Die Lage unserer Gefangene» in Frankreich.

Paris, 6. Juli. (Havas.) Aus Erkundigungen an zu­verlässiger Sielle geht hervor, daß die von der Frankfurter Zeitung am 23. Juni gebrachte Nachricht über die deutschen Kriegsgefangenen, die noch in Frankreich zuriickgehalten werden, nicht den Tatsachen entspricht. Die deut­schen Gefangenen, deren Zahl ca. 350 beträgt, befinden sich beinahe alle im Lager von Avignon. Der größte Teil davon wird zu Land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten ver wendet und ihr Schicksal ist nicht elend. Deutsche Dele gierte werden nächstens das Lager von Avignon besichtigen. Es werden übrigens dem Präsidenten der Republik nächstens Begnadigungsgesuche unterbreitet werden, so daß eine große Anzahl oon Freilaffungen wird erfolgen können.

Einfuhr elsäsfischen Weines.

Berlin, 5. Juli. Nachdem nunmehr die Reichsgrenzen in der Hand der deutschen Behörden liegen, har das Reichs­ministerium für Ernährung und Lanvwirtschaft, um eine gleichmäßige Behandlung des linken mit dem rechten Rhein­ufers zu erzielen, sämtliche Weine, die bis zum 5. Juli 1920 die Reichsgrenze passiert haben, zum freien Verkehr für das ganze Reichsgebiet freizugeben. Auf Grund des Friedens­vertrags ist Deutschland verpflichtet, für das Jahr 1920 250000 Liter Wein elsäsfischen Ursprungs zollfrei nach Deutschland herein zu lassen. Nach einem mit der französischen Regierung getroffenen Abkommen sind diese Weine vor der Einfuhr beini badischen Zollamt Kehl anzu melden. Das Zollamt Kehl erteilt dann das für die Ein­fuhr erforderliche Visum. Weiteren Schwierigkeiten unterliegt die Einfuhr dieser Weine aus Elsaß-Lothringen nicht.

Nachspiel zum Nuhraufstand.

Berlin, K. Juli. Laut Berliner Lokalanzeiger haben wegen ihrer Beteiligung an den Unruhen im Ruhr-Revier eine ganze Reihe Kohlenbergarbeiter, insbesondere tschecho- slovakischer Staatsangehörigkeit, einen Answeisungs besetz! erhalten

Der ehemalige deutsche Kronprinz in Berchtesgaden.

München. 6. Juli. Wie zuverlässig verlautet, soll der frühere deutsche Kronprinz Wilhelm sich auf einige Tage in Schönau bei Berchtesgaden zum Besuch seiner dort befind­lichen Familie aufhalten. Der Exkronprinz soll am 30 Juni schon dort eingetroffen sein.

Ans der Jentrumsfraktion des Reichstags.

Berlin. 6. Juli. Die Zentrumsfraktion des Reichstags hat zur Entlastung ihres ersten Vorsitzenden Dr. Trimborn den Abq. Schwarz (Frankfurt a. M.) zum Geschäftsführer der Fraktion ernannt.

Polnische Gewaltpolitik.

AUenftein, 6. Juli. In der Nacht vom 15. zum 16. Juni find drei Züge mit Abstimmungsberechtigten zurückge­wiesen worden. Man vermutet polnische Schikanen. Bei der Ankunft eines Zuges mit Abstimmungsberechtigten in Gilgen­burg fielen Schüsse. 5 Personen wurdet: verletzt. Als Täter werden Angehörige derBojowka" angesehen, die oon einem in polnischem Belitz befindlichen in der Nähe gelegenen Gut aus tätig find. Die Untersuchung ist im Gange.

Marienwerder, 6. Juli. Die Verhandlungen betreffend das teilweise Flaggen ver bot endigten dank der ausge­zeichneten HalMng des Bürgermeisters in der Weise, daß die Nationalflaggen auf den Straßen zugelassen wurden und nur von den öffentlichen Gebäuden die Fahnen entfernt werden müssen. Guirlandeu find im reichsten Maße erlaubt und an­gebracht.

I»

Max Klinger

Am Sonntag Mittag ist auf seinem Sommersitz in Groß- Jena an der Unstrut der Maler und Bildhauer Geh.-Rat Professor Max Klinger einer Herzlähmung im Alter von 63 Jahren erlegen. Sein Ableben erfolgte völlig unerwartet ohne oorhergegangene Krankheit.

Max Klinger, der abseits und für sich stand, ist schwer irgendwo einzureihen. Gr war ein Eigener und Großer, ein umfassender Geist, auch im Beherrschen des Technischen keine Grenzen kennend. Wie Michelangelo, Giotto und andere beschränkte er sich nicht auf ein Sondergebiet, er war Maler, Bildhauer und Griffelkünstler das Wort stammt von ihm zugleich. Fügt man noch bet, daß er auch ein vortrefflicher Musiker und Schriftsteller war, so erhält man ein kurz um- rissenes Bild seiner künstlerischen Persönlichkeit. Seine haupt­sächlichste Bedeutung aber beruht darin, daß er der Kunst neue Gedanken und Empfindungen zugeführt hat.

Am 18. Febr. 1857 wurde Klinger als Sohn eines ver­mögenden Kaufmanns in Leipzig geboren. Seiner Berufs­wahl stand nichts im Wege, da sein künstlerisches Talent früh mit aller Entschiedenheit durchgebrochen war. 1874 ging er nach Karlsruhe zu Karl Goffow, der damals einer der tüch­tigsten Vertreter des Realismus war. Als sein Lehrer 1875 nach Berlin berufen wurde, begleitete ihn Klinger dorthin. Aber er konnte dem Akademiebetrieb nichts abgewinnen, u. so arbeitete er meist für sich. Seine reichen graphischen Fer­tigkeiten hat er sich z. B. durch Selbststudium erworben. Böcklins Fabelwelt machte auf ihn den ersten, entscheidenden Eindruck. Dann kam noch Menzel mit. seinem peinlich ge­nauen Namrstudium hinzu. 1878 trat Klinger zum ersten­mal an die Oeffentlichkeit. Er stellte in Berlin zwei Werke, ein OelgemäldeDer Spaziergänger" beutelt u. eine Folge von acht FederzeichnungenRatschläge zu einer Konkurrenz über das Thema Christus" aus. Beide Werke erregten wegen der Eigenart ihrer Sprache Aufsehen. Im gleichen Jahr erschienen dann noch einige Radierungen über das Passions­thema, sowie der sonderbare ZyklusPhantasie über den Fund eines Handschuhs", in dem Klinger ein Stück alltäg­lichen Lebens mit launisch bizarrer Eingabe behandelte. Zu­gleich schrieb er die EntqegnungsschriftMalerei und Zeich­nung", in der er die Künstlerradierung lebhaft verteidigte. 1879 arbeitete er den ZyklusRadierte Skizzen" und die Rettungen Ovidischer Opfer" aus, in denen er der Antike zum erstenmal modernisierend näher trat Dann rrieb es ihn hinaus in die Welk. Brüssel, München, Paris, Rom. Griechenland waren seine Studien- und Arbeitsorte. 1893

Die schwierige Lage der türkischen Nationalist««.

Mit dem konzentrischen britisch griechischen Vormarsch in Anatolien ist die Lage der türkischen Nationalisten schwierig geworden. Sie haben anscheinend verschiedene Schlappen erlitten. Der griechische Heeresbericht spricht sogar von einer vernichtenden Niederlage der Türken, die aber von an­derer Seite bisher nicht bestätigt worden ist:

Smyrna, 5. Juli. (Griechischer Heeresbericht vom 5. Juli.) Der Feind, der im Süden non Balikesir eine vermeh­rende Niederlage erlitt, wird energisch verfolgt. Einige zer­streute Abteilungen konnten nach Brussa entkommen. Die gestern in Panderma vollzogene Truppenlandung trug zu dem schnellen Erfolge bei. Die Abteilungen, die unter dem Schutze der englischen Flotte landeten, drangen gegen Süden vor und stießen in Omeskioej, 26 Kilometer südlich von Balikesir auf die Vorhut der tückischen Armee. Die ganze Aktion nahm dreieinhalb Tage in Anspruch. Ein weiterer Bericht aus dem griechischen Großen Hanp quartier meldet die Einnahme von Panderma am Marmarameer. Die Strettkräfte Mustapha Keinals, die an den Linien Smyrna- Philadelphia und SmyrnaPanderma Widerstand leisteten, seien vollständig vernichtet worden.

22 alliierte Kriegsschiffe in den Dardanellen._

Basel, 5. Juli. DieDaily Mail" meldet: In den Dardanellen sind bisyer 22 alliierte Kriegsschiffe ein­getroffen. Alle Landungsplätze von Gallipo ! i werden befestigt. In Uebereinstimmung mit Frankreich werden die alliierten Streitkräfte in Konstantinopel und iri den Meer­engen dem einheitlichen Kommando eines briti­schen Generals unterstellt.

Towjettruppen zur Unterstützung Kemal Paschas.

Basel, 5. Juli. DerDaily Herald" berichtet, daß Un­terhandlungen zwischen Kemal Pascha u der russischen Sow jetregierung eingeleitet wurden Man versichert, daß die Moskauer Regierung die Entsendung von Truppen zur Verstärkung der Armee Kemal Paschas beschlossen habe, und daß eine neue Offensive gegen die alliierten Heere in Klein­asien beginnen werde.

Aus Stadt und Bezirk.

Nagold, den 7. Juli 192».

Halm-Konzerte. 1 Am Sonntag nachmittag spielte August Halm im Festsaal des Seminars gemeinsam mit Willy Lang und Otto Gilbert aus Tübingen aus seinen eigenen Kammermusikwerken (2 Serenaden in O-dur für Streichtrio und 2 Suiten in I) und 6-dur für Klavier­trio). Eine zahlreiche Zuhörerschaft hatte sich versammelt, um dem Komponisten, in dem wir hier längst einen unserer Führer auf dem Gebiete der Musik sehen, wieder einmal persönlich zu begegnen. Halm har die Erneue rung hauptsächlich auf dem Gebiete der Melodik und der lebensfähigen Form in Anknüpfung an Bach und Beethoven geleistet. In Lang und Gilbert sind zwei Künstler für die Musik Halms gewonnen, die es vorzüglich,verstehen, ihr zu klingendem Dasein zu verhelfen. Halm selbst wirkte als Bratschen und Klavierspieler mit. Seinen gestaltenden Einfluß kann man namentlich 'in den Klavier Trios ver­spüren. INach dem unmittelbar hervorbrechenden, lang anhaltenden Beifall der Anwesenden wurde die O-dur- Suite am Schluß des Konzerts wiederholt. - 2. Als Halm am Montag abend vor einer abermals in großer Zahl er schienenen Zuhörerschaft in halber Oeffentlichkeit Bachs Solo- Violin- und Cellosonaten auf der Geige und Bratsche spielte, konnte man an Spittelers Spruch denken,daß die einzigen

kehrte er nach Leipzig zurück. 4 Jahre später erhielt er den Profeffortitel, andere Ehrungen folgten, darunter der medi­zinische und philosophische Doktor ehrenhalber.

Der erste Wandel in Klingers Kunst ist zu Beginn der 80er Jahre zu verspüren, als er den Ernst des Lebens ent­deckte. Der unmittelbare Niederschlag war ein Radierungs­zyklusDramen", den man beinahe als den Tribut des Künstlers an den Naturalismus bezeichnen konnte. Den gleichen Geist strömt der eingangs erwähnte ZyklusEin Leben" aus. 1886 entstand das große GemäldeDas Urteil des Paris", das heftigen Widerspruch heroorriet. Der künst lerische Niederschlag seiner römischen Zeit waren zwei Figu renbilder: diePieta", die jetzt in Dresden hängt, und die Kreuzigung Christi", die sich in Wien befindet. Italienische Anregungen brachten auch den großartigen ZyklusBrahms­phantasie" hervor. Um die gleiche Zeit wandte sich Klinger der Bildhauerei zu. Seine bedeutendsten Schöpfungen auf diesem Gebiet sind dieSalome" von 1894. dieKassandra" des Leipziger Museums von 1895, dieBadende" von 1896, dieAmphitrite" von 1898, die markanten Büsten von Georg Brandes, Nietzsche, Wilhelm Wundt, Richard Wagner, Liszt und Abbe, das viel umstrittene Beethovenmonument in Leipzig, an dem Klinger von 1896 bis 1902 gearbeitet hat, das nicht minder eigenartige Brahmsdenkmal in Hamburg, das Richard Wagner-Denkmal für Leipzig, die Marmorgruppe Drama" in der Dresdener Skulpturensammlung usw. Von seinen übrigen Arbeiten seien noch die Wandgemälde für die Aula der Leipziger Universität und die Radierungszyklen Vom Tode" undDas Zelt" hervorgehoben.

In seiner jüngst auch in den Jnielbüchern erschienenen Schrift über die Griffelkunst stellte Klinger den Satz auf: Wir haben Künste, keine Kunst." Daran anknüpfend sagte Richard Muther in seinerGeschichte der Malerei":So wies er als erster wieder auf eine einheitliche Raumkunst, auf den Begriff des Gesamtkunstwerks hin. Er dachte sich leine Bilder als Schmuck feierlicher Räume. Er hielt sie in den Formen und Farben so, daß die Phantasie sich unwill­kürlich ausmalt, wie herrlich sie wirken könnten, wenn sie nicht in Galerien ihr Dasein fristeten, sondern, von einer ed­len Architektur umrahmt, Teile einer Raumschönheit wären." Nur ein so umfassender Geist wie Klinger konnte u. durfte so sprechen. Er ist seinen Weg gegangen, eigenwillig und erfolgreich. Oft eilte sein Geist dem Können voraus, aber ein zäher Wille und eine universale Künstlerbegabung ließen ihn die Schwierigkeiten der Technik überwinden. Als Maler und Bildhauer schuf er Bleibendes, sein Wesen am tiefsten, am klingendsten auszudrücken, war ihm in der Radierung möglich. Hier bat er, wie Stauffer-Bern, neue Wege gesucht

meist alles könne-:" Wer hätte wohl geglaubt, daß man aus einem einzelnen Streichinstrument su viel Geist und Schönheit heranszaubern könnte! Und welche Glut lag über diesen Tönen! Nach erneutem lebhaftem Beifall spielte Halm noch einige Sätze aus eigenen Solosonnten.

* Ertrunken aufgefunden. Die gestern als vermißt ge­meldete Schreinersehefrau Christiane Wurster ovn hier wurde, wie man uns berichtet, an der Pfrondorfer Brücke bei Emmingen als Leiche ans der Nagold gezogen.

* Die Gewitterstürme vom Samstag und Sonntag mit schweren Regengüssen haben über den größten Teil des Lan­des Beschädigungen an den Feldern, auch au Obstanlagen und Wäldern gebracht. Die Fruchtäcker wurden vielfach kreuz und quer durcheinander geworfen, auch viel Obst abgerissen. In Göppingen hat der Gewitte,sturm vom Sonntag die Zelt anloge eines Zirkus zerstört »nd dem Unternehmer fast un erträglichen Schaden gebracht

* Milchpreisabschlag. Die Herabsetzung des Milch- preises erstreckt sich allmählich auf das ganze Land. So wurde auch in Ulm, Horb. Brackenheim und Göppingen der Preis für Milch beini Erzeuger auf 1 ./H ermäßigt. Auch die Butkerpreise wurden entsprechend herabgesetzt.

* Freie Fischeinfnhr. DerBerliner Fischmarkt" wen­det sich in einem Flugblatt an das Volk und fordert dieses auf, die freie Fischeintuhr zu verlangen, denn die Reichsfisch Versorgung G m. b. H., a» deren Spitze der Reichskvmmissar von Flagge stehe, arbeite zum Schaden der deutschen Staats kaffe. Sie habe durch laienhafte, unsachgemäße und rein bürokratische Handhabung der Beschlagnahme eine nach Milli onen Mark zählende Schädigung des deutschen Fachhandels und gemeinnütziger Kommunen des schwerrinqenden Judu- striebezirks herbeigenihrt. Dm Gesellschaft habe ungeheure Mengen alter norwegischer Salzheringe zu einem doppelt so hohen Preis gekauft, als der Fachhandel hätte zu bezahlen brauchen.

* Aufschriftdoppel in Postpaketen. Nach den Vor schrillen der Postordnung ist der Absender eines Pakets ver pflichtet, in das Paket obenauf ein Doppel der Aufschrift zu legen. Leider wird diese Bestimmung viel- z» wenig beachtet. Die Fälle, in denen sich die Aufschriften der Pakete während der Postbesörderung Ivslösen, sind außeroideutlich zahlreich. Wenn in einem solchen Paket das vvrgeschiiebeue Doppel der Aufschrift fehlt, bedarf es stets umfangreicher und zeitrauben­der Ermittlungen, ehe die Sendung urttergebrachl werden kann. Die Folge davor! ist. daß die Jendnnu oft ihren Zweck verfehlt der Inhalt vieliach verdirbt und Weiterungen für den Absender und .den Empfänger entstehen. Hierzu kommt, daß der Absender für die Zeit der Lagerung des Pakeis bei der Postanmeldeftelle die vostvidnungsmäßige Lagergebühr von täglich 30 bezahlen muß.

* Die Linde. Der Juli wird auch der Lindeumvuat genannt; denn jetzt blüht die Linde mit ibrem balsamischen Dufr, ein echt volkstümlicher Baum, den jedes Kind wohl kennt. Bon unseren Vorrabren war die Linde der Göttin der Liebe geweiht Wer sine Linde beschädigte, machte sich eines großen Frevels schuldig u. konnte der Strafe der Göl ter nicht entgehen. Der Baum war selbst gegen die Blitze des Donnergottes gefeit. Unter der Linde versamnietten sich die freien Männer des Gaues, dort wurde Recht gesprochen. Manches Dorf Hai noch seinen Lindenbanm uns aller Zeit, in dessen Schatten noch heute Versammlungen und Feiern stattfinden. Groß ist die Zahl der Volkslieder, die von der Linde handeln.

Gbhausen. Alfred Ho lz, Fiaschnermst!. hier erhielt nach­träglich das Eiserne Kreuz 1. Klaffe zugestellt. Holz hat den China und Weltkrieg mitgem.achl und war 29 Monate in engl. Gefangenschaft. Wir gratulieren herzlich.

und gefunden; als Griffelkünstler war er Dichter und gab mit vollen Hände».

Was bedeutetSinn-Fein"? Der Bürgerkrieg in Irland gibt uns erneut Kunde von der mächtigen Sinn- Fein-Bewegung. Was aber bedeutetSinn-Fein"? Sil- Vara beantwortet die Frage in derNeuen Fr. Pr." fol­gendermaßen: Wiederholt während des 19. Jahrhunderts entstanden in Irland Gesellschaften und Verbände, feis ge­nannt, die sich die Pflege irischer Literatur zur Aufgabe machten, ohne besonderen Erfolg. 1893 jedoch gründete Douglas Hyde dieGaelische Liga", die die Anwendung der irischen Sprache befürwortete. Diese Gesellschaft wen­dete sich an das Volk und forderte es auf, das Erbe der Sprache in Ehren zu halten, während sie gleichzeitig auf alle unmittelbaren Gefahren hinwies, die eine Nation be­drohen, die ihre Sprache aussterben läßt. Ein Pater Q'Grawney gab ein Buch in 5 Teilen heraus, das in leichtfaßlicher Weise Unterricht in dem fast völlig in Ver­gessenheit geratenen Idiom erteilte. Bald waren Hundert­tausende von diesem Buche abgesetzt. Jetzt meldeten sich auch die Dichter und Sänger. Neue irische Bücher, Lieder und Theaterstücke überraschten die Welt. So erwachte das junge Irland, indem es sich auf das alte besann, auf den Ruf der Oaelic l^esAue, die im Verlauf ihrer unermüd­lichen Arbeit das Erziehungssystem Irlands heftig bekämpfte und dadurch in Konflikt mit der britischen Regierungsver­waltung geriet. Die Tendenzen der Liga wurden solcher­art vom ursprünglichen literarischen auf politisches Gebiet versetzt. Die Oaelic ftea^ue ist der geistige Vater von Sinn Fein. Sinn Fein, sprich sin fe(i)n, heißt:Wir selbst." Sinn Fein wurde das Motto einer mächtigen Be­wegung, die den Versuch eingeborener Iren darstellt, ihre alte Zivilisation auf irischer Grundlage neu aufzubauen. Irland für die Iren!" Schließlich wurde Sinn Fein die Bezeichnung für die ganze neue nationale Bewegung, die bald vorwiegend politischen Charakter annahm. Zur Be­tonung ihrer Tendenzen erhoben die Sinn Feiner das Irische zur Sprache ihres ersten Parlaments, oder wie es sich ga- elifch nennt, des Dail. Selbst die Geschäftsordnung dieses nationalen Dail haben die Sinn Feiner der Verfassung der alten gaelischen Ratsversammlung, die Ard Fheis hieß und alljährlich gehalten wurde, nachgebildet.