen Ton, den Churchill angeschlagen j hat, aber anscheinend wenig befrie- ! digt von denErklärun gen Bald­wins und Simons. Der Londoner ! Havasberichterstatter hebt hervor, daß man in englischen Kreisen eine gewisse Ueber- raschung über den Unterschied im Ton und im Inhalt zwischen den Reden Baldwins und Simons nicht verheimliche und dem eine bestimmte Absicht zuschreibe. Durch den Hinweis auf die militärischen Hilfsquellen Englands habe Baldwin das Unterhaus be­ruhigen und vor dem Ausland sein Ver­trauen zum Ausdruck bringen wollen. Gleichzeitig aber hätte der Leitsatz seiner Ausführungen und noch viel eindeutiger die

Lvorre Simons den Zweck gehabt. Deutsch, land zu verstehen zu geben, daß eine Tür kür die Verhandlungen auf der Grundlage der Eindeutigkeit und Klarheit offen bleibe.

Aehnlich äußert sich dasOeuvre". Der Figaro" frage, was die Ankündigung eines Vorschlages Deutschlands bezüglich der Rüstungen besagen solle. Handele es kick, etwa um den Beginn von Verhandlungen? Hier zeige sich die schwache Seite Englands. Man mache Hitler das Spiel leicht. Das Journal" erklärt, Baldwin habe beinahe eine deutsche Mitteilung, die nicht zu ver­breiten geeignet sei. angekündigt.

Zur Debatte im englischen Unterhaus bringt die polnische Presse vorerst nur die Eindrücke ihrer Londoner Korrespondenten, In der halbamtlichenGazeta Polska" wird hervorgehoben, daß Baldwin die Ausfüh­rungen Churchills als übertrieben bezeich- neie. Die Rede Baldwins erscheine als e i n neuer Versuch für ein Kompro­miß seitens der englischen Ne­gierung, diesichbemühe. Deuts ch- land zur Rückkehr zum Völker­bund zu bewegen. Die ruhige, per- trauensvolle und optimistische Rede Bald- wins zeige, daß die englische Regierung gegen­über Deutschland nicht di? Befürchtungen teile, durch die die letzte Debatte in der französischen Kammer gekennzeichnet gewesen lei. Im Zusammenhang mit den englischen diplomatischen Schritten in Berlin könne man aus Baldwins Rede folgern, daß England in der gegenwärtigen Krise die Rolle des Vermittlers zwischen Paris und Berlinübei­ne h m e n wolle.

Frankreichs HoGlmz gibt das Saargebiet aas

Abbaumatznahmen der französischen Banken im Saargebiet

8I(. Saarbrücken, 29. November.

Im Gegensatz zu der unehrlichen und lächer­lichen Stimmungsmache der innerhalb und außerhalb des Saargebiets erscheinenden deutschfeindlichen Presse, die vergeblich den Eindruck zu erwecken versucht, als rechneten weite Kreise" mit einem Erfolg der franzö­sischen Ziatus-guo-Propaganda, beurteilt die französische Hochfinanz den Ausgang der Abstimmung sehr nüchtern und damit sehr richtig.

Die im Saargebiet ansässigen französischen Banken haben deshalb bereits weit­gehende praktische Nbbaumaß- nahnien zu in Rückzug aus dem Saargebiet getroffen. Es ist interessant zu beobachten, daß diejenigen Institute, die ihre Direktiven aus Elsaß-Lothringen erhalten, also Banken mit ihrem Hauptsitz in Straßburg oder Nancy, lauge vor der rein französischen Bank (E. N. C. I.) zu der Erkenntnis kamen, daß das Saargebiet für sie nach dem 13. Jan. 1935 verloren sei. Demnach war auch die Reihenfolge der Entscheidungen, die von ihnen getroffen wurden.

DieAllgem. Elsas fische Balli­ge s e l l s ch a f t", die mehrere deutsche Filia­len besaß, machte den Anfang. Schon im April dieses Jahres kündigtesie dem Personal kurz aufeinander, bis auf etwa sechs Mann. Die Kündigungen wurden auch aufrechterhalten, obgleich ihr bald dar­auf eine ungeheuere Arbeitsleistung zufiel. Diese Bank erhielt nämlich als neues Konto die Verrechnungsstelle zwischen Deutschland und dem Saarge- b i e t. In der Reihe der Kündigungen folgen: die Landesbank (Societe Nancienne in Nancy) und Kreditanstalt lCredit Jn- dustriel Straßbourg).

Gleichzeitig wurden Kredite nicht mehr erneuert bzw. gekündigt. Die Kreditanstalt ging sogar so weit, mit der Dresdner Bank in Berlin einen Vertrag ab­zuschließen. wonach die Bank mit dem eigenen Haus an die genannte deutsche Bank kür 125 000 RM. übergehen soll, wenn das Saar­gebiet im Reich eingegliedert wird. Ein Be­auftragter der Dresdner Bank spricht setzt schon bei wichtigen Entscheidungen mii.

Bei der B.N.E.J. der rein kranzösikchen

Bank, vertrat man bis zu Anfang 1934 den Standpunkt, Frankreich lasse das Saargebiet nicht. Dann setzte sich allmählich die Auffas­sung durch, eine Verständigung zwi­schen beiden Nationen wäre doch besser das war etwa zu der Zeit, als Matz Brau« sich offen für Frankreich bekannte. aber bei dieser Derständigungsidee war immer noch der Wunsch der Vater des Gedankens, denn man wollte so leichten Herzens das Feld nicht räumen, auf dem man viel verdient hatte und zurzeit noch verdient.

Da kamen schlagartig die Kündigungen der Konkurrenz, und nun fielen auch verübte- denen Leuten in Paris die Schuppen von den Augen. Man hat zwar dem Personal noch nicht gekündigt, aber man schreibt höfliche Briefe an die Debitoren wegen Rückzahlung der Kredite, man er­neuert keine Kredite mehr und, was sehr we­sentlich ist. man diskontiert keine saarländischen Papiere mehr, die über den 13. Januar 1935 laufen. Auch hier hat eine verschärfte Koukrolt? der Konten eingesetzt. Man weiß also auch bei der französischen Hochfinanz ganz genau, was aus dem Saargebiet wer­den wird.

Selbst die Regierungskommis- lion bereite, schon den Abbau i hres Beamtenappara tes vor. Sie verteilt setzt schon mit bekannter Großzügig­keit es geht ja nicht auf ihre Kosten große Beträge an Peculegeldern an Beamte, die nach der Rückgliederung keine dienstliche Verwendung mehr finden. Die Wissenden, d. h. die Drahtzieher der 8tatus-quo-Propa- ganda. betrachten, wie ihre Vorbereflungea erweisen, die Rückgliederung als eine Selbst Verständlichkeit. Auchdiesogenannten Führer" der ..A n t i f a s ch i st i l ch e ir Einheitsfront" haben natürlich längst ihr Schäfchen im Trocke­nen. Das Nachsehen werden, wie seinerzeit im Reich nach dem 5. März 1933. die weni­gen Verführten haben, denen erst nach dem 13. Januar 1935 die Augen aufgehen wer­den, wie sie von den Handlangern der inter­nationalen Hochfinanz und von den in ihrem Solde stehendenFührern" mißbraucht wor­den find.