Nr. 226
Freitag, 28. September 1934
198. Fahrgang
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Sle Tmsrage m
Genf, 27. September.
Der Völkerbundsrat behandelle am Donnerstag nachmittag die S a a r f r a g e. Nachdem Aloisi als Berichterstatter den gegenwärtigen Stand der Frage dargelegt und dabei die Polizeifrage und die Frage ihrer Finanzierung sowie einige Punkte der französischen Denkschrift erwähnt hatte, gab er bekannt, daß das Dreierkomitee sich sowohl ^ an die französische als auch an die deutsche i Negierung und an die Regierungskommission des SaargebielZ wenden werde, um nähere Auskünfte zu erhalten. Außerdem werde das Dreierkomitee von der ihm gegebenen Erlaubnis Gebrauch machen, S a ch v e r st ä n- dige und die technischen Einrichtungen des Völkerbundes bei seiner Arbeit zuzuziehen, um in der Lage zu sein, dem Völkerbund im November einen Bericht überreichen zu können.
Darauf fpracy zuerst
Auhemmmster Barthou.
Die für den Völkerbuudsrat wichtige Saarsrage bestehe, so sagte er, aus zwei Teilen, nämlich aus der Vorbereitung der Abstimmung und aus der Beurteilung der Folgen der Abstimmung. Bisher habe sich das Dreierkomitee fast ausschließlich mit dem ersten Teil befaßt. Dabei habe es sich naturgemäß hauptsächlich um die Aufrechterhaltung der Ordnung im Saarge- bict während der kommenden Monate ge- handelt. Wenn die Regierungskommission, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung verantwortlich sei, nicht in kurzer Zeit eine P o l i z e i t r u p pe zu ihrer Verfügung habe, auf die sie unter allen Umständen zählen könne, so sei zu befürchten, daß die Abstimmung zu Zwischenfällen führe, die ihre Ehrlichkeit und zugleich das Ansehen des Völkerbundes beeinträchtigen würden.
Die französische Regierung ssi an dieser Frage ganz besonders interessiert, denn Frankreich könne auf Grund der Ratsbeschlüsse von 1925 und 1926 angerufen werden, um besondere Verantwortlichkeiten zu übernehmen. Es weise diese Verantwortlichkeiten nicht zurück. Es würde sich ihnen nicht entziehen, wenn man einen Appell an Frankreich richte: „aber", so fuhr Barthou fort, „ich drücke das einstimmige Gefühl meines Landes aus. wenn ich erkläre, Frankreich wünsche lebhaft, daß alles vermieden werde, .was sein Eingreifen nötig machen könnte. Aber um das zu tun, ist es zunächst erforderlich, daß die zwei interessierten Parteien mit gleicher Loyalität die Verpflichtungen halten, die sie in ihren Briefen vom 2. Inn» am sich genommen haben. Tann muß die Negierungskommission die Mittel haben, um das Programm durchzuführen, das vom Völkerbundsrat am 4. Juni festgesetzt worden ist. mit dem Ziel, die Polizei zu verstärken.
Barthou kam dann auf die bisherigen Bemühungen zur Verstärkung der Polizei zu sprechen. Er dankte den Ländern, die eine zustimmende Antwort im Hinblick auf die Anwerbung von Polizisten für die Saarpolizei gegeben haben.
Die französische Denkschrift sei für den Geist Frankreichs kennzeichnend. Frankreich habe, was man immer auch behauptet, auf keine der drei Lösungen, die im Vertrag vorgesehen seien, verzichtet, und desinteressiere sich auch für keine von ihnen. Es wolle deswegen für jede dieser Möglichkeiten die Bestimmung sestsetzen, die nach der ! endgültigen Entscheidung des Schicksals des ! Saargebietes in Kraft zu treten habe. Es ! handle sich aber noch um mehr, nämlich um ! die Definition des neuen Regimes. Die Vereinigung mit Frankreich oder die Rückkehr zu Deutschland seien einfache Lösungen, bei denen jeder Wähler sich selbst Vorteile und Nachteile klar machen könne. Aber die Lösung des Status quo würde im Gegensatz hierzu für den Wähler erst eine klare Gestalt gewinnen, wenn der Völker- bundsrat diese geschaffen habe. Das sei deshalb die vornehmste Pflicht des Völksrbunds- rates und seines Komitees.
dem Mkerbundsral ^
Zum Schluß betonte Barthou, daß er absichtlich ruhig und leidenschaftslos gesprochen habe. Er wäre berechtigt gewesen, Zweifel zu äußern hinsichtlich der Verpflichtung, die vom Rat am 4. Juni auf sich genommen worden sei, nachdem er gewisse Dokumente gelesen habe, die von der Abstimmungskommission vorgelegt worden seien. So hätte er die Notwendigkeiten betonen können, die Bevölkerung einem allzu deutlichen kirchlichen Druck zu entziehen. Ter Rat habe durch seine Einigkeit im Juni schon eine erste Lösung der Saarfrage gesunden, die zu den schwersten Folgen führten könnte, wenn jemals die Vernunft der Leidenschaft weichen sollte. Diese Gefahr wolle Frankreich vermeiden sowohl für sich selbst als auch für Europa.
Daun dankte der
Ratspräsidenl Bsnesch
zunächst dem Präsidenten der Saarregierung, Knox, mit betonter Herzlichkeit für seine Arbeit. Er dankte ihm zugleich im Namen des Bölkerbundsrates für seine Unparteilichkeit, Festigkeit und seinen Mut. Die Regierungskommission habe in jeder Lage das Vertrauen gerechtfertigt, das der Völkerbundsrat in sie gesetzt habe.
Benesch dankte dann kürzer und etwas kühler dem Dreierkomitee und seinem Vorsitzenden Aloisi. Er sprach che Hoffnung aus, daß bis zum November ein Bericht dieser Kommission vorliegen möge und daß es möglich sei, den Völkerbundsrat zu einer
Sonderkagnng
einzuberufen. Barthou schlug vor, etwa den 15. November für die außerordentliche Ratstagung ins Auge zu fassen. Für die endgültige Festsetzung des Termins solle abgewartet werden, wie sich die Vorbereitung der Tagung durch das Dreierkomitee gestalten werde.
Die genaue Festsetzung des Datums müsse dann dem Natspräsidenten überlassen werden. Der Berichterstatter und Präsident des Dreierkomitees, Aloisi, stimmte dem Termin vom 15. November zu. Zum Schluß hielt Barthou es für nötig, dem Präsidenten Knox noch einmal seinen Dank für seine Arbeit auszusprechen, worauf Knox sich höflich verbeugte.
.Zur Kenntnis genannnen!"
Genf, 27. September.
Nachdem die Aufnahme Afghanistans in den Völkerbund durch die Vollversammlung vollzogen war, ging der Präsident zur Behandlung des sowjetruffischen Antrages in der Abrüstungssrage über. Er teilte der Versammlung den Inhalt des Briefes Litwinows mit und schlug vor, ihn einfach zur Kenntnis zu nehmen.
Litwinow begründete dann seinen Vorschlag. Er betonte zunächst, daß er nicht die Absicht gehabt habe, tu den normalen Gang der Vollversammlung störend einzugreisen. Er müsse aber seststellen, daß die Vollversammlung und der Völkerbundsrat sich nicht an der Abvüstungsftage uninteressiert erklären könnten. Die Abrüstungskonferenz sei eine vom Völkerbund ins Leben gerufene Organisation und chr Präsident sei vom Völkerbundsrat ernannt worden. Wenn die Versammlung selbst die Frage jetzt noch nicht behandeln wolle, so könnte sich doch der Völkerbundsrat damit befassen, damit Maßnahmen ergriffen werden, die entweder der Konferenz gälten oder aber den Abrüstungsarbeiten eine neue Richtung geben könnten. Er denke dabei daran, daß beim Völker- bnndsrat ein dauerndes Organ geschaffen werden könne. Auch habe er den Gedanken einer ständigen Friedenskonferenz, den er im Juni angeregt habe, noch keineswegs aufgegeben. Man müsse sich immer vergegenwärtigen, daß ein großes Land nicht im Völkerbunde sei. Daher sei es notwendig.
einen neuen gemeinsamen Boden zu schassen. Da der dritte Ausschuß nicht einberufen worden sei, so habe er es für notwendig gehalten, einen praktischen Vorschlag zu machen. Wenn die Vollversammlung den Beschluß, den sie vor dem Eintritt Sowjetrußlands gefaßt habe (sich nicht mit der Abrüstungssrage zu befassen), aus technischen Gründen nicht umstoßen wolle, so wolle er nicht auf der Abstimmung über seinen Antrag bestehen.
Sandler dankte Litwinow. Der sowjet- russische Vorschlag wurde dann einfach zur Kenntnis genommen.
Einziehung
der KriegsrMungsgewiinle
Antrag des amerikanischen Senators Nhe
Washington, 27. September.
Senator Nye, der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses für die Rüstungsindustrie, hat angekündigt, daß er einen Gesetzentwurf einbringen werde, der die Beschlagnahme sämtlicher Kriegsgewinne vorsieht. Nach diesem Gesetzentwurf, erklärte Senator Nhe weiter, der am Jahrestage der Kriegserklärung in Kraft treten solle, würden sämtliche Kriegseinkünfte und Kriegsgewinne, die einen Betrag von 10 000 Dollar jährlich übersteigen, mit einer Bundessteuer von 98 Prozent belastet werden, während bei Kriegseinkünften unter 10 000 Dollar im Jahr die gegenwärtige Einkommensteuer verdoppelt werden soll.
LitlwisierW des MMl- löndWeu Schulwesens
Wieder eine litauische Vertragsverletzung Tilsit (Ostpreußen). 27. September.
Das großlit«nsche Direktorium ReisgYs hat einen Erlaß veröffentlicht, durch den nun .auch das Schulwesen des Memelgebietes entgegen den klaren Bestimmungen des Memelstatuts litauisiert und die deutsche Unterrichtssprache weitgehend ausgeschaltet werden soll.
Auf Grund dieses Erlasses s»ll ab 1. Oktober die Unterrichtssprache in den memelländischen Schulen nach folgenden Gesichtspunkten festgesetzt werden: Wenn die Schüler litauischer Abstammung zusammen mit den zu Hause litauisch sprechenden Schülern in einer Schule die Mehrheit bilden, so wird in dieser . Schule in der litauischen Sprache unterrichtet. Wird die Mehrheit durch Kinder deutscher Abstammung gebildet, so ist die Unterrichtssprache deutsch. Ueber die Abstammung der deutschen Kinder müssen bis zum 1. November von den Schulleitern entsprechende Listen ausgestellt werden. Nach einer Prüfung dieser Listen durch die Schulräte und Bestätigung durch das Direktorium wird die Unterrichtssprache in den einzelnen Schulen festgesetzt." Da vielfach im Memelgebiet, besonders auf dem Lande, wohl litauisch gesprochen wird, was aber nicht gleichbedeutend mit einer großlitauischen Einstellung dieser Memelländer ist, und entsprechend dem Wortlaut der Verordnung auch die Bestimmung der deutschen Abstammung anscheinend von der Entscheidung der litauischen Schulräte abhängig gemacht werden soll, hoffen die Litauer offenbar, in den meiste« memellänbischer, Schulen das Litauische als Unterrichtssprache einführen zu können. Der Wille der Eltern soll dabei anscheinend vollkommen unberücksichtigt bleiben.
In den Schulen mit litauischer Unterrichtssprache sollen ferner die deutschen Schüler vom erste« Schultag an mündlich in litauisch unterrichtet werden, damit sie, wie es in dem Erlaß heißt, mit Beginn de« 5. Schuljahres dem allgemeinen Unterricht folgen können. Auch in de» Schulen «nt deutscher Unterrichtssprache erhalte, die deutschen Schüler vom erste« Schultag an zusammen mit den SrHtMm der kitarnschen Minderheit litaui- scheu ZSpvaGmckerrrKt. Erst mit Benin« dv» 5. Schuljahres wird dann in diesen Schule» in einer Drache unterrichtet, und zwar st nach der Mehrheit der Schüler, entweder deutsch oder litauisch.
Muffte tu Mze
Barthou sprach im Völkerbund i..sr die Saarfrage und die Aufgaben der Absiim- mungSkommission.
Gegen den Willen der deutschen Eltern und: den Bestimmungen des Meme'ftatuts wird das memelländische Schulwesen litauisiert.
Ter Angeklagte Hauptmann wurde auf ausdrücklichen Wunsch Lindbcrahs diesem gegenübergestellt.
Der amerikanische Olympia-Ausschuß hat beschlossen, die Einladung Deutschlands zur Olympiade 1936 anzunehmen.
Der litauischen Sprache wird also trotz der Bestimmung des Memelstatuts, daß deutsch und litauisch Gleichberechtigung genießen, ganz offensichtlich der Vorrang eingeräumt trotz der Tatsache, daß bisher entsprechend dem Willen der Eltern i« über 80 v. H. der memelländischen Schulen di« Unterrichtssprache deutsch war.
Hinzu kommt, daß auch im Memelländischen Lehrerseminar der litauischen Sprache ein erhebliches Uebergewicht eingeräumt worden ist und daß Schülern und Lehrern aufgegeben worden ist. in Schulangelegenheiten und auch in Privatgesprächen sich nur der litauischen Sprache zu bedienen.
AMM ArbeWrvrit kalt Bk Mrt
Line Verfügung Dr. Letzs über die Gewährung von Unterstützungen
Berlin, 27. September.
Der Führer der DAF., Tr. Leh, ordnet an: Die Richtlinien über die Mitgliedschaft der Deutschen Arbeitsfront sehen vor, daß einzelne Unterstützungen nur gezahlt werden, wenn das Gesamteinkommen des Mitgliedes nicht mehr als 100 Mark monatlich beträgt.
Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf alterworbene Rechte und Anwartschaften. Die Deutsche Arbeitsfront hält ihr Wort, daß die alten Rechte unter alle» Urrfftävden gewahrt werden.
Das Programm des Erntedanktages 1S34
Die Feiern in Goslar und auf dem Bückeberg Berlin, 27. September.
Der Führer begibt sich am 30. September im Flugzeug nach Goslar. Dort versammeln sich um 10 Uhr die Bauernabordnungen aus dem Reich in ihren heimatlichen Trachten in der alten Kaiserpfalz. Der Reichsbauernführer, Reichsminister Darre, begrüßt den Führer und die einzelnen Bauernabordnungen. Der Empfang wird etwa bis 11.20 Uhr dauern.
Inzwischen hat seit dem frühen Morgen der Anmarsch der Teilnehmer des Erntedanktages auf dem Bückeberg begonnen. Er ist gegen 14 Uhr beendet. Die am Erntedankfest auf dem Viickeberg teilnehmenden bäuerlichen Trachtengruppen sammeln sich am 30. September, 13 Uhr. hinter der Ehrentribüne und marschieren in zwei Säulen rechts und links des Mittelweges auf. Diesen schließen sich die Forstbeamten und die Waldhornbläser. ebenfalls in zwei Gruppen geteilt, an. Den Absperrmannschaftcn der SS. sind unaufgefordert die Ausweise vorzuzeigen. Ohne Ausweis kann keine Trachtengruppe auf diesem bevorzugten Platz Aufstellung nehmen. Die wartenden Volksgenossen werden mit Musik und Massenchören sowie durch Massenfreiübungcn, ausgeführt von Arbeitsdienstmännern, unterhalten. Um 13.20 Uhr stellen sich die Bauern in Trachten längs des Mittelweges des Kundgebungsplatzes, den später der Führer beschreitet. auf. Von 14 Uhr bis 14.30 Uhr kommen die Diplomaten und die Ehrenformationen mit ihren Fahnen an und nehmen ihre Mätze ein.
Um 15 Uhr beginnt die eigentliche Kundgebung. Der Führer wird nach seiner Ankunst die ««getretenen Ehrenformationen der Reichswehr und des Arbeitsdienstes abschreiten. Während dessen feuert Artillerie 21 Sckmß Salut. Der KWrer wird dann den