Nagolder TagblattTer SejeSschafter'

Freitag, 24. April 1831.

Seite 2 Nr. S4

eine Kundgebung, in der sie die evangelischen Gemeinden zu verstärkter Aktivität gegen den Ansturm der organi­sierten Gottlosigkeit aufruft. Generalsuperintendent v. Dr. Dibelius, der der Synode die Kundgebung zur Annahme unterbreitet hatte, wies dabei auf den dunklen Hintergrund der Gegenwart mit ihrem Millionenheer der Erwerbslosen und den Ansturm des Freidenkertums hin, aber auch auf das vielfache Versagen der evangelischen Christenheit selbst. In dieser 'Lage sei es eine entscheidende Aufgabe, die Laien stärker als bisher zur großzügigen Aktion im Dienst der Kirche zurückzuführen. Die Kundgebung wurde einmütig ohne Aussprache angenommen.

Französische Flieqer über deutschem Gebiet

Trier, 23. April. Wie nachträglich bekannt wird, haben am Montag nachmittag 5.30 Uhr drei französische Flieger deutsches Gebiet im südlichen Teil des Kreises Saarbura überflogen. Sie kamen aus Lothringen und flogen in einer Höhe von 500600 Meter. Ueber dem deutschen Ort Eft wendeten sie und flogen nach Lothringen zurück. Dazu wird mitgeteilt, daß amtlich in Berlin noch keine Nachrichten über die Grenzverletzung vorlicgen. Die Nachricht werde jedoch auf ihre Richtigkeit nachgeprüft werden.

Mßkrauensanträge gegen die badische Regierung abgelehnk

Karlsruhe, 23. April. Im Landtag wurde gestern über Mißtrauensanträge der Nationalsozialisten und Kommu­nisten gegen das Kabinett abgestimmt. Bei der Begrün­dung der Anträge entstand große Unruhe. Für die Deutsche Volkspartei erklärte Abg. Dr. Mattes, daß sie viele Maßnahmen der Regierung, besonders des soz. Kult­ministers Remmele, mißbillige, daß sie sich aber der Stimme enthalten wolle. Die Anträge wurden mit den Stimmen der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Staatspartei abgelehnt.

Meuterei auf spanischen Kriegsschiffen

London, 23. April. Reuter meldet aus Madrid, daß die Besatzungen des KriegsschiffsCervantes" und anderer Schiffe in Cadiz gemeutert haben. Die Meuterer sollen überwältigt worden sein und sich in Gefangenschaft an Land befinden. Auch in Cartagena sollen Meutereien kom­munistischer Art stattgefunden haben.

Rückgängigmachung von Beförderungen im spanischen Heer

Madrid, 23. April. Der Ministerrat hat beschlossen, alle Ernennungen und Beförderungen im Heere, die zwischen dem 13. September 1923 und dem 13. April 1931 nicht nach dem Grundsatz des Dienstalters vorgenommen wurden, rück­gängig zu machen.

Die amerikanische Einwanderungspolikik

Washington, 23. April. Der Oberste Rechnungshof hat seine offizielle Ermächtigung dazu gegeben, daß arbeitslose und mittellose Ausländer, die während der letzten drei Jahre auf rechtmäßige Weise eingewandert sind, auf ihren Wunsch zurückbefördert werden. Infolge der strengen Durch­führung der verschärften Bedingungen des Einwanderungs­gesetzes ist die Einwanderung aus Mexiko, die sich im Jahr 1928 auf 13 680 Personen belief, im ersten Viertel dieses Jahrs auf 350 Personen zurückgegangsn.

Kämpfe in Honduras

Neuyork, 23. April. Nach einer Meldung der Associated Preß aus Tegucigalpa (Honduras) kam es an der Nord- Küste von Honduras zu einem scharfen Gefecht zwischen Auf­ständischen und regulären Truppen. Mährend die Auf­ständischen 29 Tote verloren, waren die Verluste der Ae- gierungStruppen nur gering.

Württemberg

Stuttgart, 23. April. Württ. Nothilfe. Bis heut« find in Stuttgart bei der Zentralleitung für Wohltätigkeit einschließlich der von den Zeitungen abgelieferten Beiträge 65168k und außerhalb Stuttgarts bei den Bezirkswohl­tätigkeitsvereinen 54 000 -kl, zusammen also rund 120 000 an Geldspenden eingegangen. Die Sammlung wird erst am il. Mai abgeschlossen.

Der Landesparkeikag der Deutschen Volkspavlei findet am Samstag, 2. Mai, in L-tuttgart statt. Generaloberst v. Seeckt spricht über das Rüstungsproblem, Reichspariei- führer Dingeldey über die Erneuerung des Reichs, Staatsrat Rath hat das Schlußwort.

Strafantrag. Von zuständiger Seite wird mitgeteilt: Das Justizministerium hat im Hinblick auf die Verdächti­gungen, die in der Presse im Zusammenhang mit dem RomanMechtildis" gegen Staatsanwalt Dr. Hagedorn in Stuttgart und andere höhere württembergische Justiz­beamte erhoben worden sind, gegen eine Stuttgarter Zei­tung wegen Beleidigung des Staatsanwalts Dr. Hagedorn und gegen eine Berliner Zeitung wegen Beleidigung dieses Beamten und anderen höheren württembergischen Justiz­beamten Strafantrag bei den zuständigen Staatsanwalt­schaften gestellt.

Prämiierung von Obstanlagen. Zur Förderung des Obstbaues veranstaltet die Württ. Landwirtschaftskammer in diesem Jahr im Schwarzwald- und Donaukreis eine Prämiierung von Obstanlagen. Alle Obstzüchter der ge­nannten Kreise (Einzelbesitzer, Vereine, Anstalten, Ge­meinden und Genossenschaften) können sich um die Prämi­ierung bewerben. Die Pflanzung soll mindestens 30 Bäume umfassen. Die Bestimmungen können von der Obstbau­abteilung der Landwirtschaftskammer bezogen werden. An­meldungen sind spätestens bis 20. Mai einzureichen.

ep. Die heimatlosen. Die Zahl der heimatlosen Wanderer auf der Landstraße ist während der letzten Jahre ungeheuer­lich gestiegen. 1928 kehrten 121128 Wanderer allein in den Herbergen des Sächsischen Herbergsverbandes ein, 1929 be­reits über 140 000 und 1930 190 203, alsso in einem Jahre ein Anstieg um 35 v. H. Besonders groß ist der Prozent­satz der jugendlichen Wanderer unter 16 Jahren, die von 77 im Jahre 1929 auf 429 im Jahre 1930 gestiegen ist. Die Forderung der wirtschaftlichen und seelischen Not gerade die­ser Jugendlichen zu steuern, kann nicht dringend genug er­hoben werden.

Der Verband Süddeutscher Omnibuslinien e. V., der die

Omnibuslinienbesitzer Württembergs und eines Teils von Baden und Bayern umfaßt, hielt in Stuttgart seine dies­jährige Hauptversammlung ab. Es wurde u. a. von einer Anzahl Mitglieder Klage geführt, daß durch Personenbeför­derung mit Lastwagen eine Schleuderkonkurrenz entstanden sei, die vielfach die Bestimmungen hinsichtlich der Sicherheit der Personenbeförderung nicht einzuhalten brauche, deren peinlichste Befolgung man von den Besitzern der Omnibuslinien verlange. Leider sei auch das Preisunter­bieten in den eigenen Reihen tief zu beklagen. Eine Kom­mission, die ihre Tätigkeit sofort aufnimmt, wurde zur Klärung der Preispolitik eingesetzt.

Zusammentritt des Landtags. Wie wir erfahren, wird der Landtag am Montag, den 27. April, zusammentreten, um ein dringliches Gesetz über Aenderungen im Staats­schuldenwesen zu verabschieden. Die zweite Beratung des Staatshaushaltsplans für 1931 und 1932 in der Vollver­sammlung des Landtags soll am 5. Mai beginnen.

Fürst zu Löwenslein-Werkheim-Irendenberg gestorben. Am Montag früh ist auf seinem Schloß in Kreuzwertheim im 77. Lebensjahr Ernst Fürst zu Löwenstein-Wertheim- Freudenberg gestorben. Der Dahingeschiedene war Präsi­dent der früheren Kammer des Reichsrats der Krone Bayerns, ferner Vizepräsident der württembergischen Kam­mer der Standesherren und Präsident der Vereinigung deutscher Standesherren. Der württembergischen Ersten Kammer gehörte Fürst Ernst zu Löwenstein von 1880 bis 1906 an, und zwar zunächst (18801888) als Vertreter seines Vaters, des Fürsten Wilhelm, von 1889 ab als selb­ständiges Mitglied der Ersten Kammer, deren Vizepräsident er von 1899 bis 1906 war. Im letztgenannten Jahr trat er dann aus Anlaß seiner Berufung zum ersten Präsidenten der bayerischen Reichsratskammer als Vizepräsident der Ersten württembergischen Kammer zurück.

ep. Eröffnung des Evang. Landeskircheniags. Wie wir erfahren, ist der neugewählte Landeskirchentag zu seiner Eröffnung auf Dienstag, den 19. Mai, ein- berusen worden. Es wird sich im wesentlichen um die Konstituierung des 2. Evang. Landeskircheniags handeln. Der Eröffnung soll ein Gottesdienst am 18. Mai in der Stiftskirche vorausgehen.

Die Wahlberechtigten zur Oberbürgermeistern»«^ Big

Zahl der Wahlberechtigten für die Oberbürgermeister wähl beträgt 248 702. Im Jahr 1921 waren es 188 433.

Leonberg, 23. April. Im Streit den Nachbarn erschossen. Am Mittwoch nachmittag kam es zwischen dem 35 I. a. Kunstmaler Benz und dem 60 I. a. Bau­geschäftsinhaber Wolf, die auf Markung Gerlingen am Ramtel benachbarte Häuser bewohnen, zu einem heftigen Streit, weil Wolf bei Errichtung eines eig-nen Eingangs, der früher den beiden Anwesen gemeinsam war und schon mehrfach zu Zwistigkeiten Anlaß gegeben hatte, mit einem Pfosten des Schnurgerüsts in das Eigentum von Benz kam, der dagegen Einspruch erhob. Im Verlauf des Streits zog Benz einen Revolver und gab auf Wolf einen Schuß ab, der tödlich war. Benz flüchtete vor den Söhnen Wolfs und schloß sich in sein Haus ein, wo er verhaftet wurde.

Kornlal OA. Leanderg, 23. April. Blutvergiftung durch Kunstdünger. Ein bei einem hiesigen Land­wirt beschäftigter Mann von 25 Jahren hatte sich bei der Arbeit letzte Woche eine Wunde an der Hand beigebracht, in die, wie dieSchwöb. Tagwacht" berichtet, etwas Kunst­dünger geriet. Als er ärztliche Hilfe in Ansprucb nähr», war es bereits zu spät, denn nach einigen Tagen starb er infolge Blutvergiftung.

Geislingen a. Sl.. 23. April. DerBesuchdesWirt- schaftsministers. Wirtschaftsmimster Dr. Maier hat gestern unserer Stadt den angekündigten Besuch ab- gestattet in Begleitung von Staatsrat Rath und zwei Mit- arbeitern seines Ministeriums. Man begab sich sofort an die vorgesehenen Besichtigungen. Nachmittags fand im Sitzungssaal des Rathauses eine Konferenz mit Vertretern von Industrie, Handel und Gewerbe, des Gemeinderats, der städtischen und staatlichen Behörden, des Polizeiamts, von Post und Eisenbahn, der Landwirtschaft und der Arbeir- nehmerorganisationen statt. Der Stadtvorstand ging ans spezielle Geislinger Fragen und Wünsche ein. Bezüglich der Elektrifizierung der Strecke UlmStuttgart ging der Wunsch dahin, daß nach der Elektrifizierung Geislingen auch für D-Züge ein Haltepunkt bleibt.

Alm, 23. April. Gefangenenbefreiung. Ei» Polizeibeamter stellte heute nacht beim Bahnhof eine weil» libe Person wegen Bannbruchs (sie ist aus Ulm verwiesen und unerlaubt zurückgekehrt) fest und wollte sie zur Polizei­wache bringen. Ihre Helfer überfielen den Polizeibeamten, um die Verhaftete zu befreien. Das Frauenzimmer konnte entfliehen. Zwei der Beteiligten wurden wegen Gefangenen­befreiung und Widerstand festgenommen.

Friedrichshafcn, 23. April. P r e s s e t a g u n g e n. Dis Landesverbände der badischen und württembergischen Presse halten in Konstanz am Sonntag, den 14. Juni eine ge­meinsame Tagung ab, nachdem vorher die Landesverbände für sich getagt haben. Am Samstag, 13, Juni, nachmittags, werden sich in Konstanz die Vodenseejournalisten treffen.

Von der bayerischen Grenze, 23, April, Für den Bruder ins Gefängnis. Schwerer Auto­unfall. Der 26 I. a, Hilfsarbeiter Mar Lochner aas Kleinerdingen bei Nördlingen ist freiwillig für seinen Bru­der Anton, der wegen Körperverletzung zwei Monate Ge­fängnis erhallen hatte, nach Donauwärth gewandert, um im dortigen Gefängnis seines Bruders Strafe zu verbüße». Nun muhte sich Max Lochner vor dem Schöffengernicht in Neuburg a. D. wegen Urkundenfälschung verantworten, denn er hatte im Gefängnis einige Schriftstücke unter­schreiben müssen und mit Anton Lochner unterzeichnet. Der falsche Anton führte sich während der Strafverbüßung gut. so daß er nur 4 Wochen absitzen mußte und auf diese Weise dem Bruder Anton für den Rest Bewährungsfrist ver­schaffte. Wegen Urkundenfälschung erhielt der Angeklagte nunmehr 3 Wochen Gefängnis und Bewährungsfrist für 1934, da er nach Ansicht des Gerichts unüberlegt gehcmdeb hatte. Der Autogrohwäscherei-Jnhaber Otto Lehman» von Augsburg wurde mit seinem Personenwagen auf der ! Straße nach Ulm in der Nähe von Günzburg von einem j Personenkraftwagen überholt, dessen Hinterrad das Vorder­rad an Lehmanns Wagen streifte. Dadurch überschlug sich das Auto zweimal und Lehmann blieb mit schweren Kopf­verletzungen und Hautabschürfungen am ganzen Körper bewußtlos liegen. Das Auto wurde vollständig zerstört und der Schwerverletzte ins Krankenhaus geschafft. Der Uebel- täter suchte das Weite. Die Nummer des Autos ist bekannt.

Ois vom

k^suksn 6nunc!

(Nachdruck verboten).

(Fortsetzung 71).

Lange sann Eke vor sich hin.

Endlich blickte sie wieder auf. Ihr Auge fiel jetzt drüben aus den Berghang über dem Oberdoif. Sckwer und massig lagen da die Werkanlagen von Cdristiansglück. Gefeiert wurde heute auch dort drob.n. Die Förderräder standen still. Die Aufzüge an den Hochöfen ruhten. Aber aus den Röstöfen, aus den Esten der Kesselhäuser, wo die Feuer nicht erkalten durften, stieg leise und immerwährend der Dampf und floß zusammen zu einem warmen, feuchten Brodem.

Dumpf klang das Puffen und Schütter« der Maschinen, das dunkle Rauschen der Kühlwaster von den Hochöfen herüber. Wie ein riesiges Arbeitstier lag das feiernde Werk da. Wie ein Eigant, der von seiner Mühe ermattet am Boden ruht. Ader noch fliegen ihm mit dumpfem Keuchen die Flanken und über seinem schweißrauchenden Leib zittert heiß die Luft.

Festigkeit kam da allmählich wieder in Ekes Seele. Arbeit i« Dienste anderer, der Armen und Schwachen, der hilflosen Kleinen war das nicht auch ihre Losung? Sie allem ver­mochte ihr wohl noch Heilung zu bringen. War es freilich auch nur ein Ersatz für ein anderes, stärkeres Sehnen in den Tiefen ihrer Weibesnalur, es würde immerbin ihrem Leben wieder ein Ziel geben. Und Eke erhob sich. Mit einem letzten, langen Blick nahm sie Abschied von der versinkenden Heimat.

Dann wandte sie sich langsam nach der Richtungen Tal­sperre hin. Es war inzwischen still dort gewo den. Die Feier schien vorüber. Ob er nun wohl kommen würde?

In den Wald hineinlauschend, stand sie. Noch einmal fragte sie sich: War es richtig gewesen, daß sie ihm diese Zeilen geschrieben, ihn um diese Unterredung gebeten hatte?

Gewissenhaft prüfte sie nnd entschied: Vielleicht war es

etwas Ungewöhnliches, aber sicher nichts Unrechtes. Der Ernst der Absicht gab ihr das Recht zu solchem Schritt.

So sah sie mit Ruhe seinem Erscheinen entgegen. Denn sie tühlte, er würde kommen. Und er ließ auch nicht lange mehr auf sich warten. Bald schallten aus dem Wald hinter ihr nahende Schritte, dann rauschten die Zweige auseinander

Gerhard Bertsch stand vor ihr.

Nun sie sich ihm gegenüber fand, so nahe und in tiefer Einsamkeit, fühlte sie doch ihre Sicherheit etwas weichen. Und mehr noch, wie sie jetzt in seine Züge sah. Sie verbargen bei aller Beherrschtheit nur schlecht die innere Erregung. In seinen Augen bebte es, wie ein Hoffen, das noch nicht heroorzubrechen wagte. Es schwang auch aus seiner Stimme, wie er sie be­grüßte, stockend und noch unsicher ihr gegenüber.

»Verzeihung daß ich aus mich warten ließ. Aber ich ging, sobald ich irgend abkommen konnte. Eke, Ihre Zeilen

nein, das ist ja Unsinn so! Sprich mir nachher mein Urteil, wie du willst, aber in dieser Stunde, der einzigen und letzten vielleicht, die mir noch mit dir vergönnt ist, will ich reden, wie mir ums Herz ist. Du weißt ja nicht"

Doch nun hatte sie sick wieder. Voll sah sie ihn an. Aber eine große, abgeklärte Ruhe war in dem Blick, der ihn suchte. Und leise bewegte sie das Haupt. Ein Abwehren, bei aller Sanftheit fest und bestimmt.

»Gerhard versteh' meinen Bnef nicht falsch. Knüpf' daran nicht Hoffnungen, die ich gleich wieder enttäuschen müßte. Wenn ich dich rief, so geschah es nur, um dir zu sagen, was sich in mir durchgerungen hat in Stunden voll tiefer Bitternis. Das Leben hat sein Werk getan auch an mir. Heute renke ich anders über manches, und ich weiß: ich handelte töricht, damals in jener Stunde, die uns trennte."

Ein Aufzucken in seiner Rechten, als wollte sie sich ihr entgegen strecken. Doch sie sprach weiter:

»Es ist nun einmal geschehen und nicht mehr gutzumachen. Aber vielleicht Hilst es auch dir leichter hinweg, wenn ich dir sage, Gerhard: ich sehe nur noch Verhängnis, wo ich früher Schuld bei dir sah. Ich weiß, du leidest unter deinem Irren und zerquälst dich in innerer Zerrissenheit. So verlierst du dein Bestes, deine kostbaren, schönen Jahre, die dir Freude bringen sollen und Glück. Das jammert mich, Gerhard, Helsen möchte ich dir, wieder mit Hellen Augen ins Leben zu blicken, und darum rief ich dich noch einmal. Komm, gib mir deine > Hand. Laß mit dieser Stunde alles vergessen sein, was dich

quält. Nichts von Schuld und Verzichten. Du hast dir nichts mehr vorzuwerfen. Blick' wieder frei ins Leben, voll frischer Zuversicht, und nimm dir deinen Anteil am Glück solange es noch Zeit ist."

Leiser ward ihre Stimme und ein wenig dunkel. Aber nur für einen Augenblick. Dann tönte sie wieder fest und klar.

So, das war's, was ich dir sagen wollte. Und wo es geschehen, ist mir selber leichter ums Herz. Nun kann ich ruhig weg von hier. Und damit laß uns denn nun jeder fortab seinen Weg gehen. Allein, aber ohne Bitterkeit gegen den andern."

Sie wollte mit einem leisen Druck ihrer Hand von ihm scheiden, doch er ließ sie nicht.

Eke!"

Ein Ton war es, der klang fernher, aus sel'ger Zeit. Die Farbe wich da von ihren Wangen. Doch abwehrend schüttelte sie das Haupt.

Aber seine beiden Hände hielten sie, und es strömte von ihnen wieder die alte, siegesfrohe Kiaft aus.

Wenn es so ist warum dann allein unsere Wege gehen?"

Zu viel steht zwischen uns" im Erinnern daran kam ein wehes Schütteln in ihre Stimmebei dir wie mir."

Aber nichts, das nicht vergessen werden könnte, das nicht zusammenbräche wie die morschen Trümmer da drunten, wenn wir nur wollen!"

Eke! Muß ich es jetzt umgekehrt dir zurusen? Kraft und Wille überwinden alles! Was steht denn in Wahrheit noch zwischen uns, wenn wir beide uns wieder frei ins Auge sehen können, Hand in Hand? Nichts, Eks, nichts! Blaffe Schalten, die uns nicht schlecken können. Alles andere aber, was wir selber uns angetan, es ist ausgelöscht in dieser Stunde, nach unserem festen, ehrlichen Wollen. Nur das eine gilt: wir lieben uns! Nein, leugne es nicht. Dein Auge spricht wahrer als jedes Wort: du liebst mich trotz allem. Und ich? Ich liebe dich, wie einst, wie immer. Eke ich nehm' dich! Mit gutem Recht: mein warst du, mein bist du mein!"

Und ehe sich ihr noch eine Antwort entrungen, hatte er sie schon an sich gerissen und küßte sie. Küßte sie wie damals. In stürmischem Begehren. Wie ein Ftühlingssturm brauste es hin über sie. Sein ungestüm forderndes Werben. Aber heute floh sie nicht mehr, von Schrecken verwirrt. Geschloffene« Auges ruhie sie in seinem Arm und genoß erschauernd das Glück der Erfüllung.

(Fortsetzung folgt).