Nr. 224
Mittwoch, 26. September 1934
108. Jahrgang
eselllcliakter
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Verlegenheiten in Paris
Barlhous Oesterreich-Verhandlungen bisher erfolglos Doumergue fordert größere Vollmachten
gl. Paris, 25. September.
Man kann gerade nicht behaupten, daß gegenwärtig glückhafte Stunden für die Regierungspolitik Frankreichs sind. Weder außen- noch innenpolitisch können sich die Pariser Regicrungskreise im Augenblick als erfolgreich bezeichnen.
Barthou ist nach Genf zurückgekehrt. Er hat zwar die Billigung seines Kabinetts für alles Bergangene und für seine kommenden politischen Handlungen erhalten — da fein Kabinett aber noch nicht Europa ist, so tauchen Schwierigkeiten auf, die dem Optimismus der regierungsoffiziellen Kreise in Paris einen gehörigen Dämpfer aufsetzen.
' ist vor allem
die österreichische Frage,
die Herrn Barthou in der zweiten Etappe seines Genfer Aufenthaltes den gewünschten raschen Erfolg nicht gebracht hat. Die Frage des Donauraumes beherrscht seit Jahren die internationale Politik. Bald war Frankreich — durch seine Anleihen —, bald Italien — durch die von ihm bezahlten B a j o n e t t e des sich so nennenden „Oester- reichischen Heimatschutzes" — im Donau- raum obenauf. Beider Willen stand und steht die Meinung eines großen — des größeren — Volksteiles in Oesterreich entgegen, der eine Lösung des Donauproblems ohne Deutschland aus purem Empfinden heraus nicht kennt. Jetzt bemüht sich Herr Barthou, nachdem er das Uebergewicht Italiens im österreichischen Raum anerkennen mußte, darum, eine internationale Garantie für die seit Jahr und Tag zur Debatte stehende „Unabhängigkeit" Oesterreichs zustandezubringen. Darum verhandelte er Montag nicht weniger als zweimal mit dem Vertreter Italiens, Baron Aloisi, und mit dem Vertreter Großbritanniens, Eden. Auch Bene sch, den Außenminister der Tschechoslowakei und Führer der Kleinen Entente, unterrichtete er.
„Sonderbarerweise" — so meint man in Paris — teilten aber die Verhandlungspartner keineswegs den Eifer Barthous. Sie äußerten sich, wie man aus Gens erfährt, „sehr zurückhaltend". Italien hat kein Interests daran, andere Leute in seine österreichischen Pläne Hineinreden zu lassen; es will seine Stellung im Donauraum nicht durch internationale Bindungen einschränken lassen. Großbritannien aber zeigt nach wie vor keine Neigung, sich am Festland irgendwie sestzulegen. So bleibt Herrn Barthon nichts anderes übrig, als heute Dienstag weiterzuverhandeln. Ob ihm besonderes Glück be- schicden sein wird, bleibt abznwarten; seinen in Genf zur Schau getragenen Optimismus teilt aber nicht einmal seine eigene Presse, die mit einem Unterton des Bedauerns feststellt, daß Herrn Barthon für das Weiterspinnen seiner Ostpaktpläne
„die Zeit gefehlt"
habe.
In Oesterreich selbst ist die Lage nach wie vor unklar. Noch jagt eine Notverordnung gegen die nationale Opposition die andere; "es fehlt aber auch nicht an Zeichen, daß ein Teil der Legierung dem widernatürlichen Zwist zwilchen den deutschen Staaten ein Ende gesetzt Aen möchte, und sei es nur aus dem Grunde, der seit den Juliereignissen nicht schwächer gewordenen Opposition ein Ende zu bereiten, oder zwischen den mit Bajonetten der Heimwehr und Anleihehoffnungen Lestereichs Politik beherrschenden Staaten besser lavieren zu können.
Ein Faktor, den Herr Barthou in der österreichischen Frage nicht außer acht lasten kann, ist Südilawie n. Solange Italien im Tonauraum eine günstige Stellung hat, kann Südslawien für die Politik Barthous nicht das in Paris gewünschte Verständnis aujbringen, da es damit sein eigenstes Lebensintereste verriete. Frankreich aber kann auf die Bundesgenostenschaft Süd- stawiens nickit verzichten. Anderseits will
I man in Paris nicht verstehen, daß eine Lö- ! inng des Tonauproblems ohne Deutschland ^ nie eine Lösung sein wirst — daß erst die Mitwirkung Deutschlands eine Lösung her- beisühren kann.
Es ergibt sich somit außenpolitisch das gleiche Bild wie bei der Betrachtung der innenpolitischen Lage Frankreichs. Kaum haben die politischen -Ferien geendet, ist auch die innenpolitische Unruhe in Frankreich neu erwacht und die Rundfunkrede Doumergues : am Montag abend zeugt deutlich, daß man ! auch in Paris das parlamentarische Spiel satt zu werden beginnt. Ministerpräsident j Doumergue hat seine Rede im Rundfunk als i „pater patriae" gesprochen. Vertrauen zur ! Negierung sei die Voraussetzung für jede Arbeit. Tie marxistisch-kommunistische Ein- heitssront sei ans falschen Wegen, wenn sie für stie Entwertung der Währung eintrete — mit mildem Tonfall wurde an die französischen Rentner appelliert — und die Folgerung aus allem war, daß die Regierung, bzw. der Ministerpräsident größere Befugnisse brauche, um Frankreich überhaupt regieren zu können. So müsse der Staatshaushalt im VerordnungZwege in Kraft gesetzt werden können, wenn das Par- lamem sich in zwecklose Reden verlöre, eine Volksabstimmung, von der Regierung unmittelbar herbeigeführt, sei besser als endlose Parlamentsdebatten mit Mißtrauensvoten. den Beamten müßten neben ihren Rechten auch Verpflichtungen dem Staat gegenüber auferlegt werden — und selbst die Ankündigung beruf-ständischer Staatsgliede- rnng fehlte nicht.
Es bleibt abzuwarten, welche Wirkung diese Ankündigungen Doumergues haben. Noch sind die Parteien nicht gewillt, sich für das Vaterland zu opfern. Aber leicht nimmt man die gegenwärtige Lage in den Pariser Ministerien nicht mehr. Weder innen- noch außenpolitisch. Und es gibt bereits Franzosen — noch nicht viele, aber immerhin schon eine Anzahl — die die Ansicht vertreten, daß die aus Todfeindschaft zu Deutschland abge- stimmte Innen- und Außenpolitik dringend eines Kurswechsels bedarf. Noch sind sie Weiße Raben — aber: „Vernunft ist stets bei wenigen nur gewesen ..
Die BemjWgell Frankreichs um eiue Garantie der Wer reich. «Nnadhiingigkeit«
London, 25. September.
Ter französische Berichterstatter des „Daily Telegraph" meldet ans Gens: Barthou hat aus Paris den Entwurf einer Erklärung über die Unabhängigkeit Oesterreichs mitgebracht, die vom französischen Ministerrat gebilligt worden ist. Am Montag hat er sie dem italienischen Delegierten Baron Aloisi unterbreitet. Später suchten die beiden Staatsmänner den Lordiiegelbewahrer Eden auf. um ihm den Inhalt des Dokuments mitzuteilen.
Während der letzten zwei Wochen hatte Aloisi zweimal versucht, die britische und die französische Regierung zu veranlassen, dem Wortlaut einer Konvention oder Erklärung zuzustimmen, durch die Großbritannien. ! Frankreich und Italien die Unabhängigkeit ! und territoriale Unverletzlichkeit der österreichischen Republik gegen die Einmischung einer fremden Macht gewährleisten sollten. Diese Anregungen sind erfolglos geblieben, weil die britische Regierung entschlossen war, keine neuen territorialen Verpflichtungen zu übernehmen. Ein anderer Grund war der Umstand, daß die Kleine Entente glaubte, der italienische Vorschlag ziele darauf ab, sie von einer aktiven Teilnahme an den Donau-Angelegenheiten auszuschließen und den Weg für eine Vormachtstellung Italiens in diesem Teile Europas zu ebnen. Bar- thousZiel ist jetzt viel beichei» dener geworden. Er dürfte höchstens cmreaen, daß die Nachbarstaaten Oester
reichs. die Mitglieder des Völkerbundes sind, ihre Bereitschaft erklären sollen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Oesterreichs einzumischen. Sollte nne Einmischung durch eine außenstehende Macht erfolgen, so würde der Völkerbundsrat angerufen werden.
Das'praktische Ergebnis des französischen Vorschlages würde sein, dem Völkerbund das , ganze Problem der österreichischen Unabhän- j gigkeit zu überweisen. Es ist zweifelhaft, ob > Italien der Ansicht Barthous endgültig zu- stimmen wird. Eden hat sich am Montag noch nicht geäußert.
Pariser Bläklerstimmen
Die Genfer Besprechungen Barthous werden in Paris mit ganz besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Obgleich über die neuen Vorschläge Barthous amtlicherseits noch nichts Verlautbart worden ist, glauben einige Blätter schon jetzt, einige Mitteilungen machen zu können.
Der Sonderberichterstatter des „Petit Pari- sien" in Genf will wissen, daß Barthou zwei Vorschläge ein gebracht habe. Der erste, der wahrscheinlich auch die Zustimmung Englands finden werde, gehe dahin, daß Frankreich, Italien, England und die Kleine Entente eine feierliche Erklärung über die Unabhängigkeit und die Unantastbarkeit Oesterreichs abgeben und diese Erklärung dem Völkerbund zur Annahme unterbreiten. Alle anderen Länder können diesem Abkommen beitreten. Der andere Vorschlag sehe ebenfalls eine feierliche Erklärung der drei Großmächte vor, die aber dem Völkerbund nur zur Kenntnis gebracht werden solle. England scheine sich für den ersten Vorschlag zu entscheiden, weil die englische Re- giernng "jede neue Verpflichtung ablehnt, dre nicht in den Rahmen des Völkerbundes fallt.
Die Aussicht«« der Genfer Besprechungen
Der Genfer Korrespondent der Londoner „Times" sagt in einem Bericht, bisher scheine in der Frage einer Garantie der Unabhängigkeit Oesterreichs kein wesentlicher Fortschritt gemacht worden zu sein, und es sei damit auch in unmittelbarer Zukunft nicht zu rechnen. Das höchste, was man erhoffen könne, sei, daß die Verhandlungen die günstigsten Vorbedingungen für die Aussprache schassen würden, die bei Barthous Besuch in Rom stattfinden werde.
in den deutsch-englischen Wirtschafts- Veichandlungen
Berlin, SS. September.
Die bisherigen Besprechungen zwischen der deutschen und der britischen Delegation waren einer allgemeinen Erörterung der schwebenden wirtschaftlichen und finanziellen
Hannover, 25. September.
Zum Erntedankfest am 20. September wird die alte niederländische Harzstadl Goslar zum ersten Male im neuen Reich als Hauptstadt des deutschen Reichsnährstandes in Erscheinung treten. Im Gegensatz zum vorigen Jahr, in dem zum Erntedanktag der Bauernempfang in Berlin stattsand, wird der Führer und Reichskanzler am 30. September die Bauern- abordnungcn aller deutschen Gaue in der alten Kaiserpfalz zu Goslar empfangen. Nach seiner Landung auf dem Flugplatz Goslar wird der Führer durch die Stadt zur Kaiser- Pfalz fahren, wo ihn der Reichsbauernführer Neichsminister Darr« mit den Bauernabordnungen aus dem ganzen Reich in dem würdig ausgestatteten Festsaal erwartet.
Zn den Bauernabordnungen gehören die Landesbauernführer, die jeweils alteingesessenen Erbhofbauern, die ältesten Parteigenossen unter den Bauern und die ältesten Parteigenossen unter den Landarbeitern aus allen Landesbauernfchaften. Diese wird der Führer als die Vertreter des gesamten deutschen Bauerntums grüßen, und zu ihnen wird er sprechen. Weiter wird er in ihrem Kreise verweilen, sich mit ihnen unterhalten und sich von ihrer Arbeit und ihren Nöten
Die alte Kaiserstadt Goslar rüstet Min „Tag des deutschen Bauern", an dem der Führer Bauernabordnungen aus dem ganzen Reich in Goslar empfangen Wird.
Exzellenz von Lehen, der eifrige Förderer des Eisenbahnwesens, ist gestorben.
Barthous Besprechungen in Genf über die österreichische Frage gehen nach wie vor weiter.
Bei einem Filmbrand in Holland kam es zu fürchterlichen Panikszenen.
Der Präsident der Regierungskommission des Saargebietes hat aus die Anw«chu»g schweizerischer Polizisten verzichtet.
Fragen gewidmet. Mrk Rücksicht aus das Inkrafttreten der neuen deutschen Devisenregelung für den Warenverkehr und zur Vermeidung von Störungen des beiderseitigen Handels während der Dauer der schwebenden Verhandlungen ist für die Behandlung der englischen Einfuhr nach Deutschland bis Ende Oktober oder bis zum etwaigen früheren Inkrafttreten einer neuen vertraglichen Regelung folgende Awischensösung vereinbart worden:
Für die Einfuhr der in dem deutsch-englischen Zahlungsabkommen vom 10. August 1934 behandelten Waren sind Devisenfcheine, die zur Einzahlung auf das Sonderkonto der Bank von England berechtigen, in einem Umfang zu erteilen, der dem gegenwärtigen Stand der englischen Einfuhr nach Deutschland entspricht. Dabei wird kein Unterschied zwischen den einzelnen Warengruppen gemacht werden.
Diese Regelung gilt für alle Waren, für die die Möglichkeit der Bezahlung Äb«r das Sonderkonto der Bank von England im Zeitpunkt des Inkrafttretens des de«kfch-eng' lischen Zahlungsabkommens gegeben war und für alle sonstigen Einzahlungen ans daS Sonderkonto, die nachträglich von der Reichsbank zugelassen worden find. Im übrigen bleiben die Bestimmungen dieses Abkommens, insbesondere das System der Anzahlungen, aufrechterhasten.
Madrid, 35. September.
Die Madrider Abendpresse verzeichnet daS Gerücht, Trotz ki habe unerlaubt die spanische Grenze überschritten und halte sich heimlich in Madrid aus. Die Madrider Polizei, hat bereits Nachsvrschnngen cm- gestellt.
erzählen lasten als ein wahrhafter Führer des Volkes.
Besonderes Borspiel für die Sendungen vom Bückeberg
Die Reichssendeleitung teilt mit: Der Neichssendeleiter hat für die Uebertraguugen vom deutschen Erntedanktag auf dem Bückeberg angeordnet, daß hier ähnlich wie bei der Uebertragnng des Reichsparteitags vor jeder großen Sendung statt des Pausenzeichens ein musikalisches Vorspiel über die Sender gegeben wird. Volkslied und Volkstanz, Stimmen und Geräusche der Arbeit auf dem Lande und der Großstadt pulsende Motoren werden in diesem Vorspiel zusammenklingen.
Erleichterungen bei Veranstaltungen am deutschen Erntedanktag
Ter Reichsminister der Finanzen hat die Landesregierungen gebeten, die Gemeinden (Gemeindeverbände) anzuweisen. Veranstaltungen, die am 30. September 1934 aus Anlaß des Erntedanktages und zu Ehren der deutschen, Bauernschaft unternommen werden, von der Vergnügungssteuer freizn- stellen, soweit sie sich im Rahmen des von den zuständigen Stellen bekanntgsgebenen Programms halten.
Ansprache -es Wrers i« -er Kaiserpfalz zu Goslar