Seite 2 — Nr. 158
Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter
Freitag, den 1». Juli igZi.
Dr. Luther ist von London nach Paris abgereist.
Der preußische Landtag hat den Volksbegehrensankrag des Stahlhelms auf Auflösung des Landtags mit 229 gegen 1S0 Stimmen abgelehnt. Es kommt nun also zum Volks- entscheid.
Der englische Außenminister tzenderson wird nach seinem Besuch in Berlin bzw. hubertusstock nach Paris reisen, um sich mit Briand zu besprechen.
Am 11. Juli soll in London eine große nationale Ab- rüstungskundgebung in der Albert-Halle statlfinden, an der Mac Donald keilnehmen will.
Der österreichische Nationalrat hat mit Zweidrittelmehrheit ein Gesetz angenommen, durch das die Bundesregierung bis zum 15. Oktober 1931 ermächtigt wird. Handelsverträge durch Verordnung in Kraft zu setzen, wenn der Nationalrat vicht tagt.
begrüßt worden. Heute begannen seine Verhandlungen mit Mussolini über Finanz- und Wirtschaftsfragen, sowie über die Abrüstung.
Me Pariser Presse wendet sich gegen die „Machenschaften" Skimsons gegen die Rüstungen Frankreichs, die doch nur eine Abwehr des deutschen Wettrüstens seien. (!)
Norwegischer Flottenbesuch in Kiel
Kiel, 9. Juli. Heute vormittag sind drei norwegische Tauchboote durch den Nord-Ostsee.Kanal zu mehrtägigem Besuch im Kieler Hafen eingetroffen. Das norwegische Panzerschiff „Tordenfkjold", das sich infolge der Stürme in der Nordsee verspätst hatte, lies nachmittags ein.
Italien und der Milan
Rom. 9. Juli. Der Beifall, den die Enzyklika des Papstes im katholischen Ausland gefunden hat, hat die Beziehungen zwischen dem saszistischen Italien und dem Vatikan verschärft, und es wird erwogen, das L a te r an ko n ko r da t zu kündigen: In einem halbamtlichen Artikel des „Giornale d'Jtalia" wird erklärt, die Enzyklika zur Verteidigung der „Katholischen Aktion" sei ein heftiger Mt von Feindseligkeit, der das nationale Gewissen Italiens beleidige und eine Bewegung ankündige, die nicht mehr religiös, sondern politisch sei. Die Enzyklika sei in einem Augenblick gekommen, wo die Fragen über Tribute und Kriegssch ilden und andere große europäische Fragen, an denen Italien mit seinen Lebensinteressen beteiligt ist, zur Tagesordnung stehen. Die Enzyklika klage Italien aufs heftigste im Ausland an. Infolgedessen haben die antifaszistischsn Parteien, von den Freimaurern bis zu den Kommunisten und mit ihnen vereint die Katholiken, eine Orgie von Beschimpfungen aus Italien losgelassen. Die italienische Nation könne nicht dulden, daß sich gegen ihren Staat irgendwelche fremde Mächte erheben.
Der „Messagers" fordert die Kündigung des Konkordats, nachdem die Absicht des faszistischen Italiens, durch das Konkordat den Frieden zwischen Kirche und Staat herzustellen, gescheitert sei. Die Katholische Aktion habe sich als eine politische Einrichtung erwiesen, zum Zweck der Bekämpfung des faszistischen Regimes. Der Faszismus könne die Folgen der Kündigung des Konkordats ruhigen Muts vor den Augen der Welt auf sich nehmen, denn nicht er trage die Verantwortung für dieses unabwendbare Ereignis.
Das „Giornale", die „Tribrma" und der „Popolo dr Roma" wenden sich scharf gegen einen Aufsatz in der Berliner „Germania" für die Enzyklika und gegen den Faszismus in Italien.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 10. Juli 1931.
Das Erste in der Liebe ist der Sinn füreinander und das Höchste der Glaube aneinander. Schlegel.
Dienitnachrichten.
Durch Entschließung des Herrn Kirchenpräsidenten ist die Pfarrei Pflummern, Dek. Biberach, dem Pfarrverweser Benjamin Schütt in Göttelfingen, Dek. Freudenstadt, übertragen worden.
Die Bewerber um das Forstamt Altensteig haben sich binnen 14 Lagen bei der Forstdirektion zu melden.
nähere Heimat gründlicher kennen lernen, als wenn sie regelmäßig in der Ferienzeit nach den Herrlichkeiten jenseits der Heimatgrenze erfülltes Verlangen treibt.
Eine Pilgerin
durchwanderte in diesen Tagen die Stadt und einige Be- zirksorte. Sie trug fast die Tracht einer Ordensschwester mit einem großen roten Brustkreuz. Wie wir erfahren, war es eine Bußpilgerin, die aus Polen stammt. Sie hat Deutschland durchwandert und kam von Lourdes in Frankreich, um Süddeutschland zu durchqueren und über Oesterreich ins Heilige Land zu pilgern. Aus welchem Grunde sie die Beschwerlichkeiten der weiten Reise auf sich nimmt, war nicht zu ermitteln. Eine seltene Passantin in unseren Tagen.
Nadio-Kinderstunde in der Kropsmühle
Das war ein Ereignis und ein großes Erlebnis vorgestern in der sonst so stillen, wunderschön gelegenen Kropfmühle. Trotz des strömenden Regens waren von der näheren und ferneren Umgebung Hunderte von kleinen und großen Kindern herbeigeströmt, um das von allen so geliebte Grelle von Strümpfelbach nun einmal nicht bloß zu hören, sondern auch zu sehen und persönlich kennen zu lernen. Viele konnten es ja gar nicht glauben, daß der Rundfunk, das Grelle und der Onkel Fred den Weg zu uns in ein so stilles Schwarzwaldtal finden und gar bei uns Kinderstunde halten würden. Und doch war es so! Als wir in der Mühle ankamen, standen sie da, das Grelle und Onkel Fred, schon umringt von einer großen und immer noch größer werdenden Kinderschar. Und wie leuchteten und strahlten die Augen aller! Und wie genau wurde auch das Wunderkästchen, das Mikrofon, beguckt und bestaunt.
Und jetzt — Onkel Fred winkt. Lautlose Stille tritt ein. Und schon hört man die bekannten Worte: Achtung, Achtung! Hier Rundfunk! Grüß Gott, liebe kleine und große Kinder. Wir befinden uns heute tatsächlich mit dem Mikrofon im Schwarzwald in der Kropfmühle. Und dann erzählt Tante Grelle den vielen, vielen Tausenden, die heute wieder, wie bei all den schönen Kinderstunden, gespannt daheim an ihrem Radio sitzen und zuhören, zunächst einmal, wo eigentlich diese Kropfmühle liegt und wie man zu ihr hingelangen kann. Nach diesen einleitenden Worten begann die eigentliche Kinderstuude, die diesmal den Zweck hatte, den vielen Zuhörern in Stadt und Land, die vielleicht noch nie eine Mühle weder von außen noch von innen gesehen haben, einen Arbeitstag in einer solchen vor Augen zu führen und zu zeigen, wie das kostbare Mehl entsteht, das uns das unentbehrlichste Nahrungsmittel, unser täglich Brot, abgibt.
Das 1. Bild führte vor die Mühle. Dort steht in aller Morgenfrühe ein Wanderbursche und wäscht sich im Brunnentrog. Herrlich klingt sein Lied in die Morgenstille hinein. Doch auch die Müllerin ist schon auf. Sie lädt den Burschen zum Morgenkaffeele ein. Das 2. Bild führt in den Stall. Dorr ist schon der Müller damit beschäftigt, das Vieh zu füttern und zu putzen.
Den Wanderburschen sehen wir im 3. Bild stillvergnügt auf der Bank vor der Mühle sitzen. Vom Wald herunter tönt wunderbar in die Stille hinein ein Pistonsolo: Im schönsten Wiesengrunde. Und da kommt auch eine Schule anmarschiert und singt frisch und munter: Ich geh durch einen grasgrünen Wald. Jetzt sängt auch (4. Bild) das Mühlrad an sich zu drehen. „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach", begleiten die Schüler, die Halt gemacht haben, daS sich langsam drehende Mühlrad. Und nun wird's lebendig in der Mühle, ein Bäuerle hat eben schon ein paar Säcke Frucht gebracht, die gleich gemahlen werden soll. (5. Bild). Der alte Kropfmüller ist damit beschäftigt, einen Mahlstein wieder scharf zu machen, er singt ein lustiges Liedlein dazu. Wir gucken alle zu und fragen nun den Müller aus über alles, was wir gerne wissen möchten, bis uns alle Arbeitsvorgänge in einer Mühle ganz klar geworden sind. Wir verlassen dann, weiß, wie wenn wir selber Müller wären, die staubige Mühle. (6. Bild). Draußen sitzen ein paar Wanderburschen, sind lustig und singen und witzeln und spötteln über den Müller und seine Mühle. Und dort steht auch noch (7. Bild) ein kleiner A-B-C-Schütz und bläst auf seiner Mundharfe lustig durauf los: Hänschen klein, geht allein in die weite Welt hinein. Inzwischen ist es Abend geworden und mit dem Lied „Das Wandern ist des Müllers Lust" endet der Tageslauf der Mühle." Die Kinderstunde ist beendet. Auf Wiederhören, ruft's Grelle ihren unsichtbaren Zuhörern in der Ferne zu. Doch wir lassen das Grelle noch nicht so schnell fort. Uns muß es heute noch extra erzählen. — Ein herrliches Bild hätte es für einen Maler abgegeben: Ein liebes, gutes Mütterchen umringt von Hunderten strahlender, leuchtender, glänzender Kinderaugen! Komme bald wieder zu uns in den Schwarzwald, Grelle! ».
Siebenbrüderiag. Am 10. Juli ist Siebenbrüdertag. Gemeint sind die sieben Märtyrerbrüder Januarius, Felix, Philipp, Silvan, Alexander, Vitalis und Martialis. Sir waren Söbne der kl. Felizitas und erlitten mit ihrer Mut
ter unter dem römischen Kaiser Antonin ums Jahr 162 der» Tod. Vom Siebenbrüdertag gehen im Volk eine Reihe Wetter- und Lossprüche: .Auf Siebenbrüder viel Sonn', bringt dem Bauern viel Worrn'", „Siebenbrüder warm und heiß, segnet Bauernmüh und -schweiß", „Siebenbrüder klar und rein, wird die Ernt' gesichert sein", «Sind die sieben Brüder naß, regnet's ohne Unterlaß", Regen am Siebeu- brüdertag, dauert sieben Wochen danach". Mit den sieben, Brüdern fällt das Gedächtnis der hl. Amalia, eigentlich Amalberg« zusammen. Ms Patronin der Feldfrüchte, welkste einst ein Feld vor Ueberschwemmung, ein anderes Saatfeld vor Hagel bewahrte, wird sie vom kath. Landvolk ver- ehrt. «Wie das Wetter am Amalientag, fünfzig Tag es bleiben mag." Sankt Amalia ist eine Jungfrau aus dem Geschlecht westfränkischer Fürsten. Sie trat ins Kloster Münster-Bilsen und starb im Jahr 772.
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Höfe» a. Enz, 9. Juli. Ein sehr schwerer Anglücksfall
ereignete sich Dienstag vormittag in der Papierfabrik der Fa. Lemppenau. Die dort beschäftigte 32jährige verheiratete Lina Großmann geriet mit der linken Hand in eine Papierwalzmaschine, so daß diese und der Unterarm bis über den Ellbogen hinaus zerquetscht wurde. P-dau-rUcher-nois» '7b"i"t "ch,-
pulation des Arnes u»u,»gan^.ny zu >>!,.
Horb 9. Juli. Staatliche Pferdeprämiierung. Gestern fand eine staatliche Pferdeprämiierung statt. Zugefübrt waren: 2 Kaltblut- ! Hengste, 4 K.-Bl.-Stuten, 3 K.-Bl.-Fohten, 1 Familie und 1 Samm- > lung; ferner 26 Warmblut-Stuten, 19 W,-Bl.-Fohlen, 5 Familien, und 3 Sammlungen. Preise erhielten u. a,: Für Kaltbtuthenqste: Chr. Bruckner, Landwirt in Bondorf, zwei dritte Preise. Für Kaltblutstuten: Gustav Hiller, Landwirt in Herrenberg, einen 2. Preis; Ludwig Hiller, Landwirt in Bondorf, je einen 3. Preis. Für Kalt- blut-Stutfohlen: Wilhelm Hiller, Landwirt in Bondorf, einen 2.Preis. Für Kaltblui-Familien: Ludwig Hiller, Landwirt in Bondorf, einen 3. Preis. K. Für Warmblut-Stuten : Gebr. Avlung, Domäne Sindlingen, einen 1 . Preis zusätzlich Erdaltungspreis; 2. Preise errangen:
I. Gebr. Adlung, Sindjingen; 2. Wilhelm Walter, Sindlingen;
3. Gebt. Adlung, Sindlingen. 3. Preise erhielten: Gebr. Adlung. Sindlingen; Martin Lohrer, Landwirt in Haslach OA. Herrenberg. Für Warmblut-Fohlen: vierjährige: 2. Preise Marlin Lohrer Haslach; Richard Schmid, Tailfingen OA. Herrenberg. b> dreijährige : 1. Preis Gebr. Adlung, Sindlingen; 2. Preis: Martin
Egeler, Nebringen OA Herrenberg. 3. Preise: Gebr Adlung, Sindlingen; Chr. Kußmaul, Landw. in Bondorf, e) zweijährige: 2. und 3. Preis Gebr. Adlung, Sindlingen Für Warmblut-Familien : 2. Pr. Gebr. Adlung, Sindlingen. Für Warmblut-Sammlungen: 2. Preis Gebr. Adlung, Sindlingen. 3. Preis Martin Lohrer, Haslach. Die Gesamtsumme der verteilten Staatsprämien beträgt demnach 3S30 Mk
Aus aller Welt
kardinal von Faulhabcr über das öffentliche Schauturnen der Frauen. Kardinal Dr. v. Faul,Haber äußerte, sich über das öffentliche Frauenturnen und sagte u. a.: Das öffentliche Schauturnen und die öffentlichen Wettkämpfe von Frauen und Mädchen ist Unnatur und Unvernunft. Turnen ist Kraftleistung, Wetturnen ist Kraftprobe, also nicht Beruf des schwachen Geschlechts. Wo Männer und Frauen, männliche und weibliche Jugend, tzegeneinander die Kräfte messen, haben wir entweder auf der einen Seite Mannweiber oder auf der anderen Seite Weidmänner. Auf beiden Seiten Unnatur und Unvernunft, Entartung und Zwittertum. Es wäre traurig, wenn eine Turnerschaft befürchten mühte, ohne weiblichen Anhang den Schwung zu verlieren, und die Reihen ihrer Mitglieder nicht auffüllen zu können. Nicht das Ewigweibliche soll eine Turnerschaft zusammenhatten, sondern das Ewigmünnliche. Turnerschaf- ten, die dem weiblichen Element so großen Ruhm geben, helfen mit, die deutsche Kultur noch mehr zu oerweiblichen und zu entmannen.
Zeftungsverbot. Die „Hessische Volksmacht" in Kassel ist wegen Beleidigung des Reichskanzlers und des Ministers Curtius auf Grund der Notverordnung auf sechs Wochen
Maßregelung eines Skudenken. Der Student der Medizin Hans Eichhoff, der am 30. Juni in Kiel in einer Versammlung des Demokratischen Studentenbundes eine Stinkbombe geworfen hatte, wurde vom Akademischen Senat von der Universität verwiesen.
Besorgnis um das Schicksal der Piloten des Nanking— Berlin-Dostflugzeugs. Zu der Notlandung des Postflug- zeugs Nanking—Berlin meldet der „Daily Telegraph" aus Schanghai: Infolge der politischen Zwistigkeiten zwischen der Regierung der äußeren Mongolei und den Nankingbehörden können diese nichts tun, um die Freilassung der beiden deutschen Flieger und die Rückgabe des Flugzeugs und der Flugpost zu erreichen. Man ist sehr besorgt um das Schicksal der Flieger.
Sie wirtschaftliche EntwilklW der Handwerks im Man« 3a«
Die „großen- kommen
Jede Jahreszeit hat ihren besonderen Höhepunkt, namentlich für die Jugend, der diese Höhepunkte wie Rettungsinsel in der öden Lernwüste der langen Schulzeit erscheinen. Man kann es daher nur zu gut verstehen, wenn die Kinder den Julitagen entgegenfiebern, in denen die Schule ihre Tore für viele Wochen schließt, ging es doch allen Erwachsenen früher genau so. Noch 14, noch 10, noch 8 Tage, noch ein paar Stunden, wo von einem Lerneifer wohl nicht mehr die Rede sein kann und es wird wieder so weit sein.
Selbst die aufmerksamsten der Schüler lassen sich dabei ertappen daß sie dem Vortrage des Lehrers gar nicht gefolgt sind. In weiter Ferne waren ihre Gedanken. Sie malten sich aus, wie schön es wieder dort werden würde, wo sie sich in Freiheit austummeln können, herumtollen nach Herzenslust, daß aller Bücherstaub aus den Kleidern fliegt.
Die Vorfreude ist immer die schönste und jetzt ist sie besonders groß, denn es gibt keine dummen Zeugnisse, die Eltern und Kindern die Ferienzeit verderben. Außerdem winkt endlich vielen der Lohn für ihr fleißiges Arbeiten im Winter, für die Osterzensur. Eine Wanderfahrt durch deutsche Berge und Täler, das noch nie geschaute Meer oder auch ein Besuch bei lieben Verwandten mitten im Waldesgrün, wo Reh und Hirsch den Wechsel halten, wo Fische in klarer Flut sich tummeln und ein breiter Pferderücken geduldig den jungen Ungestüm trägt.
Glückliche Jugend, der dies beschieden ist! Doch wie viele werden zu Hause bleiben müssen und verlangend in die Weite sehen. Dem Flieger gleich, der dort oben ruhig und sicher durch die Lust zieht, ziehen ihre Gedanken zu den Freunden, die nicht genug von dem Schönen in der Ferne schwärmen können. Schließlich werden auch die Zuhausebleibenden durch manches entschädigt und sie können ihre
Die Handwerkskammer Reutlingen schreibt hiezu:
Die Krisis hielt auch in der Handwerkswirtschaft den ganzen letzten Monat hindurch unvermindet an. Aus keinem Ber.usszweig kamen bessere Nachrichten über den Geschäftsgang und den Absatz der Erzeugnisse. Daß Handwerksbetriebe über einigermaßen Aufträge verfügten, kam nicht häufig vor. Im allgemeinen hatten die meisten Angehörigen des Handwerks über unzureichenden Arbeitsanfall zu klagen. Besonders in der zweiten Hälfte der Berichtszeit ließ dieser merklich nach. Teilweise mußten bereits wieder Arbeitskräfte entlassen werden. Die Schwankungen im Beschäftigungsgrad sind Heuer außerordentlich groß und folgen rasch hintereinander, was wohl die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse mit kennzeichnet und anzeigt, daß die Unsicherheit über die weitere Entwicklung noch zu groß ist, um eine durchgreifende Besserung aufkommen zu lassen. Die Auswirkungen der Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, die Minderung der Kaufkraft erheblicher Bevölkerungsteile, greift, das ist aus dem Geschäftsumfang beim einzelnen Betrieb deutlich zu ersehen, immer einschneidender in den Geschäftsverkehr ein. Dazu kommt, wie schon gesagt, noch als verschärfendes Moment die Ungewißheit über den weiteren Verlauf der Dinge in Staat und Reich hinzu, die sich hemmend und lähmend auf jede wirtschaftliche Betätigung legt und selbst Kreise, die wirtschaftlich noch ordentlich gestellt sind, zu weiterem Abwarten in der Vornahme von Bestellungen und Anschaffungen veranlaßt. Die Arbeitsmöglichkeiten für das Handwerk sind im ganzen genommen während des letzten Monats zwar nicht wesentlich weiter zurückgegangen gegenüber den letzten Wochen, aber eine fortgesetzte langsame Verminderung derselben läßt sich trotzdem feststellen.
Für manchen Handwerksbetrieb wird es bedenklich, da eine Eeschäftsstockung in dem Ausmaß für ihn nicht lange tragbar ist. Namentlich auf dem Lande droht dem Handwerk ernste Gefahr. Nicht wenige Betriebe gibt es hier, die schon seit einiger Zeit ohne jede Arbeit sind. Darunter befinden sich manche, die vor 1 oder 2 Jahren noch mit verschiedenen Gehilfen arbeiteten. Nicht einmal zur Beschäftigung der vorhandenen Lehrlinge reichten häufig die eingehenden Bestellungen mehr aus.
Der Geschäftsverkehr mit der Landwirtschaft war nach wie vor sehr schleppend. Sie deckt eben nur ihren notwendigsten Bedarf. Die Heuernte gab dem Schmiede- und Wagnergewerbe etwas mehr zu tun. Aber auch hier fehlte der Zug, wie man es sonst beobachten konnte. Das gleiche war bei den anderen Wirtschaftskreisen der Fall, die mit dem Handwerk in Geschäftsverbindung stehen. Große Arbeiten waren wenige vorhanden. Die Schwierigkeiten der Geldbeschaffung sind überall bemerkbar. Die Schwierigkeiten^ mit denen der Handwerker zu Kämpfen hat, werden noch vermehrt dadurch, daß er sein Geld oft sehr langsam bekommt und monatelang darauf warten muß. Selbst bei Bestellungen, die nur verhältnismäßig kleine Beträge ausmachen, soll er langen Kredit geben.
Die Diskonterhöhung der Reichsbank und ihre bereits angekündigten weiteren Maßnahmen auf dem Kreditmarkt treffen auch das Handwerk außerordentlich schwer, da es mit einer weiteren Steigerung des Zinses für fremde Gelder rechnen muß. Es ist kaum möglich, diese herauszuwnr- schaften, wo das Geschäft schlecht geht und die äußerst scharfe Konkurrenz die Perdienstmöglichkeiten stark verringert.