1931.

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Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage: Haus-, Garten- und Landwirtschaft"

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Nr. IS8

Gegründet 1827

Freitag, den 10. Juli 1931

Fernsprecher Nr. 29

105. Jahrgang

koNUsivIiv V

Hoover oder Laval? / Notverordnung trotz Moratorium / Womit Deutschland seine Tribut­lasten bezahlte / 26 °/° Einnahmen-Rückgang bei der Reichseifenbahn / Dr. Quaatz als Prophet Mae Donald als Bejaher des französischen «Sicherheitsbedürfnisses* / Wenn zwei das Gleiche tun./ 3m russischen Paradies gibt es auch Versager

zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern machen unÄ Ihre traurigen Wohnvenhältn isse bessern und dergleichen mehr». Klingt das nicht alles privatwirtschastlich und kapitalistisch?' Rußland kann ohne Anwendung kapitalistischer Wirtschafts- Methoden sein JndustricMsierungsprogramm nicht durch­führen. Stalin muß, wie «r setzt selbst gesteht,vieles ver­brennen, was'man bisher angebetet hat". V^. tt.

Wer hat's gewonnen? Hoover oder Laval? Ame­rika oder Frankreich? Die einen behaupten, daß in dem amerikanisch-französischen Handel in Sachen des Hoover- jahrs Paris seinen Kops durchgesetzt habe, sofern ihm die Regelung der gemeinsamen Aktion der Staatsbanken das Uebereinkommen zwischen Frankreich und der BIZ., sowie der Sachlieserungen und anderer technischer Fragen über­lassen wird. Andererseits wird Washington die Sieges­palme zuerkannt, sofern der Hooversche Grundsatz der Ein­stellung der Zahlungen aller politischen Schulden auf ein Jahr sich durchgesetzt hat. Wohl muß Las Reich den Betrag der ungeschützten (unaufschiebbaren) Tributteile (612 Mill. RM.) des Grundsatzes wegen an die BIZ. zur Zahlung bringen, aber sie sollen sofort an die Reichsbahn zurück­geleitet werden. Alle gestundeten Zahlungen sind verzins­bar und in zehn Jahresraten tilgbar, also nicht mehr in 25 Jahren, wie Hoover ursprünglich wollte.

Das deutsche Volk", heißt es nun im Aufruf der Re i ch s re g i er u n g,ist sich klar darüber, daß die end­gültige Durchführung des Hooverplans ihm als dem schwerst- belasteten die verhältnismäßig starke Erleichterung brin­gen wird." Ist zweifellos zuviel gesagt. Das spürt auch die Reichsregierung. Denn in demselben Atemzug erklärt sie: »Deutschland ist auch nach Eintritt des Feierjahres keines­wegs seines wirtschaftlichen und finanziellen Nöte über­hoben." Die Regierung will und kann deshalb auch keinen einzigen Stein aus dem Bau ihrer letzten Notverordnung Herausnahmen. Denn sie brauche die gesamten Erleich­terungen restloszur Konsolidierung der öffentlichen Fi­nanzen".

Diese stehen nach wie vor schlecht. Es wird vielfach über- sehen, daß wir, wir wollen sagen, seit 1924, nicht bloß Tri­buts chulden entrichteten, sondern nicht weniger als 11 Milliarden Tributkredite ausgenommen haben, daß wir darin besteht die grausame Ironie -des Dawes- und Aouugplans bei unseren eigenen Gläubigern pum­pen mußten, und zwar nur zu dem Zweck, um die von ihnen uns auserlegten Tribute begleichen zu können. Sie aber haben uns jene 11 Milliarden in diesen acht Jahren nicht geschenkt, sondern wir müssen sie mit 9 Prozent ver­zinsen und tilgen. Dazu kommt noch, daß inzwischen der Goldwert um 31 Prozent und mehr gestiegen ist. So haben wir im letzten Jahr alles zusammen nicht bloß 2700 Mil­lionen, sondern in Wirklichkeit 3600 Millionen RM. an unsere politischen Gläubiger abzuführen. Es ist also ganz falsch, wenn behauptet wird: Deutschland habe nur zwei Milliarden zu zahlen. Das sei nicht so schlimm bei einer öffentlichen Ausgabe von 28 Milliarden.

Also, es handelt sich nur um eineErleichterung". Sie ist von gang kurzer Dauer. Hebers Jahr stehen wir wieder vor demselben Jammer. Diese Erleichterung kommt be­sonders unserer Reichsbahn zugute. Sie kann es auch sehr gut brauchen. Denn auf der Julitagung des Verwal­tungsrats der Deutschen Reichsbahngesellschaft wurde fest­gestellt, daß der Rückgang der Einahmen für 1931 gegen­über 1929 nicht weniger als 1400 Millionen gleich 26 Pro­zent betrage und daß trotz der stärksten Drosselung der Betriebsausgaben kein Ausgleich der Mindereinnahmen herbeigeführt werden könne.

Gerade auf diesem Gebiet zeigt sich die verheerende Wir­kung der Tribute. Muß doch die Reichsbahn jährlich 660 Millionen an unsere Tributgläubiger abliefern. Immer mehr bewahrheitet sich die Klage des Reichstagsabgeord­neten Dr. Quaatz. Er sagte schon im Januar dieses Jah­res im Reichshaushaltsausschuß: Die Reichsbahn werde durch die Tributlastenerdrosselt". Sie könne nicht mehr den Fortschritten der Technik folgen, sie müsse ihr Personal und ihre Werkstättenavbeit rationalisieren, sie ver­komme als Doungbahn mehr und mehr. Durch die Höhe der Tarife hindere sie die deutsche Wirt­schaft am Herauskommen aus der Krise. Es zeige' sich der absolute Bankrott dieser Eisenbahn-Reparationspolitik.

Eine Enttäuschung"brachte uns die große Abrüstungs­debatte vom 30. Juni imenglischen Unterhaus. Wohl erkannte Englands Erstminister Mac Donald die allen Völkern durch den Völkerbund auferlegte Pflicht der allgemei­nen Abrüstung an. Aber in demselben Atemzug stimmte er ein bewegliches Lied über dasSicherheitsbedürfnis" Frank­reichs an:Wir wollen fair, wir wollen gerecht sein . . ." Das französische Volk ist immer wieder ein Opfer der In­vasion gewesen. Seine Fluren wurden von den Füßen von Millionen einfallender Soldaten zertrampelt. Kein englischer Kanal, sondern eine Linie, die auf dem Erdboden gezogen ist, das ist die einzige Grenze Frankreichs."

Und unsere Grenzen im Westen und im Osten? Wo ist dann unserKanal"? Und weiß der Führer der Arbeiter­regierung nichts von Ludwig XIV. Raubkriegen und Napo­leon I. Invasionen? Wahrhaftig! Wenn ein VolkSicher­heit" vor Angriffen undInvasionen" braucht, dann ist es Deutschland, das man bis aufs Hemd rücksichtslos entwaffnet

hat. Ader freilich das arme Frankreich, dieses unschuldige Lamm, das dem bösen deutschen Wolf das Wasser trübt dieses darf im Friedensheer von rund 612 000 Mann und 4,1 Millionen weißer und 1 Million farbiger Reserven haben, Frankreich darf Tauchboote, Kampfflieger und ungezähltes lagerndes Material besitzen, während bei uns jedes Gewehr nachgezählt wird und jede moderne Waffe verboten ist. Ja deises schwer bedrohte Frankreich konnte und durste in der letzten Woche wieder 2,5 Milliarden Franken für seine Ost- Befestigungen sich von seiner Kammer verwilligen lassen' Wie lächerlich mach und nach das Sicherheitsgewinsel sich an­hört, das zeigte die blamable Debatte der letzten französischen Kammersitzung über unfern PanzerkreuzerDeutschland".

Und nun noch ein Blick nach dem fernen Sowjet- rußland, von dem unsere letzte Wochenschau im Hinblick auf die Verlängerung der deutsch-russischen Handels­und SchliMungsvertiäge Notiz nehmen mußte! Kaum wa­ren jene Zeilen medergeschrieben, so wurde die Welt über­rascht durch eine Rede, die der erste Machthaber der Sowjet­union, Stali n, aus einer Konferenz der Wirtschaftsführer in Moskau hielt. <Äe enthält ein ungeahntes Bekenntnis über das teilweise Versagen des Fünsjahrplans, namentlich über die fehlende Qualität der Leistungen und den Mangel an Qualitätsarbeiten. Sie enthält aber auch Reformvorschläge, die stark nachReaktion" riechen: Man müsse bessere Arbeitskräfte durch Zahlung höherer Löhne an ihre Arbeitsstelle fesseln, man müsse größere persönliche -Verantwortung erzielen, man brauche zwei- bis fünf­mal so leitende Kräfte, vor allem Ingenieure, man könne ohne größere Berücksichtigung und Bevorzugung der In­telligenz nicht mehr auskommen, man müsse eine andere Haltung gegenüber der Bourgeoisie einnshmen und sie zur Mitarbeit heranziehen, man müsse einen Lohnunterschied

Neueste Nachrichten

Die Sachvsrsiandigenkonferenz am 17. Juli

London, 9. Juli. Die Konferenz der Sachverständige« wird -am 17. Juli in London eröffnet werden. Ob außer Deutschland auch Oesterreich, Ungarn und Bulgarien tM- nehmen werden, ist noch nicht bekannt, dagegen wünscht Frankreich die Beteiligung Polens und des Meinen Ver­bands. Gegen eine folgende Ministerkon-ferenz sträubt sich die französische Regierung immer noch, weil sie befürchtet» daß dann'die ganze Tributfrage ausgerollt werden könnte.

Amerika wird durch den Botschaftsrat Maroin « r in Paris als Beobachter vertreten sein.

Dr. Luther in London

London, 9. Juli. Reichsbankpräsident Dr. Luther ist heute über Amsterdam hier eingetrofsen. Von London aus wird er noch einige wichtige Finanzplätze besuchen, um dann am 13. tzuli an der 13. Verwaltungsratssitzung der Trtöutbavk B.I.I. in Basel teilzunehmen.

Dr. Luther wünscht anscheinend die Verhandlungen über einen größeren Rediskontkredit (man spricht von einigen hundert Millionen), der auf den Namen der Trägerin der neuen Kreditaufnahmen selbst zu führen. Trägerin der neuen Kreditaufnahmen selbst zu führe«.

Stimson in Rom

Rsm, 8. Juli. Der amerikanische Staatssekretär Stim­son ist aestern abend in Rom eingetrofsen und begeistert

Das politische Drama

Feierjahr und Abrüstung

Der erste Akt ist gespielt. Aber das Spiel ist noch lange nicht zu Ende. Nach der Reparationssrage wird vielleicht die Ab r üstung ssrage den Höhepunkt des Dramas bringen, für das der Hooversche Feierjahrplan da­nach nicht einmal deklamierte Einleitung war. Die von dem Präsidenten Hoover betriebene Verknüpfung dieser beiden Fragen ist politisch für Deutschland eine gewisse Stärke, und die außenpolitischen Möglichkeiten, die sich zur Zeit für Deutschland eröffnen, sind vielleicht größer als je. Eine schwächliche und unvorsichtig jedem Anstoß aus dem Weg gehende Führung kw-n die Fragenverknüpfung zu einer noch größeren Gefahr.machen. Es geht jetzt um mehr als um wirtschaftliche Interessen, denn eine gesunde Wirtschaft kann schließlich doch nur aus dem Boden einer über den Tag hinausblickenden großen Politik gedeihen.

Durch den Hooverplan ist ein inneres Abhängig- keitsverhältnis zwischen den deutschen Tri- butzahlungen und den Zahlungen der Kriegs­schulden derVerkündeten an Amerika hergestellt. Das ergibt auch nach dem Ablauf des Feierjahrs eine Ge­meinsamkeit, die ihr Schwergewicht auf eine Gesamt­rege l u ng be id e r F r ag e n ausüben wird. Die Er­kenntnis hiefür zeigt sich in Amerika heute schon in weiten Kreisen, und Hoover selbst hat es in seiner Erklärung aus­

gesprochen, daß eine Ursache der Weltkrise dieauferleg- ten Lasten-" seien. DieNewyork Times" erklärte, der Doungplan sei unhaltbar und müsse den tatsäch­lichen Verhältnissen entsprechend geändert werden. Hier scheint sich endlich der Ausblick zu eröffnen, daß die unheil­vollste Wirkung der Friedensverträge durch einen wei­teren Schritt des Hauptgläubigers aus der Welt geschasst werden kann.

Hoover hat aber auch mit nicht mißzuverstehendem Ernst darauf hingewiesen, daß die Weltwirtschaftskrise ebenso sehr mit dem Wettrüsten der Völker zusammenhängk, uick> es wird bereits angekündigt, daß die nächste diplomatische Tat Hoover: der Abrüstung gelten werde. Der Kampf um die Abrüstung, deren völkerbündliche Behandlung tn all den Jahren bisher ein aufgelegter Schwindel war, wird ungleich schwieriger und gefährlicher sein als beim Freijahr. Wenn aber wirklich etwas für die Weit erreicht werden soll, dann wird Amerika noch zäher und unbeugsamer sich zeigen müssen als in den letzten Pariser Verhandlungen. Unter dieser Voraussetzung eröffnen sich, wie gesagt, für Deutschland günstige Anssichten, die es entschlossen und ziet- bewußt fördern muß. Andernfalls würden wir zu einem Schaden kommen, der durch das Feierjahr nicht ausgewogen würde.

Dreiste englische Zumutungen

Unterstützung der politischen Forderungen Frankreichs

London, 9. Juli. DerDaily Herald", dos Hauptblatt der Arbeiterpartei, fordert die deutsche Reichsregierung aut, auf die Arbeiten an den deutschen Panzerkreuzern zu ver­zichten, wenigstens bis das Hooversche Freijahr um fei. Ebenso solle Deutschland die Zollunion mit Oesterreich aus­geben und diesen Plan nur in Verbindung mit der gangen Frage des europäischen Wiederaufbaus ins Auge fassen. Artikel in gleichem Sinn wurden in derTimes", imDaily Telegraph" und imManchester Guardian" veröffentlicht.

Verstimmung und gebührend? Abweisung in Berlin

Berlin. 9. Juli. Die Aufforderung der englischen Blätter an Deutschland, es solle eine entgegenkommende Geste un­ternehmen und zur Beruhigung Europas dadurch bei­tragen, daß es auf den Weiterbau derErsatz Lothringen" verzichte, haben in Berlin Verstimmung hervorgerufen, wenn man auchüberzeugt" ist, daß es sich bei den Aus­

führungen dieser Blätter um keine amtlichen Anregungen handle (?). Man muß darauf Hinweisen, daß die Begrün­dung, Deutschland solle zur Festigung Europas beitragen» insofern ganz abwegig ist, als Deutschland ja nicht durch eigene Schuch in die Krise hineingeraten ist, daß diu größ­ten Teil der Verantwortung dafür doch die anderen Alächtr tragen, die durch ihre unvernünftige und unversöhnliche Haltung Deutschland. Europa und die aanie Welt in eine solche Lage gebracht haben. Man muß weiter auf das geradezu absurde Verhältnis Zwischen den Flotten der ver- kündeten Mächte und derjenigen Deutschlands Hinweisen» l,em der Versailler Vertrag nur ganz unzulängliche über- alterte Schiffe gelassen hat. Ueberdies würde die Einstel­lung des Baus d?s Panzerschiffs» der sich über mehrer» Jahre erstreckt, zu den schwerwiegendsten wirtschaftlichen Folgen führen. Gegenüber der weiteren Forderung der englischen Blätter» Deutschland solle doch in der Frage der Zollunion nachgeben, kann man nur auf die demnächst statt- sindenden Verhandlungen vor dem Haager Gerichtshof verweisen. ^ .