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Ax, 218 Gegründet 1826.
Tagesspiegel
Minister Dr. Skresemann wirb wieder in den Urlaub zehen. Von der angeküudiglen Zusammenkunft mit fremden Mplomaten in der Schweiz scheint Abstand genommen zu sein. .
V.T.B. meldet: Der päpstliche Sondergesandke für das besetzte Gebiet, Testa, reist am Mittwoch nach Rom zurück, mn dem Papst über seine Tätigkeit Bericht zu erstatten.
Nach einer italienischen Meldung haben die Riffkabylen die befestigte Stadt Leula in Marokko eingenommen.
Mussolini in Nöten,
Der poliüfche Mord in Italien
Di« Leiche Matteottis hat Ae Lust Italiens vergiftet. So tMNV kürzlich zur Ermordung des saszistischen Abgeordneten Tllsatsui.
Es ist ungefähr einen Monat her, daß M us s o l i n i im Wstischen Nationalrat eine Rede hielt, die eine Mischung war von stolzem Mut und banger Sorge. Er pries die Taten des Faszismus, über die man nicht hinweggehen könne. Wenn Triest heute der große Handelshafen sei, von dem das italienische Volk geträumt habe, so verdanke man das der Faszistischen Regierung. Wenn Äer Außenhandel eine Neu- belebung erfahren habe, wenn man in den Fabriken sicher arbeiten, wenn man neue Institute gründen könne, wenn die Provinzen und Städte sich ausdehnten, wenn Italien über eine Luftflotte verfüge, die unter faszistischer Leitung von 85 auf 1900 (!) Flugzeuge angewachsen sei, wenn es ein Hs« habe, das den kriegerischen Geist der Nation zum Ausdruck bringe, wenn in den Kolonien Ruhe herrsche, wenn Italien !m Iubaland seine Besitzungen um 91000 Quadratkilometer habe ausdehnen können, wenn es 17 Handelsverträge abgeschlossen habe, so seien das doch alles Taten und keine leeren Worte gewesen.
Aber Mussolini erkennt auch deutlich die gegen ihn hercm- marschierende Gefahr. Der Plan Der Oppositionsparteien, so gestand er, gehe daraus hinaus, den Faschismus moralisch md materiell zu vereinsamen. Seine parlamentarische Mehrheit in der Kammer soll zersetzt werden. Die Opposition hasse, daß von den 350 Abgeordneten der Mehrheit im gegebenen Augenblick einige Liberale, gefolgt von einigen Kriegsverletzten und Kriegsteilnehmern der faszistischen Partei,
eigene Faust handelten, sodaß dann dm: Augenblick gekommen sei, wo man sagen könne, die Regierung sei verraten! und verkauft. . . . Das war von dem klugen Diktator richtig gesehen, aber noch nicht die volle Wahrheit.
Die Wahrheit ist, daß die Macht der faszistischen Regierung auf die zwei Augen Mussolinis gestellt ist und daß sie W einem Faden hängt. Entfernt sich der Duce von Rom, wie vor einiger Zeit z. B. nach Sizilien, so droht die Auf- iehnuna. Im Lager der Schwarzhemden entbrennt sofort er heftigste Streit. Die eigenen Leute werfen ihm vor, Laß er mit den Ausgaben für die nationale Sache zu sparsam sei. cklle politisch Denkenden erkennen mit Schrecken, daß Miusso- stni an der Spitze eines auf Staatskosten unterhaltenen und mit Staatsmitteln ausgerüsteten Parteiheeres steht, das größer ist als Las königliche Heer. Wo soll das hinaus? Zu dieser seiner Miliz sprach Mussolini: „Ein deutscher Philosoph hat gesagt: Lebe unter Gefahren! Ich möchte, daß ihr dieses Wort auf eure Fahnen schreibt, damit ihr es immer vor Augen habt!" War das ein Spielen mit einem Staatsstreich oder die heimliche Furcht vor einer Bartholomäusnacht, die die Gegner dem Faszismus unter Umständen bereiten könnten?
Mussolini will sich jetzt in seiner Politik den Arbeitermassen nähern. Er reicht den Sozialisten die Versöhnungshand. Aber die spucken hinein. Auch die übrigen Oppositionsparteien wetzen ihre Waffen. Diese heißen Parlamentsstreik und Presseorganisation. Alle großen Zeitungen Jta- ümis stehen heute im oder doch hinter dem Lager der Opposi- Äm. voran der „Popolo", das streitbare Organ der katholi- fchsn Partei. Und auf die Mauern der Häuser schreibt wie im alten Rom das Volk seine Leitartikel: Matteotti mit einem v davor (Evoiva!), Mussolini mit einem umgekehrten v (Nieder mit ihm!). Die Zensur läßt Las ^ so durchkreuzen, daß wieder ein Evviva daraus wird. Aber ob man damit das Schicksal aufhält?
Neue Nachrichten
Der Kabineksral
. Berlin, 16. Sept. In der gestrigen Kabinettssitzung, in der mit anderen Gegenständen auch der Widerruf und der Eintritt in den Völkerbund zur Erörterung kam, wurde nach amtlicher Mitteilung festgestellt, daß in diesen Fragen volle Übereinstimmung im Kabinett bestehe. Die entscheidende Stellungnahme zu den beiden Fragen wurde einer neuen «abinettssitzung am 22. September Vorbehalten, in der der Reichspräsident Ebert Len Vorsitz führen will.
Der Reichskanzler ist wieder in die Ferien abgereist.
Mittwoch de« 17. September 1824
Verschiebung des IDUcrrnss
Berlin. 16. Sept. Gestern morgen fand eine Aussprache zwischen dem Reichskanzler und Minister Stresemann statt, die eine Uebereinstimmung beider in den Fragen des Wider- rufs und des Beitritts zum Völkerbund zur Folge hatte. Nach den Vlättermeldungen soll der Reichskanzler ungehalten gewesen sein, daß Stresemann am letzten Freitag einigen Zeitungsvertretern angeblich voreilig und ohne Wissen des Kanzlers sich für die Ankündigung des Widerrufs der Schuldlüge und für eine abwartends Haltung bezüglich des Völkerbunds ausgesprochen hatte. Das Zentrumsblatt „Germania" berichtet, es habe sich gezeigt, daß die amtliche Bekanntgabe des Widerrufs an das Ausland augenblicklich untunlich sei, die Bekanntgabe werde daher einstweilen nicht erfolgen. Daraus bezieht sich die liebereinstimmung, von der in der gestrigen halbamtlichen Erklärung die Rede war. Es dürfe als sicher gelten, daß der nächste Kabinettsrat unter dem Vorsitz des Reichspräsidenten im gleichen Sinn beschließen werde. Me Kriegsschuld- stage sei damit einstweilen erledigt, bis sich ein geeigneter Anlaß ergebe, und das könnte der Fall sein, wenn es sich mn den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund handle.
Am den Vürgerblock -
Berlin, 16. Sept. Die Blätter der Linksparteien behaupten, Minister Stresemann sei für die baldige Aussendung des Widerrufs eingetreten, um die Frage der Umbildung der Regierung durch Einbeziehung der Deutschnatio- aalen gemäß den früheren Verhandlungen zu beschleunigen, er sei aber auf den Widerstand des linken Flügels des Zentrums gestoßen und er Habe dem Reichskanzler nachgegeben. Das Zentrum wolle erst den Verlauf der Vertreter-
Versammlung der Deutfchnationalen Volkspartei am 30. September abwarten, um zu sehen, wie diese Partei zu dev außenpolitischen Fragen stehe.
Parmoor — Stresemann
Berlin, 16. Sept. Auf dir Aeußerrmg Dr. Stresemann s, daß in London niemand mit ihm über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gesprochen habe, befragte der Genfer Berichterstatter des Sozialdemokr. Parlamentsdienstes den englischen Vertreter Lord Parmoor, ob dies zutreffend sei. Parmorr soll erwidert haben: Das könne er nicht verstehen- Stresemann habe in seinem (Par- moors) Landhaus in Hengst« mit Prof. Gilbert Murray und mit ihm (Parmoor) eine lange Unterredung darüber gehabt. Auch mit dem Reichskanzler sei darüber gesprochen worden.
Der „Lokalanzeiger" schreibt, offenbar in Ermächtigung, dazu: „Wir wissen nicht, ob die Aeuherung Lord Parmoor- tatsächlich gefallen und vom Sozialdemokr. Parlamentsdienst richtig wiedergegeben ist. Tatsächlich hat aber Lord Parmoor bei der Anwesenheit des Reichskanzlers, des Außenminister- and des Finanzministers Dr. Luther am Sonntag, den 10 August, in Hengstei mit keinem der drei Herren über dir Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund gebrochen." — An dem genannten Tag waren die drei deutschen Minister von Parmoor zu Gast geladen.
Deutsche Beschwerde gegen die Versteppung der „Begnadigung"
Berlin. 16. Sept. Namens der Reichsregierung Hai der deutsche Geschäftsträger in Paris am 10. Sept. bei der französischen Regierung Beschwerde geführt, daß die Durchführung der in London vereinbarten Begnadigung von französischer Seite hingezogen werde, während von deutscher Seit« das Abkommen sofort restlos erfüllt worden sei. Am 14. Sept. hat daraus die französische Regierung ,nit-geteilt, daß nun- irrehr 145 Deutsche in Freiheit gesetzt und 760 (!!) noch schwebende Strafverfahren niedergeschlagen worden seien. 106 weitere Deutsche sollen demnächst in Freiheit gesetzt werden. — Und die große Zahl der übrigen?
Vom Eisenbahnverwalkungsral
Berlin, 16. Sept Im gestrigen Kabinettsrat war u. a. von der Ernennung der deutschen Mitglieder des Verwal- mngsrats der Eisenbahngessllschast (von 9 sollen 5 Deutsch« sein) die Rede. Auf bestimmte Personen konnte man fick noch nicht chnigen. Es scheint jedoch festzustehen, daß von Lifenbahnperfonal selbst kein Vertreter im Verwaltungsrat Sitz und Stimme haben wird. Auch die ver chiedenen Eisenbahnerverbände konnten sich nicht auf einer gemeinsamen Vertreter einigen, und so haben die freier ssoz.) und die christlichen Gewerkschaften je einen Vertrete: zorgeschlagen. Dies hat anscheinend die Reichsregierun« zeranlaßt, von der Vertretung des Personals im Verwal- ungsrat Abstand zu nehmen, womit aber die Gewerkschcch en nicht ginverstanden sind.
Auflösung des preußischen Landtags?
Berlin, 16. Sept. Innerhalb der Regierungsparteier >cs preußischen Landtags ist von der Deutschen Volksparte! md den Demokraten beantragt worden, im Februar 192l Neuwahlen zu veranstalten. Von sozialdemokratischer Seit« wird ausdrücklich festgestcllt, daß die Sozialdemokratie sick noch in keiner Weise gebunden habe.
Fernsprecher Nr 29 88. ItlhkglMA
Kahrs Medereinstellung
München, 16. Sept. Wie verlautet, soll der früher« Staatskommissar v. Kahr zum Präsidenten des VerrvaL tungsgerichtshofs in München ernannt werden. Oberst Seiher ist wieder in den Dienst eingestellt.
Vom Völkerbund
Eens, 16. Sept. Der dritte Ausschuß des Völkerbunds Hai sich unter dem Vorsitz des Tschechen Benesch bezüglich Lei Sicherheit und der Sanktionen vorläufig auf eine Forme, geeinigt, daß das Schiedsgerichtsverfahren allgemein verbindlich sein soll und daß militärische Zwangsmaßnahmen gegen denjenigen Staat getroffen werden sollen, der das Schiedsgerichtsverfahren nicht anerkennt. Eine Abrüstungskonferenz solle erst abgehalten werden, wenn diese Bedingungen allgemein vertraglich anerkannt sind.
Die Franzosen sind von diesem Ergebnis, das den Siex des französischen Standpunktes bedeuten würde, sehr befriedigt. Auf englischer Seite bestehen schwere Bedenken, und man wünscht, daß die Abrüstungssrage vorher auf eines neuen Konferenz geregelt werde, die im kommenden Frühjahr stattfinden soll- Italien lehnt dagegen jede Aenderun-g des Sicherheitsvorschlags ab.
Die arabische Abordnung aus Syrien und Palästina, Prinz Lutsallat und Emir Chekib Avslau, werben im Völkerbund stark gegen das französische „Mandat" in Syrien und das englische „Mandat" in Palästina und Mesopotamien, besonders gegen die jüdische Herrschaft in Palästina. Um dem entgegenzuwirken, ist der jüdisch-zionistische Oberst Kißl in Gens eingetroffen.
Internationale Zusammenkunft der Kriegsteilnehmer
Dsndon, 16. Sept. Am Montag wurde die 5. Zusammenkunft der Kriegsteilnehmer eröffnet. Ueber 100 Vertreter stad anwesend. Die Engländer schugen vor, den deutschen Bund früherer Kriegsteilnehmer zum Beitritt zum mter- notisnalen Bund einzuladen. Die französische Abordnung erklärte, sie habe nichts dagegen einzuwenüen. Die Abstimmung nmrde verschoben.
Kämpfe im Mosfnlgebiek?
London. 16. Sept. Nach einer Meldung aus Bagdad sollen tüis-ju-e Freischärler im Norden von Mossul in das mglffch« Mandatsgebiet eingefallen sein. Der britische Gou- o-nmeirr hat den Belagerungszustand verhängt und gegen K« Türk«, Flugzeuggeschwader abgesandt.
Kemal Pascha befindet sich in Trapezunt, um sich über ln» »oo txm Bolschewisten gegen die Georgier verübten 8r«u-el z» unterrichten.
Der nordafrikanische Vulkan
London. 16. Sept. Nach einer Meldung aus Kairo verlangt die italienische Regierung von Aegypten die Räumung der Gebiete von Salum und Iarabu. — Diese Gebiete lieget zwischen Tripolis (das zum größeren Teil von Italien besetzt ist) und Aegypten und sie werden von beiden Seiten beansprucht. Die Lage soll gespannt sein. Die Italiener ha- den an der Grenze.Truppen mit Flugzeugen zusammengezogen. Die ägyptischen Blätter beschuldigen England, daß es mit Italien im Geheimen gemeinsame Sache mache und einen ägyptisch-italienischen Streit wünsche, um sich des Sudans bemächtigen zu können. — Der „Daily Telegraph" meint, die englische Regierung werde in den Streit eingrei- fen müssen.
Frankreich in Griechenland
Athen, 16. Sept. General Guillamet, der frühere Befehlshaber der verbündeten Truppen in Mazedonien, wird einer Einladung der griechischen Regierung zufolge mit drei anderen hohen französischen Offizieren die „Neubildung" des griechischen Heeres übernehmen. Die Regierung verspricht sich davon eine Besserung der militärischen Disziplin. — Das heißt, die Franzosen sollen dem griechischen Heer die Vorliebe für den verbannten König und das deutsche System austreiben.
Die Generale Tocrulis und Anacytopulos, die in einem Aufruf die Absetzung der Regierung gefordert haben, werden am nächsten Freitag vor das Kriegsgericht gestellt.
Der Bürgerkrieg in China
Schanghai, 16. Sept. Nachdem die Regenfälle cmfgeOört haben, ist der Kampf auf der ganzen Front wieder eröffnet worden.
Der Gouverneur der Mandschurei Tsansolin soll die Stadk Fang-Fu (659 000 Einwohner), die noch 30 Kilometer von der chinesisch-mandschurischen Grenze entfernt ist. eingenommen haben. DiejapanischeRegierung ist enift'sts'- sen, die „japanischen Interessen" in der Man! ' rei allein zu vertreten. Der japanische Generalkonsul in Mukden erhob einen scharfen Einspruch gegen bas k'ieee- rische Treiben in der Mandschurei; nötigenfalls sollen ja- -- Nische Truppen gelandet werden. Die Blätter in Tokio v -- muten, England wolle durch die Unruhen in Chm" seinen gesunkenen Einfluß wiederherstellen und Japan zurück- dränaen.
L.-Ü. blsinr.