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Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter-
Mittwoch, 12. August 1825
waren geschlossen und durch eine Schütze reguliert wurde das Wasser des Neckarbetts langsam bestaut, so daß der Pegel in einer Viertelstunde etwa 10 Zentimeter stieg. Nach fünf Stunden war der Neckar aus einen Kilometer gestaut, so daß das Wasser an der Ueberleitungsstelle langsam ins Kanalbett einlief. Die Füllung des Kanals wird in drei Tagen beendet sein: während dieser Zeit ist die Schisfahrt bei Neckarsulm eingestellt.
Gerabronn. 11. Aug. Geblendet. Ein Fuhrwerk von Unterweiler wollte abends einen Mann, der den Fuß gebrochen hatte, ins Bezirkskrankenhaus Gerabronn verbringen. Kurz vor Gerabronn wurde das Fuhrwerk von einem Auto überholt. Anscheinend durch den Lichtschein geblendet, sprang das Pferd direkt ins Auto hinein. Das Auto kam dadurch über den Straßengraben ins Ackerfeld. Der Äutolenker erlitt durch den heftigen Anprall sehr erhebliche Schnittwunden im Gesicht, während die übrigen Mitfahrenden mit dem Schrecken davonkamen. Das Pferd erlitt gleichfalls erhebliche Schnittwunden und das Auto wurde ziemlich beschädigt.
Ekmi, 11. August. Ertrunken. Infolge eines Herzschlags ist der Bankbeamte Max Sailer von Mannheim, 'wohnhaft in Stuttgart, beim Baden im Ebnisee ertrunken.
Heidenheim. 11. Aug. Diebstähle. Auf dem Festplatz urde einem auswärtigen Feuerwehrkommandanten der ock mit 80 Mark Inhalt gestohlen. — Im Hauseingang des Gasthauses zum Lamm wurde ein Fahrrad gestohlen. — Im Weiler Aufhausen wurde ein gutes Fahrrad gegen ein altes, aanz schlechtes vertauscht. — In Mergelstetten wurde einer Krau eine Gsldmappe mit 240 Mark gestohlen.
Der 36 Jahre alte Karl Gnaier wurde vor zwei Tagen unter seiner Arbeitsmaschine in der Maschinenfabrik I. M. voith bewußtlos aufgefunden: er wurde ins Bezirkskranken- haus verbracht und hat bis jetzt das Bewußtsein noch nicht erlangt.
Nürtingen, 11. August. Schlimme Jugend. Einem badenden Fräulein wurde eine Handtasche mit verschiedenem Inhalt entwendet. Die Täterin wurde in einem noch schulpflichtigen Mädchen ermittelt.
Honau. OA. Reutlingen, 11. August. Absturz. Eine Frau aus Stuttgart-Wangen wollte beim Kassenfelsen den Weg adkürzen, rutschte aus und kam ins Stürzen. Ihr mit- wandernder 20jähriger Sohn versuchte die Frau zu halten, iam dabei auch ins Fallen und brach das linke Bein, während die Mutter mit leichteren Schürfungen davonkam. Beide wurden ins Bezirkskrankenhaus nach Reutlingen gebracht.
Tübingen, 11. August. Der Alkohol. Einige an der Mädchenrealschule beschäftigte Dachdecker belästigten nach dem Vesper in der Trunkenheit einen Schutzmann aus der Straße schwer und rempelten ihn trotz wiederholter Verwarnung immer wieder an. Der Schutzmann machte schließlich von der Waffe Gebrauch und verletzte den einen Angreifer mit dem Säbel tödlich; auch ein zweiter Dachdecker wurde verwundet.
Mldbad, 11. August. Ertrunken Beim Baden in der Enz ist der 18 I. a. Fritz Läppte, Sohn des stellvertretenden Schlachthausverwalters, ertrunken. Die Leiche konnte geborgen werden.
Schwenningen, 11. August. Gut abgelaufen. Auf der Straße Schwenningen—Rottweil befand sich das mit drei Personen besetzte Zweispännerfuhrwerk eines aus Herrenzimmern gebürtigen Bauern, als das dem Fabrikanten Paul Hohner aus Trosfingen gehörige, mit zwei Personen besetzte Auto ersteres überholen wollte. Das Fuhrwerk wurde an der Seite von links erfaßt und mitsamt den Pferden in den Straßengraben geworfen. Durch den Anprall hat der Lenker des Autos offenbar die Steuerung verloren und fuhr auf der gleichen Seite gegen einen Baum. Wie durch ein Wunder kamen die Insassen der beiden Fahrzeuge mit dem bloßen Schrecken davon, auch die Pferde erlitten keinerlei Verletzungen. Dagegen wurden beide Fahrzeuge stark beschädigt.
Gmünd, 11. Aug. ömWandelderZeiken. Die Zahl der Gmünder Wirtschaften ist seit 1912 von 128 auf 7k funken, die Hotels eingerechnet. Brauereien waren es 187h , 1912 noch 5, zur Zeit ist keine mehr in Betrieb. Trotz alldem ist bisher niemand verdurstet und an Platz zu Festlichkeiten und Vergnügungen hat es nicht gemangelt. Dis eingegangenen Wirtschaften und Brauereien wurden fast durchweg für Wohn- und Geschäftsräume eingebaut.
Ein schwerer Unfall ereignete sich zwischen der Wirtschaff, zum Wachthaus und Lorch, indem der Fuhrmann Georg
Wahl von Alfdorf von einem Langholzwagen siel, wobei sich eine Kette um seinen Hals wickelte. Schwer verletzt mußte er ins Krankenhaus nach Welzheim verbracht werden.
Ulm. 11. Aug. Hitzschlag. Abends erlitt der 51jährige Bauwsrkmeister Franz Wagner von hier, Sohn des verstorbenen früheren Oberamtsbaumeisters Wagner von Ellwan- gen-Jagst in Dellmensingen einen Hitzschlag, dem er erlegen ist. Wagner wurde mit dem Auto nach hier verbracht.
Am isamstag mittag ertrank beim Baden in der Günz bei Jchenhausen der ledige Kaufmann Xaver Weinmann, Sohn des Oberlehrers Weinmann-Schemmerberg. Der Leichnam wurde erst am Sonntag mittag gefunden und nach Schemmerberg übergeführt.
Aus Stadt und Land
Nagold, den 11. August 1925.
Ein Augenblick gelebt im Paradiese, wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt.
Schiller — Karlos I, 5.
Dienstnachrichten.
Die Reichsbahndirektion hat den Eisenbahnsekretär Kott- mann in Calw nach Bad Teinach versetzt.
Deutsch« Dolkskurzschrifk. Der 7. Haupttag des Kurzschriftbunds Stolze-Schrey sprach sich in einer Entschließung für eine deutsche Volkskurzschrift bei möglichst geringem Aufwand an Kraft und Zeit und genauer Darstellungsweise aus. Die sogenannte Einheitskurzschrift entspreche diesen Anforderungen in keiner Weife.
Wirksamkeit der Zeitungsreklame. Wie das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" mitteilt, hat eine sächsische Firma anläßlich einer Porzellanwoche bei ihren Käufern feststellen lassen, wodurch sie zu dem Kauf angeregt worden sind. Von 482 Personen, die Einkäufe gemacht haben, sind 153 durch Inserate, 118 durch die Schaufensterauslage, 76 durch Bekannte, 46 durch Verkäuferinnen, 31 durch Reklamezettel, die auf der Straße verteilt wurden, 30 durch die Ausstellung in den Geschäftsräumen und 12 durch den Chef des Hauses zum Kauf angeregt worden. Darnach übertrifft die Zeitungsreklame alle übrigen Reklamearten an Wirksamkeit.
Wetterpropheten im Tierreich. Der Glaube an den Laubfrosch, der den Städtern als der zuverlässigste Wettervorhersage! gilt, wird erschüttert, wenn man beobachtet, Laß dieser kleine grüne Kerl bei seinen Kletterübungen auf der Sproß- leiter das Wetter nicht im geringsten berücksichtigt. Ob er oben oder unten sitzt, ist mehr oder weniger Zufall und wird nicht durch das Wetter beeinflußt. Dem Landbewohner künden andere Tiere viel sicherer eine bevorstehende Aenderung des Wetters an. Verstummt an Hellen Sommertagen plötzlich das Gezwitscher der Vögel, so ist Regen oder ein Gewitter im Anzug- Steigt die Lerche hoch in die Lüfte und verharrt sie dort lange, so ist das gute Wetter von Dauer. Im Gegensatz dazu deutet das Hmstreichen der Schwalben dicht über dem Erdboden auf nabendes schlechtes Wetter. Unmittelbar bevorstehende Winterkälte soll daran erkennbar sein, daß die Forelle ihren Leich in die tiefsten Stellen des Wassers legt. Milde Winter dagegen lassen die Forellen ihre Eier vorher ganz nahe an das Ufer oder an seichte Stellen legen. Schwirrt die Mücke bis zur Nacht summend in dichten Scharen, dann ist am nächsten Tag schönes Wetter, sticht sie im Sonnenschein viel, so gibt es Regen. Zuverlässig als Wetterprophet ist die Spinne. Zieht sie lange Fäden, dann ist eine Periode schöner und sonniger Tage zu erwarten, verläßt sie ihr Lager nicht, so hat man mit trübem Wetter zu rechnen. Der Schmetterling verkriecht sich schon stundenlang vor Eintritt des Regens an die Unterseite der Blätter. Ob das Grasfressen der Hunde heraufziehenden Rek gen verbündet, ist nicht so sicher, wie viele glauben.
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Haiterbach, ll. Aug. Sieger des Gauturnfestes. Bei
dem am Sonntag, den 9. August in Altburg stattgefundenen Gauturnfest des Nagoldgaus errang der hiesige Turnverein folgende Preise: Die Musterriegs des Vereins erhielt in 8-Klasse einen 2. Preis. Im Zwölfkampf für Männer: Oberstufe: Ernst Kaupp einen 2. Preis; Unterstufe: Gottlieb Roller den 9., Eugen Lamparter den 16., Wilh. Walz den 21. Preis. Im Zwölfkampf für Jugendturner: Eugen Kaupp den 9., Albert Helber den 10., Fritz Renz den 11., Friedrich Helber den 16., Ernst Kaupp den l 9., Julius Helber den 22., Gottlieb Fischer den 23. Preis. Im Fünfkampf für Jugendturner: Karl Maier, Zimmermann, den l3., Karl Gutekunst den 15., Karl Zeiler den 17. Preis. Der Verein kann mit seinem Erfolg zu
frieden sein, da es ihm bis jetzl noch nicht vergönnt war, in der im Bau begriffenen Turnhalle seine Uebungen abzuhalten und immer auf dem entfernten Turnplatz sein Turnen im Freien abhalten mußte. Wir wollen hoffen, daß unsere verehrl Vertreter der Stadtgemeinde die Turnhalle sobald wie möglich soweit beendigen, daß der Verein in den nächsten Wochen seine Uebungen darin abhalten kann. Einen besonderen Dank gebührt dem fleißigen und tüchtigen Turnwart, Herrn Gottsieb Renz, der in den letzten Wochen keine Mühe scheute, um mit seinem Verein einen schönen Erfolg zu erzielen. Den Siegern rufen wir ein dreifaches „Gut Heil" zu.
Altburg, 11. Aug. Gauturnfest. 25 Jahre Arbeit im Dienste der Jugendpflege. Welche Blühe und Sorge, wieviele Freude und Erfolge schließt diese Zeitspanne in sich. Der Freude gab der T. V. Altburg durch Veranstaltung eines Festes Ausdruck. Um auch nach außen das Gemeinschaftsgefühl, das alle Mitglieder durchzieht, zeigen zu können, weihte er eine Fahne. Der Nagoldgau der D. T. verband mit dieser Doppelfeier sein Gauturnfest. Kein Wunder, wenn am 8. und 9. August das herrlich gelegene Schwarzwalddorf Altburg das Ziel zahlreicher Turner und Turnerinnen war. Wollten sie doch ihre Kräfte in ehrlichem Wettkampf den Eichenkranz erringen, alte Freundschaften erneuern, trauliche Geselligkeit pflegen und dem rührigen immer mit an erster Stelle im Gau und Kreis stehenden Bruderverein zeigen, daß seine Freude auch ihre Freude sei. Die Leistungen im Turnen, sowohl im Einzel- als auch im Vereinswettkampf zeigten, daß im Nagoldgau tüchtig gearbeitet wird und daß jeder Führer und Geführte seine Pflicht tat. Auch die Massenfreiübungen ließen nichts zu wünschen übrig. Leider wird dem Frauenturnen noch nicht das nötige Verständnis entgegengebracht und es wäre dringend zu wünschen, daß sich die Zahl der Leibesübungen treibenden weiblichen Jugend mehrte, ist doch der Wert des Frauenturnens für die Entwicklung des Körpers ungeheuer groß.
Folgende 1. und 2. Preise wurden verteilt: u) Männer: Sechskampf: Finkenbeiner Herm., TV. Nagold, 116 Punkte, 1. Preis; Müller Karl, TV. Horb, 107 P., 2. Pr.; Geiger Pl., Ebhausen, 107 P., 2. Pr. — Neunkampf (1890 und fr.): Wenaert Emil, TV. Calw, 157 P., 1. Pr.; Bozen- Hardt Gg., TV. Simmersfeld, t56 P., 2. Pr.: Stark Otto, T. Sch. Liebenzell, 135 P., 3. Pr.—Volkslüml. Vierkampf, Altersklasse: Böhler Gottlob, TV. Wildberg, 75 P., 1. Pr.; Krauß Karl, TV. Horb, 73 P., 2. Pr. — Neunkämpf, Altersklasse: (1891 bis 1895); Kolb Ernst, TV. Calw, 164 P., 1. Pr.; Wicker Gust., T.Schaft Liebenzell, 161 P., 2. Pr. — Zwölfkampf, Jugendturner (1907): Eschenbächer Gg., TV. Calw, 222 P., 1. Pr.; Wentsch Wilh., TV. Altburg, 212 P., 2. Pr. — Zwölfkampf, Oberstufe: Rentschler Martin, TV. Altburg, 203 P., I. Pr.; Kaupp Ernst, TV. Haiterbach, 194 P., 2. Pr. — Zwölfkampf, Mittelstufe: Pfrommer Matth., TV. Altburg, 200 P., 1. Pr.; Huber Gustav, TV. Calw, 182 P., 2. Pr.—Zwölfkampf, Jugendtürner : Jsola Rich., T.Sch. Liebenzell, 203 P., 1. Pr.; Schnaufer Alfred, TV. Calw, 178 P., 2. Pr. — Volkstüml. Fünfkampf, Jugendturner (1907—09): Müller Albert, TN. Horb, 97 P.,
1. Pr.; Katz Reinhold, TV. Hochdorf, 92 P., 2. Pr. — Zwölfkampf, Unterstufe: Kuner Egon, TV. Nagold, 211 P., 1. Pr.; Frey Gg., TV. Simmersfeld, 209 P., 2. Pr.; Steeb Fritz, TB. Simmersfeld, 209 P., 2. Pr.
b) Frauen: Siebenkampf: Krauß Rosa, TV. Calw, 129 Punkte, 1. Pr.;, Pfrommer Helene, außer Konkurrenz, 124 P.,
2. Pr.; Fink Charlotte, TV. Calw,. 114 P., 2. Pr.; Siebenkampf (1909 — 11); Albrecht Helene, TV. Altensteig, 130 P., 1. Pr.; Walker Lilly, T.Sch. Liebenzell, 122 P., 2. Pr. — Fünfkampf (1911 u. fr.): Schaible Helene, T.Sch. Liebenzell, 80 P., 1. Pr.; Schill Hilda, Ebhausen, 75 P.,'2. Pr.
Vereinswett-Turnen: 1. Männerriegen: Klasse A: TV. Calw 1. Preis; TV. Altburg 1. Pr.; TV. Altensteig 1. Pr.; TV. Ed- Hausen l. Pr.; TV. Simmersfeld 1. Pr.; T.Schaft Liebenzell
1. Pr.; TV. Simmozheim 2. Pr. — Klasse B: TV. Haiterbach
2. Pr.; TV. Neuhengstett 2. Pr.; Klasse C: TV. Wildberg
1. Preis; TV. Hochdorf 1. Pr.; TV. Möttlingen 1. Pr.; TV. Hirsau 1. Pr.; TV. Oberhaugstett 1. Pr.; TV. Rohrdorf 2. Pr.; TV. Ergenzingen 2. Pr.; TV. Deckenpfronn 2. Pr.; TV. Altheim
2. Pr.; TV. Untertalheim 2. Preis.
2. Frauenriegcn: TV. Calw I.Pr.; TV. Altensteig 2. Pr.; TV. Altburg 2. Preis.
Dem Bericht vom Montag ist nachzutragen: Jugendturnen: Unterstufe Erwin Kern, Nagold, 8. Preis.
Bad Teinach, 10. Aug. Iakobifest. Bei herrlichem Wetter wurde hier am Sonntag das Jakobifest abgehalten. Die Verschiebung des Festes, größere Veranstaltungen in anderen Orten und die fast unerträgliche Hitze hatten den Zustrom von Gästen etwas beeinträchtigt. Um V-.12 Uhr setzte sich der Festzug, stattlich, wie schon lange nicht mehr, in Bewegung, begleitet von den Klängen der Frank'schen Kapelle, Calw, und der originellen Schäfermusik mit Dudelsack aus Markgröningen.
fOer ZLel'esunkenteufell.
Roman von Otsrid von Janstein.
^ Amerikanisches Eopnriaht Carl Duncker. Berlin.
2g, -ocoo- (Nachdr. oerHK
Es ist Abend. Das Auto, in dem der gebrochene Kommerzienrat mit dem Kommissar Wendeborn saß, ist in der Dämmerung vor dem Hotel Ozeanic vorgefahren. Dicht vor Harburg wäre es fast zu einem bösen Unglück gekommen. Ein anderes Auto, ein großer, geschloffener Wagen, kam mit unerlaubter Geschwindigkeit hinter ihnen her. Kaum, daß es möglich war, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Kommissar Wendeborn hätte am liebsten seine Jagd ausgenommen, um den Störer der Ordnung festzustellen, wenn er nicht Wichtigeres vorhätte. So begnügte er sich damit, laut über den Unfug zu schimpfen. Im Hotel machte sich Selenius schnell etwas zurecht, während Wendeborn mit der Polizei telephoniert, dann kommt er vergnügt in das Zimmer.
„Klappt alles. Worth und die Künstler sind schon im Saalbau. Dieser ist vollkommen von Polizei umstellt. Ebenso der Peer, an dem die „Susquehanna" liegt".
Sie fahren zum Konzertsaal. Sie kommen ein paar Minuten zu spät und eben wollen die Diener die Türen schließen. Sie treten in einen großen und vollkommen überfüllten Saal, obgleich die Preise selbst für Hamburg kolossal sind. Der Saal ist bereits verdunkelt, denn ebenso, wie es in Luckenwalde geschah, werden die Künstler im dunklen Raum wirken. Nur das Ohr soll genießen, ohne daß das Auge verwirrt und ablenkt.
Selenius nimmt seinen Platz ein. Er bebt vor Zorn. Eben hat Norbert Winfried am Klavier Platz genommen. Beim matten Licht der Notlampen erkennt er den dichten Haarschopf des Künstlers. Ein kurzer Eongschlag. Durch den Saal geht ein leises Flüstern, dann wird es still. Norbert Winfried beginnt zuerst ein Musikstück eigener Komposition zu spielen. Selenius muß an sich halten. Zu gut kennt er des Künstlers Technik und Anschlag. Ein kurzes Stück,
der Saal wird nicht erst hell. Die zweite Nummer. Auf die Bühne huscht eine grüne Gestalt. Selenius hätte laut schreien können. Er kann natürlich das Gesicht nicht erkennen, aber der Schimmer des grünen Kleides, das sie auch in Luckenwalde getragen, leuchtet ein wenig. Eine Pause. Es dauert merkwürdig lange, bis sie beginnen. Selenius bebt vor Erregung, dann aber ertönen die Anfangsakkorde auf dem Klavier und hell, klar, sieghaft ertönt Ada Elenas Stimme durch den Saal. Ein Frühlingslied ist es, ein Lied von auflohendem Jugendglück und junger Liebe.
Selenius' Herz krampst sich zusammen. Nie hörte er sein Kind so herrlich, so voller innerem Glück und Jubel singen, wie heut! Heut, wo sie ihrem Vater das Herz zertrat!
Kommissar Wendeborn hat keinen Sinn für die Musik. Er neigt sich zu dem Kommerzienrat.
„Ist das Ihre Tochter?"
Er muß zweimal fragen, denn der Kommerzienrat ist so in seinem Gram, seiner Verzweiflung versunken, daß er nicht hört, dann fährt er aus:
„Natürlich!"
Er hat unwillkürlich so laut gesprochen, daß er störend auffällt und zur Ruhe gezischt wird. Wendeborn steht auf. Sie haben zwei Plätze dicht am Gang.
„Wir wollen sofort nach dem Schluffe des Liedes zur Verhaftung schreiten."
Selenius' Herz krampst sich zusammen. Er! Er soll sein eigenes Kind hier verhaften lasten! Im offenen Saal! Aber er hat keinen Willen. Er muß tun, was der Beamte verlangt. Entrüstete Blicke folgen den beiden, wie sie jetzt aufstehen und leise dem Podium zuschreiten. Das Lied ist zu Ende.
„Licht!"
Unruhe im Saal, Licht flammt auf. Ein Polizist ruft ein paar Worte in das Publikum, um eine Panik zu vermeiden. Wendeborn springt auf das Podium und legt seine Hand auf den Arm der Sängerin im grünen Kleide. Zwei Polizisten fassen den Mann am Klavier. Selenins starrt die Dame an, während Wendeborn laut sagt:
„Fräulein Elena, Sie sind verhaftet."
Eine Helle, fremde Stimme lacht auf.
„Ich bin doch nicht die Elena!"
Wendeborn wirft einen Blick zu Selenius, der mit seinem Atem ringt.
„Das ist nicht meine Tochter!"
Man bringt den Musiker.
„Ist das Norbert Winfried?"
„Mein Name ist Müller!"
Dröhnendes Lachen im Saal unter den Hunderten, die sich jetzt um das Podium drängen. Selenius schreit hervor:
„Das ist auch nicht Norbert Winfried! Das ist Zauber Das ist Wahnsinn! Wahnsinn, wie damals in Luckenwalde! Eben hat sie gesungen und er gespielt! Und jetzt sind sie wieder fort! Geraubt, gestohlen!"
Und dann geschieht etwas noch Unfaßbares. Am Klavier sitzt niemand, auf dem Podium steht niemand, aber plötzlich beginnt es wieder zu spielen. Norbert Winfried spielt und gleich darauf fängt Ada Elena auch an zu singen. Ihre grotze Arie. Im Saal ertönt ein brüllendes Lachen, Selenius ist erstarrt, der verhaftete Klavierkünstler und das Mädchen machen schadenfrohe Gesichter und Selenius preßt beide Hände vor seine Stirn und glaubt wahnsinnig zu sein. Aber Kommissar Wendeborn hat die Sachlage erkannt. Mit einem Sprung ist er im Hintergründe des Podiums. Dort steht auf einer kleinen Säule und von niemand beachtet ein dunkler Schalltrichter. . .
Jetzt hält er ihn in die Höhe. Freilich, es kommt em Vibrieren in die Töne, die ihm entquellen. „
„Eine Radiostation! Ein lautverstärkender Schalltrichter!" .
Inzwischen bringen Beamte auch den verhafteten Herrn Worth herbei.
„Sind Sie Herr Joe Worth?" ^
„Bedauere, mein Name ist Schulze und die Dame da m Fräulein Lehmann." ,
Die drei Herrschaften, die augenscheinlich sich aus,Mi Begegnung mit der Polizei und ein paar Wochen „our? gezogenheit" nichts machen, verhöhnen den Kommlyu Selenius ringt die Hände: .<>
„Wo ist mein Kind? Um Himmels Willen, wo ist m Kind?"
Wendeborn, selbst bestürzt, zuckt mit den Achseln. l-t