Leite 2 Nr. 35

Nagolder TagblattTer Gesellschafter

Drnnerstag, 12. Februar 1931

*rnd von seiner eigenen Partei schwach unterstützt fühle, das Bedürfnis gehabt, dem Block der Rechtsopposition in -Worten Genugtuung zu geben, obwohl deren Vertreter den /Vaal verließen, bevor der Minister seine Rede begann. Kurtius habe seine Thesen mit einem Nachdruck entwickelt, -''der kaum geeignet sei/ die Regelung der Beziehungen zu erleichtern, die die Reichsregierung im innersten Kerzen »mreifellos fruchtbarer zu gestalten wünsche.

L'Ordre" behauptet, durch Curtius sei Frankreich nun -^n Kenntnis gesetzt, daß Deutschland entschlossen sei, seine -Verpflichtungen aus den Verträgen zariickzmveisen.

Die Aufhebung der Immunität

Berlin, 11. Febr. Die Staatsanwaltschaften der deutschen Länder haben, derBossischen Zeitung" zufolge, bereits -gestern vormittag damit begonnen, die durch den Beschluß -des Reichstags über Aufhebung der Immunität möglich ge­wordenen Strafverfahren durchzuführen. Die Hauptarbeit entfällt auf die preußischen Staatsanwaltschaf­ten, die etwa 150 Strafverfahren gegen Abgeordnete durch- zusühren haben; davon kommen mehrere Dutzend Ver­fahren allein auf Berlin. Es wird möglicherweise notwendig sein, das politische Dezernat der Staatsanwaltschaft 1 Berlin vorübergehend zu verstärken.

Kampf gegen die Kriegsschuldlüge

Berlin, 11. Febr. Wie verlautet, sind in der Kriegs- stHluldfrage Bestrebungen im Gang, um eine Reihe von Par- Wien zu einer gemeinsamen Erklärung gegen die Kriegs- .Ichuldlüge zu vereinigen. Diese Erklärung scll im Reichs­tag abgegeben werden. Auch die Deutschnationalen und Nationalsozialisten sollen aufgeforderi werden, sich dieser Erklärung anzuschließen.

Auch Volksbegehren zur Auflösung des Neihskags?

Essen, 11. Febr. Die «Natioiralzeilung", das führende westdeutsche Organ der Nationalsozialistischen Partei, regt an, nach dem Auszug der Opposition aus dem Reichstag nunmehr durch Einbringung eines Volksbegehrens -auf Reichstagsaufldsung den Kampf gegen den Reichstag selber ins Volk hineinzutragen

Neueste Nachrichten

Noch keine Einigung über die Osthilfe

-- Berlin, 11. Febr. Die Verhandlungen vom Montag und Dienstag haben noch keine volle Einigung gebracht. Die Vertreter der Landwirtschaft, besonders de? Landoolkpartei, bestanden darauf, daß bei der Umschuldung, für die öffentliche Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, die ^Selbsthilfe eingesetzt werde, und daß für die helfenden landwirtschaftlichen Verbände 5)4 v. H. Zinsen gewährt werden soll. Die preußische Regierung lehnt diese ^Forde­rung beharrlich ab, und auch eine neuerliche Besprechung -es Reichskanzlers mit dem preußischen Ministerpräsidenten Braun blieb ergebnislos. Ohne Zulassung der Garantie­verbände wird die Landoolkpartei dem Gesetz nicht zustlyr- men.

Christlichsozialer Schulgesetzantrag

Berlin. 11. Febr. Die Reichsraassrakticm des Chnstlich- fozialen Volksdienstes und der Konservativen Bclkspartei hat einen Gesetzentwurf zur Regelung des Volks- Schulwesens eingebracht. Drei Formen der deutschen Volksschule sollen zugelassen werden, dieGemeinschafts- schule, die Bekenntnisschule und die b e k e n n t n is- freie Schule. Die Aufsicht über alle Volksschulen führt derStaat. In die örtlichen Schulverwaltungsköcper. denen Schulen unterstehen, an welchen Religionsunterricht ordentliches Lehrfach ist, soll je ein Vertreter der entsprechen­den Religionsgesellschaft mit Sitz und Stimme ausgenommen werden. Der Elternbeirat soll durch Gesetz fortbestehen. Der Religionsunterricht soll von einem Angehörigen der betreffenden Religionsgesellschaft in Uebereinstim- mung mit ihren Grundsätzen, unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staats erteilt werden. Zur Einsichtnahme in den Religionsunterricht soll der Staat Beauftragte be­stellen, die von der Religionsgefellfchaft vorgeschlagen wer­den. Zur Bestreitung der den Ländern und Gemeinden er­wachsenden Kosten soll das Reich den Ländern eine ein­malige Beihilfe zur Verfügung stellen.

Schadenersatzklage wegen einer Ministerrede

Berlin, 11. Febr. Ein Obermonteur Schmidt war vor drei Jahren nach Polen ausgewandert. Seine dortige Stellung wurde ihm, wie er behauptete, seinerzeit auf die bekannte Rede des Reichsministers Treviranus hin ge­kündigt und Schmidt erhob nun beim Arbeitsgericht Berlin Klage gegen Treviranus auf Schadenersatz von 1000 Mark. Das Arbeitsgericht erklärte sich nicht für zuständig und verwies den Klageantrag an das Land­gericht I. Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts machte den Kläger auf die Aussichtslosigkeit seines Vorgehens aufmerksam, da Schadenersatz nur auf Grund der Schädi­gung durch eine unerlaubte Handlung gefor­dert werden könne. Eine im deutschen Interesse gehaltene Ministerrede könne jedoch nicht gut als unerlaubte Hand­lung betrachtet werden.

Eia englischer «Bund der wirtschaftlichen Abwehr"

London, 11. Febr. In einem Schreiben an dieMor- nlngpost" kündigt das konservative Parlamentsmitglied Commander Bellaire die Bildung des ..Bunds der wirt­schaftlichen Abwehr" an, der sich gegen den wirtschaftlichen Krieg Sowjetrußlands wenden sott. Dem vorläufigen Aus- schuß gehören der Herzog von Athaoll, Lord Brentford, Sir Robert Hörne und andere bekannte Persönlichkeiten an. Der Bund setzt sich insbesondere das Ziel, gegen die Sträflingsarbeit in den russischen Holz­lagern Einspruch zu erheben und die Forderung nach einem Einfuhrverbot von russischem Holz, das von Sträflingen gefällt, bearbeitet und verladen worden ist, zu unterstützen.

Eine sonderbare Aeutzening des holländischen Generalstabschefs

Amsterdam, 11. Febr. Die holländische Presse beschäf­tigt sich eingehend mit einer vom holländischen General­stabschef Seyffarth vor einigen Tagen abgegebenen Er­klärung über Hollands Stellungnahme zum belgischen Auf- rüstungsprogramm. Seyffarth sagte wörtlich: «Die Möglich­keit eines deutschen Angriffs auf Belgien und Frankreich durch Holland hindurch wird durch die neuen militärischen

Seldte über das

Stuttgart, 11. Febr. Aus seiner Süddeutschlandreise traf der erste Bundesführer des Stahlhelms, Fabrikant Franz Seldte- Magdeburg, von Baden her gestern in Stuttgart ein. Nachdem in den Nachmittagsstunden eine Besprechung mit Vertretern von Industrie, Landwirtschaft, Presse, Handel und Gewerbe im Hospiz Viktoria vorangegangen war, fand die Hauptveranstaltung am Abend in dem bis auf den letzten Platz gefüllten großen Festsaal der Liederhalle statt. Seldte wurde mit Heilrufen und Händeklatschen, vielfach auch mit dem nationalsozialistischen Gruß empfangen.

Nach einleitenden Worten des Ortsgruppenführers des Stahlhelms, Oberleutnant a. D. Amlin g, führtb Seldte etwa folgendes aus: Der Stahlhelm, Bund der Frontsol­daten, hat im Januar ein Zwerjahresprogramm aufgestellt, das das Volksbegehren in Preußen, die Neuwahl res preu­ßischen Landings, die Neuwahl des Reichstags und di? Rcichspräsidentenwahi umfassen wird. An den Volks­begehren. das die Neuwahl des preußischen Landt w - herbei- führen soll, soll auch Württemberg, wenigstens mH Herz und Sinn, teilnehmen. Die Front für dieses Volksbegehren ist, wie bis jetzt schon seststeht, breit gelagert, von den Naiio- nalsozialisten bis zur Witte, hoffentlich auch bis zu den

Volksbegehren

Zentrumsleulen, die neben ihrem katholischen Glauben auch ihr deutsches Herz entdecken. Der veraltete, verlotterte, ver­rottete preußische Landtag muß so schnell wie möglich auf­gelöst werden. Der Neuwahl des preußischen Landtags wird sich eine Neuwahl des Deutschen Reichstags anschließen müssen. Wenn heute neu gewählt wird, gibt es noch einen ganz anderen Ruck nach rechts als am 14. September v. I. Das fühlt ein Blinder mit dem Krückstock, nur die preu­ßischen Minister sehen es nicht. Wenn die preußische Regie­rung durch Zurückweisung unseres Antrages an der Pro­paganda für unser Volksbegehren sich beteiligt, so können wir ihr nur dankbar dafür ,ein. Der englische Außenminister hat unlängst ^arauf hingew-esen, daß die Deutschen doch nicht immer auf den Versauter Vertrag sckck'.'.pfen sollten, den sie doch freiwillig angenommen hätten Allerdings sei der Vertrag angenommen worden, aber nicht vom Volk, sondern von den Bonzen, die heute noch aus den Minister­stühlen sitzen und nicht herunterwollsn. Stahlhelm, Hugen- berg >!ub Hitler sind bereit, noch einmal darüber abstimmen zu lassen, ob man einen solchen Dreck-Vertrag annimmt oder nicht. Wenn wir wirklich hochkommen wollen, müssen wir uns wieder den alten deutschen Tugenden, Fleiß, Tapferkeit, Sparsamkeit und Brüderlichkeit, zuwenden.

Verstärkungen Belgiens nach meiner Ansicht eher verringert als erhöht."

Utrechtsch Tagblad", das durch die bekannte sitrechter Dokumentenveröffentlichung hervorgetrelen ist. schreibt da­zu: Die Erklärung Seyfsarths sei außerordentlich bedenk­lich und gefährlich, weil sie gegenüber Ländern, die zurzeit zwar nicht die starke Macht besitzen, wie der französisch­belgische Block, die sie aber in Zukunft wieder erhalten wer­den, ungerecht und beleidigend sei. Die Unterstellung, daß Deutschland in einem neuen Krieg die holländische Neutrali­tät, die es im Weltkrieg sorgfältig beachtet habe, verletzen werde, sei höchst unpassend und in einer amtlichen Erklärung des Generals vollkommen unzulässig Was berechtigt Ge­neral Seyffarth dazu, Deutschland zu beschuldigen und gleich­zeitig die Annahme, daß Belgien, das bereits mehrere Annekkionsversuche auf seinem Gewissen hat, die holländische Neutralität verletzen werden, als «völlig abwegig" zur Seite zu stellen? Es sei wohl anzunehmen, daß Holland zurzeit weder vom Osten, noch vom Süden Gefahr drohe, aber wcnn eine holländische Heeresciukorität, dis mit des Verteidigung Hol­lands betraut ist, ausschließlich aus Grund einer vermeint­lichen Neutraütätsvsrletzung von selten des eniwaffneteii Deutschlands, die belgischen Befestigungen als im hollän­dischen Interesse liegend erkläre, dann bedeute dies nichts weniger als die Aufgabe der holländischen Neutralität und den Anschluß Hollands an den französisch-belosichen BGck. Wird die Kammer dies dulden? Oder macht sich der Ab­rüstungseifer in Holland dahin geltend, daß man sich unter dem Stillschweigen von Regierung und Presse durch den Generalstab in den mächtigen Militarismus Europas ein- verleiben läßt?

IM 661 ^üi-rs

Mtinclei'KücksLpsk'en!

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Württemberg

Holzentwertunst

Stuttgart, 11, Febr. Demokraten, Bürgerpartei, Baue n» Hund, Zentrum und Deutsche Volkspartei haben im Land­tag folgende Große Anfrage eingebracht: Die L^ge der Waldwirtschaft hat sich in den letzten Monaten zusehends verschlechtert. Die Absatzpreise für Holz liegen heute vielfach unter dem Borkriegspreis, während sich die Gestehungs­kosten nahezu verdoppelt haben. Die Folge dieser Entwick­lung ist, daß nicht nur der private Waldbesitz, sondern auch die öffentliche Hand, insbesondere der Staat und die Ge­meinden, ganz erhebliche Einnahmeausfälle aus ihrem Wald- besitz erleiden. Nach den bisherigen Berechnungen werden allein die Roheinnahmen des Landes Württemberg aus dem Holzertrag des Staatswaldes von rund 27 Millionen RM. in den Haushaltsjahren 1929 und 1930 auf rund 20 Milli­onen RM. in den kommenden Haushaltsjahren absinken. In einzelnen Gemeinden des Landes konntenr mit dem Erlös für öffentlich versteigertes Holz nichtHnmal die Holz­hauerlöhne bezahlt werden. Wir fragen das Staatsminists- rium, 1. welche Anordnungen es getroffen hat, um die VerwendungeinheimischenHolzesbeiallen öffentlichen und mit öffentlichen Mitteln geförderten Bauten sicherzustellen: 2. ob es bereit ist, bei der Reichsregierung die zur Milderung dieses offen­sichtlichen Notstands in der Waldwirtschaft erforderlichen Anträae zu stellen.

Abg. Bauser (VRp.) hat folgenden Antrag eingebracht: Der Landtag wolle beschließen, das Staatsministerium zu i ersuchen, bei der Reichsregierr-ng dahm zu wirken, daß ! Zahlungen von Bausporern aus Bausparverträgen bis zur - Höhe von 600 RM. jährlich in derselben W-ise als Sonder- ' Leistungen von der Einkommensteuer abgezogen werden dür- i sen, wie dies nach 8 17 des Einkommensteuergesetzes für ! Prämien von Lebensversicherungen usw. vorgesehen ist.

Volkszählung 1931. Bei der für 1931 in Aussicht zu nehmenden Volks-, Berufs- und Betriebszählung werden die Nachweise über di« Ergebnisse der VolkszähLng. wie im Jahr 1925, auf Kosten der Länder aufzustellen sein. Die von Württemberg dabei zu tragenden Kosten werden sich auf rund 135 000 -st belaufen.

Skaalsbeikräge für einzelne landwirtschaftliche Zwecke.

Für einzelne landwirtschaftliche Zwecke leistet der Staat in den Etatjahren 1931 und 1932 jährlich folgende Beitrage: Fürsorge für die Landwirtschaft im allgemeinem 99 400 °tt (davon' 94 000 Beitrag an die Württ. Landwirtschafts- kammer), Förderung des Weinbaus einschließlich der Heran­zucht reblausfester Reben 82 000 (davon 65 000 -N für dis Anstalt in Weinsberg), Förderung der Tierzucht und Ver- Wertung tierischer Erzeugnisse 427 000 (auf dir Pferde­zucht entfallen 98 500 -si, aus dm Rindviehzucht 250 000 -3t), Feldbereinigungswesen 170 000 -N, Bodenverbesserungs­wesen 425 000 -si (davon etwa zwei Drittel für Ent- und - Bewässerungen, Moorurbarmachungen und landwirtschaft­liche Wegbavten. und 1 Drittel für Backverbesserungsni

Der Gemeindranieil an den Bezügen der Lehrer an Volksschulen. Durch eine Bekanntmachung des Kultmini­steriums wird die Höhe des durchschnittlichen Diensteinkom­mens der Lehrer an Volksschulen einschließlich Mittelschu­len, nach dem der Anteil der Gemeinden an den Schnllasten ! berechnet wird, mit Wirkung vom 1. Februar 1931 an wie i folgt bestimmt: 1. für jede planmäßig« Stelle «ines Lehrers ! oder einer Lehrerin der Bes.-Gr. 5, 6, 7b sind 8 a 5146 - AM., 2. für die außerplanmäßigen Lehrer und Lehrerinnen j 3110 RM-, 3. für jede planmäßige Steile einer Fach- ^ lehrerin (Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin) 3899 RM-, 4. für die außerplanmäßigen Fachlehrerinnen (Hand­arbeits- und Hausroirtschaftslehrerinnen) 2405^ RM. Die Höhe des Anteils der Gemeinden berechnet sich hiernach: für jede Stelle der Ziff. 1: in großen Städten auf 4117 RM., in mittleren Städten auf 3345 RM-, in den übrigen Ge­meinden auf 2316 RM.: für jeden Lehrer der Ziff. 2 aus 2488, 2022 oder 1400 RM.; für. jede Stelle der Ziff. 3 auf 3119, 2534 oder 1755 RM.; für jede Lehrerin der Ziff. 4 i auf 1924, 1563 oder 1082 RM.

Kürzung der Belohnungen für Aeberstunden und neben­amtlichen Änterrichk. Durch eine Verordnung des Kult­ministeriums sind auf Grund der Notverordnung um 6 v. H. gekürzt worden: 1. Die Vergütungen für Ueberstunden unü nebenamtlichen Unterricht, 2. die Belohnung der vertrags­mäßig angestellten Fachlehrerinnen.

Prüfung für Probeschüler. Die Ministerialabteklung für die höheren Schulen hat eine Verordnung über die Prü- fung der in Klasse 1 der höheren Schulen ausgenommenen k Probeschüler erlassen. Die Prüfung sinvc-t jeweils in der s dritten Juliwoche statt. Den Prüfungsplan bestimmt der ' Schulvorstand (Schulleiter). Prüsungsgegenstände sind: ! deutscher Aufsatz und deutsche Sprachlehre, Rechnen und di« Fremdsprache. Es wird schriftlich und mündlich geprüft, l

Einheitliche Vorbildung von Kindergärtnerinnen. Die

Länder haben eine Vereinbarung über die Vorbildung und Ausbildung von Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen ge­troffen.

Evangelischer Landeskirchentag

II

Kirchengebetbuch Goktesdienstordnung

ep. Stuttgart. 11. Februar. Am Dienstag beriet der Landeskirchentag über den Entwurf eines kirchlichen Ge­setzes betr. Ae'nderung des K - r che n g e b e tb u chs Teil 1. Kirchenpräsident v. Wurm führte aus, daß sich seit der letzten Ausgabe des Kirchongebetbuchs im Jahr 1908 die geistesgeschichtliche Lage gründlich geändert habe. Dem kann sich auch Kirche und Theologie nicht entziehen. Bei den Beratungen über den neuen Entwurf im Ausschuß gewann die Besinnung über die theologische Grundlage der kirchlichen Gebetssprache eine immer größere Bedeutung. Nach Angaben von Oberkirchenrat Sch aal enthält der Entwurf ein selbständigesVorwort" mit grundsätzlichen Ausführungen über den Gottesdienst und einenLitur­gischen Wegweiser". Auch die Gottesdienstovdnung wurde neu festgestellt. Die Gebete für einzelne Anlässe und für die Jugendgottesdienste sind stark vermehrt

Die Einzelberatungen galten zunächst demVor­wort". Die Berichterstatter Sch renk und Mürdel gaben eine Uebersicht über den theologischen Gedankengang desselben. Die Predigt soll verantwortliche Weitergabe des Gottesworts sein bei voller Anerkennung der subjektiven Seite des Predigers. Abg. O. Dr. Schoell will klar

unterschieden wissen zwischen üer prophetischen Aufgabe und derjenigen des Predigers, der das Evangelium zu bezeugen und auszulegen habe. Abg. Buder wünscht, daß das ^ Vorwort keinen kirchengesetzlichen Charakter haben soll, f Krichenpräsident O. Wurm faßte den Sinn des Vorworts in zwei Sätzen zusammen: Der Pfarrer soll nicht Steine,! sondern Brot bieten; und er soll nicht abspeisen, sondern j speisen. l

Die weiteren Beratungen galten dem Entwurf der evangelischen Gvttesdienstordnuna. Die Be-l richterstatter Schrenck und Mürdel betonten, daß esi dem Bedürfnis des Kirchenvolks nach einer einheitlichen Ord- l »ung Rechnung tragen und zugleich den geschichtlich ge-! wordenen Charakter des württembergischen Gottesdienstes wahren wolle. Nachdem einzelne Wünsche M den verschieß denen Teilen der Gottesdienstordnung (Schriftlesung. Sinn gen, Predigt, Verkündigungen) geäußert worden waren, galn Oberkirchenrat Sch aal Auskunft über Arbeiten für eine Sammlung von Schriftlesungen, die aber nur Vorschlags­charakter tragen soll. Abg. Ganger beantragte die Her­stellung eines Sonderdrucks desVorworts" und desLuur-^ gischen Wegweisers" sür die Kirchengemeinderäte, Organisten s usw. Damit wurden die Verhandlungen über die Gottes-s dienslordnung abgeschlossen.