Nr. 243
Donnerstag, 18. Oktober 1934
108. Jahrgang
i
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Weittragende Steuersenkungen
Vereidigung der Reichs- und
In der Dienstag-Sitzung des Reichskabinetts ! wurde zunächst ein Gesetz über den Eid der ! Reichsminister und Mitglieder der Landesregierungen angenommen. Darnach erhält der K 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse des Reichskanzlers und der Reichsminister (Reichsministergesetz) vom 24. März 193V in i der Fassung des Gesetzes vom 17. Oktober 1933 i folgende Fassung: Die Reichsminister leisten bei Üebernahme ihres Amts vor dem Führer und i Reichskanzler folgenden Eid: !
Ich schwöre, ich werde dem Führer des Deut- ^ schm Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu ! «nd gehorsam sein, meine Kraft für das Wohl ' »cs deutschen Volkes einsetzen, die Gesetze wah- j rcn, die mir obliegenden Pflichten gewissenhaft erfüllen und meine Geschäfte unparteiisch und ! gerecht gegen jedermann führen, so wahr mir ! Gott helfe." ^
Die Mitglieder der Landesregierungen, so- j ! weit sie nicht gleichzeitig Reichsminister sind, j
i leisten bei Üebernahme des Amts vor dem f
! Reichsstatthalter in Preußen, vor dem Führer, i ! und Reichskanzler, einen ähnlichen Eid. Die im i Dienst befindlichen Reichsminister, Reichsstatt- . Halter und Mitglieder der Landesregierungen > sind unverzüglich gemäß diesem Gesetz zu ver- ! eidigen. i
Im Anschluß hieran nahm der Führer und I Reichskanzler eine Vereidigung der Reichs- ! minister vor.
Das Reichskabineti verabschiedete sodann eine Reihe neuer Steuergesetze. Bei diesen ist besonders auf eine Verein- f-chungdes Steuerrechts und eine .Entlastung der Verwaltung, sowie auf eine stärkere Berücksichtigung der kinderreichen Fa- ' mitten Wert gelegt worden. Bei diesen Verbes- > serungen der Stenervorschriften auf den ver- ^ schiedenen Gebieten handelt es sich noch nicht ! uni die geplante großzügige Steuerreform, die ! erst im Zusammenhang mit der großen Reichs- i finanzreform durchgeführt werden kann. '
Angenommen wurde ein Gesetzüberdas - Versteigerungsgewerbe, durch das j gewisse Mißstände beseitigt werden und die , Grundlage für die Säuberung dieses Gewerbes i von unzuverlässigen Personen geschaffen wird, j Das Gesetz zur Äenderung des Genossenschafts- ^ gesetzes bringt die feit langem geplante Reform « der genossenschaftlichen Prüfung. Ein Gesetz j zur ' Äenderung von Vorschriften über die ! Zwangsvollstreckung bereinigt einige gesetzgebe- ! ! rische Fragen des Vollstreckungsrechts, die nicht ' bis zur Gesamtreform zurückgestellt werden konnten. Insbesondere enthält das Gesetz auch eine Äenderung der Vorschriften über die Stundung von Gehalts-, Lohn- und ähnlichen Ansprüchen. Das Gesetz zur Äenderung des Mili- tärstrafgesetzbuches und der Militärstrafgerichtsordnung bringt eine Anpassung des Militärstrafrechts an die inzwischen erlassenen Gesetze auf dem Gebiete des allgemeinen Strafrechts. Angenommen wurde ein Gesetz über die Lösung von Verlagsverträgen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, wonach Verträge des Reiches, der Länder oder anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts aus der Zeit vor dem 30. Januar 1933 über amtliche oder halbamtliche Veröffentlichungen sowie über die Herausgabe von Zeitungen zur Aufnahme derartiger Veröffentlichungen unter Einhaltung einer Frist von 6 Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljah- ! res, spätestens jedoch zum 31. 3. 1935 gelöst ! werden können.
Ein Gesetz über dieFörderungder G etreidebewegung gibt der Reichsstelle für Getreide, Futtermittel und sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse (RfG.) ferner die Möglichkeit, die Aufnahme von Getreide durch die RfG. auch bei der verminderten Ernte sicherzustellen.
Schließlich wurde ein Gesetz über die Errichtung einer deutschen Verrechnungskasse angenommen, das zur Durchführung von Abkommen mit ausländischen Regierungen, Zentralnotenbanken oder im Ausland amtlicherseits ^gelassenen Verrechnungsstellen, welche den Zahlungsverkehr ganz oder teilweise auf der Grundlage der Verrechnung regeln, notwendig geworden war.
Die neuen Skeuergesehe
Die Ziele der Steueraesebe lind im Adolf-
Länderminister auf den Führer
Hitler-Staat mr wesentlichen aus drei große Gedanken abgestellt:
1. Kampf um die Verminderung der Arbeitslosigkeit, damit um die Gesundung der sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Dinge unseres Volkes. Im Zusammenhang damit Lösung dringender Wirtschaftsfragen.
2. Förderung der Familie. Im Zusammenhang damit Verwirklichung des volkspolitischen Gedankens.
3. Betonung des Wertes der Persönlichkeit und der persönlichen Verantwortung in der Wirtschaft.
Neben diesen Zielen bringen die Steuergesetze eine wesentliche Vereinfachung der Verwaltung. Das neue Einkommensteuergesetz erweitert das Gesetz über Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen in verschiedene Hinsicht. Es gestattet den buchführenden Gewerbetreibenden und Landwirten, kurzlebige Gegenstände, das sind Gegenstände, deren betriebsgewöhnliche Nützungsdauer fünf Jahre nicht übersteigt, schon im Jahre der Anschaffung voll abzuschreiben. Diese Abschreibungsmöglichkeit wird schon für das gegenwärtig laufende Jahr gelten.
Die Förderung der Familie ist das Kernstück der Steuergesetze. Dem neuen Einkommensteuergesetz gemäß werden im Durchschnitt die Verheirateten etwa ein Drittel weniger Steuern zu zahlen haben als die Ledigen. Die Kinderermäßigung bei der Einkommensteuer und bei der Bürgersteuer wird sehr viel - größer sein als bisher. !
Bei der Vermögenssteuer tritt an ! die Stelle der bisherigen Freigrenze von I 20 000 RM. ein Freibetraa von ie 10 000 ^
gl. Paris, 17. Oktober. l
Erst allmählich lassen sich die schwerwiegen- ! den Auswirkungen des Doppelmordes in Mar- j seille erkennen. Noch hat sich das Grab des ' Königs von Südslawien nicht geschlossen, noch weilt der französische Staatspräsideni Lebrun in Belgrad. Deutlich aber zeichnen sich die Erschütterungen, die Frankreichs Außen- und Innenpolitik zu erwarten hat, ab.
Die politischen Seismographen sind noch nicht zur Ruhe gekommen, so daß sich das Ausmaß der Erschütterungen noch nicht feststellen läßt. Aber die Zweifler, die an eine Festigung des Kabinetts Doumergue trotz der Ernennung Lavals zum Nachfolger Barthous, trotz der Auswechselung der Minister Sarraut und Cheron nicht glauben wollen, werden immer zahlreicher. Die bei den Generalratswahlen nicht allzu glimpflich davongekommenen Radikalsozialisten neigen bedenklich einer Linksschwenkung zu und bedrohen damit das bürgerliche Rechtskabinett in seinen Grundfesten. Die Wahl, die Doumergue bei der Neubesetzung der drei Ministerien des Aeußern, Innern und der Justiz getroffen hat, begegnet gleichfalls geringer Begeisterung. Tardieu und Herriot sind mit Laval durchaus nicht zufrieden und es mag die Einstellung der beiden Staatsminister ohne Portefeuille Wohl am besten kennzeichnen, wenn Tardieu nach einer einstündigen Besprechung mit dem Ministerpräsidenten sein Blatt schreiben läßt:
„Die Abreise des Präsidenten der Republik nach Belgrad verhindert natürlich jede Möglichkeit einer sofortigen Krise. Es ist aber zu befürchten, daß der Ministerpräsident, wenn er nicht auf besseren Willen stößt, nach soviel Zwistigkeiten die Ruhe seines Feriensitzes Tournefeuille wiederzufinden suchen wird."
Daß der Mordanschlag gerade in dem Augenblick erfolgen mußte, in dem die Brücke über die Adria geschlagen werden sollte, empfindet man in Paris doppelt peinlich. Die italienfeindlichen Kundgebungen in Südslawien lassen keinen Zweifel darüber, daß dieser Brückenschlag jetzt doppelt schwer sein wird.
Reichsmark für den Steuerpflichtigen, seine Ehefrau und jedes seiner Kinder, sür das ihm bei der Einkommensteuer Kinderermäßigung gewährt wird. Ein Lediger, welcher 50 000 Reichsmark Vermögen hat, wird daher künftighin 40 000 MN. versteuern müssen. Ein Verheirateter mit zwei Kindern braucht bei dem gleichen Vermögen nur 10 000 RM. versteuern. Auch bei der Erbschaftssteuer werden Freibeträge eingeführt. Sie betragen für Kinder 30 000 RM. und für Enkel 10 000 Reichsmark.
Daneben bleiben die Steuerermäßigungen für Hausgehilsen in Kraft.
Auch die Ehestandsdarlehen werden in der bisherigen Weise weitergewährt werden.
Me Äenderung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung
Nach bisher geltendem Recht sind unpfändbare Kleidungsstücke usw., soweit sie für den Bedarf des Schuldners und zur Haltung eines angemessenen Haushalts unbedingt notwendig sind. Die gerichtliche Praxis hat noch vielfach daran festgehalten, das Schwergewicht auf das Wort „unentbehrlich" im Gegensatz zu „angemessen" zu legen. Und damit der Vorschrift einen so engen Inhalt gegeben, daß sie den Bedürfnissen des Praktischen Lebens nicht voll gerecht werden kann. Nach dem neuen Gesetz soll vor dem Pfändungszugriff der Gläubiger alles gesichert ein, dessen der Schuldner zu einer angemes- enen. bescheidenen Lebens- und Sausbakt- ührung bedarf. Weiterhin dehnt das neue Gesetz den Schutz auf Dienstkleidungsstücke der bisher nur Offizieren und Soldaten zu- stand. auf alle zum Tragen von Dienstkleidung berechtigten Personen aus. Damir ist auch die Frage der Pfändbarkeit oon SA.-U Urformen in verneinendem Sinne klargelegt. Eine wichtige A"ndernna der Zwanasvollstreckunasverord-
Man hat sich beeilt, mit dem geistigen Führer der Kleinen Entente, Benesch, rasch ins Reine zu kommen. Wie weit diese Vereinbarungen, die man jetzt in Paris geschlossen hat, sich tatsächlich auswirken können, bleibt abzuwarten. Denn noch ist die Rolle der tschechoslowakischen Gesandtschaft in der geheimnisvollen Paßgeschichte — über die wir an anderer Stelle berichten — nicht geklärt, noch weiß man nicht, ob das Band, das Südslawien an die Kleine Entente kettete und das in der letzten Zeit sehr locker war, nicht noch lockerer werden wird.
Darum versucht man auch, von dieser Unsicherheit abzulenken. Die Stellungnahme der Pariser Presse zu den Besprechungen zwischen Laval und Benesch ist ein Musterbeispiel dafür. „Matin" z. B. meint, daß beide Außenminister beschlossen hätten, die Angelegenheit der Bürgschaft für die österreichische Unabhängigkeit weiterzutreiben, den Vorschlag Litwinows, die Abrüstungskonferenz in einen ständigen Ausschuß zur Aufrechterhaltung des Friedens umzuwandeln, aufzunehmen und — dürfte das in einem Manöver der französische« Politik fehlen? — dafür zu sorgen, daß auch das Deutsche Reich baschöftigt werde.
Deshalb stellt das Blatt in einer etwas undurchsichtig gehaltenen Erklärung fest, daß „man" in der letzten Zeit schon von einer angeblichen Vertagung der Saarabstimmung habe reden hören. Das Gerede dieses „Man" habe auch die beiden Außenminister beschäftigt und man könne es als feststehend betrachten, daß der Volksabstimmungsausschuß die Wahllisten einer genauen Prüfung unterziehen müsse, welche Arbeit eine „gewisse Zeit" in Anspruch nehmen „könnte".
Es wird gut sein, wenn Außenminister Laval durch deutliches und eindeutiges Abrücken von solchen tend"nziösen Kombinationen die Pressebehauptungen unter Beweis stellt, wonach er nicht der älteren Generat' ou der „Poincare laguerre"ang-hört.
! nung besteht darin, daß zukünftig'es nicht ! mehr jeder Gläubiger in der Hand hat, einen zahlungsunfähigen Schuldner zum Offenbarungseid zu zwingen. Nach dem neuen Gesetz wird die Pfändungsgrenze von bisher 165 RM. im Monat aus monatlich 150 RM. gesenkt. 150 RM. würden unter Berücksichtigung des Jndexverhältnifses dem Bor- kriegssatz von 125 RM. entsprechen.
Bei 8 Kindern Einkommeastenersteiheit
Berlin, 17. Oktober.
Staatssekretär Reinhardt äußerte sich am Mittwoch vor Vertretern der Presse über die am Dienstag vom Reichskabinett beschlossenen Steuergesetze. Er ging dabei zunächst auf die Einkommensteuer ein, bei der die Kinderermäßigungen wesentlich erhöht worden sind. Sie betragen 15 v. H. für ein Kind, 35 v. H. für zwei Kinder, 55 v. H. für 3 Kinder, 75 v. H. für 4 Kinder. 95 v. H. für 5 Kinder und 100 v. H. sür 6 Kinder. Diese Kinderermäßigungen werden im Gegensatz zur bisherigen Regelung auf Antrag auch für Kinder bis zum vollendeten 25. Jahr gewährt, so- lange die Kinder für einen Beruf ausgebildet werden, und zwar auch dann, wenn sie nicht zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehören. Auch der steuerfreie Einkommensteil und die Steuersätze sind im Zusammenhang mit der größeren Berücksichtigung des Familienstandes neu gestaltet worden. Bei der Bürgerst euer sind ebenfalls Kinderermäßigungen eingeführt worden. Ferner ist bei dieser Steuer die Freigrenze von 120 auf 130 v. H. des allgemeinen Wohlfahrtsunterstützungssatzes erhöht worden. Diese Maßnahmen bedeute« einen ersten Schritt zum Abbau dieser Steuer, über deren endgültiges Schicksal bei der Neugestaltung des Finanzausgleichs im Rahmen der Reichsreform entschieden werden soll.
Bei der Vermögenssteuer sind für natürliche Personen in Zukunft Freibeträge vorgesehen, und zwar bleiben für den Steuerpflichtigen selbst, für seine Ehefrau und für jedes minderjährige Kind je 10 000 RM. steuerfrei.
Auch bei der Erbschaftssteuer ist ein Freibetrag eingeführt worden, der für Kinder 30 000 RM. und für Enkel 10 000 RM. beträgt. Diese Beträge bleiben auf jeden Fall erbschaftssteuerfrei, auch wenn der gesamte Erbschaftsbetrag die Freigrenze übersteigt.
Dem Kampfe uir die Verminderung der Arbeitslosigkeit dienen zwei weitere neue Steuermaßnahmen, die Abschreibung für kurzlebige Gegenstände des gewerblichen oder landwirtschaftlichen Anlagekapitals sowie die einheitliche Festsetzung der Umsatzsteuer im Binnengroßhandel auf 4ch v. H. Bei der ersten Maßnahme handelt es sich um eine Ergänzung des Gesetzes über Steuerfreiheit für Ersatzbeschaffungen vom
1. Juni 1933. Darnach dürfen buchführende Gewerbetreibende und Landwirte auf Grund des neuen Gesetzes Aufwendungen für Gegenstände des gewerblichen oder landwirtschaftlichen Anlagekapitals, deren betriebsaewöhn- liche Nutzungsdauer in der Regel 5 Jahre nicht übersteigt, bereits im Jahre der Anschaffung oder Herstellung voll vom Gewinn absetzen. Die Aufwendungen für derartige Gegenstände können bereis vom Gewinn des Jahres 1934 voll abgesetzt werden, wenn die Anschaffung oder Herstellung bis zum Schluß des Wirtschaftsjahres 1934 erfolgt. Die Neuregelung der Umsatzsteuer beseitigt die bisherige Benachteiligung der lagerhaltenden Großhändler, so daß l - Zukunft eine angemessene Lagerhaltung ermöglicht wird, die nicht nur dem Großhäiwler, sondern vor allem auch der Industrie von Nutzen ist. Ferner bedeutet die Neuregelung der Umsatzbesteuerung des Großhandels eine sehr wesentliche Vereinfachung der Verwaltung, da in Zukunft zwischen Lieferungen ab Lager und Lieferungen ohne Lager "ich- mehr unteq, schieden zu werden braucht.
Das Skeueranpaflungsgeseh,
das bereits am Mittwoch im Reichsgesetzbkatt erscheint, enthält 5 Gruppen von Vorschriften:
1. allgemeines Steuerrecht,
2. verfahrensrechtliche Vorschriften,
3. Aeuderungen des Volksverratsgesetzes und damit zusammenhängender Rechtsgebiete,
4. Vorschriften auf dem Gebiet des Finanzausgleiches und
5. Vorschriften über die Vermögenssteuer für das Neckinunasiabr 1935.
Krisenluft zwischen Quai d'Orfai «nd Plaee du Palais Bourbon
Außen- und innenpolitische Folgendes Doppelmordes in Marseille Gerüchte um Doumergue — Was macht Laval?