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SihnmziMer Berz- M ZwerMdlchr».

Von Professor Dr. Han» Klatber.

Line besondere Zierde unsere« württembergtschen Schwarz­walds bilden die malerisch auf der Kuppe oder am Abhang von Bergen gelegenen kleinen und kleinsten Städtchen, und e« hat seinen Reiz, ihre je nach Geschichte und Geländebe­schaffenheit verschiedene Anlage vergleichend ,u betrachten.

' Auf einer kurzen, ein- bi« zweitägigen Wanderung kann mau sich eine Folge lehrreicher Beispiele von Städtebau und Sied- lungSgeschtchte im Mittelgebirge vor Augen führen. Beginnen wir sie mit dem Zavelstein, dessen au« Tannendunkel kühn aufstrebende Trümmer da« Tetnachtal überragen. Da haben wir ein Städtchen, das man so recht al« Anhängsel der Burg bezeichnen kann; zählte doch die innere ursprüng­liche Siedlung außer Kirche und Pfarrhaus nur 14 Gebäude, die auf der allein zugänglichen Nordseit« durch Graben und Mauermantel geschützt und noch durch einen Wartturm vor plötzlichem Ueberfall behütet waren. Al« Stadtgründer darf man sich wohl den hier sitzenden Zweig der einst mäch­tigen und begüterten Grafen von Calw denken. Die bauliche Anlage macht keine größeren Schwierigkeiten. Denn der Bergoorsprnng, auf dessen südlichem, aus drei Seilen abfallen­den Ende die Burg sitzt, verläuft nach Norden in einer ebenen Platte, breit genug, um wenigsten« eine doppelte Häuserreihe beiderseits eine« Wege«, also in der Art eine« Straßendörfer, anzunehmen. Der Abhang dagegen war zu steil, nur Ziegen klettern dort, heißt e« bet Uhland von der Flucht Graf Eberhard« au» Wildbad auf den Zavelstein al« daß er zur Ueberbauung in Frage kam. Die Burg war vom Städtchen selbst wieder durch Graben und Mauer getrennt; sie konnte also in äußerster Not eine letzte Zuflucht für die Städter werden. Den umgekehrten Fall, daß die Burg al« Sperrwerk den bedrohten Teil der Stadt sichert, haben wir da wo sich die Siedlung im Schutz der höher stehenden Burg einen Abhang herabzieht; so z. 8. in dem alten Bergwerk­städtchen Neubulach. Da steht am oberen Nordende, wo man sich der Stadtmauer auf ebenem Wege nähern konnte, zwar nicht mehr die gräflich hohenbergtsche Burg, wohl aber ein vauernhau« auf ihren Grundmauern und mit ihrem alten Bering, da« sogenannte Schlößchen. Durch seine festere Bau­art und eigene Ringmauer bildete e« hier oben eine Ver­stärkung, der Stadtbesesttgung auf der bedrohten Berglette. Wa« die bauliche Anlage von Neubulach betrifft, so ist sie offenbar durch die Verbindung nach Wtldberg und Calw be­dingt. Auf der vom Tal heraufziehenden Steige begann der Ort mit dem Wtldberger Tor; recht« der Straße ließ man zuerst einen freien Platz für die Kirche, dann um einen Häuserblock weiter aufwärts für da« Rathau«. Hier am Marktplatz biegt die Straße nach Westen ab und führt zu dem noch wohl erhaltenen Talwer Torturm hinan«, während die Wtldberger Steige nur al« OrtSstraße sich zum Schlößchen hinauf sortsetzt, ohne die Stadtmauern zu verlassen. Die ganze Stadt ist auf diesen einen Straßenzug hin angelegt, der Platz, wo er seinen Winkel bildet, ist der Mittelpunkt de» Städtchen«, da« ursprünglich nur durch die beiden Tore zu­gänglich war. Um den Güterbesitzern die großen Umwege auf ihre Felder zu ersparen, sind erst neuerdings 2 Durch­brüche durch die Stadtmauer gemacht worden. Den Anstoß zur Niederlassung, vielleicht auch zur Gründung der Burg wird hier nicht die Geländebeschaffenheit, sondern die schon für frühe Zeit bezeugte Ausbeutung der Bergwerke gegeben haben; sie sind seit kurzem nach mehr al« hundertjähriger Ruhezeit wieder zur Gewinnung von Wirmut in Betrieb genommen worden. An malerischem Reiz ist den beiden Orten dar kleine Bern eck west überlegen. Der Berg sendet einen schmalen, beiderseits von stetlabfallenden Tälern begleiteten Ausläufer in den Grund hinab, der schließlich in eine spitze Zunge endet. Hinter einem künstlichen Einschnitt im Graben steht droben auf der Höhe als Nachfolger der ehemaligen Burg da» Schloß, überragt von einer mächtigen Schildmauer mit Flankentürmchen und

gedecktem Wehrgang, ein Schattenriß von unverp l lichem Ein­druck. Die gewaltige Höhe de» Mantel« erklär ich aus der Lage: die Burg sollte von der hinter dem Grad-» weiter an­steigenden Anhöhe au» nicht eingesehen werden können. Unter dem Schutz der Burg zieht sich dann ein Städtchen kle nsten Format« den Vorsprung hinab, auf beiden Seiten sein« Häuser auf die Stadtmauern aussetzend. Dazwischen aber bleibt eben noch Raum sür eiste, oder bester gesagt, für die Gasse de» Burgfleckrn«. Steil steigt die Burgsteige der südlichen Stadt­mauer und ihren Unter- und Aufbauten entlang in ziemlich geradem Lauf empor, weil zu dem sonst üblichen bequemeren Zug in Windungen gar kein Platz vorhanden wäre. Möglich, daß der untere Abschluß, wo die Kirche steht, auch noch durch eine Befestigung gesichert war. Vom See au« betrachtet, möchte man glauben, die Stadt werde nur durch ihre Um­mauerung davor behütet, mit dem Lauf de« Berghanger selbst tnS Tal abzugleiten, so stark ist der Eindruck der Bewegung, den der gestaffelte Aufbau in der gebirgigen Landschaft erweckt. Die Zwergform versteht man leicht im Hinblick aufS Gelände; solange StcherhettSrücksichten die Ummauerung wünschentwert machten, war wettere Autdehnung tatsächlich nicht möglich. Sie konnte später außerhalb der Mauern teil« auf der Höhe jenseits der Burg, teil« unten im Tal stattfinden. Au« Grün­den der Bequemlichkeit und de« Verkehr« haben diese Berg­nester in der Regel ihre Fühler hauptsächlich im Tal unten aurgestreckt. So finden wtr e« im benachbarten Alten steig. E« war nicht der poetische Zauber de« Master«, .dar feucht verklärte Blau", wa« die Altensteiger veranlaßt-, ihre Sied­lung mehr und mehr von der Höhe herab ins Nagoldtal zu verlegen. Die Möglichkeit, den Wasserlauf für« Gewerbe, z. B. die Gerberei, auSzunützen, die Anziehungskraft der dem Nagoldtal folgenden VerkehrSstraße, die bequemere Art de« Bauen« und WohnenS, all da« ließ in Zeiten, wo man Mauern und Türme entbehren konnte, die einstige Vorstadt zur eigentlichen Stadt zu Füßen der steil aufgebauten Alt­stadt werden. Den ursprünglichen Kern schält man noch leicht heraus, jenen altertümlichen Stadtteil, der vom Schloß überragt und durch Flügelmauern mit ihm zu einer Feste verbunden ist. Auch den Standort jenseit« der Nagoldbrücke findet man beim Durchwandern der neuen Stadt leicht, von dem aus die Altstadt mit ihren zwei Hauptakzenten, Schlössern und Kirche, die eigentliche Schausette darbietet. Vom städte­baulichen Standpunkt au« darf Wildberg noch höheres Interests beanspruchen. Auch hier muß man von den Trüm­mern der Grafenburg auf dem Ostende de« Bergvorsprung« autgehen, um den die Nagold im Halbkreis ihre Schleife ge­zogen hat. An sie hat sich ein Burgstädtchen angeschlossen, für das zum kleineren Teil auf dem Grat westlich von der Burg bi» zur schmälsten Stelle deS Rückens, hauptsächlich aber auf der weniger schroff abfallenden Nordseite sich Platz bot. Damit war die stufenförmige Anlage gegeben und etwa im Gegensatz zu Berneck genügte hier der Raum, um den Anstieg aus dem Tal in behaglicherer Windung zu nehmen. So schraubt man sich denn von der prächtigen alten Nagold­brücke aus durch die Besetzte Gaffe aufwärts um die Kirche herum, und biegt unter dem hohen Rathau«, da« sich selbst schräg auf die Schlangenwindung der Straße eingestellt hat, ein zweiteSmal um in die auf die ehemalige Burg zusührende Schloßgaffe. Diese erweitert sich vor dem Rathau« zum Marktplatz, auf dem ein Brunnenmann von biederem Aus­sehen seit Jahrhunderten seine friedliche Wache hält. Man kann von der Unteren Gasse bi« zur Burghöhe herauf 3 btS 4 Terrassen unterscheiden, die nun aber sehr geschickt durch kürzeste Linien mit einander in Verbindung stehen. Dieses Softem, das man auch in Altensteig findet, ist in Wildberg sinnreich durchgeführt und die steilen, gepflasterten Verbin- dungSgassen, durch die der Einheimische rasch unter Abkür­zung der Schleifen von einem Viertel in« andere kommt, dienen zugleich al« Ablauf de» RegenwafferS. Auskennen muß man sich freilich in ihnen; dem Fremden, der sie be­nützt, geht er anfangs meisten« so, daß er da herauskommt, wo er nicht will, und da nicht, wo er gerne möchte. Der

Kundige steigt steil, aber rasch z. B. von der Unteren Ealft am Fluß zur Kirche oder auf kürzester Gerade von der Brück, zum Rathaus empor. Die Sicherheit der Stadt war in der Hauptsache auf der Westseite gefährdet, wo der Vorsprung wenn auch mit schmalem Grat von dem Bergmasstv ausläult Auf dieser Flanke zogen sich schützende, turmbewehrte Mauern von der Höhe nach beiden Seiten ins Tai hinab und ver­hinderten eine Ueberraschung von der Bergseite her; sie stutz teilweise noch mit ihren Türmen erhalten. Gegen Süden bot die steil abstürzende Felswand genügenden Schutz, östit- vom Schloß und seinem schön erhaltenen Befestigungssystem au« lief eine Verbtndungsmauer in» Tal hinab, wo außer der Nagold noch eine ihr parallel geführte Stadtmauer den Ring schloß. Die Ausdehnung der Stadt erfolgte oben auf der Höhe über da« Obere Tor hinaus, drunten jenseits des Unteren Tor» über die Nagold hinüber, hauptsächlich aber dem Halbrund deS SchloßbergS und de« Flußlauf» entlang bi« hinaus zur Vorstadt. Die gestaffelte, von schneisenarligen Gaffen durchschnittene Bauweise mit den alten Holz- und Steinhäusern, die behagliche Schleife de« Flüßchens, der Steil- absall über dem friedlich ummauerten Kloster Reutin mit der baumümschatleten ehemaligen Klostermühle, all da« gibt W. der von hohem malerischem Retz, die in früheren Zeilen f« manchen Künstler und fahrenden Kunstjünger nach Wildb»- gelockt haben. Hat man sich einmal den Blick für die Nu, und Festungsprobleme der Bergstädtchen geschärft, so mied«, holen sich bald die Situationen; so kann man etwa Horb, dessen hübscher Aufbau schon auf der Durchfahrt vo, der Bahn au« zur Geltung kommt, leicht dieselben Betrach­tungen anstellen und sich klarmachen, wie die Bergsiedlung auf ihrer nach zwei Tälern steil abfallenden Kuppe zwischen den Schutz der oberen und unteren Burg genommen und dazu noch um einen Sattel weiter droben von einem Warl- lurm überhöht war, wie sie ihre Vorstädte in die Täler er­streckte. sich dar Wasser zum Schutz der Stadt zu nutze machte und dergleichen mehr. Hat uns die Wanderung schon hier­her geführt, so wird man gerne noch einen Abstecher int Eyachtal hinüber machen, um die gewonnenen Erfahrungen durch einen Vergleich mit dem hohenzollernschen Städtchen Hatgerloch zu bereichern und zu beschließen. Er sind zum Teil dieselben Faktoren, die seinen hochmalerischen Ein­druck bedingen: der gewundene Lauf de« Flusse», der sich in zwei Schleifen zwischen den Bergen durchwindet, der archi­tektonisch ungemein kühne Aufbau deS Schloßbrrge«, wo dt« Krrche aus den Felsen zu wachsen scheint, silbst wieder über­ragt von der türmerischen Baugruppe de« Schlosses und alt Gegenstück der mächtige alte Turm auf der Oberstadt. Dqo kommt der au«nahm«weise perspektivische Reichtum de« Land- LanöschaftSbilde«, den die beiden im Winkel gegeneinander ins Tal vorstoßenden, architektonisch bekrönten BergzuiM mit ihren Ueberschnetdungen Hervorbringen. 8ic siti iae- tuntur Isre8 Hier laßt uns Hütten bauen!

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G Schwarzwald, o Heimat!

O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!

Wie locken dak Herz deine schwarz-dunkeln Höhn zum fröhlichen Wandern in Hochsommerzeit,

zum Rasten in heimlicher Einsamkeit, im traulichen Mühlgrund bet Quellengetön!

O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!

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Der Tanz um das goldene Kalb

b4f Von Erica Grnpe-Lörcher

(Nachdruck verboten.)

Denn als er sich nun erhob und ihr herzliche Grüße und Wünsche zur baldigen Genesung austrug. senkte er seine Stimme um etwas, und er trat Zyria um einen Schritt näher.Noch eine Frage unter uns, Fräulein Engelhardt! Man spricht davon, daß sowohl das Haus hier wie das ge­samte Inventar der Stadt zur Einrichtung des künftigen Wernerhauses" überlassen und vermacht wird. Das stimmt, ja? Aber nun ist doch noch der Weinkeller zum Beispiel da! Der kann doch nicht in diese Bestimmung mit einbegriffen sein! Würden Sie vielleicht Fräulein Werner darauf auf­merksam machen können, daß sie vielleicht mir den Wein­keller mit feinen ganzen Befänden vermacht? Dieselben find sicher noch recht stattlich?"

Zyria antwortete nicht gleich. Es war ihr, als ob ihr jemand einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte! Also deshalb lenkte heut« die hochwohlgeborene Durchlaucht ihre Schritte zum Hause her?

Natürlich mit größter Diskretion, Fräulein Engelhardt! Sie werden mich verstehen, nicht wahr? Aber es würde mir doch eine Freude sein, wenn dies« Vorräte in die richtigen Hände kämen. Man weiß ja, wie es bei solchen Todesfällen geht, und wie die Dienerschaft sich über derartige Sachen hermacht, wenn kein rechtmäßiger Besitzer mehr da ist."

Ja!'* vermocht« Zyria nur zu sagen, da er, auf ein« Antwort wartend, schwieg. Er stand unmittelbar vor ihr und seine kleinen blauen Augen funkelten sie hinter dem N>ldenen Kneifer an.Wenn er nur ginge," dachte sie, wenn er nur ginge, dieser traurige Kunde!"

Aber er schien sich noch nicht sicher zu sein, Zyria würde wirklich der Kranken seinen Wunsch mit dem nötigen Nach­druck vortragen.Ich bin der Ansicht, es muß Fräulein Werner doch gewissermaßen eine Beruhigung sein, wenn sie weiß, solche Sache kommt in gute Hände, in ein gebildetes Haus, zu Leuten, welche so etwas zu würdigen verstehen!"

Gewiß, Durchlaucht, ich werde es dem gnädigen Frön- lein unterbreiten. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich den richtigen Zeitpunkt hierfür wAsten werde!"

U>Ä als sie wenige Augenblicke später zu Fräulein Wer- l

ner zurückkehrte, nachdem der Lcemr --.eme Durchlaucht hin­ausgeleitet, war sie fest entschlossen, der Kranken kein« Silbe von seinem kläglichen Beweggründe zu äußern, der ihn heute hergeführt hatte! Auf die Fragen von Fräulein Amanda erzählte sie alles mögliche, seine Fragen nach ihrem Ergehen, den verschiedenen Stadtklatsch, seine Wünsche für Genesung. Aber diese klägliche Bettelei um Bermachung ihres wohl­assortierten Weinkellers, nein, die brachte sie nicht über die Lippen!

Diese klägliche Erkenntnis über die Hohlheit ihrer frühe­ren Freunde, diesen schmerzhaften Stich in der Ueberschätzung ihres Besitzes und der Unterschätzung ihrer eigenen Persön­lichkeit wollte sie der Sterbenden ersparen!

Aber es währte nicht Stunden, sondern noch Tage. Es war ein furchtbarer Kampf zwischen den versagenden Kräften der Körpers und der Elastizität ihres beweglichen Geistes. Zyria konnte nicht von ihrem Bett weichen. Der Pflege- dienst ging ununterbrochen Tag und Nacht. Die Kräfte be­gannen ihr zu versagen. Nur nicht zusammenbrechen, eh« dieses arme, verlassene, kämpfende Leben erloschen war, dem sie noch zur Seite stehen mußte!

Sie telegraphierte Herrn Wedel! und bat ihn, zu kommen. Er war der einzige Verwandte des Hauses. Er würde alles in die Hand nehmen, falls sie selbst sich nicht mehr aufrecht- zuhalten vermochte. Es war ein sonderbarer Zufall! Kaum eine Stunde, nachdem Zyria die Depesche abgesandt, betrat Herr Wedel! das Haus. Eine eigene Unruhe, eine Ahnung, Zyria bedürfe seiner, hatte ihn schon vor Eintreffen ihres Telegrammes zu Hause ausbrechen und herfahren lassen. Und trotzdem der Tag bereits vorgeschritten war und er erst zu später Stunde im Wernerschen Hause eintraf, wollte er fein Kommen nicht bis auf den nächsten Tag verschieben.

Zyria empfing ihn fast wortlos drüben im Musikzimmer. Es war ihr kaum möglich, zu sprechen.Es geht sehr schlecht! Wenn nur die Erlösung für sie käme!" Das war alles, was sie hervorbrachte. Er hielt ihre Hand sür Momente in der seinen und sah ihr in di« müden, von Tränen umschleierten Angen. Da war er froh, noch heute gekommen zu sein, um ihr zur Seite zu stehen. Und stumm folgte er ihr hinüber in das Krankenzimmer.

Im tief abgeblendeten Licht der Schirmlampe sah er nur l noch den Schatten einer Gestalt in den weißen Linnen ruhen.

»Aber noch immer schien ein flackerndes, sich selbst verzehren­des Leben in dem zusammensirrkenden Körper zu leben. Sie sprach in wirren Fieberphantasien.

Wir werden die Kammersängerin aus Wien kommen lassen, nicht wahr? Unsere neue musikalische Soiree soll wie­der Len alten Ruf unseres Hauses bewähren. Sie wird das Lied singen:Unter dem blühenden Flieder". Nicht wahr, Fräulein Zyria, Sie übernelMen wieder di« schwere Be­gleitung am Flügel? Und dann kommen einige neue Kom­positionen von Erich Korngold. Das junge Musikphänomen aus Wien. Der Mozart unserer Tage! Und wenn dann im Laufe des Winters im philharmonischen Konzert eine neue Symphonie von Erich Korngold ausgeführt wird, wird man wieder sagen können: Auf der musikalischen Soiree von Fräulein Werner hat man zu allererst Konpositionen des jungen Künstlers gehört!"

Es kam eine Pause. Eine Zeitlang versank die Stimme in leises Flüstern. Sie schien mit ihrem Bruder über die Einladungen zu einer Gesellschaft zu beraten. Dann sprang der wache, wirre Geist wieder zu ihrer geliebten Musik über. Sie schien mit Zyria zu üben.Fräulein Zyria, die Arie des Cherubin ausFigaros Hochzeit" bitte! Haben Sie dir Noten da? Ach, mein verehrter Mozart! Ewige, unsterb sich« Melodien!^ Und halblaut begann st« mit einer noch wunderbar klaren Stimme zu summen:Sag', ist es Liebe, die mein Herz bewegt"

Ganz zart» wunderschön! Zyria neigte das Haupt und Tränen sanken in ihren Schoß. Es war erschütternd, wie m diesem entschwindendem Leben, in dem sonst alles bereits er­storben zu fein schien, noch die Musik in ihrer beseligenden Unsterblichkeit weiter vibrierte! Sie vermochte nicht mehr zu sehen, nickst mehr zu hören, nichts mehr zu genießen, kei­nen Bissen mehr zu schlucken, aber ihre Stimme traf mit um bedingter Sicherheit und Richtigkeit jeden Ton und den Rhythmus. Warum hatte dieses so feinsinnige Naturell um ferner großen Begabung sich nicht an der Kunst genug M lassen, hatte sich versenkt in die grauenhaften Klauen des ge­sellschaftlichen Molochs, der sie nun so tief unglückkch S* macht? ^.

Und mit einem leise verklingenden Lied« verlosch eiwtuy das Leiden dieses Lebens! Endlich hauchte der letzte Atemzug durch das still« Zimmer und lieh dem verzehrten Ruhe! tFottsetzuag k-M