Seite 2 Nr. 35

Nagolücr TagblattDer Gesellschafter"

Samstag, den 11. Februar 1933.

«rveit Mischen unsern Ländern und begrüße Sie mit dem Ausdruck großer Herzlichkeit und Sympathie.

Die italienisch-französischen Beziehungen

Jouvenels Auftrag mißlungen

Paris, 10. Febr. Der italienische Botschafter hatte gestern eine Unterredung mit dem Ministerpräsidenten Daladier. Das BlattOrdre" will wissen, der Botschafter habe die Gerüchte über einen italienisch-ungarischen-deutschen An­griffs- und Verteidigungsveriraq. der angeblich am 7. August 1932 abgeschlossen worden sein soll, in aller Form für falsch erklärt. Im übrigen habe sich die Unterredung hauptsächlich um die Person des neuen französischen Botschafters in Rom, Henry de Jouoenel gedreht, der von Mussolini außerordentlich kühl ausgenommen worden sei, worüber er sich bei der französischen Regierung beschwert habe. Nach derHumanste" hat Jouoenel den Auftrag ge­habt, die Verbindungen Italiens mit Ungarn und Deutsch­land zu sprengen durch den Vorschlag, Oesterreich zu neu­tralisieren und gewisse südafrikanische Kolonien aufzuteilen. Mussolini habe aber seit dem Regierungswechsel in Deutsch­land jede Verhandlung mit dem französischen Botschafter abgebrochen, und dessen Auftrag sei als gescheitert anzu­sehen.Ordre" glaubt, daß Jouoenel seinen Posten in Rom aufgeben werde.

Italienische Flugzeuglieferungen nach Ungarn

Paris, 10- Febr. Seit der Hirtenberger W affe na nge lege n- bsir bringt die französische Presse fortlaufend Nachrichten, die eine enge Verbindung Ungarns mit Italien dartun sollen. Heute willEcho de Paris", das Organ der franzö­sischen Militaristen, ausvöllig sicherer" Quelle erfahren haben, daß Italien 32 Flugzeuge an Ungarn geliefert habe und zwar 12 Fiat-Jagdflua-euas mit 450 PS.-Motoren und 20 ösitzige Fiat-Aufklärungsflugzeuge mit 650 PS.-Motoren. Die Flugzeuge seien von einem neuen Notflughafen in Ita­lien gestartet, damit die Lieferung kein Aussehen errege, sie haben Fürstenfeld in Oesterreich überflogen, wo man sie ge­sichtet habe, und seien in Ungarn auf einem Notflughasen gelandet. Dort seien sie abmontiert und in Sicherheit ge­bracht worden, während die italienischen Flugzeugführer mit der Eisenbahn nach Italien zurückgekehrt seien. Alle diese Dinge, so bemerktEcho de Paris", bestätigten das Vor­handensein eines sehr weitgehenden italienisch-un­garischen Militärabkommens.

*

Von amtlicher ungarischer Seite werden die Behauptun­gen des Pariser Blatts als willkürliche Erfindungen be­zeichnet.

Russischer Denkzettel an Völkerbund und Frankreich

Moskau, 10. Febr. Die halbamtlichePrawda" schreibt zu den Genfer Verhandlungen im Hauptausschuß der Ab­rüstungskonferenz, wo u. a. verlangt worden war, Sowjet­rußland solle sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Völkerbunds unterwerfen:Der Rätebund kann das Schicksal seiner Sicherheit nicht Leuten anvertrauen, die es als ihre Auf­gabe betrachten, eine Formel zu suchen, mit deren Hilfe der von einer Großmacht ausgefiihrte imperialistische Raub (der Mandschurei) als mit dem Völkerrecht vereinbar hingestellt wird. Seit siebzehn Monaten berät der Völkerbund die mandschurische Frage, und immer noch haben die Herren sich nicht einigen können, wer eigentlich Angreifer ist. Darin aber liegt die Wurzel, denn nur so kann das Ziel des internationalen Verbrechens sestgestellt werden."

Der französische Plan der Schaffung einesVölkerbunds- Heeres" wird treffend folgendermaßen abgetan:Im Völker­bund spielt Frankreich die erste Rolle, und somit ist Frank­reich lediglich bereit, abzurüsten in dem Maß, als dies ihm zur Verfügung stehende VölkerbunÄsheer erstarkt. Dieser Plan erhält seinen besonderen Sinn gerade jetzt im Licht des Jntcressenkampfes auf dem Balkan, im Mittelmeer, im Adriatischen Meer und um den polnischen Korridor und den Rhein."

Helldorf über die monarchische Frage

Paris, 10. Febr. Der Berliner Berichterstatter desPetit Journal" berichtet in seinem Blatt über eine Unterredung, die er mit dem Befehlshaber der Berliner SA.. Graf Hell­dorf gehabt habe. Die Hauptaufgabe des Nationalsozialis­mus, sagte Graf Helldorf ist der innere Wiederaufbau. Wir wollen wieder bei uns Herr sein ohne irgendwelche äußere Einmischung, und wir wollen mit jedermann in Frieden leben. Der Nationalsozialismus wird niemals den früheren Kaiser, den früheren Kronprinzen oder irgendeinen der jetzt lebenden Prinzen auf den Thron heben. Unter den Natio­nalsozialisten gibt es Republikaner und Monarchisten. Viel­leicht wird man in 10 Jahren diese Frage prüfen, von augen­blicklicher Bedeutung ist sie nicht.

Mrlieinberg

Skutlgark, 10. Februar.

Das Erdbeben hatte Stärke 8. Das starke Beben am Mittwoch vormittag hat in Karlsruhe den Grad 6 der Forelschen Skala, in der unteren Hardt den Grad 7 und in Rastatt den Grad 8 erreicht, wobei zu beachten ist, daß die höchste Intensität mit dem Grad 10 (allgemeine katastrophale Verwüstungen) erreicht wird. Bemerkenswert ist, daß das Beben zusammenhängt mit außergewöhnlichen Witterungs­erscheinungen. Nahezu drei Monate hielt eine Trockenperiods von ungewohnten Ausmaßen vor, der Rhein wies ein Niederwasfer auf, wie man es bisher kaum je zuvor be­achtete. Zudem herrschte wochenlang trockene Kälte. All dies löste sich jetzt insofern, als jähe Wärme und Regengüsse zu­sammen mit Schmelzwasser aus dem Gebirge dem Erdreich plötzlich gewaltige Feuchtigkeitsmengen zuführten. Diese dürften eine Lockerung des vertrockneten Erdreichs hervor­gerufen haben und so entstanden Verlagerungen und Ver- rutschunaen von Gesteinsmassen unmittelbar unterhalb der Erdoberfläche, die sich diesmal ausfallenderweise am stärk­sten am Ausfluß der Murg in den Rhein auswirkten.

Städtische Bürgschaft für das Gewerkschastshaus. Die Ministerialabteilung für Körperschaftsverwaltung hat die Uebernahme der Bürgschaft der Stadt Stuttgart für das Gewerkschaftshaus in Stuttgart genehmigt.

Die Stadtgemeinde Stuttgart hat im ganzen folgende Bürgschaftsverpflichtungen: Die Bürgschaftsverpflichtungen der Stadtgemeinde Stuttgart betragen insgesamt 25 753 000 Mark. Im einzelnen besteht diese Summe aus folgenden Be­trägen: Für Darlehen zu verschiedenen, hauptsächlich kari­tativen, zum kleineren Teil auch kulturellen und wirtschaft­

lichen Zwecken 1 869 700 Mark. Für Wohnungsbäu­darlehen der Landesversicherungsanstalt, Reichsversiche­rungsanstalt, Städt. Spar- und Girokasse an Private, Bau­genossenschaften, karitative und sonstige Vereine 9 820 300 Mark. Für Wohnungsbaudarlehen der Landesfreien Woh­nungskreditanstalt nach dem Wohnungsbürgschaftsgesetz: hälftige Ausfallhaftung an rund 26,5 Millionen 13 235 500 Mark. Für Reichsdarlehen zur vorstädtischen Kleinsiedlung (volle Bürgschaft) 827 500 Mark. Zusammen 25 753 000 Mk. Städtische zusätzliche Wohnungsbaudarlehen wurden gewährt insgesamt 10 365 000 Mark.

Die Landwirtschaftliche Woche des Landw. Hauptver­bands Württemberg-Hohenzollern und der Landwirtschafts­kammer, die im vorigen Jahr ausgefallen war, wird in diesem Jahr vom 23. bis 26. Februar abgehalten. Am Haupttag, Sonntag, 26. Februar, findet im Saal des Bür­germuseums 1.30 Uhr der Vortragstag der Landwirtschafts­kammer und.um 3 Uhr die Mitgliederversammlung des Hauptverband's statt.

Der Fürjorgeetat braucht 700 000 M mehr. Der Ge­meinderat stimmte dem Antrag zu, das Fürsorgeamt zu er­mächtigen, zur Bestreitung seiner Ausgaben den laufenden Haushaltsplan bis zum Betrag von 700 000 -st zu über­schreiten, da die Zahl der Unterstützungsempfänger immer weiter zugenommen hat.

Heine Filialsteuer. Die Finanzabteilung des Gemeinde­rats hat die vom Bürgermeisteramt gegen die Einführung der Filialsteuer sprechenden Gründe anerkannt; sie beschloß deshalb aus den Vortrag des Finanzberichterstatters mit Stimmenmehrheit, von einem Antrag an den Gemeinderat auf Einführung der Filialsteuer Abstand zu nehmen.

Für beschränkte Aushebung des Rauchverbots in der Stadkhalle. Der Gemeinderai stimmte einem Antrag mit großer Mehrheit zu, wonach an dem grundsätzlichen Verbot des Rauchens in der Stadthalle festgehalten wird. Die Polizeiabteilung soll erneut prüfen, für welche Veranstal­tungen Ausnahmen gestattet werden sollen unter der von der Handelshof AG. gestellten Bedingungen. Für dos Sechstagerennen und das Reit- u n d Fahrtur- nier ist das Rauchverbot aufzuheben.

Landesausschußsihung des Verbands Würtk. Gewerbe­vereine. Anläßlich einer demnächst stattfindenden Lan­desausschußsitzung des Verbands wird u- a. zu dem Be­schluß des Steuerausschusses des Württ. Landtags wegen Aenderung des Gewerbesteuergesetzes Stellung genommen.

Zusammenschluß der Stadlgarden und Bürgerwehren. Im

Dezember vorigen Jahres wurde der Zusammenschluß in einem Verband von den Stadtgarden und Bürgerwehren beschlossen. Die Gründung dieses Verbands soll nun am 20. Februar, am gleichen Tag, an dem die Stuttgarter Statdtgarde zu Pferd ihre diesjährige Korpsfeier abhält, stattfinden.

Zusammenstoß zwischen Zug und Personenkraftwagen.

Die RBD. teilt mit: Auf dem unbeschrankten Bahnübergang zwischen Freudenstadt-Hauptbahnhof und Stadtbahnhof wurde am Freitag vormittag ein Personenkraftwagen aus Glatten von dem Personenzug 3910 angefahren und dreißig Meter geschleift. Der Führer des Personenkraftwagens und zwei Mitfahrer wurden leicht verletzt; der Kraftwagen wurde schwer beschädigt. Der streckenkundige Wagenführer will die Warnsignale der Lokomotive überhört haben.

Aus dem Lande

Schwaigern OA. Brackenheim, 10. Febr. Vier Jahre Beleidigungsprozeß. Das Verfahren gegen Redak­teur Zundel vomLeintal-Boten" in Schwaigern wegen Beleidigung durch die Presse wurde durch Beschluß des Württ. Landgerichts Heilbronn eingestellt. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. Der An­geklagte und die Nebenkläger haben ihre Auslagen selbst ,-n trogen. Damit hat ein Prozeß nach vierjähriger Dauer sein Ende gefunden.

Schorndorf, 10. Febr. Schorndorfs älteste Ein­wohneringestorben. Am Donnerstag ist nach kurzem Kranksein Frau Jda Hütter, Schorndorfs älteste Ein­wohnerin, im Alter von 98-4 Jahren gestorben.

Böblingen. 10. Febr. Jagdglück. Förster Braun in Musberg hat einen kapitalen, zirka 3 Ztr. schweren Keiler im hiesigen Stadtwald zur Strecke gebracht.

Tübingen. 10. Febr. Der antisemitische Be­schluß des Asta gegenstandslos. Der Asta hat an den Rektor der Universität folgendes Schreiben gerichtet: Wie der Asta sich überzeugt hat, ist der in der Astafitzung vom 7. 2. angenommene Antrag bezüglich der Assistenten­stelle des Herrn Wsinheber gegenstandslos, da Weinheber nicht mehr Assistent bei Prof. Dr. Rieger ist. Der Asta hat nicht die Absicht, sich in die Besetzung der Assistenienstellen einzumischen, er ist jedoch grundsätzlich der Auffassung, daß bezahlte Assistentenstellen nach Möglichkeit von deutschen Volksgenossen besetzt werden sollten.

Tübingen. 10. Febr. A b g e l e h n t e B e r u f u n g. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Prof. Dr. Kirschner, Vorstand der Chirurgischen Universitätsklinik, Tübingen, hat die Berufung an die Universität Heidelberg abgelehnt.

Mittelstadt OA. Urach, 10. Febr. H o h esAlte r Der frühere Baumwart Johann Friedrich R ö h m durfte di^er Tage in körperlicher und geistiger Frische seinen 92 Ge­burtstag im Kreise seiner Kinder, Enkel und Urenkel be­gehen.

Oberndorf a. N., 10. Febr. Notwerk der deut­schen Jugend. Hier ist nach einem Vortrag von Regie­rungsrat Günter, dem Direktor des Arbeitsamts Rottweil, eine Arbeitsgemeinschaft zur Durchführung des Iugend- werks gegründet worden.

Ulm. 10. Febr. Jugendliche Räuber. In der Nacht zum 26. September 1932 überfielen der 19 Jahre alte Wagenbauer Ludwig Bachl von Ay bei Neu-Ulm und der 24 Jahre alte Hilfsarbeiter Ottmar Schaupp von Böhrin­gen in der Nähe von Ay den Metzger Bernhard Schm , d von Unterkirchberg. Der Metzger wurde schwer mißhandelt und seiner Barschaft beraubt. Bachl versuchte, das Opfer in den Jllerkanal zu werfen. Der Ueberfallene konnte sich aber noch im letzten Augenblick am Brückengeländer fest- halten. Das Gericht in Memmingen verurteilte Bachl zu 8 Monaten und Schaupp zu 3 Monaten Gefängnis.

Eine weiße Amsel. In den Gärten am Weftgleis, bei dem Anwesen des Konsumvereins, zeigt sich schon seit einiger Zeit eine weiße Amsel mit schwarzem Schwanz.

Er wollte lieber in Ulm abgeurteilt wer­den. Der 40 I. a. Hilfsarbeiter Fr. Kern von Schwabmün-

chen hatte in Ulm 3 und in Augsburg nacheinander 5 Fahrräder gestohlen. Um sie unbeanstandet verkaufen zu können, fertigte er Kaufscheine an. Insgesamt erlöste-er auf diese Weise aus den Diebstählen 70 Mark. Vom hiesigen Gericht wurde Kern, der schon 20mal vorbestraft ist, zu 1 Jahr 4 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Augsburger Strafkammer rundete diese Strafe auf 2 Jahre und 8 Mo­nate auf. Kern beschwerte sich darüber, daß seine Augs­burger Straftaten nicht schon hier abgeurteilt worden seien. Er scheint die württembergischen Gefängnisse den bayerischen vorzuziehen.

Leulkirch, 10. Febr. Galgenhumor. Kommt da, so schreibt derAllgäuer Volksfreund", ein biederer Land­wirt aus der Nachbarschaft nach Leutkirch, um ein Kalb im Gewicht von etwa 55 Kilogramm zu verkaufen. Händler und Metzger bieten dem Verkäufer (ob im Spaß oder Ernst, konnte nicht festgestellt werden) 1618 Mark, ja sogar 20 Mark! Den Bauer, der sonst einen Spaß ertragen kann, dringen diese Angebote in Aufregung und er erklärt: Lieber verschenke ich das Kalb!" Er läßt die verdutzten Käufer stehen, wendet sein Geführt und im Eiltempo gehis durch die Stadt der Siedlung zu. wo er seinen Entschluß so­fort zur Ausführung bringt. Bei den Beschenkten war große Freude, die nur durch die hinterher erhobene Schlachtsteuer etwas getrübt wurde!

Uns Stadt und Land

Nagold, den 11. Februar 1933.

Wo zwei miteinander streiten, sei du nicht der Dritte.

Husbeschlagprüfung.

Folgende Hufschmiede der näheren Umgebung haben im Januar ds. Js. die Prüfung im Hufbeschlag mit Erfolg be­standen und dadurch den Nachweis der Befähigung zum Be­trieb des Hufbeschlaggewerbes erbracht: Jbele, Thomas, Wart: Theurer, Hermann, Unterjesingen; Truffner, Mathäus, Bieringen OA. Horb.

Was ist heute und morgen alles geboten?

Samstag: 9 Uhr Arbeiter - Gesangverein ..Frohsinn" (nach der Singstunde) Generalver­sammlung ..Rose".

Sonntag: 2 Uhr Freie Schreiner-Innung. Ge­neralversammlungKrone": 2 Uhr Handball­spiel Seminar 1. - T.B.N. 1. - 8 Uhr Südd. Rund- funk,Der Rundfunk im Tonfilm" unter Mitwirkung der Stadtkapelle. (Traubensaal). An beiden Tagen TonfilmtheaterAlles fragt nach Erika" (Sonn­tag 3 Vorführungen).

Doppelter Gedenktag

Am morgigen Sonntag feiert Stadtrat Oberreallehrer Bodamer seinen 60. Geburtstag, gleichzeitig sind es 30 Jahre her, daß der beliebte, aus dem Lehrerseminar Nagold hervorgegangene Pädagoge seine Lehrtätigkeit an der hiesigen Realschule mit Lateinabteilung ausübt. Möge der verdiente Mann zum Wähle der Stadt und Schule noch recht lange wirksam sein. Dies sei in herzlichem Ge­denken unser Wunsch, dem sich seine dankbaren Schüler, seine Kollegen und Freunde sicherlich anschließen werden.

Autozufammenstotz

Das scharfe Eck an der Calwer- und Langestraße ist gestern nachm. 144 Uhr zwei hiesigen Personenkraftwagen wieder ein­mal zum Verhängnis geworden. Der Schaden beider Fahrzeuge ist jedoch unbedeutend.

Reichszuschüsse

für Instandsetzung von Wohngebäuden

Die Handwerkskammer Reutlingen schreibt hiezu folgendes.

Bekanntlich hat das Reich weitere SO Millionen RMk. für die Gewährung von Zuschüssen bei Vornahme von Jn- standsetzungsarbeiten an Wohngebäuden bewilligt. Auf das Land Württemberg entfallen 1,64 Millionen. Die Anträge sind möglichst sofort bei den Bürgermeisterämtern zu stellen, welche dieselben prüfen und über die Gewährung eines Reichszu­schusses entscheiden. Die Zuschüsse werden nur dann gewährt, wenn die Instandsetzungskosten für das einzelne Wohngebäude mindestens 100 Mark betragen, wobei jedoch die Baukosten eine angemessene Höhe nicht überschreiten dürfen. Die Höhe des Zuschußes beträgt ein Fünftel der Kosten. Voraussetzung für die Gewährung des Zuschusses ist jedoch, daß die Arbeiten nach dem 25. September 1932 und vor dem 1. April 1933 begonnen und spätestens am 1. Juli 1933 (bisher 1. Januar 1934) voll­endet sein müssen. Ein Wohngebäude, für das ein Zuschuß be­antragt wird, muß vor dem 1. Juli 1918 bezugsfertig gewor­den sein. Für Arbeiten, die als Schwarzarbeiten aüsgeführt werden, dürfen Zuschüsse nicht gewährt werden. Für die Tei­lung größerer Wohnungen in mehrere Wohnungen werden 50 Prozent der Kosten, jedoch höchstens 600 RMk. für jede Teilwohnung gewährt.

Der Antrag muß vor Beginn der Arbeiten gestellt werden. Ihm ist ein genauer Kostenvoranschlag beizufügen. Ein An­spruch auf einen Zuschuß entsteht erst mit der Erteilung eines Zuschußbescheids. Als größere Jnstandsetzungsarbeiten gelten Erneuerung der Dachrinnen und Abflußrohre, Umdecken des Daches, Abputz oder Anstrich des Hauses im Aeußeren, Neuan­strich des Treppenhauses, Erneuerung der Heizanlagen, Be­seitigung von Hausschwamm und ähnliche außerordentliche, einen größeren Kostenaufwand erfordernde Jnstandsetzungs­arbeiten.

Da anzunehmen ist, daß ziemlich viele Anträge gestellt wer­den, wird empfohlen, dieselben möglichst sofort einzureichen.

Winterhilfe statt Trauerspenden?

Wieviele meinen in dieser Notzeit Gutes zu tun, wenn sie als letzten Wunsch zum Ausdruck bringen, daß Kranzspenden zu Gunsten der Winterhilfe unterbleiben mögen! Ist es allen bewußt, daß durch diese Bitte der Kreis der Arbeitslosen nur vergrößert wird? Sind die deutschen Gartenbaubetriebe und Blumengeschäfte und die Industriezweige, die dahinterstehen, nicht mindestens ebenso lebens- und beachtenswert als die, welche die Winternothilfe in Anspruch zu nehmen haben? Könnten wir nicht mit gleichem Recht verlangen, daß dieses oder jenes Vergnügen, dieser öder jener Kauf besser zugunsten der Win­terhilfe unterbliebe? Sind nicht in der Sitte, Blumen zu geben, mehr ethische Werte enthalten, als in mancher andern?

Es ist doch zu bedenken, daß wir mit Abschnürung auch eines kleinen Teils der Wirtschaft das Unheil nur vergrößern und die ohnehin schwer um die Existenz ringenden Geschäfte vollends zugrunderichten zu helfen!

Vielleicht genügen diese Worte, um ein gutgemeintes Bei­spiel, das jedoch nur Unglück schafft, in ein weitblickenderes umzuwandeln: Die beste Winterhilfe ist die Unterstützung der gesamten Wirtschaft!