«eite 7 — Nr. 35
NaqelLer Tagblatt „Der Gesellschafter"
Samstag, den 11. Februar 1933.
Ein Sonntagmorgen auf dem Meeresgrund
von Dr. Sten Bergmail.
Diesen Abschnitt entnehmen wir mit Erlaubnis der Verlagsbuchhandlung Strecker und Schröder in Stuttgart dem neuen, reich bebilderten und hochinteressanten, in der Buchhandlung Zaiser, Nagold vorrätigen Buch des bekannten Forschungsreisenden: „Die Tausend Inseln im fernen Osten", der Inselkette, die sich von Japan nach Kamtschatka zieht und als Heimstätte von Erdbeben und Vulkanausbrüchen berüchtigt ist,
„Es ist ein Viertel nach sechs, Herr." Mit diesen Worten und einer Schale Tee weckte mich Fudschimoto am 20. Juli. Sonst weckte er mich immer um 7 Uhr, aber an diesem Tage hatte ich besondere Pläne. Ich rieb mir den Schlaf aus den Augen und erinnerte mich, daß ich am Tag vorher beschlossen hatte, einen Teil des Tages auf dem Meeresgrund zu verbringen. Dorthin zu kommen ist ja nicht schwer, wenn Man am Meer wohnt, aber ich wollte gerne wieder lebendig heraufkommen, und das machte die Sache weniger einfach. Ich brauchte mit anderen Worten eine Tauchaus- riislung nebst Zubehör.
Wir befanden uns gerade im Dorf Tomari. Zehn Minuten weit liegt das Dorf Uennai, Mittelpunkt der Muschelfischerei. Eine Anzahl Motorboote, mit 6 bis 10 Japanern bemannt, liegen vom 1. Juli bis zum letzten November draußen, um Muscheln zu sammeln. Das geschieht hauptsächlich mit Hilfe von Tauchern, die sie in Netzkörben vom Meeresgrund heraufholen.
Zusammen mit einem uniformierten Polizisten, wurden wir in einem Ruderboot zu dem in der Bucht verankerten Motorboot hinausgebracht. Nach zwei Stunden Fahrt in hauptsächlich nördlicher Richtung sah man am Horizont einige Punkte, das waren die Fangboote.
Nachdem wir verschiedene Fangboote passiert hatten, kamen wir zu dem, bei dem ich an Bord gehen wollte. Es hatte mit den beiden Tauchern, von denen der eine getaucht war, eine Besatzung von sechs Mann. Die Besatzung hatte keine Ahnung von unserer Absicht, sie zu besuchen, und machte große Äugen, als ein Europäer an Bord stieg. Aber Fudschimoto gab die nötigen Erklärungen, und sie zeigten alle die größte Freundlichkeit.
Am meister interessierte mich der Taucher, ein ungewöhnlich großer und kräftiger Japaner. Ich setzte mich neben ihn und forderte ihn auf, von seiner Ärbeit zu erzählen. Die Fangboote berichtete er, fahren um zwei Uhr in der Nacht von Uennai weg, und nach drei Stunden sind sie bei den Fangplätzen. Auf jedem Bot sind immer zwei Taucher; jeder von ihnen ist abwechselnd anderthalb Stunden von 5 Uhr früh bis zum Einbruch der Dunkelheit auf dem Meeresboden. Gegenwärtig arbeiteten sie bis 8 Uhr abends, also fünfzehn Stunden im Tag. Jeder Taucher verbringt demnach 7 und eine halbe Stunde im Tag auf dem Meeresgrund. Nach zweitägigem Aufenthalt auf den Aangplützen fahren sie mit der Beute heim; wenn sie einen guten Fang gehabt haben, so bringen sie etwa zehntausend Muscheln nach Hause. Nach der Heimkehr schlafen sie nur zwei bis drei Stunden, dann fahren sie wieder hinaus. Die Tiefe, in der sie Muscheln sammeln, schwankt zwischen zehn und dreißig Metern. Die Stelle, an der sich das Boot jetzt befand, war dreizehn Meter tief.
Mein Gewährsmann zar schon 12 Jahre bei dieser Ärbeit, fünfunddreißig Meter war die größte Tiefe, in die er getaucht hatte, aber dort könne man es nur zehn bis zwanzig Minuten aushalten, erklärte er.
Nach einer Stunde gab der Taucher auf dem Meeresgründe das Zeichen, daß er herauf wolle. Mehrere Männer zogen aus Leibeskräften, und in kurzer Zeit kam er an die Oberfläche. Der soeben Heraufgekommene nahm den Platz des andern an der Feuerstelle ein, zündete sich eine Zigarette an, begann ein paar Muscheln zuzubereiten und warf fragende Blicke auf mich. Ich setzte mich zu ihm, und nachdem wir eine Weile gesprochen hatten, fragte ich ihn, ob er mir seine Taucherausrüstung zum Hinabsteigen leihen wolle, ich würde gerne die Muscheln bezahlen, die er während dieser Zeit verliere.
Sowohl der Taucher, als auch alle anderen an Bord waren sehr neugierig und lachten von Herzen über meinen Vorschlag. Eine Weile verhandelten sie untereinander, und dann erklärte der Taucher, daß er es nur auf meine eigene Gefahr tun könne. Er begann sich sofort zu entkleiden. Unter dem Taucherkleid trug er viele dicke Unterkleider teils wegen der Kälte, teils um den Druck zu mildern. Er lieh mir die dicken Wollkleider, um sie Uber meinen Sportanzug zu ziehen, und darüber kam die Tauchausrüstung, die aus einer Art Gummistoff war. An die Füße bekam ich ein paar schrecklich schwere Schuhe mit Bleisohlen. Zu jedem Boot gehört nur ein Taucherhelm und
eine Luftpumpe, u. ich konnte daher erst hinabsteigen, wenn der andere heraufkam. Daß er drunten lebte und arbeitete, bewies jede vierte oder fünfte Minute, wenn ein Korb mit 50 Muscheln heraufkam. Er verriet auch seinen Aufenthaltsort durch Luftblasen, die ständig aufstiegen, wenn er die verbrauchte Luft durch ein Ventil im Helm abließ, das er hie und da durch einen Druck mit dem Hinterkopf öffnete. Wenn man das Ventil nur genügend rasch drückt, kann das Wasser nicht eindringen.
Anderthalb Stunden waren vergangen, und der Taucher gab das Zeichen, daß er herauf wolle. Er war verblüfft, als er gleich darauf mich, statt seines japanischen Gefährten im Taucheranzug auf der Leiter sah. Die Bleigewichte wurden mir umgehängt, und nachdem ich belehrt worden war, wie ich das Luftventil behandeln müsse, und nachdem mir ein Strick um den Leib gebunden worden war, wurde der Helm zugeschraubt. Der ganze Taucheranzug samt Zubehör wog nach ihrer Angabe fünfundsiebzig Kilogramm, wovon ich, als ich alles anhatte, vollkommen überzeugt war.
Im Helm sauste die Luft, die durch einen Motor eingepumpt wurde. Ich kletterte die Leiter hinab, bis mir das Wasser an den Hals reichte, dann waren die Stufen zu Ende. Mit einem festen Griff um die Leine, die mir um den Leib gebunden war, stieg ich in das Unbekannte hinaus. Ich hatte die strenge Weisung erhalten, darauf zu achten, daß ich nicht das Gleichgewicht verliere. Der Oberkörper ist nämlich am schwersten belastet, so daß man leicht kopfüber hinabkommt, wobei es schwer ist, drunten wieder zurechtzukommen. Hat man das Gleichgewicht verloren, so lassen sich die Bewegungen des Kopfes im Helm nicht kontrollieren, und wenn der Kopf am Ventil anliegt, ist man verloren.
Das Seil wurde nachgelassen, und ich sank in das graugrüne Wasser. Wir hatten ausgemacht, daß man mich sofort heraufhole, wenn ich mehrere Male an dem Seil ziehe. Ich sah die Wasseroberfläche Uber mir schimmern, während ich mich immer mehr von ihr entfernte; auch der Schiffsboden war deutlich zu sehen. Schon einige Meter unter der Oberfläche begannen Schmerzen in den Ohren, und es wurde schlimmer, je tiefer ich sank. Schließlich waren die Schmerzen ganz unleidlich. Ich begann zu fürchten, daß das Trommelfell reißen würde. Ich fühlte, daß ich jeden Augenblick das Bewußtsein verlieren könnte, und war gezwungen an der Leine zu ziehen. Das Signal wurde sofort verstanden, und nach einer Weile war ich wieder an der Oberfläche. Ich kletterte die Leiter hinauf, um welche alle neugierig versammelt waren. Der Helm wurde abgehoben, ich erklärte die Ursache meines Heraufkommens und fragte, ob es etwas gebe, um die unheimlichen Schmerzen zu vermeiden. Sie konnten mir jedoch keinen Rat geben, sondern erklärten, daß man sich langsam gewöhnen müsse, um bis zum Meeresboden tauchen zu können. Ich beschloß, einen neuen Versuch zu machen, und bat sie, den Helm wieder zuzuschrauben.
Dieselben fürchterlichen Schmerzen stellten sich ein; ich biß die Zähne zusammen und versuchte sie zu ertragen, gleichzeitig gab ich hie und da dem Ventil einen Stoß, wobei jedesmal sausend Luft entwich. Ich sank immer tiefer, die Schmerzen waren schrecklich, und ich erwartete jeden Augenblick das Bewußtsein zu verlieren. Aber ich hatte mit den Leuten oben verabredet, sie sollten mich sofort aufziehen, wenn sie an der Leine merkten, daß ich mich nicht bewege. Außerdem wußte ich, daß die Prämien meiner Lebensversicherung ordnungsgemäß bezahlt waren, und so ließ ich mich denn hinabsinken. Plötzlich schlug ich mit den Füßen auf dem Meeresboden auf. 2m Kopf spürte ich eine starke Erleichterung, und auch die Schmerzen in den Ohren nahmen sogleich ab. Mit gierigen Blicken betrachtete ich die sonderbare Landschaft um mich. Ein Wald von Algen mit gekräuselten Blättern umgab mich von allen Seiten. Dieser Pflanzenwuchs machte dadurch einen sehr eigentümlichen Eindruck, daß er nicht stillestand, sondern in weichen Wellenbewegungen hin und herschwankte. Große Schwärme von Garnelen und Fischen schwammen in und über dem Algenwald. Hie und da gab es Lichtungen in diesem Wald, und am Grunde dieser Lichtungen lagen, zur Hälfte im Bodenschlamm steckend, die großen weißen Kammuscheln, das Ziel der mühevollen Arbeit der Taucher. Ich begann auf dem Meeresgründe zu wandern. Dabet schreckte ich immer wieder große Flundern auf, die auf dem Boden lagen. Sie schwammen ein Stück weit und legten 'sich dann wieder auf den Boden. Wenn sie fortschwammen, sah es aus, als ob ein Teil des Meeresbodens plötzlich verschwinde, so glich ihre Oberseite dem Boden. Ein größerer Fisch kam gemächlich in der Höhe meines Gesichtes auf mich zugeschwommen, zwei Meter vor mir änderte er langsam seinen Kurs und verschwand ruhig, ohne darüber erstaunt zu sein, mich in seinem Reich zu sehen.
Kampf gegen die Grippe!
Togak-Tabletten stnd ein hervorragend bewährtes Mittel gegen Grippe und Erkältungskrankheiten. Togal ist stark harnsäurelösend und in hohem Maße bakterientötend! Im Anfangsstadium genommen verhindert Togal den Ausbruch der Grippe. Erstaunliche Erfolge! Mehr als 6000 Aerzte- Gutachten! Ein Versuch überzeugt. In all. Apoth. Mk. 1.23.
12,6 IMIi.. 6,46 LUill., 74,8 Lew. L0. «u.
Es war recht hell hier, und ohne Schwierigkeiten hätte ich ein Buch, wenigstens eines mit großen Buchstaben lesen können. Außer Kammuscheln gab es auf dem Meeresgrund auch einige Herzmuscheln und verschiedene Arten von Schnecken. Ich hatte jetzt bei meinem Äufenthalt am Meeresboden kein besonderes Unbehagen im Kopf und genoß in vollen Zügen den Anblick des Lebens, das sich um mich regte. Der Druck auf dem Körper war zwar ein wenig quälend, da ja nur das Eummizeug und meine Kleider mich vom Wasser trennten. Der einzige Körperteil, der mit dem Wasser unmittelbar in Berührung kam, waren meine Hände. An den Gelenken hinderten festanliegende Gummibänder das Eindringen des Wassers. Meine Hände waren ganz kreideweiß, offenbar hatte der starke Druck des Wassers alles Blut unter der Haut verdrängt. Ich beugte mich nieder, um eine Muschel aufzuheben, aber im selben Augenblick verloren meine Füße den Halt, und ich merkte, daß ich ohne mein Dazutun nach oben unterwegs war. Droben waren sie offenbar unruhig geworden, weil ich kein Zeichen gegeben hatte. Es sauste und dröhnte wieder in meinem Kopf, und sobald ein Teil des Körpers über der Oberfläche war, spürte ich, wie schwer ich beladen war. Drunten auf dem Meeresgründe war ich mir der Bleigewichte gar nicht bewußt geworden.
Ich war etwas enttäuscht, daß man mich schon ausgezogen hatte, und nachdem der Helm abgehoben war, bat ich die Taucher, sie möchten sich noch eine Weile gedulden, und mich noch einmal hinabsteigen lassen. Ich versprach ihnen mich aufziehen zu lassen, sobald sie keine Lust mehr hätten, länger zu warten. Freundlich und höflich, wie die Japaner immer sind, wollten sie mir meinen Wunsch nicht abschlagen, und mit einem Thermometer in der Hand war ich bald wieder unterwegs. Dieses Mal waren merkwürdigerweise die Schmerzen beim Abstieg ärger als je, und mit unbeschreiblicher Erleichterung fühlte ich schließlich festen Boden unter den Füßen. Glücklicherweise verschwanden die Schmerzen gleich nach der Ankunft auf dem Meeresboden.
Da das Boot langsam vorwärts trieb, kam ich an eine andere Stelle, als das vorige Mal. Auch hier gab es üppigen Algenwuchs aber in einer Waldlichtung war eine sandige Stelle mit Schneckenschalen wie am Meeresufer. Das Thermometer, das ich fest in meiner kreideweisen Hand hielt, zeigte zehn Grad Celsius. Es gab also keine übertriebene Kälte hier unten. Die Spannung, in der ich mich befand, hatte zur Folge, daß ich in meinen Händen weder Wärme noch Kälte spürte. Zwei Flundern wurden vor meinen Füßen aufgescheucht und verschwanden rasch im Algenwald. 2n einer Lichtung zwischen zwei Sträuchern schwamm ein aalähnlicher Fisch. Langsam wanderte ich in diesem sonderbaren Wald von Algen dahin, in dem alles nach allen Richtungen in ein Nichts verschwamm. Mehrere Meter weit konnte ich nach allen Richtungen ganz klar sehen aber dahinter verschwamm alles in einem graugrünen Nebel. Ich beschloß, einige Muscheln und Schnecken aufzulesen, aber das steife und schwerfällige Gewand erschwerte die Bewegungen. Am bequemsten war es. sich nach vorn fallen zu lassen, wenn man etwas aufheben wollte. Man lief keine Gefahr, sich beim Fallen anzuschlagen, denn alle Bewegungen waren langsam und gemessen. Ich begann auf dem Boden einzusammeln, was ich haben wollte, aber plötzlich wurde ich sachte und unmerklich gehoben. Meine Wanderung auf dem Meeresboden war zu Ende. Dann war ich wieder an der Treppe. Der Helm wurde abgenommen. Fudschimoto lief mit einem Taschentuch herbei, denn Blut strömte aus meiner Nase. Die Bleigewichte wurden abgehoben, dann half man mir aus den Schuhen und dem Taucheranzug. Es brauste in den Ohren, und wenn man zu mir sprach, schienen die Laute aus weiter Ferne zu kommen. Das Nasenbluten hörte bald auf, aber beide Ohren waren wie verschlossen, und es dauerte drei Tage, bis ich mein Gehör wieder hatte. Ich fand mich jedoch gern in dieses Unbehagen, weil ich einen Einblick in die wunderbare Welt erhalten hatte, in der die japanischen Taucher ihre Tage verbringen.
_ ____ . -
slnse kleinsn lud« ru 60 bi. KSrmsn Sls^msd«' «!s 100 x LLdn« putrsn. *,slt öiOX70L.lkä,dovklionrsn1r'l»i't l»t un6 nk« »kÄ
c^is neuen bi-Omsilks^fOlos »/sppelin-Wellfalii'lsn« gegen selilencie bil clen clel äslis »Dis schönsten flauen clel V/ell«, lispeln afrel aucli xvsitslfiin ?acl<ungen mit ki^sln- »Dis schönsten flauen clel Well«, clamit 5is ciis nocli n>c!il a^gssc^Iasssne Sammlung leiciil velvallzlän^igen können.
IksuLclirsiHlsssIs: SII«sra»e>>s I. ok » o. orsaeisn«. 2», kloarsnsr Ltrsv« 1