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Nr. 262 Gegründet 1827 Montag, den 9. November 1931 Fernsprecher Nr 29 105. Jahrgang
Zusammenfassung der Sozialversicherung
22 v. H. soziale Belastung — Sozialbank
gegangen. Die Berufigenossenschaften müssen bei 50 v. H.
Bereits bei den Beratungen über den Reichshaushaliplan des laufenden Jahrs wurde festgestellt, daß es mit dem größeren Teil der Träger der Sozialversicherung im Reck- imngsjahr 1931 weiter stark bergab gehen werde: Die Zunahme der Arbeitslosigkeit, der Rückgang in den Beiträgen und nicht zuletzt die Erschütterungen auf dem Wertpapiermarkt haben die Lage der Versicherungsträger erheblich erschwert.
Bereits seit längerer Zeit stand fest, daß die Alters- ond Invalidenversicherung im Jahr 1936 ihr gesamtes Vermögen aufgezehrt haben werde. Tritt nicht bald ein grundsätzlicher Wandel in der Entwicklung ein, so beginnen die unmittelbaren Schwierigkeiten für die Invalidenversicherung bereits früher. Im laufenden Jahr dürfte sich in diesem Versicherungszweig ein Fehlbetrag von 250 Millionen Mark ergeben; im nächsten Jahr wird er wahrscheinlich über 300 Millionen Marl steigen. Es wird der Invalidenversicherung immer schwerer, die Wertpapiere zu veräußern, in denen das Vermögen angelegt ist. Auch für die Verwertbarkeit der nach vier Jahren fälligen Reichsschlltzanweisun-gen sind die Aussichten nicht gut. Für das Iahr 1931 hat die Invalidenversicherung noch einen unmittelbaren KreditbedarsvonlOO Millionen Mark.
Die Finanzen der Knappschaftsversicherung waren durch die Notverordnung vom 5, Juni so geregelt, daß 70 Millionen Mark des Fehlbetrags vom Reich übernommen und der Rest von ungefähr 25 Millionen Mark durch Leistungskürzung ausgeglichen wurde, Der scharfe Rückgang der Beschäftigung im Bergbau hat die finanziellen Schwierigkeiten für die Knappschaftsversicherung erhöht. Es siebt heute schon fest, daß die vom Reich zugesagten 7 0 Millionen Mark nicht ausreichen werden, um bei der Knappschaftsversicherung das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben herzustellen.
Bei der Unfallversicherung haben die Umlagen eine unerträgliche Höhe erreicht. Die Lohnsumme, nach d die Beiträge berechnet werden, ist durch Lohnsenkungen, Kurzarbeit, Betriebsstillegungen und Einschränkungen oeaenüber dem Jahr 1930 um mindestens ein Fünftel zurück-
Neue Bahnverbindungen für das Osthilfegelnet
Berlin, 7. Nov. Der Reichsverkehrsmimster hat bestimmt, daß die Berkehrsverbindungen Gilgenburg—Nei- denburg und Brieg—Ramslau—Neumittelwalde des Ost- hilfegesehes nicht als Kraftßahrlinien, sondern als Eisenbahnen gebaut werden sollen. Gleichzeitig ist dis Hauptverwaltung der Deutschen Neichsbahngesellschaft ersucht worden, auch für diese Linien die ausführlichen Vorarbeiten beschleunigst auszuführen.
Unterbrechung der Gespräche
Berlin, 8. Nov. Die den christlichen Gewerkschaften nahestehende Berliner Zeitung «Der Deutsche", die auch für eine Verbindung Hitler—Brüning eingetreten und sie zuerst v:rfoch'ten hatte, bedauert, daß die Erklärungen >m Reichsparteiausschuß des Zentrums ..wie ein harter Frost auf die Koalitionsgespräche zwischen Zentrum und Nationalsozialisten gefallen" seien. Die Aussprache über dre Möglichkeit eines Zusammengehens der beiden Parteien lü vorerst abgeschlossen; Hugenberg werde sich jetzt wr yl bemühen, die Harzburger Fro n t fester zu kitten.
Die scharte Auseinandersetzung des Neichsüanzi, es Brüning mit der Deutschen Volkspartei auf der Zentrumstagung scheint wieder beigelegt zu werden, nachdem bie .Germania" eine beruhigende Erklärung abgegeben hat-
Die Antwort der Nationalsozialisten
München, 8. Nov. Auf die Ablehnung von Koalitionsverhandlungen durch den Reichsausschuß der Zentrumspartei schreibt der «.Völkische Beobachter", Prälat K a a s, der Vorsitzende der Zentrumspartei, sei der begeisterte Vorkämpfer str die rheinische „sonderbündlerische Republik" gewesen. Dieser Mann werde vom Zentrum dem deutschen Volk als «Führer" vorgestellt. Wenn Brüning behauptet habe, der Beschluß der Deutschen Volkspartei, den Reichstag im Sommer zusammentreten zu lassen, habe Deutschland an einem Tag 220 Millionen Devisen gekostet, so müsse man fragen, wieviel Devisen und Ansehen die verhängnisvolle Politik der Zollunion gekostet habe, für die das Kabinett Brüning verantwortlich gezeichnet habe. Brünings Begabung bestehe nur darin, die Aengste der bedrohten Sozialdemokratie im Interesse des Zentrums auszuwerten.
Ein »Fall Dehn" in Msmac
Schwerin, 8. Nov, Die nationalsozialistischen Studierenden der Jngenieurakademie in Wismar (Mecklenburg) for
mier Mitglieder die Beiträge durch Zwangseintreibungen erheben. Die Zahl der geleisteten Offenbarungseide und der fruchtlosen Pfändungen nimmt stark zu.
Die Angestelltenversickerung ist immer noch am günstigsten daran, obwohl auch dort der Anstieg in den Beitragseinnahmen und damit in der Vermögensbildung aufgehört hat. In den ersten neun Monaten 1931 sind bei der Angestelltenversicherung nur rund 260 Millionen Mark eingegaügen gegenüber rund 293 Millionen Mark in derselben Zeit des Vorjahrs. Die Summe der Ruhegehälter ist von etwa 90 auf 110 Millionen Mark gestiegen, die der Hinterbliebenenrenten von rund 36 auf rund 41 Millionen Mark.
Jngesamt machen die sozialen Bela st ungen, und zwar die Anteile der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, zurzeit 22 v. H. aus, und zwar einschließlich der Beiträge für die K r i s e n st e u e r. In der Knappschaftsversicherung beträgt der soziale Abzug beim Lohn 32 v, H.
Diese verhängnisvolle Entwicklung der Finanzen der deutschen Sozialversicherungen, die Ungewißheit über die weitere Gestaltung haben zu Erwägungen geführt, die eine zentrale Regelung der Einnahmen der deutschen Sozialversicherung vorsehen. Man redet in diesem Zusammenhang von dem Plan einer Sozialbank, die sämtliche sozialen Beiträge — also die oben errechnten 22 v. H. der Entlohnung — ein'^ehen solle. Don dieser Stelle würde dann eine Verteilung der Einnahmen auf die einzelnen sozialen Versicherungen je nach ihrer Lage und ihren Erfordernissen erfolgen. Diese Hw a n g s - Z u t e: - lung von Mitteln würde auf der einen Seite einen starken Eingriff in die Selbständigkeit und den organischen Ausbau der einzelnen Versicherungen bedeuten. Es scheint auch, daß die Zusammenfassung wesentlich auf Kosten der Angestelltenversicherung gehen würde.
Es ist nicht bekannt, wie sich die maßgebenden Stellen zu diesen Gedankenaängen stellen. In Erwartung der „harten und schweren Maßnahmen", die der Kanzler als bevorstehend angekllndigt hat, dürfte es aber erwünscht sein bald ihre Absichten zu erfahren.
derten schon längere Zeit die Abberufung des jüdischen Professors Dr. Weingarten; sie drohten, Wismar zu verlassen. Der Rat der Stadt hat nun dem stattgegeben und Weingarten abberufen. Die Stadt Oldenburg hatte den Wismarer.Studierenden angeboten, falls sie Wismar verlassen sollten, ihnen freie Fahrt nach Oldenburg zu gewähren, sie von den Gebühren des laufenden Semesters "zu befreien und außerdem freie Ueberleitungskurse einzurichten.
Die bisherigen Leistungen der Osthilfe
Berlin, 8. Nov. lieber die bisherigen Leistungen der Osthilfe wird mitgeteilt: Die Umschuldungsvoranmeldungen im alten Entschuldungsgebiet betrugen insgesamt 52 960 mit 561178 486 Mark, die Voranmeldungen im neuen Ent- schuldungsgebiet betrugen 19 031 mit 410 825 259 Mark. Im alten Gebiet wurden insgesamt 31999 Anträge gestellt mit einem Betrag von 398 597 125 Mark. Davon wurden bei den Landstellen abgelehnt 5920 Anträge mit 54 771042 Mark. Fertig bearbeitet wurden 8817 Anträge mit 87 379 884 Mark. Prozentmäßig sind das bei Eigentümern 28 Prozent der Anträge mir 20,8 Prozent der Summen und bei Pächtern 11,4 Prozent der Anträge mit 7,1 Prozent der Summe. Der Rest der Anträge befindet sich noch in Bearbeitung bei den Landräten oder Landstellen bezw. bei der Bank. Zusammenstellungen über die Anträge im neuen Gebiet liegen noch nicht vor. Es wird dort mit einer Summe von rund 300 Millionen Mark zu rechnen sein. Schätzungsweise beträgt der Umschuldungsbedarf nach Abzug der abgelehnen Anträge im alten Gebiet 300 Millionen und im neuen Gebiet 250 Millionen Mark.
Bei der Industriebank sind aus dem alten Osthilfegesetz bisher 3101 Anträge mit einer Gesamtsumme von 43 335 500 Mark eingeganaen. Davon sind bis jetzt bewilligt 2668 Anträge mit insgesamt 24146 240 Mark und ausbezahlt 721 Anträge mit 9 134 960 Mark.
Francquis Ansicht über die Verlängerung der kurzfristigen Kredite
Paris, 8. Nov. Ministerpräsident Laval und Finanz- minister Flandin empfingen den aus Amerika zurückgekehrten ehemaligen belgischen Finanzminister F r a n c q u i, -er Belgien bst den Arbeiten des Noungausschusses vertreten hat. Francqui setzte auseinander, daß seiner Ansicht nach die von den V-reinigten Staaten, England, Frankreich und Belgien in Deutschland angelegten, im Februar 1932 fällig werdenden kurzfristigen Kredite verlängert werden könnten. Seine Vorschläge seien Laval und Flandin sehr bedeutsam erschienen und eine eingehende Prüfung durch französische Sachverständige werde ergeben, in welchem Maß sie praktisch verwirklicht werden können.
Tagesfpiegel
In Genf wird davon gesprochen, daß die Mächte weg«, des gewalttätigen Vorgehens der Japaner in der Mau dschurei und der Nichtachtung des Völkerbunds durch Räu- mungsverweigerung erwägen, ihre Botschafter von Toki« abzuberufen.
Zum preußischen Finanzminisier ist der Präsident de, preußischen Zenkralgenossenschaftskasse (Preußenkasse) Otto Stepper (§chz.) ernannt worden.
Wegen der Ausschreitungen gegen Inden am Kurfürsten- dämm m Berlin am 12. September wurden Graf Helldorf. Ernst und der Stahlhelmführer Brandt zu je 6 Monaten. Schultz zu 4, Damerorv zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt.
Die Unterredungen, die der deutsche Botschafter v. Hoesch mit Laval und dem Finanzminister Flandin hatte, bezogen sich auf die Einsetzung einer Untersuchung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands.
Wie aus Neuyork gemeldet wird, haben die Neuyorker Banken beschlossen, zu verlangen, daß Deutschland 20 bis 25 Prozent der fälligen Kredite zurückzahlen soll. Auch Oesterreich werde 15 v. H. der ihm gewährten Kredite Zurückzahlen. Man glaubt, daß die Stillhaltungen längere Zeit beanspruchen werden.
Der Völkerbundsrat nach Paris einberufen
Paris, 8. Nov. Der Bölkerdundsrat ist auf 16. November nach Paris einberufen worden. Briand ermahnte die japanische und die chinesische Regierung erneut dringend, gemäß ihren Zusagen an den Völkerbund die weiteren Feindseligkeiten unbedingt einzustellen und den beiderseitigen militärischen Befehlshabern entsprechende Weisungen zu geben.
Hilferding bei Flandin
Paris, 8. Nov. Der frühere Reichsfinanzminister Hilferding, der sich aus Anlaß einer Veranstaltung der Zweiten Internationale in Paris aufhielt, hat Wert darauf gelegt, sich mit dem französischen Finanzminister Flandin auszusprechen, und ist von diesem auch empfangen worden. Wandin gehört ru denjenigen, die im eigenen Land den sozialistischen Einfluß aus die Staatsfinanzen als den „sicheren Verderb" stets bekämpft und gerade auch das deutsche Beispiel, das heißt vor allem die Tätigkeit Hilferdings im Reichsftnanzministerium, als abschreckend vorgehalten hatten.
Putschgerüchke in Oesterreich
Wien, 8. Nov. Dem sozialistischen Pariser Blatt „Popu- laire" war aus Wien gemeldet worden, der Heimatschuß plane einen neuenPutsch. In Wien wurde auf Grund dessen gesprochen, Fürst Starhemberg habe dem Heimatschutz den Befehl gegeben, in der Nacht zum 9. November alarmbereit zu sein, und er wolle Reichsv r- weser werden. Von seiten des Heimatschutzes werden die Gerüchte als böswillige Erfindungen bezeichnet. Starhemberg sei überdies gegenwärtig erkrankt.
In Tirol entfalten die Nationalsozialisten eine reg« Werbetätigkeit. Staatsminister a. D. Dr, Frick und Prinz Wilhelm August von Preußen werden in nächster Zeit in Innsbruck sprechen.
Politische Zusammenstöße auch in London
London, 8. Nov. In einer Faszistenversammlung in einem Arbeiterviertel Londons kam es zu Zusammenstößen zwischen Schwarzhemden und Kommunisten, die den Redner durch Rufe am Sprechen verhindern wolttcu. Mehrers Personen trugen Verletzungen davon. Die Polizei war zum Einschreiten gezwungen.
Einstellung der Kämpfe in der Mandschurei
Tokio, 8. Nov. Nach den letzten Nachrichten aus der Nordmandschurei sollen die Kämpfe eingestellt sein. Die japanischen Truppen haben nach einer Bekanntmachung des Kriegsministeriums den Befehl erhalten, nicht über Tanchi (12 Kilometer nördlich vom Nonni- Fluß) vorzugehen und nach der Besetzung von Tashing von einer Verfolgung der sich in der Richtung aus Anganchi zurückziehenden chinesischen Truppen abzusehen. Die Gefechte am Nonnifluß scheinen, wie der Timeskorrespondent meldet, auf ein «Mißverständnis" zurückzuführen zu sein. Der chinesische General Ma habe sich nämlich bereit erklärt, seine Truppen 10 Kilometer zurück- zunehmen und seinen Adjutanten mit einem entsprechenden mündlichen Befehl zu dem betreffenden Unterführer, einem vom Militärgouverneur von Heilungkiang eingesetzten, entschlossenen Offizier gesandt. Der Kommandant des Abschnitts weigerte sich aber, mündliche Befehle entgegen-unehmen. «In Unkenntnis dieser Sachlage" machten die Japaner einen Angriff.
Japanische Bedrängnis
Nkukden, 8. Nov. Rach den letzten Meldungen ist di« Lage der japanischen Truppen an der Nonnibrücke verzweifelt. Es droht ihnen die Gefahr der Umzmgettma und
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