Sette 2 — Nr. 17«
Deutscher Reichstag
Die Einkommensteuer — Handgemenge im Reichstag
Berlin, 30. Juli.
106. Sitzung. Schluß. Präsident Löbe teilt mit, daß vo« den Regierungsparteien ein handschriftlicher Antrag »ingegangen sei, der eine andere Fassung des Kompromißantrags zum Paragraphen 70 versieht.
Danach bleiben für die Ehefrau und für jedes minderjährige Kind je 10 Prozent des Arbeitslohns, der über das Existenzminimum hinausgeht, vom Steuerabzug frei. Es -leiben steuerfrei für die Ehefrau 120 Mark, für das erste Sind 120 Mark, für das zweite Kind 240, für das dritte Sind 420 Mark, für das vierte und jedes folgende Kind je L00 Mark jährlich, wenn der nach Ziffer 1—5 insgesamt Peuerfrei bleibende Betrag höher ist als der nach Ziffer 1 insgesamt steuerfrei bleibende Betrag.
Die Paragraphen 51 und 53 werden nach der Ausschußvorlage angenommen, ebenso Paragraph 54, der für die Einkommensteuer folgenden Tarif festsetzt: Bis 3000 Mark Einkommen 10 Prozent, für die weiter angefangenen oder »ollen 4000 Mark 12,5 Prozent, für die weiteren 4000 Mark U5 Prozent, die weiteren 4000 Mark 20 Prozent, die weiteren 8000 Mark 25 Prozent, die weiteren 18 000 Mark 30 Prozent, die weiteren 34 000 Mark 35 Prozent und für die weiteren Beträge des Einkommens 40 Prozent.
Darauf wird der neue Kompromißantrag zur Lohnsteuer angenommen, der u. a. vorsieht, daß Die Mindestsätze für die Ehefrau und Kinder gelten, wenn sie zusammen einen höheren steuerfreien Betrag ergeben als bei dem Abzug nach Prozenten. Verschiedene Gegenanträge der Opposition werden abgelehnt.
Bei dem Kapitel Veranlagung zur Kirchensteuer verlangt Abg. Vierath (Komm.), daß dis Kirchengläubigen ihre Pfaffen selber bezahlen. Das Reich Habs nicht Mtig, die Kirche zu unterstützen, die im Rheinland die meisten Sonderbündler gestellt Habs. Die Anhäufung der Schätze ,n der Kirche sei ein Luxus. Es sei doch unnötig, in der Kirche den feinsten Wem aus goldenen Kelchen zu schlemmen, während man das Proletariat hungern lasse. Wenn die Kirche Geld brauche, so solle sie doch „Eintrittsgeld" erheben. Redner spricht weiter gegen das „Pfaffentum", während im Zentrum und auf der Rechten die Unruhe immer größer wird. Vizepräsident Gräf bittet den Redner, die Gefühle eines großen Teils der Mitglieder des Hauses zu Achten. Abg. Esser (Z.) ruft: „Halten Sie Ihre Bande in vrdnung!" Wütend stürzt Abg. Iadasch (Komm.) auf Esser los; Abg. Heis stellt sich ihm entgegen, wird aber zur Seite geschleudert. Andere Kommunisten drängen nach. I^iter großem Lärm kommt es zu einem Handgemenge. Der Vizepräsident vertagt die Sitzung um eine Viertelstunde. Es herrscht große Erregung im Saal.
Nach Wiederaufnahme der Sitzung nach 9 Uhr-teilt Vizepräsident Gräf mit, daß der Abg. Iadasch im Einverständnis mit dem Aeltestenrat für die Dauer der Sitzung ausgeschlossen sei. Große Unruhe der Kommunisten. Abg. Könen (Komm.) ruft dem Zentrum zu: „Organisierte Räuberbande!", und erhält einen Ordnungsruf. Minutenlanger Lärm. Abg. Vierath verlangt wieder das Wort, das ihm der Vizepräsident verweigert, weil er seine Rede beendet habe. Tosender Lärm. Die Sitzung wird wieder auf 10 Minuten unterbrochen. Nach der Wiedereröffnung 954 Ubr erklärt der Vizepräsident, er habe sich überzeugt, daß die Rede Vieraths noch nicht abgeschlossen gewesen sei, der Abgeordnete könne weiter sprechen.
Als Abg. Vierath zu sprechen beginnt, verläßt das Zentrum den Saal. Er habe nicht die Religion herabgesetzt, sondern die Auswüchse des Pfaffentums gegeißelt. Vierath erhält einen Ordnungsrust er kündigt an, seine Freunde werde« die Beschlüsse der Reichstagsmehrheit mit der Werbung für den Kirchenaustritt beantworten.
Der kommunistische Antrag auf Streichung des Kirchensteuerparagraphen wird abgelehnt, der Kompromißantrag der Regierungsparteien angenommen. Paragraph 92 ä vegeK die Rückerstattung der zu viel eingezogenen Äcchmabzüge. Hierzu wird mit den Stimmen des Zentrums «ü» sozialdemokratischer Antrag angenommen, wonach eine Rückerstattung auch dann geschehen soll, wo, wie bei den Heimarbeitern, der Lohn nicht für einen bestimmten Zeitraum bezahlt wird. Die weiteren Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes werden in der Ausschußfassung angenommen, ft> daß um 1054 Uhr die zweite Beratung dieser Steuervorlage erledigt ist.
. —Abg. Reumann- Ostpreußen (Z.) erlitt infolge Ueber-
Nagolder Tagblatt »Der Gesellschafter"
anstrengung durch die endlosen Sitzungen einen Ohnmachts- anfall und mußte ins Krankenhaus verbracht werden.
Im Haushaltausschuß wurde von deutschnationaler Seite erklärt, eine Erhöhung der Beamtengeh älter wäre wünschenswert, doch sei die Finan.zlage des Reichs maßgebend.
Württemberg
Skukkgark, 30. Juli. Verfassungslag. Nach emer Bekanntmachung des Staatsministeriums sind am Dlenskag, den 11. August ds. Is. zur Feier des Verfafsungstags die staatlichen Dienstgebäude in den Reichs- oder Landesfarben M beflaggen. Zur Teilnahme an etwaigen Feiern kann den Beamten und Angestellten, soweit die Dienstverhältnisse es gestalten, Dienstbefreiung gewährt werden.
«Das Schwäbische Land." Der 350 000ste Besucher der Ausstellung „Das Schwäbische Land", der siebenjährige sohn Robert des Obersteuersekretärs Theodor Lang aus Würzburg, der mit seiner Mutter zu Besuch in Stuttgart weilt, hat am Mittwoch mittag eine schöne silberne Taschenuhr bekommen. Das gleiche Geschenk liegt für den 400 OOOften Besucher bereit-
Me deulfchs Drsgisten-Ausstellung im Handelshof in Stuttgart, die am 1. August durch den Staatspräsidenten Bazille eröffnet wird, bietet des Sehenswerten für Geschäftsleute und namentlich auch für die Hausfrauen außerordentlich viel. Dis Beteiligung der Fachleute und der einschlägigen Industrie ist so groß, daß die ausgedehnten Räume bis zum letzten Platz besetzt sind. Für das Publikum ist die Ausstellung geöffnet am Sonntag, den 3. Aug. von nachmittags 1 Ahr an, an den Werktagen von vormittags 9 Ahr bis 7 Ahr abends. T'f'T chT b 'isi/ ' °
Der «Rükrrherlkmndige". Der erst 22jährige Christian Schöffel von Renningen betrieb den Verkauf von Waren einer Firma .im Auftrag". Verschiedene Male hat er aber die eingenommenen Geldbeträge nicht an die Firma abgelieferk, sondern für sich verbraucht. Am sein Einkommen zu verbessern, gab er sich dann als Nakurheilkundigsr aus, besuchte Kranke auf dem Lande, schwätzte ihnen Rezepte, die er selbst aussetzte, auf und ließ sich dafür 25—30 Tl bezahlen. Das Schöffengericht Stuttgart verurteilte den Schöffel wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Anter- fchlagung zu 6)4 Monaten Gefängnis und Tragung der Kosten des Gerichtsverfahrens'.'^^iH^.^,
Vom Tage. Bei der Wildparkskation wurde eine 25 Jahre alte Arbeitslehrerin durch einen Personenkraftwagen zu Boden gefahren. Sie trug einen Bruch der Schädeldecke davon und mußte nach dem Marienspital verbracht werden. Die Schuld an dem Vorfall soll die Verletzte selbst treffen.
Aus dem Lande
Geislingen a. Sk.. 30. Juli. Milchverwässerung. Wegen fahrlässiger Milchverwässerung verurteilte das Amts- qericht vier Milchlieferer von Böhmenkirch zu Strafen von 20 bis 40 Mark.
Heidenhsim, 30. Juli. Berbandskag der Schrei- nermeisier. Vom 15. bis 17. August findet hier unter dem Vorsitz des Reichstagsabgeordneten und Vorsitzenden des würtk. Landesverbands der Verbandstag der Schrei" nermeister Württembergs statt. Die Stadt wird den Gästen u. a. eine Schloßbeleuchkung bieten.
Ehingen, a. D., 30. Juli. Jubiläum. Am 21. Sepk. wird das hundertjährige Bestehen des Ehinger Gymnasiums, mit Konvikt als Bollansta.lt festlich begangen werden. Die Anstalt besteh! als lateinische Schule schon über 600 Jahre.
Rottenburg, 30. Juli. Die herzogliche Familie beim Bischof. Gestern überbrachte Herzog Albrecht von Württemberg mit seiner Familie Bischof von Keppler die MM-wünsche zum goldenen Jubiläum und überreichte als Festgabe einen Kelch. Auch die 80 jährige Herzoginmutter PHAß-p war erschienen. Rach einftündigem Besuch kehrte Äse herzogliche Familie nach. Friedrichshafen zurück.
KMÜnd, 30. Juli. Verhaftung von Kommunisten. .Im Lause des gestrigen Tages unternahm die Stutt- Mrisr politische Polizei hier eine Kommunisten-Razzia. Eine Anzecht Haussuchungen wurde vorgenommen. Man suchte :rach Verbotenen Schriften. Zwei junge Arbeiter, Ernst Kopp
Robert Ditter, wurden in Haft genommen.
Freitag, 31. Juli 1928
Kleineiskmgen OA. Göppingen, 30. Juli. Unfall am Göpel. In einem Anwesen an der Pfarrstraße wurde abends Häcksel geschnitten, zu m 'chem Zweck der vor dem Htrvse stehende Göpel in Betrieb gesetzt wurde. Ein ILjähri- g«r Junge wollte auf das Getriebe stehen, geriet aber m ei» Kammrad, wobei ihm an einem Fuß der Ballen zum großen Teil abgequetscht wurde. Der verunglückte Knabe wurde ins Bezirkskrankenhaus übergeführt.
Geislingen a. Sk„ 30. Juli. Mord. Heute früh wurde im HaHentäle ein Dienstmädchen ermordet aufgesunden. Der Täter Kst bereits ermittelt und festgenommen.
Alm, 30. Juli. Aus Verzweiflung. Freiwillig a«, dem Lebe« geschieden ist ein 19 Jahre alter Mann, inde« er sich mit Leuchtgas vergiftete. Er bekam am Fuß ein Leide:«, das chm die Betätigung körperlicher Hebungen unm»». Hch machte. Angesichts des Landesturnsestes und seines Eindrucks nahm er sich sein Los so zu Herzen, daß er den verhängnisvollen Schritt tat.
Die Ernteaussichten im Jahr 1925
Von Direktor Dr. Ströbel Die Nachrichten über die Ernte in Amerika sind sehr widersprechend. Nach den bisherigen Schätzungen des Acker- bauminjsteriums der Vereinigten Staaten wird die Erntemenge voraussichtlich 404 Millionen Bushels Weizen gegen 590 Millionen im Vorjahr betragen. Die Erträge sollen außerordentlich schwanken. Der Minderertrag des Winterweizens soll teilweise ausgeglichen werden durch eine gute ' Sommenweizenrrnte. Allem Anschein nach scheinen die Vereinigten Staaten für die Ausfuhr in diesem Jahr nicht die ausschlaggebende Rolle zu spielen.
In Kanada sind die Weizenaussichten günstiger wie in den Mr.einigten"Staaten. Man vermutet, daß der dort erzielte Üeberschuß den Minderertrag der Vereinigten Staaten ausgleichen wird. Allerdings soll der in Kanada austretende schwarze Rost den Ertrag nicht unerheblich beeinträchtigen, so daß man auch hier vor Ueberraschungen nicht sicher ist.
In Argentinien hat sich der ersehnte Regen eingestellt, so daß die Ernte beftipdi^end sein wird.
Ungünstiger liegen die Verhältnisse in Indien, wo die Erträge gegen das Voriahr stark zurückgehen. Der indische Export wird infolgedessen „??'N? zu große Rolle spielen und den Weltgetreidehandel pich? wesentlich beeinflussend Australien sitzt noch auf Vorräten aus dem Jahr 1924, die es womöglich noch vor der diesjährigen Ernte an den Mann zu bringen sucht. Ohne dieses Ueberangebot würden bei uns die Preise anziehen. Infolge der Verschlechterung der französischen und italienischen Valuta drängen sich die Australier auf den deutschen Markt. Die Ernteaussicht« für 1925 sollen günstig sein. -4-
lieber die nordafrikanischen Ernten lauten die Berichte sehr verschieden. In manchen Landesteilen sind die Er-Ti ge gut, in manchen sind Mißernten.
In Europa sind die Ernteaussichten im allgemeinen gut. Die Donauländer rechnen mit einer guten Ernk und einer verstärkten ALsfuhrtätigkeit. Astch in Polen und Spanien werden gute Ernteausfichten gemeldet. Ueber die russische Ernte ist ein einigermaßen zuverlässiger Bericht nicht zu erhalten. Da die Ukraine mit ein« Miltelrnte rechnen kann, wird jedenfalls Rußland als Einsuhrstaat in diesem Jahr nicht in Frage kommen. Ob es Getreide aussühren kann, läßt sich heute noch nicht sagen.
In Deutschland sind die Brotgetreidevorräte mm Vorjahr erschöpft. Die bevorstehende Ernte an Brotgetreide wird als Mittelernte bezeichnet werden können. Anders liegen die Aussichten bei dem Sommergetreide. Hier wird die Gerste Mar nach einen befriedigenden Ertrag liefern, dagegen wird vo« vielen Teilen des Reichs der Haferertraz sehr nieder eingeschätzt. Da die Anbaufläche -es Hafers i> Deutschland groß ist, so beeinträchtigt ei« geringer Ernteertrag bei dieser GekMwart den Gesamtertrag ganz weseirt- l«h. Bo« der da und dort gemeldeten „glänzenden Ernte" wirb man also leider große Abstriche machen müssen. Die Futterernte scheint insgesamt gut zu werden, nachdem nun auch infolge der günstigen Witterung der zweite Futterschnitt gut angesetzt hat. Ueber die Hackfruchternte läßt sich no-^ kein abschließendes Urteil fällen.
In diesem Zusammenhang soll auch noch kurz über den Stand der Früchte in Württemberg berichtet werden. Der Stand des Winterastreides ist befriedigend, teilweise recht gut, besonders in Roggen. Bei dem Sommergetreide haben mir das gleiche Bild wie in vielen Teilen des Reick« die Gerste steht befriedigend, mährend der Laser in vielen,
Der TeLefirnkenteufeL.
Roman von Otfrid von sanftem.
Amerikanisches Copyright Carl Duncker, Berlin.
17- ——- (Nachdr. oerb.)
»Ist geraubt, ich weiß."
Fast tut es dem Kommerzienrat wohl, daß jener „geraubt" sagt und nicht „geflohen". Walker liest in seinem Gesicht und fährt fort:
„Daß Fräulein Elena nicht mit Herrn Winfried geflohen ist, Üt selbstverständlich."
Selenius Sympathie wächst.
„Wie könnte eine Dame von so tadelloser Erziehung einen solchen Skandal Hervorrufen?"
„Nicht wahr!"
„Zudem es vollkommen zwecklos wäre, denn wenn Sie zu der Ueberzeugung kommen würden, daß Ihr Fräulein Tochter Herrn Winfried liebt, würden Sie ebenso selbstverständlich einverstanden sein."
„Erlauben Sie.-"
„Wenn die beiden jetzt zusammen auf eine Tournee nach Amerika gehen-"
»Auf -"
„Sie können sich doch denken, daß ich deshalb komme, natürlich im Auftrag, meines Schwiegervaters in spe."
„Herr, meine Tochter ist fort."
„Ganz recht. Sie ist im Begriff, eine Tournee nach Amerika zu machen. Sie wird diese machen, ganz sicher, nur fragt es sich, ob als Star der weltberühmten Direktion James Eoldsmith oder als gewissermaßen Gefangene eines Konkurrenzunternehmens."
„Als Gefangene? Ich verstehe nicht."
Walker setzt sich, ohne die vergessene Aufforderung des Kommerzienrats abzuwarten und schlägt gemütlich ein Bein über das andere.
„Warum sollte man sonst Ihre Tochter entführt haben und gleich den Musiker mit ihr zusammen? Ein Raub? Geld und Juwelen sind da! Etwa ein Mädchenhändler? Warum
dann Winfried? Natürlich, wenn Sie sich an die Polizei wenden! Die gehen den ausgetretenen Weg und denken nicht tiefer über die Dinge nach. Hätten Sie einen amerikanischen Detektiv, der würde Ihnen gesagt haben, wer die beiden zusammen raubt, will eben von ihnen das, was sie t zusammen zu geben vermögen, und das sind Konzerte."
I „Wer kann zwei Menschen zum Singen und Spielen r zwingen?"
Walker zuckte die Achseln.
„Wir sprachen vorhin von Mädchenhändlern. Auch die keuscheste Frau wird fallen, wenn Gewalt und Not sie zwingen."
Selenius zuckt zusammen, die Bestimmtheit in der Rede des Amerikaners macht ihn schauern, -aber er schüttelt den Kops.
„Lächerlich. Wo soll sie singen? Wo sie auftritt, wird die Polizei doch sehen, jedes Publikum kommt ihr zu Hilfe, in jeder Stadt wird nach den Entführern gefahndet werden, gleichviel, ob in Europa oder wo sonst."
Walker ist aufgestanden und geht an den Schreibtisch. Er scheint ablenken zu wollen.
„Sie da, ist das nicht ein Empfangsapparat des Voxhauses? Ganz recht, ich kenne diese Art. Das Elühlämp- chen da ist wohl das Audion? Ist hier noch in den Kinderschuhen und bei uns drüben hat jeder Mensch so,' ein Ding!"
Selenius ist ärgerlich, aber Walker fährt fort und ist wieder sehr ernst.
„Nicht wahr, dieser Rundfunk vermittelt Ihnen an jedem Abend ein Konzert?"
„Allerdings."
Walker tritt dicht an ihn heran.
„Wissen Sie, wo die Musiker sind, die da spielen?"
Selenius wird aufmerksam.
„Natürlich nicht."
„Nun denken Sie einmal irgendwo im Umkreise von 300 Kilometern, soweit ist ja wohl die Reichweite der Wellenstärken, sitzt Ihre Tochter und singt, während Winfried dazu spielt."
Er hat, wie zufällig, den Hörbügel über den Kopf gestreift, dann nimmt sein Gesicht den Ausdruck des höchsten Erstaunens an.
„Wie ist mir denn — hören Sie selbst!"
Er legt dem Kommerzienrat den Bügel um, dieser lauscht widerwillig einen Augenblick, dann springt er aus.
„Ada und Winfried."
Er zittert an allen Gliedern und läuft auf und nieder, dann stürzt er wieder zum Apparat:
„Ada und Winfried! Ich kann mich nicht irren. Es ist dieselbe Arie, die beide in Luckenwalde im Niendorfsaal sangen. Verbinden Sie mich mit dem Voxhaus! Ich flehe Sie an, mir beben die Finger."
Walker geht zum Telephon und der Kommerzienrat kan« kaum den Hörer halten. „
„Wer hat eben gesungen — ich meine im Rundfunk?
„Wir wissen es selbst nicht. Es war eine Pause in unseren Darbietungen, da plötzlich kam dieser Gesang. Es ist zweifellos, daß irgendwo eine wilde Sendestation besteht, die zufälligerweise mit der gleichen Wellenlänge arbeitet, wie wir. Wir haben mit Absicht zu Ende singen lasten, damit auch die sofort benachrichtigte Polizei sich überzeugte."
„Wo ist diese Sendestation?"
„Irgendwo im Umkreise von 300 Kilometern."
„Teufel, ist denn das so einfach?"
„Durchaus nicht, es gehört nicht nur eine große Antennenanlage, sondern eine starke Hochfrequenzmaschine dazu, solche Ströme zu erzeugen."
„Das mutz doch die Polizei ermitteln."
„Natürlich."
Selenius wendet sich an Walker. . <
„Ich vermag kaum zu denken, bitte verbinden Sre mrcy mit der Polizei." , . ^
„Das ist zwecklos. Wollen Sie warten, bis die die svv Kilometer absucht, oder glauben Sie, daß jene wilden Unternehmer darauf warten?"
„Aber dann muß ich doch . . ."
Walker nickt: ^
(Forts, folgt.)