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Nr. 218

Mittwoch, IS. September 1934

108. Jahrgang

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Die Russe« i« de« Merbllvd eingeWk«

KolizerltrationßllMr für Streikende

Berlin, 18. September.

Genf, 18. September.

Die Abstimmung über die Aufnahme der Sowjetunion in den Völkerbund war nach kurzer Debatte Punkt 7 Uhr beendet. Die Sowjetunion erhielt 3 9 Ja-Stimmen von 49 im Saal anwesenden Völ­kerbunds Mitgliedern. Sieben Mit­glieder enthielten sich der Stimme und drei stimmten mit Rein. Einige Vöikerbundsstaa- ren blieben der Abstimmung fern.

Der Präsident erklärie Sowjetrußland als in den Völkerbund aufgeno m m e n. Dar­aufhin begann die zweite A b st i m - m n n g über den ständigen Rolssitz Sowjet- inßlands, während die rnstische Delegation noch außerhalb des Saales blieb.

Bei der zweiten Abstimmung wurden für die Sowjetunion 40 Stimmen bei 50 an­wesenden Staaten abgegeben bei 10 Stim­menenthaltungen. Nein-Stimmen wurden nicht abgegeben. Ter Präsident stellte dar­aufhin fest, daß die Sowjetunion einen stän­digen Ratssitz erhalten habe. >

Kurz darauf, um 7.15 Uhr betrat die Sow- fetdelegativn unter Führung von Litwinow den Saal und nahm unter sehr schwa­chem Beifall den für sie vorgesehenen Platz ein. Einige Delegierte, darunter Titu- lescu begaben sich zu den Plätzen der Russen, um sie zu begrüßen und zu beglückwünschen.

Auf dem Platz und auf den Straßen vor dem VersammlungZgebäude des Völkerbun­des hatte sich am Dienstag nachmittag ein etwas zahlreicheres Publikum als sonst ein­gefunden. Es handelte sich aber meist um internationale Besucher Genfs und nur in geringem Maße um Genfer Bürger. Von der Polizei waren ziemlich weitgehende Absper- rungsmaßnahmcn getroffen. Das Haupt­interesse galt natürlich der Anfahrt der Sowjetdelegation. Im Versamm­lungssaal selbst waren diesmal alle Plätze vergriffen, die dem Publikum zur Verfügung stehen.

Als Bundesrat Motta Punkt 6 Uhr vor- suhr, brach das Publikum ganz entgegen dem. was man sonst hier gewohnt ist. in lebhaftes Beifallsklatschen und Hochrufe aus.

Keine EilMW «her Oesterreich

Die Garantie der Unabhängigkeit stößt auf Schwierigkeiten

Genf, 19. September.

Während der letzten Tage stand die öster­reichische Frage in Genf etwas im Hinter­grund. Der Eintritt Rußlands in den Völker­bund und die dazu notwendigen Verhand­lungen und Tagungen haben die Geschehnisse hinter den Kulissen etwas über­schattet. Trotzdem wußte der Eingeweihte, daß eine überaus rege Geschäftigkeit ent­wickelt wurde, um in der österreichischen Frage eine Klärung herbeizuführen. Es ist dabei nicht alles nach Wunsch ge­gangen. Diese einfache Erkenntnis läßt sich, nachdem Dr. Schuschnigg wieder nach Wien zurückgekehrt ist, ohne weiteres sest- stellen.

In den Verhandlungen über Oesterreich Mgte sich Italien als aktivster Faktor, jedoch war auch bei den übrigen Mächten ein eifriges Bemühen zu erkennen, die Dinge im Donauraum einer Klärung im Sinne einer Garantie der Unabhän­gigkeit Oesterreichs herbeizuführen. Aber dasW i e" wurde wieder einmal groß geschrieben. Die gegensätzlichen Interessen der an den Verhandlungen beteiligten Groß­mächte und der Kleinen Entente auf einen Nenner zu bringen, ist bis jetzt noch nicht ge­lungen. Män hat im Gegenteil mehr und Mehr den Eindruck, daß man sich in den beteiligten Kreisen überhaupt noch nicht klar lst über die Form dieser vorläufig sagen­haften Garantie. Dazu kommt noch, daß die Herren aus Wien durchaus nicht immer er­freut waren über die Art und Weise, wie mancherorts die Sicherung der Un­abhängigkeit Oesterreichs angestrebt wurde. So ist man denn mit dem ziemlich mageren

Ergebnis auseinandergegangen, daß die Un- i abhängigkcit Oesterreichsunbedingt" ge­sichert werden müsse.

Besonderes Aufsehen erregte das zur Zeit umlausende Gerücht von dem Plan zu einem Donau-Locarno. Welche Grenzen und Verträge, überhaupt welche Zustände in diesem Donau-Locarno durch die Groß­mächte garantiert werden sollen, davon war allerdings noch nicht die Rede. Es wäre ja auch herzlich naiv, zu glauben, daß die j revisionistischen «waten im Osten an einem ! solchen Plan Gefallen finden könnten. Es läuft eben immer wieder ans dasselbe hin- , aus: dieSieger" von Versailles ! w o l l e n i h r k o n st r u i e r t e s Europa ; ausrecht erhalten mit allen Mit - ! te l n. Hier ist in diesem Zusammenhang nur ! eine Frage zu stellen: Auf welcher i Seite steht Oesterreich?

! EchMniggs Bittrem nach Paris

^ Paris, 18. September.

! Man rechnet in Paris mit dem Besuch de?

> österreichischen Bundeskanzlers Schuschnigc , für A n f a n g N o v e m b e r, d. h. kurz naft

> den Verhandlungen, die Außenministei : B a r t h o u in Rom mit Mussolini sich.

^ ren wird. Schuschnigg erklärte einem Som

derberichterstatter desParis Soir", es treff,

> zu, daß die Genfer Vertreter der Großmächt«

! und der Nachbarstaaten Oesterreichs in einer j eingehenden Meinungsaustausch darüber ein. j getreten sind, wie man künftig Oesterreick

gegen die Einmischung Dritter in seine Im j nenpolitik schützen könnte. Die Initiativ« j ist von italienischer Seite ausgegan- ! gen.

Wie der Neuyorker Berichterstatter des Lokalanzeigers" meldet, hat der Gouverneur von Georgia, um die Arbeiter von weiteren Terrorakten abzuschrecken, enaeordnet, daß ver­haftete Streikführer und streikende Aufrührer in das Konzentrationslager Atlanta, in das bisher nur Farbige gebracht wurden, einge - liefert werden. Das Konzentrationslager befindet sich an derselben Stelle, wo sich wäh­rend des Weltkrieges ein Internie­rungslager für deutsche Kriegs­gefangene befand. Das Lager, das mit Stacheldraht umgeben ist, wird von Nationalgardisten mit aufgepflanztem Bajonett bewacht. Die Aburteilung der verhafteten Streikenden und Aufrührer erfolgt durch ein Kriegsgericht.

3V 000 Arbencr im Streik Rio de Janeiro 18. September.

Ein in der Hauptstadt des brasilianischen Staates Para Belem ausgebrochener Streik der Straßenbahner hat sich jetzt zu einem Ge­neralstreik entwickelt. Insgesamt nehmen daran rund 30 000 Mitglieder teil.

Zersetzung des MwedWen Heeres

Stockholm, 18. September.

Das Stockholmer AbendblattNha Dagligt Allehanda" bringt in größter Auf­machung eine Erklärung des' schwedi­schen Generalstabschess über die kommuni­stische Wühl- und Zcrsetzungsarbeit in der schwedischen Wehrmacht. In der Erklärung des Generals heißt es wörtlich, daßdie staatsfeindliche Agitation einen solchen Um­fang und derartige Formen ange­nommen habe, daß eine ernste Gefahr für den Zusammenhalt der A r- ^ mee besteht".

> Versailles die Ursache allen Uebels

Snowden über die Lage Europas

London, 19. September.

Lord Snowden beschäftigt sich in einem Aussatz in derDaily Mail" mit der Zukunft Europas. Er sagt u. a.:

Es wird keine Anstrengung gemacht, die Beschwerden gewisser Länder zu berücksichtigen, die, solange ihnen nicht ab­geholfen ist, den Frieden Europas gefährden. Anstatt zu versuchen, diese Ungerechtig­keiten wieder gutzumachen, beschäf­tigen sich die Mächte, die die Urheber i dieser Ungerechtigkeiten sind, damit, Bünd­nisse zu schließen, um die Ungerech­tigkeiten aufrecht zu erhalten. Dieser Weg führt unmittelbar zu einem neuen Krieg.

Die Hauptursache der europäi­schen Unruhe und der fieberhaften Be­mühungen um Vermehrung der Rü­stungen und um Abschluß von Ver­teidigungsbündnissen ist indem Versailler Vertrag und in den Verträgen zu suchen, die zur Zer­stückelung Oesterreich-Ungarns führten.

Bevor diese Verträge nicht revidiertsind, wirdesinEuropa keinen Frieden geben. Der Krieg wird nur solange aufgeschoben werden, bis i die gekränkten Nationen sich stark genug zu dem Versuch fühlen, die Gerechtigkeit, die ihnen von den anderen Mächten ver» weigert wird, gewaltsam zu erlan­gen. Dies ist die europäische Lage.

Deutschland verließ den Völkerbund, da es mit Recht glaubte, daß die anderen Mächte entschlossen seien, ihm die Rüstungs- gleichheit zu versagen. Deutschland hat das noch nicht dagewesene Angebot : gemacht, jedes, auch das bescheidenste l Maß von Rüstungen anzunehmen,

! wenn die anderen Mächte es sich selbst aus- l erlegen. Dies war der Prüfstein der ! Ehrlichkeit der anderen Mächte. Wie ^ ! sehr wir auch einige der Kundgebungen der ! ! jetzigen Stimmung des deutschen Volkes j ! ablehnen, so müssen wir doch zugeben, daß j : sie zum großen Teil das Ergebnis !

langer Jahre der Demütigung und des Leidens ist.

Eine Nation von 6V Millionen stolzen und vaterlandsliebenden Menschen kann nicht ewig in einer Stellung der Unterlegen­heit gehalten werden.

Am Schluß des Artikels sagt Snowden. wenn Deutschland zu dem Versuch getrieben würde, seine Rechte mit Waffengewalt zu gewinnen (eine Annahme Snowdens. die in den Tatsachen der deutschen Politik keine Stütze findet die Schriftleitung), so würde die Schuld nicht ausschließlich bei Deutschland, sondern in-der Hauptsache bei den Mächten liegen, die durch Versagung der Gleichheit Deutschland den Glauben und die Hoffnung auf etwas anderes als seine eigenen Waffen geraubt haben. Wenn es zum Kriege kommen würde, sollte Groß­britannien dann kämpfen, um die schlech­ten Bestimmungen des Versail­ler Vertrages ausrecht zu er­halten? Diese Frage würde vielleicht das britische Volk beantworten können. Wenn eine britische Regierung den Mut und die staatsmännische Fähigkeit hätte, daß sie an keinem Kriege gegen Deutschland teil­nehmen werde, solange die Deutschland durch den Vertrag zugefügten Beschwerlich­keiten nicht behoben seien, würde diese Handlungsweise entweder zu einer Revi­sion des Vertrages führen, oder sie würde die Verantwortung für den Krieg den Mächten aufbürden, die diese Un­gerechtigkeiten verewigen woll­ten.

Thronrede gegen Bnsaille;

Zwischenfall in Holland

Haag, 19. Seplcmber.

Bei der Eröffnung des neuen Sitzungs- abschnitts des holländischen Parlaments er­eignete sich ein aufsehenerregender Zwischen­fall. Als die Königin im Rittersaal die Ver­lesung ihrer Thronrede beendet hatte, erhob

Jas Neuefte in Kurz»

Gegen den Versailler Friedensvertrag haben sich verschiedene ausländische Stimmen ge­wandt, Zeitungskönig Hearst, Lord Snowden und die holländische Königin.

Die Eröffnung des holländischen Parlaments durch die Königin wurde vou einem kommu­nistischen Abgeordneten gestört.

In Alaska ist eine Stadt niedergebrannt, wodurch etwa 400 Personen obdachlos gewor­den sind.

Die deutsche Himalaja-Expedition, die eine Höhe von 7893 Metern erreichte, ist auf de- Heimfahrt.

In Eger wurden zwei Kinder eines Reichs­deutschen, die am Parteitag in Nürnberg teil­genommen hatten, verhaftet.

Die Sowjetunion ist heute zum erstenmal ui den Völkerbund eingezogen.

sich einer der ältesten Abgeordneten, um die Monarchin mit dem gebräuchlichen Ruf Es lebe die Königin!" zu ehren. Ehe die übrigen Anwesenden in diesen Ruf einstimmen konnten, hatte der aus Nieder- ländisch-Jndien stammende kommunistische Abgeordnete der 2. Kammer. Ru st an Essendi, die WorteWeg mit der Königin!" in den Saal geschrien. Aller Anwesenden bemächtigte sich eine große Erregung. Mehrere Kriminalbeamte stürzten sich sosort auf den Kommunisten und w a r f e n i h n z u m a a l h i n a u s. *

In der üblichen feierlichen Weise hat am Dienstag mittag die Eröffnung der neuen Sitzungsperiode der niederländischen Gene­ralstaaten stattgefunden. Nach kurzer Be­grüßung der im Rittersaal versammelten Mitglieder der Regierung, des diplomatischen Korps und des Parlaments schritt die Kö­nigin zur Verlesung der Thronrede. Einlei­tend betonte sie. daß auch Holland die Fol­gen der geistigen und wirtschaftlichen Kriie, von der die ganze Welt ergriffen würde, stets schwer zu spüren bekomme. Tie Ent­wicklung des Wirtschaftslebens in Holland wie in Niederländisch-Jndien gebe zu großen Besorgnissen Anlaß, die umso schwerer wir­ken müßten, als im Hinblick auf die Ver­hältnisse iich denjenigen Ländern, mit denen Holland wirtschaftlich am engsten verbunden sei, noch weitere Schwierigkeiten zu befürch­ten seien. Weiter wird in der Thronrede mit großer Besorgnis festgestellt. daß bei­nahe überall die Tendenz zur V e r st ä r k u n g der militärischen R ü st u n g e n wieder aufgelebt sei. Obwohl die niederländische Negierung ihr Möglichstes zur Einschränkung dieser Bestre­bungen tue. halte sie sich doch ihrerseits für verpflichtet, bei ihren auf die Landes- v e r teidigung gerichteten Maßnahmen dieser Tendenz Rechnung zu tragen.

Es sei Zeit, die Ungerechtigkeit des Ver­sailler Vertrages in Vernunft und in Frie­den zu beseitigen.

Der LsttllllAsstönlA erklärt:

Ms«« «erriet dis i>e«W Volk

.. das übelste Instrument, das je geschaffen wurde"

Berlin, 18. September.

Ein Vertreter der Nachtausgabe hatte am Montag in Nauheim eine Unterredung mit dem amerikanischen Zeitungs. könig William Randolph Hearst.

U. a. äußerte sich Hearst in den Ausdrücken unzweideutiger Ablehnung über den Versail­ler Vertrag.Ich betrachte", erklärte er u. a.,den Versailler Vertrag als eines der übelsten Instrumente, die je geschaf­fen wurden. Er ist gerade so sehr eine Ursache der Verwirrung undderDe- moralisierung, die heute in Europa herrschen, wie der Weltkrieg selbst. Ueberdies machen die perversen Klauseln des Vertrags einen neuen Krieg fast nu­ll e r m e i d l i ch , es sei denn, daß eine fried­liche Methode gefunden werden kann, durch die mon die Widerrechtlichkeiten des Vertrages beseitigt.