Januar 1932.
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Tagerspiegel
Der Dreiskommissar für Württemberg. Polizeipräsiden. klaiber-Stuttgart, fordert in einem Ausruf alle kreise der Bevölkerung auf, ihn in seiner Arbeit für Preissenkung und Aeberwachung zu unterstützen.
Der Reparationsausschutz des Reichskabinetts yak am Mittwoch die Besprechung über die Richtlinien für die deutsche Abordnung auf der Lausanner Konferenz wieder ausgenommen.
Der Iungden<che Orden hat beim Reichsinnenminisier einen Antrag ans Zulassung eines Volksbegehrens über die Anttsverlängerung Hindenburgs eingereichk. Gleichzeitig richtet der Vorsitzende Arthur Mahraun einen diesbezüglichen Aufruf an das deutsche Volk.
Die beantragte Entlassung von 170 Angestellten und 1000 Bergleuten bei der Bergbaugruppe Hamborn der Vereinigten Stahlwerke wurde von der Regierungsbehörde für die Arbeiter auf 31. Januar und für die Angestellten je nach Tarif oder Verträgen genehmigt.
Der Verwattungsrat des Internationalen Arbeitsamts bat am Mittwoch die Ankersuchung auf dem Gebiet des Textilwesens begonnen und die Tagesordnung für die Konferenz 1933 (Arbeikslosenfrage) festgesetzt. Im Verwattungs- rat ist Deutschland durch Ministerialdirektor Dr. Weigert fRegierungsvertreter). Kommerzienrat Vogel (Arbeitgeber) und Hermann Müller (Arbeitnehmer) vertreten.
Die Vereinigten Staaten werden aus der Lausanner Konferenz nicht einmal durch einen Beobachter vertreten sein, um jeden Schein eines erneuten Eingreifens Amerikas zu vermeiden:
Bei einer Nachwahl für den verstorbenen Senalor Graway (Demokrat) wurde in Liktle Nock (Arkansas) dessen Witwe als erste Frau in den Senat in Washington gewählt.
Die japanische Regierung ist der Ansicht, die neue chinesische Regierung in Nanking sei nickst gefestigt genug, um mit ihr Fri^densverhandlungen zu führen. Die neue Regierung scheint auch tatsächlich schon am Zusammenbruch zu lein.
Die chinesische Regierung hat sich in der Antwortnote an Washington bereit erklärt, mit Amerika zusammenzuwirken. um der Unantastbarkeit des Reunmüchkeverkrags Geltung zu verschaffen.
Heute ist der letzte Umtauschtermin für Fernpostkarten zu 8 Pfennig mit eingedrucktem Wertzeichen.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat beschlossen, bei den Reichspriisidentenwahlen in jedem Falle als eigenen Kandidaten den Borfitzenden der Partei, Ernst Thälmann aufzustellen.
Zur Präsidentenwahl
Die Absage Hitlers
Berlin» 13. Jan. Gestern wurde dem Reichskanzler folgendes Schreiben Hitlers übergeben:
Sehr geehrter Herr Reichskanzler! Am 6. Januar 1932 teilte mir Reichsminister des Innern General Groener mit, es bestünde die Absicht, die Präsidentschaft des Generalfeld- marschalls von Hindenburg auf parlamentarischem Weg zu verlängern bzw. den Reichspräsidenten durch eine Zweidrittelmehrheit des Reichstags neu wählen zu lassen. Reichs- Minister des Innern Groener bat mich um Stellungnahme der Partei zu diesem Vorhaben. Ich beehre mich. Ihnen, sehr geehrter Herr Reichskanzler, mitzuteilen, daß die NSDAP, bei aller Verehrung für die Person des Reichspräsidenten nicht in der Lage ist, diesen Vorschlag zu unterstützen. Ich lehne -daher im Namen der nationalsozialistischen Bewegung unsere Zustimmung ab. Die versassungsrechklichen, autzen- uad innerpolitischen sowie moralischen Gründe, die uns zu dieser Stellungnahme bewegen, werde ich Ihnen, sehr geehrter Herr Reichskanzler, in einer eingehenden Darlegung umgehend zustellen. Mit der Versicherung vorzüglicher Hochachtung bin ich, sehr geehrter Herr Reichskanzler, Ihr sehr ergebener Adolf Hitler.
Hitler hat bekanntlich auch dem Reichspräsidenten selbst brieflich von der Ablehnung der parlamentarischen Wiederwahl Kenntnis gegeben.
Wahlausschuß unter Gehler?
Der volkskonservative Abgeordnete Graf Westarp ist an verschiedene Parteien der Mitte herangetreten, ob von ihrer Sette aus die Kandidatur Hindenburg aufgestellt werden könne. In einer Beratung wurde festgestellt, daß dieser Wog nicht gangbar sei, da er in Wirklichkeit zur Zerschlagung der Kandidatur führen würde. Es wird nun erwogen, einen Ausschuß politisch unabhängiger Persönlichkeiten etwa unter Leitung des früheren Rsichswehrministers Geßler zu bilden, der die Volkskandidatur Hindenburgs ausstellen und durchführen soll. Ein solcher Ausschuß war bekanntlich auch bei der ersten Wahl 1925 unter Leitung des kürzlich verstorbenen Staatsministers a. D. v. Löbell gebildet worden.
Neueste Nachrichten
Die Deflation Ursache der Weltkrise
Berlin. 13. Jan. In hiesigen politischen Kreisen wird ein Artikel des englischen Bankiers und Finanzsachverständigen Sir Henry Str.akhosch im Londoner „Economist" viel beachtet. Strakhosch sagt: Der Fehlerkreis der Deflation kann nur dadurch gebrochen werden, daß man seine Ursache, also das allgemeine Sinken des Preisniveaus beseitigt, das durch die Höherwerkung des Golds entstanden ist. Diese wiederum beruht in der Hauptsache auf der Eintreibung der Reparationen und der Verbandsschulden in Gold. Die Grundursache der Weltkrise ist die Deflation. Diese entspringt den gestörten Handels-Verhältnissen und diese Störung ist wiederum die Folge der ungesunden Anhäufung der Goldvorräte in Frankreich und Amerika.
Grohe Waffenfunde in Wien
Wien, 13. 3an. Die Polirei beschlagnahmte dieser Tags als verdächtig eine Lastwagenladung von 1000 Metallhülsen. Da die Polizei vermutete, daß die Hülsen zur Herstellung von Handgranaten bestimmt waren, und bei der Sendung, die von der kommunistischen Imva- Druckerei wusging, ein Schreiben an den sozialdemokrati
schen Republikanischen Schutzbund gesunde« wurde, wurde die Ilntersuchung nach dieser Richtung eingeleitet. Zunächst wurden weitere 500 Metallhülsen und eine Wagenladung mit 40 Gewehren beschlagnahmt und dann eine Haussuchung im Arbeiterheim des Stadtteils Ottakring vorgenommen 3n einem abgemaueretn Raum wurden nun 20 Maschinengewehre, 1000 Gewehre, Säbet, Bajonette und andere Waffen, in einem zweiten Raum Glasbehälter mit einem Sprengstoff entdeckt, der zur Füllung der Metallhülsen bestimmt war. Bei einer zweiten Haussuchung wurden, nachdem das Gebäude inzwischen polizeilich überwacht worden war, weitere Maschinengewehre, Gewehre, Pistolen und Revolver gefunden und gerichtlich beschlagnahmt.
Holland und das Reunmächteabkommen
Haag, 13. Jan. Die niederländische Regierung hat der Regierung der Vereinigten Staaten gestern im Hinblick aus die Berufung auf das Washingtoner Neunmächteabkommen, zu dessen^Miiuitterzeichnern Holland gehört, die Mitteilung zukomm-u? lassen, daß sie es nicht für zweckmäßig hatte, sich im japanisch-chinesischen Streitfall auch ihrerseits mit einer Note an die Regierungen Chinas und Japans zu wenden, weil Japan und China bereits auf die amerikanische Note geantwortet hätten.
Die Schicksalsstunde ist da!
Mit der Reparationskonserenz von Lausanne ist die Schicksalsstunde für Deutschland, für Europa gekommen. Brünings Erklärung über di« Zahlungsunmöglichkeit für Deutschland, die zugleich den Standpunkt der deutschen Abordnung in Lausanne darlegen sollte, hat eine überraschende Offenbarung der bisher im Dunkel gehaltenen französischen Absichten hervorgerufen, deren Maßlosigkeit auch die letzten noch zweifelnden Gemüter über die Rolle Frankreichs im gegenwärtigen politischen Geschehen aufklären muß. Ein Zufall hat dabei mitgewirkt.
Letzten Samstag hat der Kanzler den englischen Botschafter Rumbold auf dessen Wunsch empfangen und ihm Largelegt, daß die Reichsregievung eine endgültige Lösung der Tribukfrage für allein r'chtig halte und daß diese Lösung nach ihrer Auffassung nur in der völligen Streichung der Reparationen bestehen dürfe, da von einem bloßen Zahlungsaufschub keine wirkliche Besserung der Lage zu erwarten fei.
Eine voreilige, auf Vertrauensbruch beruhende englische Verlautbarung über diese Unterredung behauptete, Deutschland lehne grundsätzlich nun jeden Tribut ab. Da ging der Spektakel in Paris los. Die Presse zeterte wie auf Kommando von „Zerreißung des Boungplcms und des Vertrags von Versailles" durch Deutschland. Am Samstag abend noch gab der Reichskanzler durch WTB. die bekannte Erklärung ab: Aus der Konferenz gelte es, die Schlußfolgerungen aus dem Bericht der Basler Sachverständigen zu ziehen. Die deutsche Abordnung habe die gegebene Sachlage darzustellen und die andern beteiligten Regierungen aufzusordern, daß sie auch ihrerseits dieser Sachlage Rechnung tragen und nicht nach Kompromißlösungen suchen, für die eine wirkliche Möglichkeit nicht mehr gegeben sei.
Aus diesem von den Sachverständigen in Basel bescheinigten Richlkönnen macht man in Paris ein Richttvollen, ein „Zerreißen der heiligen Verträge", und halbamtlich werden durch Havus die wütendsten Drohungen ausgestoßen, die Europa und die Welt in ein Chaos zu führen geeignet wären, falls sie jemals Wirtlichkeit würden: nämlich Unterbindung der deutschen Ausfuhr und Zerstörung der deutschen Währung.
Das alles geschieht ohne einen Schimmer von Erinnerung daran, daß Deutschland während der sechs Jahre des Dawes- -und Boungplans mit peinlichster Genauigkeit bemüht gewesen ist, aus Kosten seiner Substanz, selbst mit geborgten Geldern, seinen Reparationsverpflichtungen nachzu- kommen. Alle Rechenkunststücke können nicht darüber hin- wegtäuschsn, daß Deutschland Milliardensummen an Entschädigung geleistet hat, die in der Geschichte kein Beispiel finden. Eben erst hat der Präsident der Neuyorker Chase- National-Bank, W i g g i n, dargelegr, daß Deutschland im Verlauf der beiden letzten Jahre durch Rückzahlung von ungefähr fünf Milliarden Mark privater Schulden seit Herbst 1930 über seine politischen Schulden hinaus sehr große Regsamkeit, feinen Beipflichtungen nachzukommen, bewiesen habe. Erst im Sommer 1931 habe Deutschland Zahlungs- erleichterungen für die Reparationen und die Handelskredits verlangt. Es habe sich bemüht, die ausländische Schuld (die es ja zum großen Teil für Reparationszcchlungen ausgenommen hat) zurückzuzahlen. Die Rückzahlungen seien aber übertrieben gewesen und sowohl im Interesse der Gläubiger wie Deutschlands selbst liege es, das Gold und die ausländischen Devisen zu schützen. Ist gegenüber solchen Tatsachen noch die Verdächtigung von der sekbstgewollten deutschen Zahlungsunfähigkeit aufrechtzuerhalten? Wenn Mussolini neulich mit beißender Ironie sagen konnte: „Was einst berechtigter Stolz der Zivilisation des zwanzigsten Jahr-
yunderts war, wird zu einer wehmütigen Erinnerung an vergangene Zeiten. Wir kehren wieder ins Mittelalter zurück; wir haben uns wohl stark vergrößert, wirtschaftlich gesehen ist aber ein Mittelalter um uns in jeder Hinsicht", dann steht Frankreich an der Spitz- des Stoßtrupps, der in das Mittelalter hineinmarschiert. Wird die Lausanner Konferenz diesem verderblichen Geschehen Einhalt tun? Deutschland ist seit dem Versailler Vertrag, in Locarno, beim Länderer Ultimatum, beim Domes- und Poungplan mit den rücksi htslosest°u Mitteln des politischen und wirtschaftlichen Drucks g^wungen worden. Verpflichtungen an,zuerkennen und zu unterschreiben, die sich gegenüber den unbeugsamen Tatsachen der Wirklichkeit als unhaltbar und undurchführbar erweisen. Die Folgen dieser Reparationspolitik der Unvernunft sind für dir ganze Welt schädigend gewesen. Darum hat die Welt ein Interesse daran, daß diese Politik nach mittelalterlichen Grundsätzen, deren Verfechter Frankreich in, einer menschlicheren und vernünftigeren Entwicklung Platz macht.
Poncet war unterrichtet
Paris, 13. Jan. Der deutsche Botschafter v. Hoesch hatte am Montag eine Besprechung mit dem Ministerpräsidenten Lava! und wies ihm nach, daß die englische Reutermeldung über die Unterredung Brünings mit dem englischen Botschafter Rumbold unrichtig und entstellt sei Laval stellte sich auf einen entgegengesetzten Standpunkt und erklärte, der deutsche Standpunkt sei schlechtweg unannehmbar.
In den Pariser Blättern war eine Wut auch darüb.r zum Ausdruck gekommen, daß Brüning dem englischen Botschafter (am Samstag) jene Mitteilung gemacht habe, während der französische Botschafter Francois-Poncet nichts erfahren habe. Dies ist wieder eine faustdicke Lüge. Francois-Poncet ist am Mittwoch voriger Woche beim Reichskanzler gewesen und hat dort genau dasselbe erfahren was Rumbold am folgenden Samstag. Am Donnerstag ist dann Francois-Poncet nach Paris abgereist. Die französische Regierung war also schon über dis Absichten der Reichsregierung unterrichtet, ehe überhaupt die Unterredung mit dem englischen Botschafter stattsand.
Der .politische Durchbruch -
Parts, 13. Jan. Das dem jetzigen Berliner Botschafter Francois-Poncet sehr nahestehende „Journal" erfährt von einem s,Franzosen, der Deutschland sehr gut kennt und an einem besonders guten Beobachtungsposten steht" (d. h. von Poncet selber): Für die Erklärung Brünings sei der Zentrumsführer Prälat Kaas verantwortlich. Von diesem stamme das Wort: Jetzt sei der gegeben« Augenblick zu einem politischen Durchbruch. Das sei jetzt die Meinung in Deutschland geworden, das wieder einmal eine „Not-Psychose" erlebe. Man hoffe dabei auf die Unterstützung Amerikas und Englands. Die Deutschen neigen stets dazu, sich als Opfer zu betrachten. Auch auf dem Gebiet der Abrüstung gebe sich der deutsche Durchbruchswille kund unter Verletzung des Versailler Vertrags. (!) Frankreich werde sich aber nicht auf den passiven Widerstand beschränken: es habe Waffen in der Hand, di«
, ehr wirksam seien und die auch seinerzeit de« Durchbruchsversuch bei der Zollunion s- geschichte glatt zum Stehen gebracht haben. (Gemeint ist die finanzielle Großmacht Frankreichs und deren rücksichtslose Anwendung gegen „Durchbruchsversuche".)
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