D»r Kampf um Fiume
Rom, 29. Dez. Heute vormittag sind der Leiter der nationalen Verteidigung von Fiume. Benturr, und der Bürgermeister von Fiume in Abbazzia mit dem General Ferraris zusammengetroffen. Da die beiden Delegierten der Regentschaft die Verhandlungen eröffnen wollten, ohne sich über ihre Stellung zum Vertrage von Rapallo zu erklären, brachte General Ferrario in unzweifelhafter Weise znm Ausdruck, daß vollständige und rückhaltslose Anerkennung des Vertra geS die unerläßliche Vorbedingung jeglicher Unterhandlung sei. Die Delegierten waren anscheinend von der Erheblichkeit dieser Frage überzeugt und erbaten die Anberaumung eines neuen Zusammentreffens für den Nachmittag, um die Möglichkeit zu Beratungen in Fiume zu haben. Die von den Delegierten erbetene Unterbrechung wurde bewilligt.
_ 2 Aus der französischen Kammer.
Paris, 29. Dez. Die Kammer hat mit 504 gegen 62 Stimmen einen Kredit von 3 625 665 745 Fr. für die Monate Januar und Februar 1921 bewilligt. Damit ist das Gesetz über die beiden Bud-etzwölftel angenommen.
_? Fremdenlegion
" — Berlin, 29. Dez. Neuerdings machen sich rein äußerlich die Werbungen zur Fremdenlegion wieder stärker bemerkbar. In den Herbftmonaren hatte sich, soweit sie überhaupt im besetzten Deutschland sich verfolgen läßt, diele Tätigkeit mehr hinter den Kulissen abgespielt, da man die Sammelstellen nicht mehr so in breiter Oeffentlichkeit in Erscheinung treten ließ, nachdem öffentliches Aergernis dadurch entstanden war. Jetzt steht man wieder truppweise junge Deutsche unter der üblichen militärischen Begleitung zur Kaserne und zum Sammelplatz ziehen. Zentralen dieser Art sind allem Anschein nach immer wieder Mainz und das Lager Griesheim.
Di« Unmöglichkeit der vorgeschlagenen wirtschaftlichen RSteverfassung.
Das Präsidium des Hansa-Bundes kam zu den Vorschlägen der Regierung zum Aufbau der Arbeiter- und Wirtschaftsräte in seiner Sitzung vom 11. Dezember 1920 nach eingehender Behandlung der Vorschläge der Regierung betr. Aufbau der Arbeiter- und Wirtschaftsräte zrr der Auffassung daß die Regierungsvorschläge infolge ihrer Kompliziertheit, des Uebermaßes der oorgeschlagenen neuen Behördenorganisationen und des Mangels klar sestgestellter sachlicher Aufgaben für die neuen Organisationen den im wirtschaftlichen Rätegedanken etwa vorhandenen gesunden Kern zu zerstören drohten. Die Organisation eines politischen Behördenapparates könne nicht in gleicher Weise auf die Wirtschaft über tragen werden, da die schaffende Volkswirtschaft um leben und sich entwickeln zu können, in erster Linie freie Bewegung und schnelle Entschlußfähigkeit voraussetze. Es sei ferner unmöglich, zu den Einzelheiten der Regierungs Vorschläge in refoi motorischem Sinne Stellung zu nehmen, da die Ausführungen die erforderliche Tiefe und Begründung vermissen ließen. Auch fehle jede Einschätzung der Kostenfrage, sowie die dringend notwendige Aufmachung über die durch diese neue Organisation dem gesamten Wirtschaftsleben drohenden enormen Verluste an Arbeitsstunden und Arbeitskraft. Endlich fordere daS wohl verstandene Interesse der Arbeiterschaft, die besonders bei der augenblicklichen wirtschaftlichen Lage Deutschlands auf Gedeih und Verderb mit den Unternehmern verbunden sei, daß nicht eine Gesetzmacherei betrieben werde, welche im Widerspruch mit den wirtschaftlichen Naturgesetzen durch formelle und unpraktische Bestimmungen das Wirt schaftsleben mit allen Konsequenzen völlig erdrossele.
^Verhandlungen mit den Eisenbahnern.
Berlin, 29. Dez. Gestern nachmittag trat im Reichstag der aus Vertretern der Eisenbahnerorganisationen gebildete Sechzehner-Ausschuß zusammen, um zu der augenblicklichen Lage und besonders zu dem Streikerlaß des Reichsverkehrs- Ministers Stellung zu nehmen Die Verhandlungen zogen sich bis in den Abend hinein. Schließlich einigte man sich, heute morgen die Stellungnahme des Ausschusses zu form» lieren und die,e Erklärung Minister Gröner zu übermitteln. Inzwischen hatten Verhandlungen zwischen dem Reichsfinanz Ministerium und dem Deutschen Beamtenbund stattgefunden. DaS Finanzministerium erklärte sich bereit, die Forderungen und Wünsche der Eisenbahner dem Reichsgutachter-Ausschuß
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zu überweisen, in welchem Vertreter des Allqemeinen deutschen Gewerkschastsbundes.' des Deutschen Beamtenbundes und des Deutschen Gewerkschastsbundes sitzen. Der Reichs- gurachler Ausschuß wird voraussichtlich am 3 oder 4. Januar in Berlin zusammentrelen. Durch das Entgegenkommen des Reichsfinanzministeriums hat die Lage übrigens eine Entspannung erfahren. Die Eisenbahnergewerkschast nimmt zu dem Streikerlaß des Ministers Gröner in drertägigen Bern tungen Stellung, die gestern begonnen haben.
^Arbeitsaufnahme in den Opelwerkeu.
Rüfselsheim, 29. Dez. In der Angelegenheit des Streiks der Opelwerke hat der Schlichtungsausschuß einen Schiedsspruch gefällt, der in der Hauptsache folgende Momente enthält: Danach haben die Arbeitnehmer die Forderung nach einer Wirtschasisbeihilfe nicht aufrecht erhalten. Ein Anspruch aus eine Vergütung des ausgefallenen Lohnes wird nicht anerkannt. Die Arbeit soll im ganzen Umfang am 30. Dez. wieder ausgenommen werden. Die Ursache des Streiks wird darin gesehen, daß unzulässige Vertretungen der Arbeiter nicht berechtigte Forderungen gestellt haben.
Württembergifche Politik.
Die Landesversammlung der D. demokratischen Partei
findet wie bereits angekündigt, am 6. Jan., Donnerstag vorm. 10 Uhr im Festsaal der Liederhalle statt Es sprechen der Reichsparteivorsttzende Dr. Petersen Hamburg, Frau Dr. Gertrud Bäumer-Berlin, Reichswehrminister Dr. Geßler Berlin. Anschließend an die Tagung findet ein gemeinschast liches Mittagessen in den Nebensälen der Liederhalle statt. Der Landesversammlung geht am Mittwoch, 5. Jan., vorm, im Konzertsaal der Liederballe ein Venreterrag voraus, der auch die Wahl des Parleivorsttzenden und seines ersten Stellvertreters vorzunehmeu hat. Abg. Haußmann wird einen kurzen Rückblick über das Jahr 1920 geben. Den einleitenden Bericht zur Aussprache über die Ernährungs läge nnd den Arbensmarkt gibt Minister Dr. Schall, den über württ. Steuersragen Abg. Schees. Ueber die staats rechtliche Zukunft Hoheuzollerns spricht Schönfelder.
Au» Stadl und Bezirk.
Nagold, den 30. Dezember.
* Gemeinderat. In der gestrigen Gemeinderatssitzung wurde die Umlage für das Rechnungsjahr 1920 auf lO Proz. festgesetzt und die Besteuerung des reichseinkommensteuersreisn Mindesteinkommens zu Gunsten der Stadt für Heuer unterlassen. Nähexer Bericht folgt
* Das Erholungsheim „Pilgerruhe" wird, wie wir hören im Februar in die Gegend von Liebenzell verlegt werden. Von diesem Zeitpunkt an sollen die Räumlichkeiten als Kindererholungsheim Verwendung finden.
* Kriegsanleihe znm Reichsnotopfer. Nach einer Be kanntmachung des Landesfinanzamts im „Staatsanzeiger" werden selbstgezeichnete Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen der Kriegsanleihen, die bis 3l. Januar 1921 ein gereicht sind, zum Vorzugskurs auf das Reichsnotopfer in Zahlung genommen.
* Für Rentenempfänger. Laut Reichsgesetz erhalten alle Empfänger von Renten aus der Jnvaltden-Versicherung die am 1. Januar 1921 neben ihrer Rente eine Zulage beziehen, von diesem Zeitpunkt ab eine außerordentliche Beihilfe und zwar Empfänger einer Invaliden, Alters-, Kranken-, Witwe-, Witwer . Witwenkrankcnrente monatlich 40 Empfänger einer Waisenrente monatlich 20 für jede
Waise außer den bisherigen Bezügen. Besondere Beihtlfe- quittungen sind nickt erforderlich.
* Der nächste Weg nach dem Papierkorb. Das „Berner Tagblatt" har kürzlich seinen Korrespondenten folgendes Rezcpt unter dem Äedaktwnsstrich gewidmet: „Korrespondenten, die nicht berücksichtigt werden wollen, senden ihre Manuskripte am besten zweiseitig und wenn möglich über den Rand yinaus beschrieben in recht undeutlicher Schrift ei». Namen und Zahlen sollten überhaupt unleserlich sein, dies verkürzt nämlich den Weg zum Papierkorv." Ein guier Rar für wahr, der werteste Verbreitung verdient und den sich auch die Verfasser von Anzeigenmanuskripren selbst ans Fach kreisen merken sollten.
* Stlbergeld. Die Silbennünzen werden mit d-m t. Januar außer Kurs gesetzt. Die Reichs und Laudeskaffen nehmen sie nur noch bis zu .diesem Tage zu ihrem gesetzlichen Werre in Zahlring. Sie dürfen später auch nicht mehr gegen Reichsbanknolen, Reichskafsenscheine und Darlehenskassenscheine umgetauscht werden.
* Die Amlage für künstliche Düngemittel. Die Umlage für künstliche Düngemittel dient dazu, die Mittel zu schaffen, die erforderlich sind, um die Höchstpreise für künstliche Düngemittel bei der stetigen Sreigerung der Produktionskosten längere Zeit stabil zu halten und wirtschaftlich ungünstig arbeitenden Werken die Weiterarbeit zn ermöglichen. Durch die Umlage wird ferner die Einfuhr ovn de stimmten Düngemitteiarten und Rohstoffen geiährdet. Die llmlagebeträge werden also ausschließlicn im Interesse der Landwirtschaft verwendet. So 'ist das möglich gewesen, die Erzeugung von Düngemitteln so zu steigern, daß der Landwirtschaft derzeit genügend Mengen zugeftihn werden können.
* De,'. Wand-Notiz-Kalender für 192t mir Marktverzeichnis und Posttarif erhalten unsere Abonnenten in einer der ersten Nummern im neuen Vierteljahr.
* Gegen die hohen Biehpreise. Zur B rhiitung ungerechtfertigter Pre ssteigerungen ist Viehhändlern, Metzgern und Fletsch- warensabrikanien aus anderen Freistxat'N der Ankauf von Vieh aus bayrischen Märkten verboten. Es haben sich nun Mßstiinde daraus ergeben, daß solche Personen auf dem Markte zwar nicht kaufen, aber ihn doch gemeinsam mit ihren bayrischen Lieferanten besuchen. Schon dies hat preissteigernd gewirkt. Das bayrische Landesamt für Biehverkehr hat daher in einer sofott in Kraft getretenen Bekanntmachung diesen Personen den Besuch bayrischer Mehmärine auch dann verboten, wenn sse aui dem Markt nicht kaufen.
* Ungültige Postfreimarken. Es wird daran erinnert, daß die Postfreimarken zu 2, 2 Vs. 3 und 7 V? mit Ablauf des Monats Dezember ihre Gültigkeit verlieren. Pom 1. Januar an werden diese Freimarken nur noch auf älteren Postkarten (zu 10 und 15 L), sowie aus älteren Briefumschlägen mit eingedrucktem Wertzeichen tbis zu 20 -M zur Ergänzung der Freimachung zugelnssen. Neuere Vordrucke und andere Postsendungen dürfen vom 1. Januar an mit Freimarken zu S, 2Vz, 3 und 7»/, Pfg. nicht mehr sreigemacht werden.
-j- Haiterbach, 29. Dez. Am 3. Weihnachtsfeiertag fand hier die Feier der Heimkehr der Kriegsgeiangenen statt. Die Feier wurde iri der leider nicht in Erfüllung gegangener! Hoffnung, daß der letzte der hiesigen Gefangenen, W ithelm Kaupp, aus Sibirien auch bald werde heimkehren dürfen, bisher verschoben. Um 10 Uhr versammelten sich die Heini gekehrten, die Mitglieder des Gemeinderats, des KrtegervereinS und der Kriegsteilnehmervereinigung zum festlichen Zug in die Kirche. Herr Stadtpfarrer Huppe» bau er sprach Worte der Begrüßung, des Dankes für die Heimkehr unserer Mitbürger, der Klage und Bitte, der Mahnung und des Trostes angesichts der Not und Sorge unseres Volkes. Die Feier wurde i» wirkungsvoller Weise umrahmt von Darbietungen des Gesangvereins, des Schülerchors und durch ein Soli von Fräulein Thusnelde Isenberg, deren Psolmlied: „Wenn der Herr einst die Gefangenen", an die Herzen griff. Nachmittags versammelte sich die Gemeinde zur Feier irn Lammsaal. Nach dem Festessen begrüßte Herr Stadtschultheiß Knauß die Heimkehrer, hieß sie im Namen der Stadt willkommen, dankte ihnen sür alles, was sie für die Heimat draußen auf dem Felde der Ehre geleistet und ivas sie in der Gefangenschaft erduldet haben; er forderte die Heimgekehrten auf, mitzuarbeiten am Wiederaufbau des Vaterlandes durch Einsatz aller Kräfte zum Wohl der Familie, der Gemeinde. des Volkes. Seine Rede klang au« in ein Hoch auf das deutsche Vaterland Darauf gab der Herr Staotvorstand die Verteilung der Stiftung eines in Amerika befindlichen Haiterbachers an die Kriegshinterbliebenen Witwen und Waisen und an die Kriegsbeschädigten bekannt. Es handelte
8 Der Mensch rechnet immer das, was ihm fehlt, 8 8 dem Schicksal doppelt so hoch an, wie das, was er L 8 wirklich besitzt. G Keller. 8
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Im Schattender Schuld.
8) Original-Roman' von Hanna Fo'rster.
So lieblich bittend war der Ausdruck in dem zarten, jungen Gesicht, und die Augen hatten ein so warmes Leuchten, daß Frau von Nehring sich besänftigt fühlte. Es war ja überhaupt ganz seltsam, daß ihre Strenge, ihr kalter Hochmut sich Renate gegenüber nicht so sehr zeigten, obwohl das junge Mädchen ihr doch eigentlich ganz fremd, nicht Blut von ihrem Blute war, und obwohl sie die Mutter, ihre Stieftochter. gehaßt hatte.
So schüttelte sie denn nur mißbilligend den Kopf und sagte dann:
„Wie ist eS nur möglich, daß ein junges, gesundes Mädchen wie du, am Tage so lange schlafen kann. Hat dich denn de r Besuch deiner Freundin so angestrengt?"
Bei den letzten Worten nahm ihre etwas tiefe Stimme einen ironischen Klang an, was Renate einen kleinen Stich gab. Ach. Großmutter war doch ganz merkwürdig, immer tat sie den Menschen weh — sie mußte viel gelitten haben, um so hart und kalt geworden zu sein. Ob es nicht das Beste war ihr von dem Durchgang des Rappen zu erzählen! Sonst erfuhr sie eS am Ende durch einen Zufall — und dann würde sie das Stillschweigen Renates sicher sehr streng und hart beurteilen. Da wollte sie sich lieber entschließen, die Sache gleich zu berichten und sie so harmlos wie möglich darzustellen.
Wie ein Blitz tauchte plötzlich der Gedanke in ihr auf» sie würde o«ell«icht.doch von.der Großmutter erfahren, wes
halb der Graf Oskar oon Hollwangen von seinem Bruder enterbt worden war.
Frau von Nehring, die leicht ungeduldig wurde, dauerte es schon viel zu lange- bis die Enkelin auf ihre Frage antwortete.
„Nun, du scheinst dich sehr darauf besinnen zu müssen, ob es auf Lowitz anstrengend war oder nicht."
Renate hatte die Hand auf ein kleines Tischchen gestützt, auf dem ein Strauß herrlichster Treibhausrosen stand. In anmutig ungezwungener Haltung stand sie da, als sie der allen Dame erwiderte:
„Bei Anneliese war es sehr nett und gemütlich wie immer. Angestrengt hat mich der Besuch dort natürlich nicht, doch auf dem Heimweg hatte ich einen kleinen Unfall mit dem Rappen."
„DaS kommt von deinem Alleinreitenwollen" unterbrach Frau von Nehring sie ärgerlich. „Von jetzt ab hören diese Soloritte auf und Vollmer begleitet dich. Ich dulde in dieser Sache keine Widerrede mehr — ich hätte eben seinerzeit deinen Bitten nicht nachgeben sollen. Und jetzt wirst du mir wahrheitsgemäß berichten, was das für ein Unfall war, den du hattest."
Das tat denn nun auch Renate. Gehorsam erzählte sie den Hergang der Sache, wenn sie auch verschwieg, daß sie sich in wirklicher Lebensgefahr befunden. AIS sie dann berichtete, wie das Pferd sich nicht mehr lenken ließ und den Weg nach Wildau einschlug, da veränderte sich daS st»lze Gesicht der alten Dame und in die dunkeln Augen trat ein böser Ausdruck, der daS junge Mädchen so erschreckte, daß sie sich eine ganze Weile besinnen mußte, ehe sie in ikrer Erzählung fortfahren konnte. Und dann schilderte sie den Augenblick, wo ein fremder Mann das Pferd aufhielt.
Da fuhr die alle Dame auf und rief: „Hat dir der Mann seinen Namen genannt?"
„Ja." antwortete Renate leise, „es war Gras Hollwan gm."
Frau von Nehring sprang aus — ihr GestchtsauSdmck, ihre Bewegungen hatten in diesem Augenblick etwas geride-
zu Dämonisches. So hatte Renate ihre Großmutter noch nie gesehen. Sie hatte das Gefühl, als ob sie sich vor ihr fürch- ien müsse. Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück.
Doch die alte Dame beachtete sie gar nicht. Nach ihrem so jähen Aufspringen war sie wie erstarrt steheu geblieben. Ihre dunkeln Augen blickten geradeaus, als sähe sie irgend etwas Schreckliches. Ein Seufzer entfuhr ihr. der wie ein Stöhnen klang. Sich zu Renate wendend, die noch immer angstvoll dastand, sprach sie streng:
„Du hast mir nicht dieWahrheit gesagt. Die Sache war nicht harmlos, sondern du befandest dich in Lebensgefahr."
Schuldbewußt nickte das junge Mädchen.
„Also hat dir der Graf von Hollwangen, der Sohn meines Todfeindes, der mir ebenso feindlich gesinnt ist wie sein verstorbener Vater, daS Leben gerettet."
Frau von Nehring sprach diese Worte mit vor Aufregung heißerer Stimme.
„Welcher von den Söhnen war es?"
Sie sah bei diesen letzten Worten Renate streng stagend an.
„Er stellte sich mir als Graf Eberhard von Hollwangen vor."
„Also der älteste — und der haßt mich nicht weniger als
sein Vater." ,
Sie ging unruhig auf dem weichen Teppich hin und her. Renates Anwesenheit schien sie wieder ganz vergiften zu haben, denn sie stampfte die Hände ineinander und sprach zu sich selbst, als wäre es ihr unmöglich, das. was ihre Seele jetzt bestürmte, ganz für sich zu behalten.
„Sie Haffen mich und sie sind schuld daran, daß ,ch hier wie in Acht und Bann lebe, daß niemand aus der Nachbarschaft mit mir verkehren will. Und ich hoffe sie, alle, alle, — oh, wie ich sie Haffe." —
Deutlich verstand Renate diese Worte, die die alte Dame mit zornsprühenden Augen vor sich hinmurmelte.
Da nahm st« all ihren Mut zusammen.
„Großmutter," fragte sie, „weshalb Haffen dich die Grafen von Hollwangen?"
„Weshalb sie mich Haffen?" (Fortsetzung folgt).
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