Sette k — Nr. 18«
Der Gesellschafter
Freitag, de» 20. Juli ISLl
Bei diesem Sacken verfährt man ähnlich wie beim Sacken der Hopfen. Man hängt den Sack, der bis zu drei Meter lang sein kann, an das Gebälk des „Oberlings" in der Scheune. Der Sacker verstaut Schäpper um Schäpper mit geschickter Hand und hilft teilweise auch mit den Stiefeln nach, um möglichst viel Schäpper in die Wollensäcke zu bringen und sie gleichmäßig auszusacken.
Von oben her wirft ihm jemand die Schäpper in die Tiefe des Sackes zu. Das Sacken ist ein schweres Geschäft und kostet manchen Schweißtropfen. Aber es findet sich dann immer wieder eine mitleidige „Seele"', welche dem Sacker einen frischen Trunk reicht.
Ist der Wollensack gefüllt und der Sacker „herausgestiegen". dann wird der Sack mit einer großen Sacknadel „vernäht".
Es gibt heute noch Schafhalter in Württemberg, die 30 und auch mehr Zentner Wolle scheren. Vor drei Jahren erreichte der Preis der württembergischen Schafwolle einen Tiefstand, wie ihn die letzten 100 Jahre nicht verzeichnten. Das Pfund kostete noch — 80 Pfennig. Gleichzeitig führte man aber englische Schafwolle in großen Mengen zu den teuersten Preisen ein mit der „Begründung". diese sei weit besser als die deutsche Wolle. Ja, ein auf Schaswollartikel reisender Kaufmann stellte mir gegenüber die Behauptung auf, deutsche Wolle sei überhaupt nicht zu gebrauchen. Daraufhin zeigte ich diesem „deutschen Kaufmann" einige Erzeugnisse" der „Ulmer Wollverwertung" und belehrte ihn eines besseren. Erfreulicherweise wird die Schafwolle wieder besser bezahlt. Die nationalsozialistische Regierung nimmt sich der deutschen Schafzucht mit aller Energie und großem Verständnis an, so daß die deutschen Schafhalter hoffnungssreudig in die Zukunft blicken können.
Die Wollenaufleserinnen suchen nach den „umherfahrenden" Wollenflöckchen. Auch die sogenannten „Bollen", an welchen noch etwas Wolle haftet, werden gesammelt, damit gar nichts umkomme.
Den nackten Schafen drückt mau ein farbiges „Fellzeichen" auf den Rücken oder an die Seite; meist ist es der Anfangsbuchstabe des Gefchlechtsnamens des Schafhalters.
Ehe der Austräger ein geschorenes Tier aus dem Schoß der Schererin wegholt, bringt er einen Kreidestrich zu Häupten der Schererin am .LSarn" an. Das ist eine einfache, übersichtliche Buchführung, die von jedermann eingesehen werden kann und welche die Schererinnen zu Rekordleistungen hinreißt. Denn einmal wachen sie eifersüchtig darüber, daß kein Strich fehlt, zum andern will jede bis zum Abend am meisten Tiere geschoren haben. Es gibt da „Größen", die unerreicht bleiben und in allen Schererinnenkreisen den Ruhm haben, die besten Schererinnen zu fein. Sie bringen es teilweise auf 50—60 Stück im Tag.
Die nackten Schafe führte man wieder auf die Weide. Sie „springen jetzt leicht davon" und zeigen einen wahren „Gähhunger".
Die Schererinnen und der Schafherr
Noch einen Augenblick zu den Schererinnen! Was die den Tag über an Sprüchen, Vers- »ein und besonderen Redensarten austischen! Das alles ist „beste" Auslese.
Kommt unser einer unter das Scheunentor, hinter welchem die Schererinnen sitzen, ich sag' euch, er hat es nicht leicht! Nicht nur, daß „eine" hergeht und ihm hinterrücks eine Schaflaus in die Anke „praktiziert" — sondern er wird auch von der ganzen Weibergesellschaft in das Kreuzfeuer anzüglichster, stichligster und stachligster Redensarten gestellt. Zu alledem wird man verurteilt, einige Flaschen Bier oder Wein zu spendieren, denn die Schererinnen haben einen Durst, der nicht leicht umzubringen ist.
Der Aufträger muß schlagfertig und grob sein; die Weiberzungen zwicken ihn ohne Unterlaß. „Vornehm sein" bei der Schafschur: gibt es nicht! Der „Raubautz" kommt am besten durch.
Die Vefperpausen! Und erst der Abend! Lied und Lust und feurige Tänze mit den Schäfern in einer Wirtschaft beschließen den Tag.
Ja. so ist es: „Wenn die Schafe geschert werden, sind sie neun Tage närret und die Schäfer sind vierzehn Tage net — g'scheit!"
Viele württembergische Schererinnen gehen zur Zett der Schur in das Bayrische, bleiben dort wochenlang und bringen em schön Stück Geld „heraus"!
Ich kenne eine Schererin — sie ist jetzt sechzig Jahre alt —. die seit ihrem sechzehnten Lebensjahr m die Schafschur geht. Sie hat seitdem über 50 000 Schafe geschoren. Respekt vor einer solchen Leistung!
Da ist nun aber auch noch der Schafherr oder Schafhalter.
Ueber die Zeit der Schur fehlt es ihm keineswegs an Aerger und Verdruß, sagen wir lieber an „Gschur" und „Scherereien".
Ist er weise und klug, so wird er trotzdem ein heiteres Auge „aufsetzen" und seinen Schererinnen, wenn sie ihn darum angehen, Freibier auftischen. Am Abend setzt er sich mit seinen Schäfern mitten unter „sie" und tut mit und spielt keineswegs den Herrn.
Stehen aber die Wollsäcke breit und prall und voll, dann regt sich in unseren Schafhaltern ein „Stölzle".
So ist eS recht und fo soll es bleiben.
Auf -er Wmterstallung
Von MartinFreitag
Die Schäfer und Schafhalter schickten sich darein: Mit der Schäferei ging es seit den 90iger Jahren des vorigen Jahrhunderts rasch abwärts. Jedes Jahr brachte einen Zahlenrückgang an Schafen von rund 20 000 Stück. Heute haben wir im Württemberger Lündchen noch 300 000 Schafe, im Jahre 1900 waren rund 600 000 Stück vorhanden.
Oedungen wurden ausgeforstet oder in Acker, und Wiesenland umgewandelt. Der Kunstdünger ..ersetzte den Pferch" und verdrängte damit die Schafe. Selbst auf der Alb droben, welche seit alten Zeiten der beste Landstrich für Schafe und Schäfer war. gebürdeten sich manche Gemeinden modern und hielten keinen Schäfer mehr, wenngleich dankte überlieferte Wort: „Die Schafe haben goldene Klauen" noch immer zu Recht bestand und in köstlicher Weise ausdrückte, was jahrhundertelange Erfahrung war. Da
terstallung oder halb Winterweide und halb Winterstallung. Bei diesem Streit dreht es sich natürlich um die Kosten, um die Gesundheit und die Ernährung der Tiere.
Schneereiche, kalte Winter zwingen manchesmal selbst in der Pfalz drüben, den Schäfer, daß er dort Winterstallungen beziehen und damit teures Heu kaufen muß.
Die Winlerstallung im heimischen Dorf: Bevor die Schafe kommen, wird der Schafstall hergerichtet. Die „Umläufe" und Raufen müssen angebracht und aufgestellt sein, der Stall gut eingestreut, und wohl duftendes Heu oder Oehmd „aufgesteckt" sein.
Ein eiskalter Wind fährt über den Hot. Der Schäfer steht mit seiner Herde vor der Stallung. Sein „Vieh" — so heißt er die Schafe — hat Hunger wie die Wölfe; denn draußen ist alles „blutt" und kein Gräslein mehr zu finden.
Der Schäfer
zu kam, daß das Deutschland der Vorkriegszeit genügend Geld besaß, um ausländische Schafwolle, die um kein bißchen besser war als unsere deutsche, einzuführen. Dazu kam, daß das Deutschland der Nachkriegszeit sich um landwirtschaftliche Belange kaum, um die Schäferei gleich gar nicht kümmerte.
Was wunder, wenn durch das Land die Losung ging: „Weg mit den Schafweiden, weg mit Schäfern und Schafen. Man verpachtete, wie gesagt, vielfach keine Schafweiden mehr oder beschränkte man sich auf die Verpachtung von Herbst- und Winterweiden auch in solchen Gemeinden, die jahrhundertelang die Sommerweide verpachtet halten.
Je nachdem die einzelnen schwäbischen Landstriche in ihren Bodenverhältnissen, in ihren klimatischen und in ihren allgemeinen landwirtschaftlichen geartet waren, verpachtete man allerdings schon lange Vorsommer-. Sommer-, Herbst- und Winterweiden.
Die Winterweiden im Lündchen selbst reichten freilich nie aus. den schwäbischen Schafbestand über die kälteste und schneereichste Zeit des Jahres durchzubringen.
Deshalb fuhren viele Schäfer in die Pfalz oder vor dem Krieg auch in das Elsaß und bezogen dort ihre Winterweiden. Zur Win- terszeit „sitzen" heute noch viele württembergische Schäfer in der Pfalz. Andere behelfen sich bis zu den Weihnachtsfeiertagen so: Sie fahren um Martini von ihren Alb- weiden in mildere Täler des Neckarlandes oder in die gelinderen Gegenden des Bodensees. halten ihre Hämmel und ihr „Geltvieh" bis in den April durch, nehmen aber die Lamm- oder Mutterschafe auf die Stallung heim.
Viele Schafhalter ziehen ihre Mutterschafe um Martini von der Weide weg und ziehen von da sofort aus die Stallung nach Hause.
Es ist ein ewiger Streit unter den Schafhaltern. was besser sei: Winterweide, Win
Elisabetb Lörcher
Da drängen die Tiere mit ihren breiten Bückeln herein „wie die Kälte", voraus das „Lockschaf", das Lieblingstier des Schäfers, das ihm vor allen anderen auf Wink und Lockruf — ein scharfes, schnalzendes, mit zusammengepreßter Unter- und Oberlippe hervorgebrachtes „Pf, pf, Pf!" — folgt.
An die Futterkrippe
Aus dem Hansen hereindrängender Tiere ragen die pfostigen Böcke oder „Stere" (Herkunft unbestimmt, vielleicht von Sterns in ihrer würdigen, ruhigen Haltung und Gangart hervor. Ihr tiefgestimmtes, volles sattes „Mäh" vermischt sich trefflich mit dem Sopran der Lammschafe. Im Nu sind die Raufen und Umläufe besetzt. Mit heißer Gier reißen die hungrigen Schafe das Futter durch die Sprossen der Raufen und „hauen" ein, daß es eine Lust ist.
Man muß solch ein knirfendes, hastig gieriges Beißen von Hunderten von Mäulern gehört haben, um sich einen Begriff von einer „wahren Freßlust" machen zu können. Man muß es gesehen haben, wie da und dort eines aus der Reihe springt und sich ein besseres Plätzchen aussucht: man muß es erlebt haben, wie gewalttätig einige Schafe in die Reihe hineindrücken, um zu begreifen, was Heißhunger und Futterneid ist.
Das Drängen an die Futterkrippe: Hier ist es vollendete Anschaulichkeit. Manche Tiere Hüpfen in einem Sah auf die Bücke! der anderen, um sie zu verdrängen. Mit stampfenden Füßen und störrigen. zornig stoßenden Köpfen erwehren sich die Angefallenen um ihren Platz. In einer großen Gelte steht frisches Trinkwafser bereit.
Abgestandenes Wasser schadet den Schafen. Daher lautet die erste Losung für die Stallfütterung: „Nur frisches Trinkwasser!"
„Hängt ein Tier hinaus", d. h. ist es sreß- unlusttg, dann ist etwas „nicht recht bei
ihm". Mit scharfem Kennerblick mustert der Schäfer nach diesem Gesichtspunkt sein Vieh, visitiert unter Umständen das Zahnwerk oder gibt einen „Einschütt".
Zwei, auch dreimal im Tag wird gefüttert. Wer auf „Ausstichvieh" etwas hält, setzt als Nachtisch etwas Korn. Haber, auch Rüben oder Kohlraben vor. Bevor gefüttert wird, läßt man die Schafe aus dem Stall. Die Krippen werden mit einem Strohwisch sauber ausgeputzt — die Schafe find im Fressen hei. kel —, und hernach trägt der Schäfer armvollweise Heu her und füllt Raufen und Umläufe.
Die Tiere draußen können es fast nicht erwarten, bis sich die Stalltüre wieder öffnet. Der Schäfer hat oft einen mords Umtrieb, die Schafe hinzuhalten, damit keines zwischen den Türpfosten erdrückt wird. Da redet er dann in seiner Sprache mit den Tieren. Da bedient er sich solcher Ausdrücke, die man nur von einem Schäfer hören kann, und die weder in einem Lexikon, noch in einem Anstandslehrbüchlein zu finden find. Jeder Schäfer hat seinen besonderen Wortschatz und seine besonderen Wortmischungen und Zusammensetzungen; teils holt er sie vom Him» mel herunter, teils von der Hölle herauf, teils aus seinem Schäferblut.
Ich kannte einen, der dem zuletzt in den Stall tretenden Schaf jedesmal einen leichten Fußtritt versetzte und jedesmal sagte: „Du mußt halt immer die Letzte sein. Du Schendsmärr, du!" Dabei war es allemal — eine andere.
Natürlich fehlt eS auch nicht an Lob und Liebkosungen. Die seltsamsten Ausdrücke und Schmeichelnamen kann man da vernehmen. Tiere, welche sich vor anderen durch eine Tugend auszeichnen oder durch eine Untu- end auffallen, bekommen vom Schäfer einen esonderen Namen z. B. „Hurdensvringer", „Hoppas". „Die Alte", „die Verstohlene", die „Schleckere".
Der Lammet
Der „Lammet" setzt ein! Die Schafmütter drücken sich in einen Winkel, um zu gebären, „um zu haun" (zu haben). Das Neugeborene wird mit herzrührender Stimme von der Alten begrüßt, umkreist und gründlich abgeschleckt. Das erste dünne Mäh des Jungen kitzelt das Gemüt der Mutter, daß sie in unnachahmlich weichem, warmen Ton antwortet und ihre Stimme rundet und modelt, daß einen ob solchem Mutterliebeeiser erbarmen könnte.
Kaum zehn Minuten ist das kleine Tröpfle auf der Welt, schon regt sich ein Gelüste in ihm. Es macht die ersten Steh- und Gehversuche, fällt hin, krabbelt auf, knickt zusammen, kurgelt zur Seite, versuchts von neuem und stößt sein Schnäuzlein in die Luft und schwänzelt und tänzelt und sucht — nach Milch. Die Mutter versteht das alles wohl. Sie dreht ihren Leib an einem fort so, daß das Lämmlein die Milchquelle, das strotzende Euter, finden muß.
Jetzt! Welche Freude, welche Gier! Welches Behagen des Jungen! Erste Saugversuche, sie gelingen. Offenbar riecht das Lamm die Muttermilch. EZ geht dem süßen Geruch nach und findet auf diese Weise mit Hilfe der Mutter die „Zitzen".
Zehn, zwanzig, dreißig Lämmer sind jetzt im Stall! Ist das ein Begrüßen und Drolligsein, ein Hüpfen und ein Sprudeln unbändiger Lebenslust!
Nimm ein Lamm auf den Arm und schau ihm in die Augen und betrachte sein herzliebes Köpflein und sein süßes, seliges Göschlein!
Nach Verlauf von einigen Wochen macht der Schäfer einen „Schlüpfer", d. h. er macht im Schafstall ein besonderes Ställein für die Jungen. Sie werden jetzt besonders gefüttert und "bekommen rösches Oehmd und oft Haber. Läßt man sie, nach Stunden erst, aus dem Schlüpfer, dann stürmen und stürzen sie auf ihre Mütter in eilenden Sprüngen und hasten und stoßen in ungeduldigem Eifer aus das Euter.
Ein rechtes Gedeihen und Auseinandergehen kommt in die jungen Tiere. Sie wachsen wie „die Schwämme". Siebenmal, ja dutzendema! im Tag stellt sich der Schafherr vor den Schlüpfer und betrachtet die drolligen Dinglein.
Die schönsten männlichen werden zu Steren auserkoren, die anderen männlichen Lämmer kastriert. Die weiblichen heißen „Kilber", die männlichen Hämmel. Im zweiten Jahr erhält das weibliche den Namen „Zeiting".
Der Frühling steht vor der Statttüre. Die Schafe werden unruhig. Morgen fährt der Schäfer aus. Glück zu!
Mi Schäfer
Drei Schäfer standet beie'nand.
Mr moi't, se leabe schier, die Mannd,
Se loinet se a' de Schippe'
Blomäler na' a'-d Rippe'.
De' jüngste' kommt e-n-o'ruah a' r schempft ond bruttiet fer je na' ond fuchtlet mit em Stecke':
„as Schaffe' soll verrecke'I"
Dr mittler sait- „Narr deszweag hao s i heute' morne' bleibe' lao'!"
Dr gar alt brommt: „Es ghaört verbotte'!
Mr hätte schao' gerst nex schasse' sötte'!"
August Lämmle.
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