Leite 8 — Nr. 281
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Die Vergeltung
Der Freitag, an dem der jugendliche Kapellmeister Wenzel Stasny das dritte Museumskonzert im Saalbau mit ganz außerordentlichem Erfolge dirigierte, brachte die Wendung in Hertha Bogeners Schicksal.
Wenige Stunden vor dem großen musikalischen Ereignis der Saison war Balthasar Pfungst in der Villa Hermine erschienen und hatte bei dem so ziemlich abgewirtschafteten Rittmeister a. D. um die Hand der Tochter angehalten.
Obwohl dem Vater bereits das Feuer auf den Nägeln brannte und Hertha sehr genau über die mißliche Lage des Hauses Vogener unterrichtet war, hatte sie sich Bedenkzeit erbeten, denn die Bekanntschaft mit Stasny, die sie im Sommer in Karlsbad machte, wollte ihr noch immer nicht aus dem Kopf. Nun warf ihn gerade heute der Zufall hier in die Stadt.
Was sich da im Sommergrün der böhmischen Wälder zwischen den beiden jungen Menschen angebahnt hatte, war zunächst nur eine Flirt. Gar bald aber die Vertiefung der, in den Kursälen beliebten Plauderei. Man unterhielt sich über Musik. Ließ die Modernen Revue passieren, klebte geistreiche und ätzende Kritik. Zunächst staunte Stasny über die Treffsicherheit ihres Urteils, und es dauerte gar nicht lange, da nahm er die junge Dame sehr ernst. Sie erzählte ihm von ihren Studien, die sie mehr der Liebhaberei halber am Konservatorium getrieben hatte, und gestand ihm schließlich, daß sie im Besitze einer kleinen Mappe voll eigener Kompositionen sei. Auf sein Drängen hin trug sie ihm eines schönes Abends mit einer gar nicht zu verachtenden Altstimme eine Ballade von Liliencron in eigener Vertonung vor. Zwar war es noch zu keiner Aussprache gekommen. weil der junge Künstler erst den vollen Erfolg auf seiner Seite haben wollte, bevor er sich band. Aber auch ohne feierliche Worte waren sie heimlich verlobt.
Und da erschien Balthasar Pfungst, ein stattlicher Dreißiger und Anwärter auf den Generaldirektorposten bei den „Farbwerken" mit einem gewaltigen Einkommen. Ueber die Zukunft an der Seite eines Krösus sann Hertha gerade nach, als Stasny unter dem ihm bewillkommnenden Beifall des Saales das Podium betrat und zum Taktstock griff. Beethovens Neunte! Noch niemals hatte das Wunder sich Hertha so in seiner ganzen Urkraft geoffenbart. Sie war außer sich. Hingerissen. Wenn sie jetzt blieb, unterlag sie dem dämonischen Willen dieses Meisters, der seine sechzig Musiker, wie an einem Zauberfaden führte, so daß auch die verborgenste Absicht des Unsterblichen zu voller Geltung kam. Sie mußte fort aus dem Saale, dessen tausend Besucher dieser Rattenfänger mit seinem Spiele verhext hatte. Sonst war es mit Balthasar Pfungst und seinen Millionen ein für allemal aus.
Wenzel Stasny erfuhr Hertha Bogeners Vermählung mit Generaldirektor Balthasar Pfungst aus der Zeitung. Ganz Zufällig. In einem Kaffeehause Unter den Linden, wo er die Presse nach Besprechungen durchstöberte, stieß er wie von ungefähr auf die Notiz in der Rubrik „Aus der Gesellschaft". Es war also doch mehr als ein unbegründetes Mißbehagen gewesen, das ihn damals von einem Besuche
Die Scheidung
„Ich halte das nicht länger aus!" sagte er.
„Auch ich habe es längst satt", meinte sie
„Wozu soll man sich La noch weiter gegenseitig unglücklich machen?"
„Du hast recht: Wozu?"
„Du gibst mir recht?"
„Ja. Ich bin ganz Deiner Meinung. Lieber heute Schluß machen als morgen."
„Herrlich! Schade um jeden weiteren Tag."
„Sogar um jede Stunde."
„Wir wollen uns also scheiden lassen?"
„Mit Vergnügen!"
„Wir sind uns demnach einig."
„Jawohl, mein Herr. Zum ersten Male seit vielen Monaten."
„Dann können wir ja friedlich eine Zigarette rauchen und die Einzelheiten besprechen." — „Bitte."
„Willst Du Dich bedienen? Feuer gefällig?" — „Danke".
„Ich danke, am besten wird wohl sein, wenn Hans die Sache in die Hand nimmt. Er soll sich ganz ausgezeichnet aus solche Fälle verstehen; nicht umsonst nennt ihn die ganze Stadt einen Scheidungsanwalt."
„Hans? Wenn Du meinst, können wir ja zu ihm gehen. Es ist zwar Dein Freund . . ."
„Verzeihung: Er ist unser Freund, der Freund des Hauses."
„Wir wollen nicht wieder streiten, mein Lieber. Ich fürchte nur, Hans würde nichts unversucht lassen, die geplante Scheidung zu vereiteln. Er wird uns so lange gut Zureden, bis wir mürbe werden."
„Ich bestimmt nicht. Ich will mich auf Fälle scheiden lassen!"
„Auch ich habe keinen sehnsüchtigeren Wunsch."
„Dann ist Dein Bedenken hinfällig. Wenn wir einmal unseren felsenfesten Willen haben, wird Hans schon ein- sehen müssen, das Friedensverhandlungen nicht am Platze sind."
„Schön. Wann also wollen wir zu ihm fahren^"
„Ich schlage vor, jetzt gleich."
„Ausgezeichnet." — — —
„Ihr wollt Euch also scheiden lassen. Sehr vernünftig, Kinder! Ich und die übrigen Freunde Eures Hauses merkten schon lange, daß etwas nicht klappt."
„Erlauben Sie, Herr Doktor!"
„Erlaube mal!"
„Ia, ja, Kinderchen, die Außenstehenden haben für so etwas ein scharfes Auge."
Hans wandte sich an seinen Freund: „An sich kann ich Dich zu Deinem Entschluß nur beglückwünschen. Ich möchte ja Deiner derzeitigen Gattin nicht zu nahe treten, muß aber schon sagen, daß ich mich gar oft gefragt hatte, wie es möglich ist, mit einer Frau zusammen zu leben, die den ganzen lieben langen Tag mit ihren Kleidern zu tun hat und Haus, Hof, Küche aufs ärgste vernachlässigt. Bei Euch herrschte immer Unordnung, und ich kann mich nicht
Skizze von Ernst Otto NeiüharL.
in der Villa Hermine abgehalten hatte, als Herrha nach Beendigung des Konzerts unter der Schar des Gratulanten gefehlt.-
Die Zeit rauschte dahin. Jahre des Triumphes für Wenzel Stasny, in deren Freudenbecher sich freilich auch bittere Tropfen der Mißgunst und des Uebelwollens mischten. Jahre des gesellschaftlichen Glanzes für die Frau Generaldirektor, deren Stern nun langsam am Verblassen war.
Als der berühmte Kapellmeister sein 2öjühriges Diri- gentenjubilüum feierte, stand er wieder auf dem Podium des Saalbaus und brachte die Neunte zum Vortrag. Vollendet wie immer und in ungeschwächter Kraft.
Wieder saß Hertha in ihrer Loge und ließ sich Hinreißen. In ihrer Seite starrte ein Jüngling unausgesetzt auf den Zauberstab in der Hand des Meisters.
„Was hast du nur, Freddy?" flüsterte Hertha.
„Aber laß mich doch, Mama, nichts!"
Wenzel Stasny war im Carlton Hotel abgestiegen. Hier brachte ihm der Zimmerkellner am Morgen nach dem Jubiläumskonzert einen dicken Brief. Schon wollte ihn der an solche Dinge gewöhnte Meister achtlos zu den übrigen legen, als sein Blick auf den Namen des Absenders fiel: „Freddy Pfungst. Villa Hermine."
Nur eine einzige Zeile: „Verehrter Meister! Enttäuschen Sie eine große Hoffnung nicht. Freddy Pfungst." Sonst nichts. Das klebrige: Mit Noten beschriebene Bläi- ter. Eine Rhapsodie, wie auf der ersten Seite stand.
Es ließ Wenzel Stasny keine Ruhe. Die Erinnerung an Karlsbad und die Vertonung Liliencrons wurden wach. Er begab sich in den Musiksalon des Hotels, setzte sich vor den Flügel und legte Freddys Komposition auf das Pult.
Schon nach den ersten Takten stutzte er: „Donnerwetter!"
Sein Ausruf der Bewunderung wurde von der Stimme des Kellners unterbrochen, der ihm eine Besuchskarte auf silberner Platte überreichte. „Eine Dame fragt nach dem Meister!"
Wenzel Stasny las: „Hertha Pfungst." — „Ich lasse die Dame in den Musiksalon bitten."
Dann nahm er das Klavierspiel wieder auf. Freddvs Rhapsodie! Sie erklang, als Hertha eintrat. Sie fand nicht den Mut, den Meister, der ihre Anwesenheit vollkommen übersah, zu stören. Die Rhapsodie ging zu Ende.
Jetzt erst sah Wenzel Stasny von den Noten auf. „Das ist Ihres Sohnes Werk .gnädige Frau!"
Hertha schwieg. Der Meister fuhr fort: „Und Sie kommen wohl, mich um Förderung Ihres Jungen zu bitten, soll ihm zuteil werden. Ein vielversprechendes Talent!"
Wie entwaffnet kam sich die arme Frau in diesem Augenblick durch des Meisters unumstößliches Urteil vor.
Und doch. All ihre Kraft zusammennehmend, fand sie den Mut, zu stammeln: „Mein Mann schickt mich her. Freddy studiert Chemie. Er soll einmal den Posten seines Vaters übernehmen . . ."
Weiter kam Hertha nicht. Denn Wenzel Stasny erklärte kategorisch: „Nein, gnädige Frau! Dazu gebe ich meine Hand nie und nimmer her. Man mordet nicht das Genie."
Humoreske von Andre von K u n-Bsrlin.
erinnern, bei Euch jemals ein gutes Essen genossen zu haben."
„Na, na, Hans", beschwichtigte der Ehemann den Sprecher, „so schlimm war es nun doch nicht, wie Du es jetzt schilderst. Immerhin..."
„Immerhin", schnitt die Gnädigste erregt ihrem Mann das Wort ab, „werden Sie in Zukunft kaum mehr Gelegenheit haben, sich über meine Unordnung und meine Küche zu ärgern. Ich verstehe bloß nicht . . '"
„Ich verstand es schon nur zu gut, liebe gnädige Frau", meinte Hans im Brustton der Ueberzeugung, „daß Sie keinerlei Lust hatten, ihren Mann liebevoller zu versorgen. Wenn einer dem Laster des Alkohols verfallen und außerdem als Schürzenjäger stadtbekannt ist. . ."
„Mein Mann ein Alkoholiker?" schrie die kleine Frau den Anwalt an. „Was fällt Ihnen denn eigentlich ein, ihn so zu verleumden. Weil er sonntags gelegentlich ein paar Gläschen Wein trank? Und Schürzenjäger" Davon j hätte ich schließlich auch etwas merken müssen, mein lieber Doktor! Nein, nein, treu war er mir immer, das steht fest. Sie find mir ja ein schöner Freund!"
Das Bürosräulein trat ein: „Herr Doktor, Sie werden am Apparat verlangt. Ferngespräch."
„Ihr entschuldigt mich einen Augenblick".
Die Scheidungssüchtigen blieben allein. Eine Sekunde
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Samstag, den 12. Dezember tgzz
herrschte Stille im Zimmer. Die beiden Leutchen waren am Ende ihrer Nervenkräfte. Endlich sprach sie: „Warst T„ denn mit meiner Haushaltsführung wirklich so unzufrieden?"
„Was fällt Dir ein, Kind? Keine zweite Frau a>,s Erden konnte so delikat süß-saure Linsen zubereiten. Uiiü Dein Käsepudding war ein Gedicht; ich werde ihn nie vergessen. Ein bißchen unordentlich warst Du ja immer --
„Ja, das sehe ich schon ein. Ich habe mir auch immer vorgenommen, mich morgen zu bessern."
„Da wäre auch alles wieder gut geworden."
„Zu spät!" Sie seufzte. Er auch. Änd fragte: ..Warum eigentlich zu spät? Es ist ja noch nichts geschehen. Mr sagen einfach Hans, daß wir uns nicht scheiden lassen wollen und gehen schön nach Hause. Der wird Augen machen'"
„Ja, der wird bestimmt platzen. Er verdient es auch nicht anders. Meine Kochkunst so zu verleumden!"
„Und mich, den solidesten Ehemann auf Erden als Schürzenjäger hinzustellen!"
„Du, Mann, ist es wirklich nicht wahr, Laß Du anderen Frauen nachläufst?"
„Ich schwöre, niemals eine andere angesehen n, haben!"
„Männchen!" — „Weibchen!" Sie umarmten und küßten sich. Der „Scheidungsanwalt" betrat das Zimmer. Er schmunzelte so merkwürdig, der böse Verleumder.
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Die Kopfjäger von Isugao
Der Wirklichkeit nacherzählt von E. Lonz-Torio.
In: Luropäerklub erzählte einmal einer die Geschichte, als vom Ausstand der Kopfjäger auf Formosa die Rede war:
Drüben in den Bergen von Luzon, der Hauptinscl der Philippinen, hatten die Eingeborenen bis vor wenigen Jahren auch noch die wenig angenehme Angewohnheit, -hren Feinden den Kopf abzuhacken.
Lag da nun in Banaue, mitten im Gebiet 2er Kopfjäger von Jfngao, ein Hauptmann Fordyce mit seiner Kompagnie. Der nahm sich eines schönen Tages vor, die .Kopfjägerei, die von sieben verbündeten Stämmen unter Führung des alten Häuptlings Wigan, eifrig betrieben wurde, auszurotten.
Dabei verfiel er aus einen Gedanken, der allen anderen Weißen unsinnig erschien: Er wollte keinen seiner Soldaten der Gefahr eines militärischen Unternehmens aussetzen und ging allein zu den Wilden, um mit Wigan zu verhandeln. Seine Soldaten sahen hinter rhm her: „Schade um ihn!"
Zuerst dachte Fordyce selbst, er müßte wirklich feine Tollkühnheit mit seinem Hals bezahlen. Denn als er das Gebiet Wigans betrat, rannte ein Dutzend Kopfjäger mit geschwungenem Kampfbeil auf ihn zu. Zwei Schritte vor dem waffeulofen Weißen blieben die Wilden aber stehen, und dann führten sie ihn zu ihrem Häuptling. Der nahm den Hauptmann gut aus, doch er wollte sich nicht gleich zu einer bündigen Erklärung über Unterwerfung oder Kampf gegen die Weißen herbeilassen. Er versprach Fordyce, feine Entscheidung in ein paar Tagen bekannt zu geben. Un- belüsiigt kehrte der Hauptmann nach Banaue zurück.
Drei Tage später traf die Antwort ein: Wigans Leute überfielen am frühen Morgen den Weißen unterworfene friedliche Eingeborene, die in ihren terreassenförmig am steilen Berghang liegenden Reisfeldern arbeiteten, und töteten ein halbes Dutzend von ihnen. Also wollte der Häuptling den Kampf.
Fordyce sah ein, daß er jetzt unter allen Umständen handeln müßte, auch wenn er augenblicklich nur über vierzig weiße Soldaten verfügte. Er brach mit ihnen sofort in das Gebiet der Kopfjäger auf. Die oberste Terrasse eines Reisberges, der Wigans Dorf um öOtt Meter überragte, wurde von Fordyce als Stellung ausgewählt.
Unten im Dorf war der Feind bemerkt worden, und die ganze Nacht über herrschte aufgeregtes Treiben. Fackelzüge, die über die Berge kamen, verrieten, daß Wigan seine Krieger von allen Seiten zusammenzog, und die Kriegstrommeln dröhnten zum Geschrei der Kopfjäger
Am nächsten Morgen zählte Fordyce durch seine» Feldstecher rund zweitausend vollbewaffnete Krieger, die sich am Fuße des Reisberges sammelten. Vierzig gegen zweitausend! Dem Hauptmann griff doch eine unsichtbare Hand kalt nach der Brust. Aber einen Augenblick später hatte er das beklemmende Gefühl abgeschüttelt. Er wollte mit seiner Handvoll siegen. Dann erkannte er Wigan vor den Reihen der Kopfjäger. Da ließ der Hauptmann einen seiner Soldaten nach dem anderen durch den Feldstecher