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Nr. 102
Gegründet 1827
Dienstag, den 3. Mai 1932
Fernsprecher Nr. 29
106. Jahrgang
Der neue Haushalt
/ Einsparungen, keine neuen Stenern
Für die Beratungen des Reichskabinetts stehen drei Fragengruppen teils politischer, teils finanzieller Art im Vordergrund. Einmal sollen auf dem Notverordnungsweg oder in anderer Form sämtliche politischen Verbände zur Beseitigung per ihnen angeschlossenen militärähnlichen Organisationen verpflichtet werden. Eine andere Fragengruppe betrifft die Pläne der Entlastung des Arbeitsmarktes durch eine Notverordnung, das heißt, die Erweiterung des freiwilligen Arbeitsdienstes im Zusammenhang mit weitgehenden Siedlungsplänen. deren Finanzierung durch eine nach oben unbegrenzte Prämienanleihe erfolgen soll. Schließlich hat das Kabinett noch den Reichshaushalkplan festzustellen, damit er noch für den Zusammentritt des Reichstags und des Reichsrats am nächsten Montag druckfertig gemacht werden kann.
Der Reichshaushaltplan wird im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Von besonderer Bedeutung wird die Tatsache sein, daß zum erstenmal seit dem Weltkrieg kein Posten sür Tributzahlnngen darin vorgesehen ist. Das bedeutet gemäß der Jahresleistung, die im Poung-Plan für 1932 niedergelegt war, eine Buchersparnis von 1738 Millionen RM. Deutschland folgt mit der Nichtberücksichtigung der Kriegslasten dem Beispiel Englands. Vor allem aber wird die Reichsregierung damit der außerordentlich ernsten Krisenlage gerecht, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet. Die Ausgleichung des Haushaltplans für 1932 bedeutet selbst bei Nichtberücksichtigung der Tribute und selbst nach den gewaltigen Opfern, die dem deutschen Volk im Lauf des vergangenen Jahrs durch die Gehaltskürzungen und die neuen Steuern auferlegt wurden, für die Reichsregierung eine dornenvolle Aufgabe.
Der Reichssinanzminister hat erklärt, der diesjährige Plan werde sich mit 8,5 Milliarden RM. ausgleichen gegen 11,9 Milliarden in 1930 und 9,3 Milliarden in 1931.
Aber es ist unmöglich, einen zuverlässigen Haushalt für Sie Dauer eines Jahrs aufzustellen. Beispielsweise hat die ständig verminderte Kaufkraft des deutschen Binnenmarktes einen ständig verminderten Eingang an Zöllen zur Folge gehabt. Die Arbeitslosigkeit weiter Schichten und der schlechte Geschäftsgang wiederum wirken sich in einem verminderten Steueraufkommen aus. Auch der Haushaltsntwurs, der am Montag dem Kabinett zuging, ist kein fertiger Plan, sondern ein Gerüst mit den wesentlichen Rahmenziffern, bei dem es dem Kabinett überlassen bleibt, die einzelnen Zahlenposten durchzuberaten und einnifüaen
Tagesspiegel
Die Fcstkagsrückfahrkarkeir für Pfingsten können zur Rückfahrt bis zum 17. Mai 24 Ahr einschließlich (Dienstag nach Pfingsten) benutzt werden.
Der Geschäftsbericht der Reichsbahn betont, daß der Aus- blick für 1932 sehr wenig erfreulich sei. da in den ersten vier Monaten der Verkehr weiter zurückgegangen ist und die Einnahmen gegenüber 1931 weiter um 26,3 v. H. gesunken sind. Die von der Reichsbahn zu zahlenden Beiträge zum kriegskribut seien besonders drückend.
Me Blättermeldung, der Reichsverkehrsminister Trevira- .ius wolle zur Nationalsozialistischen Packe, übertreten» wird von maßgebender Seile als eine Erfindung bezeichnet.
Dem sozialdemokratischen Dozenken an der Technischen Hofchule in Braunchweig Dr. v. Bracken und Dr. v. Frank- kenberg ist von der Regierung ihr Lehrauftrag entzogen worden.
Der Führer der bürgerlichen Fraktion der Stadtverordnetenversammlung in Braunschweig, Burgdorff, ist von der Deutschen Volksparkei zur ASDAP. übergekreken.
Rach dem Urteil des Friedensrichters in Riga (Lettland) ln der Klage der neuen Domverwaltung gegen die deutsche evangelische Domgemeinde auf Räumung der Pastorate und der Lüsterwohnungen muß die deutsche Domgemeinde Me Räume der Domkirche mit Ausnahme einer einzigen Wohnung verlassen.
Der Führer der klerikalen Partei in Litauen. Professor Pakschtas, forderte in einem öffentlichen Vortrag über die Memelfrage in kowno, die Stadt Rlemel müsse zur Hauptstadt Litauens gemacht werden.
3n einem Dorf bei Lodz (Polen) sind am Montag in drei Stunden 33 Bauernhäuser und 150 Wirtschaftsgebäude durch Feuer vernichtet worden.
Von den 605 in Frankreich und Algerien zu vergebenden Kammer-Manöalen sind 248 entschieden. 357 Stichwahlen haben stattzufinden.
Dem Parlament in Washington soll eine Entschließung vorgelegt werden, nach dem die Bereinigten Staaten zum Haushalt des Internationalen Gerichtshofs im Haag für das laufende Jahr ungefähr 50 606 Dollar beisteuern sollen. — Die Bereinigten Staaten haben bisher keinen Beitrag geleistet, obgleich unter den 15 Richtern verschiedener Nationen sich ein Amerikaner befindet.
Das tatsächliche Auskommen aus Steuern und Zöllen für die ersten elf Monate des abgelaufenen Haushaltjahrs beliefen sich etwa auf sieben Milliarden. Für das Gesamtjahr würde sich nach durchschnittlicher Berechnung ein Aufkommen von 7,6 Milliarden im Vergleich mit den geschätzten Einnahmen von 8,1 Milliarden ergeben.
Ferner ist zu berücksichtigen, daß dieselbe wirtschaftliche Notlage, die die Einnahmen des Reiches verringerte, dis Regierung gleichzeitig gezwungen hat, der privaten Wirtschaft immer wieder mit Beihilfen zur Seite zu springen. Hierdurch sind außerordentliche Ausgaben von bemerkenswertem Umfang notwendig geworden, die zwar über mehrere Haushaltjahre verteilt werden können, die aber dennoch im kommenden Haushalt berücksichtigt werden müssen. Die Sanierung der Großbanken mit einigen hundert Millionen und die dafür vom Reich geleisteten Garantien sind an erster Stelle zu nennen. Ferner wurde das Reich ermächtigt, für die landwirtschaftlichen und gewerblichen Genossenschaftsinskiluke mit Stützungsgeldern bis zum Höchstbetrag von 150 bzw. 50 Millionen einzuspringen- Für die Schiffahrkssanierung wurde eine Garantie von 77 Millionen benötigt. Es gab weiter eine große Zahl von Beihilfen für industrielle Betriebe, wie noch letzter Zeit die Schlesische Oberbedarf, schließlich die Befreiung des notleidenden Bergbaus von den Unternehmer-Beiträgen für die Arbeitslosenversicherung verschlang auch rund 25 Millionen RM.
Es entsteht auch dadurch eine Schwierigkeit, daß außer- gewöhnliche Wege zur Ausgleichung des Haushalts beschritten werden. So dürfte man zum Ausgleich einen Posten Reichsbahn-Vorzugsaktien heranziehen, die im Betrag von 100 Millionen Kurswert auf den Markt gebracht werden sollen. Weitere rund 200 Millionen dürsten durch Inanspruchnahme des Kapitalmarktes in irgendeiner Form für die Einnahmeseite gebucht werden.
Trotz der Krisenlage haben sich die maßgebenden Stellen entschlossen, auch im kommenden Etat einen Betrag von 42l Millionen RM. ftir die Tilgung der Reichsschuld zurückzustellen. der nach der Lex Schacht von Weihnachten 1928 verfügbar zu machen ist.
All dies läßt es als fraglich erscheinen, ob das Reichskabinett bei seinen Beratungen an der geplanten Ausgleichszahl von 8,5 Milliarden festzuhalten vermag oder ob nicht welkere Abstriche in den verschiedenen Ressorts vorgenommen werden müssen. Neue Steuerlasten sollen nicht berücksichtigt sein.
Heue Nachrichten
Land für die Siedlung
Berlin, 2. Mai. Reichsarbeitsminister Stegerwald hat sich mit Personen, die im .Siedlungswesen tätig sind, über die Austeilung des durch die Osthilfe frei werdenden Landes besprochen. Man war übereinstimmend der Meinung, daß einfacher und billiger gesiedelt werden müsse als bisher. Alles Land im Osten, besonders die größeren Güter, die nicht mehr entschuldet werden können, soll mit größter Beschleunigung besiedelt werden.
Die politische Entwicklung in Preußen und im Reich
Berlin. 2. Mai. Verschiedene Blätter beschäftigen sich mit der politischen Entwicklung in Preußen und im Reich und mit den Möglichkeiten für -die Bildung einer neuen Regierung in Preußen. Der nationalsozialistische „Angriff" stellt erneut fest, daß irgendwelche Verhandlungen zwischen Zentrum und NSDAP, noch nicht stattgefunden haben. Die Nationalsozialisten können abwart-en, bis die anderen Parteien mit sich ins klare gekommen seien. Sie würden sich an einer Regierungskoalition in Preußen nur unter der Voraussetzung beteiligen, daß ihnen die Machtmittel des Staats in die Hand gegeben würden und könnten eine Regierungsübernahme in Preußen nur dann verantworten, wenn die Gewähr dafür vorhanden ist, daß ihnen vom Reich her die Macht in Preußen nicht aus der Hand geschlagen werde. Deshalb müsse auch im Reich eine Regelung der Dinge eintreten, bei -er die Nationalsozialisten den entschei- dendcn Einfluß gewinnen. Abg. Kube erklärte, die Rationalsozialiste:-, werden auf keinen FM in eine Koalition einkreken. an der die Deukschnationalen nicht auch beteiligt seien. Ob es zu einer Koalition mit dem Zentrum komme, stehe noch nicht fest. So oder so werde es doch über kurz oder lang zu einer Landtagsauftösung kommen.
Die „Tägliche Rundschau", das Blatt des Christlich-Sozialen Dolksdiensts", sagt, wenn jetzt versucht werde, die NationalsoHalisten mit in die Verantwortung einMbestehen, so sei das auch im Hinblick auf die Hindenburgwahl zu begrüßen, die den Sinn hatte, in Deutschland wieder eine Obrigkeit, eine unabhängige väterliche Staatsführung zu befestigen. Politisch sei festzustellen, daß Zentrum und Bayerische Volkspartei zum ersten Mal offen vor die Verantwortung gestellt worden seien. Der Reichskanzler trete für eine Beteiligung der RationalsoffaWcn ein. es sei aber noch nicht entschieden, ob das ganze Zentrum das preußische Bündnis mit den Mächten der liberal-sozialistischen Vergangenheit lösen wolle. Das Zentrum sei heute exponiert. Es bestehe keine Veranlassung, das Zentrum aus seiner riesigen und gefährlichen Verantwortung für Preußen und das Reich zu entlasten.
Fürstenwalöer Reichswehr-Prozeß
Leipzig, 2. Mai. In dem Hochverratsprozeß gegen elf Kommunisten aus FürstenWslde und Berlin und den Obergefreiten Meier wegen Zersetzungsarbeit im Reiter- Regiment 9, Aufreizung gegen die Offiziere usw. durch per- sönlicke Löarbeitum, und Verbreitung einer Druckschrift „Der rote Netter" unter den Mannschaften beantragte Overira-ats- anwalt Dr. Eichler unter Hinweis aus den hohen Grad der StaatsgefÄhrlichkeit dieser Umtriebe folgende Strafen gegen die Angeklagten: Trost, Schütze und Schulisch je 2 Jahre 9 Monate Festungshaft, Markwitz und Slusarek je 2 Jahre Festungshaft. Borch und Braun je 1 Jahr 9 Mon. Festungshaft, Hutler 3 Jahre Festungshaft, Engwicht zwei Monate 2 Wochen Gefängnis, Schulz, der ein Zersetzungs- leiter sei, 3 Jahre Zuchthaus, und gegen den Obergefreiten Meier 2 Jahre 6 Monate Gefängnis. Gegen den Angeklagten Welk wurde Freisprechung beantragt.
Phantasien der Bayerischen Volkspartei. Korrespondenz
München, 2. Mai. Unter dem Titel „Was geht in Berlin vor" schreibt die Bayerische Volkspartei-Korrespondenz im ..Bäuerischen Kurier": ..Die Gerüchte von einem Sammel-
Handstreich Polens auf Danzig?
London, 2. Mal. „Daily Expreß" veröffentlicht in großer Aufmachung einen Bericht seines Sonderberichterstatters ln Danzig, in dem es u. a. heißt, Polen habe seine Pläne für die Besitzergreifung des Freistaats Danzig fertiggestellt. Itur ein in 11. Stunde erfolgter Schritt Frankreichs habe verhindert, daß die polnische Flagge am 1. Mai über Danzig mehle.
Der Berichterstatter sagt: Die maßgebendste Persönlichkeit an Ort und Stelle (der Völkerbundskommissar) habe ihm erklärt: „Die Polen haben ihren Kopf verloren." — Die Danziger Behörden befürchteten, daß die polnische Flotte in den Danziger Hafen Einfahren und wie im Falle der Wegnahme von Wilna die Well vor eine „vollendete Tatsache" stellen würde. Der Oberkommissar. GrafGravina, habe sich dringend mit dem Generalsekretär des Völkerbunds in Verbindung gesetzt und habe ihm warnend von dieser <tze- fährdung des europäischen Friedens Mitteilung gemacht.
Der Danziger Berichterstatter des Arbeikerblatts „Daily Herold" sagt, die radikalen Elemente in Deutschland und Polen warten nur darauf» daß die andere Seite die Feindseligkeiten eröffne. Eine Katastrophe sei gestern vermieden worden, aber die Lage bleibe ernst und bedürfe einer sorgfältigen Behandlung.
Der Sonderberichterstatter der „Daily Mail" in Zoppol berichtet ebenfalls, daß eine neue internationale Verwicklung nur mit knapper Rot vermieden worden sei.
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Das Sekretariat des Völkerbundskommissars bestreitet in
einer Zuschrift an die Danziger Blätter entschieden di« Alarmnachrichten der englischen Blätter, soweit sie auf die Tätigkeit und die Person des Völkerbundskommissars Bezug nehmen.
Die Danziger amtlichen Stellen haben zu den Melldungen noch nicht Stellung genommen.
Die Danziger Verwaltung erklärt das Auftcmchen der Meldungen in der englischen Presse damit, daß seit Wochen und Monaten in polnischen Hetzblättern Artikel erschienen sind, in denen u. a. auch die Beseitigung der Hoheitsrecht« der FrSien Stadt gefordert wunde.
Bon polnischer Seite wird erklärt, am 1. Mai sei die Frist für die vorläufige Regelung des Aufenthaltsrechtq polnischer Kriegsschiffe im Danziger Hafen abgelaufen. Csl sei anzunohmen, daß dieser Umstand W „mißverständlichen Auslegungen" geführt habe.
So ganz harmlos dürste die Sache denn doch nicht gewesen sein. Die polnischen Absichten auf Danzig und Ostpreußen sind bekannt. .
Die polnische Regierung ist „unschuldig"
Berlin, 2. Mai. Im Auswärtigen Amt ist man über, zeugt, daß die polnische Regierung nicht -hinter den tückischen Plänen stehen könne. Es sei aber denkbar, daß polnische Hitze köpfe solche Ueberfallspläne verfolgen. Die Reichsregierung werde die Entwicklung der Dinge mit größter Wachsamkeit verfolgen und gegebenenfalls alle ihr zu Gebot stehenden Mittel anwenden, um einem derartigen Handstreich aujH schärfste entgegenzutreten.