eimalklänge!

G Heimat, wir sind alle dein,

So weit und fremd wir gehen,

Du hast uns schon im Rinderschlaf Ins Blut hineingesehen.

Rein weg ist, den wir heimlich nicht

Nach einem Heimweg fragen,

wer ganz verlaufen

wird im Traum zu dir zurückgetragen!

Erinnerungen an Nagold.

Inaus Zeit und Welt" dem neuen Unterhaltungsblatt de« Staatsanzetger» für Württemberg vom S. April 1924 be­richtet un« Herrn Studtenrat Oskar Knöll einiger über Nagold und seiner früheren Seminarzeit.

<kr erzählt uns u. a>: .Im August 1921 bestieg ich wieder einmal den Nagolder Schloßberg. Ganz unverändert schien mir der Fußweg zur Höhe, und mit hartnäckiger Treue hielten die Bäume umher in Namenszeichen und eingeschnittenen Herzen alte Geheimnisse fest, nach denen kein Mensch mehr fragt. Der Berse Uhlands mußte ich gedenken:"

.Ihr Berge, ihr Fluren, du grüner Wald,

Wie seid ihr so jung geblieben, und ich bin worden so altl"

Gr steht von der Bastei auf der Ostseite hinab auf die vielgestaltigen Dächer und Giebel der alten Stadt, die sich aber in den vergangenen dreißig Jahren ganz bedeutend ver­jüngt und verschönert habe. Bor seinem geistigen Auge ziehen di« Lage vorüber, in denen er alr Seminarist in dem fried­vollen, ihm lieb gewordenen Städtchen weilte. Dar ganze Seminarleben mit seiner jugendlichen Seminarlstenschar wird wieder lebendig und all die Freuden und Abenteuer jener Zeit gaben einen köstlichen Schatz gemeinsamer Erinnerungen.

Ganz anderr alr heute war dar Jnternatrleben seiner Zeit. Lange Arbeitstage und scharfe Zucht verlangt« der strenge Geist der guten alten Zeit. Im Sommer wurde er um V» 5 Uhr im Seminar lebendig, im Winter war man um 6 Uhr in den Lehrsälen. Wenn man auch mancher entbehren mußte, vor allem den veredelnden Einfluß der Vaterhauses so hatte man doch eine« den andern Menschen vorau«: Dar Glück der Freundschaft, man wurde Künstler der innigen Gemeinschaft unter Wenigen, obwohl viele unbeholfen der fremden Welt gegenüberstanden.

Doch zeigte es sich, daß auch viele den Weg, den wir geführt wurden, selbständig weiter gegangen und wohl im­stande gewesen sind, sich zurechtzufinden. In der Kritik und Beurteilung unserer damaligen Lehrer waren wir oft viel­leicht etwa» zu einseitig und zu engherzig doch haben wir hoch an ihnen htnaufgesehen. Heute erwacht in mir beim Nachdenken über sie, daß ich ihnen für die Gestaltung meines geistigen Lebenr mehr verdanke als mir je deutlich zum Be­wußtsein kam. Keiner hat einen so tiefen Eindruck auf mich gemacht, wie unser damaliger Professor für Deutsche Sprache und Geschichte. Die Frische und Klarheit seiner Wesens war für mich etwas tief Beglückendes. Er verstand er, jugend­liche Seelen durch seinen bezwingenden und erobernden Geist lebendigen Christentums, wie durch seine unbedingte Selbst­beherrschung vollständig zu besiegen und zu gewinnen. Ein anderer Mann, der mit seiner Naturfrische und Derbheit all­gemein beliebt war, war unser Professor für Naturwissenschaft und Mathematik. Die Musik, die als ganz Neues im Se­minar an mich herantrat, wurde mir eine mächtige Seelen- führertn; auf ihren Fittichen fühlt sich unser Geist wonnevoll über alle hemmenden Schranken hinaurgetragen in die geist­durchflutete wette Schöpfung. Aus solchem Geistesleben her­

aus wurden wir auch an unsere eigentliche Berusrausgabe herangeführt.

Drei der trefflichen Lehrer sind inzwischen dahingegangen seit wir da» enge Tal verlosten haben, weit haben mir Leben und Schicksal auseinandergesührt. ES ist mir kein Zweifel, daß von dem, wo» hier einst in Treue gesät wurde, manches aufgegangen ist, was Segen stiftet im Vaterland«.

Mit stiller Freude erinnert man sich, wie mancher bie­dere Bürger sich damals mit an unserer Erziehung beteiligte. Namentlich der Stattonrkommandant sah unr tüchtig auf die

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Im Heimatfrieden.

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Finger und war besonder ärgerlich, wenn wir unsere Trotz­köpfe durchsetzten und ihn nicht grüßten. So waren wir auf 2te Nagolder überhaupt nicht gut zu sprechen und zusammen­gekommen sind wir mit ihnen höchstens bei einer jener nächt­liche« Tumultszenen, die sich bet den Bränden der achtziger Jahre am Brunnen gegenüber der Apotheke abgespielt haben. Wie da unser Freund Wilhelm als Feuerwehrmann mit einem höflich entschuldigendenHopla" dem Herrn Rektor die Hälfte de» Inhalt» seiner schweren Bütte über den Rock goß.

Mancher heitere Erlebnis ist mit dem Stadtparten ver­knüpft, wo wir alljährlich dem gefürchteten Professor Jäger oorzuturnen hatten. Wenn unsere spartanischen Künste vor dem gestrengen Professor manchmal nicht ganz gelinaen woll­ten, so war es doch ein geringer Trost, wenn er plötzlich mit mächtigen Schritten auf eine der erschrockenen Zuschauerinnen lo»ging und mit dem gewaltigen Turnerstock auf sie weisend, die zu eng geschnürte, auf hohen Absätzen Etnhertänzelnde zur Zielscheibe seines grimmigen Spötter machte, daß st« unter allgemeinem rohem Männergelächter schamrot schleunigst da» Wette suchte.

So verging ein Semester um dar andere in Arbeit und kleinen, stillen Freuden. Wenn dann der Vorabend der lang ersehnten Ferien herangekommen war, herrschte die gehobenste Stimmung. Mit welcher Wucht und mit welchem Schwung wurde dann in der Schlußandacht gesungen: .Wenn der Herr einst die Gefangnen Ihrer Bande ledig macht,

O, dann schwinden die vergangnen Leiden wie ein Traum der Nacht."

Ein andere» Bild bot sich noch an diesem wichtigen Vor­abend, alle» Sanfte und Liebliche war wie weggeblasen, alle

Mit Mel M WM zu W »ch Rm

Md die Meersahri als blinder Magier.

(11. Fortsetzung.)

Rom.

Da waren wir also nun in Rom, der ewigen Stadt. Wir hattenr erreicht. Welch ein Gefühl, als wir vom Bahnhof l^ss l'öveie »um Stadtinnern zogen. Durch enge Gassen mit holperigem Pflaster irrten wir hin und her. Wir kamen auf herrliche P ätze mit wunderbaren Monumental- brunnrn, mit Denkmälern u«d Obelisken. Prachtvolle Ge­bäude und Paläste aus allen Zeitaltern und allen Baustilen bildeten ganze Straßen. Auf den Straßen war reges Leben und Treiben, ober dennoch ganz anders als dasjenige einer Industrie- oder Handelsgroßstadt wie Malland. Man spürt noch etwas vom alten Rom, auch in diesem modernen Gewand«.

Unsere Wohnung bezogen wir imc«8s ttex-Ii emigrsnti" (AuswandererhauS) und von dort au» unternahmen wir dann auch unsere Forschungszüge. In den ersten Tagen bummelten wir eben so durch die Stadt, kreuz und quer, wo uns das Schicksal gerade Hintrieb und freuten unS, wenn wir wieder einmal in Straßen, auf Plätze kamen, die wir kannten, wo wir schon einmal gewesen waren. Wir ließen Rom auf uns wirken und freuten uns, wenigsten» da zu sein.

Es gibt wohl nickt gleich wieder eine große Stadt, die so viel bedeutende Denkmäler und so viel herrliche Brunnen so wirkungsvoll aufzustellen gewußt hat, wie gerade Rom. Man schlendert gemütlich eine Straße hinunter, plötzlich tritt man auf einen großen freien Platz auf den von ollen Seiten her die Straßen münden. In der Mitte der Platzes steht ein wuchtiges Denkmal oder ein spitzer Obelisk, der eine ganze Geschichte hat. Vielleicht hat ihn Nugustus, Taltgula oder Tonstantin schon au» Aegypten geholt. Oder man kommt aus einen andern Platz, den ein Brunnen von Bernini schmückt. Wie da» lebt, da» rinnende, springende Wasser zusammen mit den prächtigen Marmorfiguren.

Und dann erst das alte Rom. Nein, lieber Leser, ich kann dir wirklich nicht erzählen, welch ungeheuren Eindruck «S auf mich gemacht hat. Gehe selbst nach Rom, steig hinauf zum Kapitol und denke dir eine Volksversammlung,

den gröhlenden Plebs. Denke dir Cäsar, von 24 Stichen durchbohrt hier eben hier an dieser Säule zusammen­gebrochen. Steige hinab zum Forum Romanum, sieh die mächtigen Quaderblöcke, die Trümmer massiger Säulenstümpfe. Stehe auf demselben Mosaik, auf dem schon die vestaltschen Jungfrauen standen. Denke dir auf jener Steintribüne Marc Anton an der Leiche Cäsar», wie er da» Volk zur Rache auf­reizt. Gehe auf der alten Via Appia zum Colostrum hin­unter, das, obwohl schon zu zwei Dritteln abgetragen, in seiner Größe und Masse noch immer einen überwältigenden Eindruck macht. Schau im Geiste die wogende Menge, der auf den unzähligen Sitzreihen gelagerten Zuschauer in weißen Togen und den Einzug der Gladiatoren, in funkelnder Rüstung, mit dem Gruß »ur Kaiserloge: ,,-Vve Imperator! dlorituri te sslutsntl' (,Die zum Tode gehen, grüßen dich.") Schau die lebenden Fackeln au» Mensckenleibern, die zuckenden Glieder von wilden Tieren zerfetzter Christen. Du wirst wie im Taumel htnaurwanken und wie im Traume den Palatin htnaufftetgen. In demselben dunkeln Gang, auf denselben Stufen wirst du stehen, wo Caligula einst unter den Dolch­stichen jener zwei Prätorianer zusammenbrach. Du wirst dich an eine Pinie lehnen und auf die Trümmer der alten Rom» htnunterträumen. Ein unbeschreibliche» Gefühl, eine Sehn­sucht, wird dich packen, wenn der feurig rote Ball der unter­gehenden Sonne auf dem Rücken eine» fernen Bergzuger liegen und alle die Turmspitzen, die Kapitäle ragender Säulen, blutrot beleuchten wird. Du wirst sein wie ein Träumen­der, genau so» wie wir. Darum, lieber Leser, laß dir jetzt diese Eindrücke nicht verderben durch meine Stümperei. Ueber- haupt, wie könnte ich mich vermessen, von Rom zu erzählen? Wo wäre da anzufangen, wo aufzuhören, in einer Stadt, in der jeder Palast, jedes Denkmal, jeder Obelisk, jede übrig­gebliebene Säule, ja nahezu jeder Pflasterstein seine Geschichte hat?-Erzählen will ich von Rom nur noch unser Er­

lebnis im Vatikan.

Unsere Audienz beim Papst.

Wir hatten in Rom nun ziemlich viel gesehen von dem, «a» uns interessiert hatte und was man gesehen haben muß. Die vatikanischen Museen mit den hervorragenden Plastiken, dem großartigen ägyptischen Museum, der Sixtinischen Kapelle und den Stanzen Raffaels hatten wir gesehen. In vielen Galerien und Kirchen waren wir gewesen. Stundenlang

insgesamt waren eine Bande ausgelassener Buben. Man stieg um Mitternacht aus den Fenstern, um «in paar Stun- den früher den Marsch in die Freiheit antreten zu können. Auf der Höhe von Oberjetttngen grüßte man jubelnd hinüber über dar im Mondschein atmende Heimatland, vor Liebe und Jugendlust glühte unser ganze» Wesen und unsere Wander- schritte durchhallten die Mondnacht wie dar gleichmäßige Klopfen der Pulse der schlafenden Erde.

Etwas von der Heimatliebe.

ES ist leicht, in guten Zetten den Hut zu schwenken, ein Lebehoch zu rufen und ein begeistertes Lied zu singen. In der Not aber der Heimat Treue beweisen und Hallen, heißt aller dar nicht tun, war die Heimatgenossen, das Volk schä­digt. Jeder Mensch, der sich bet allem wa» er tut, ehrlich besinnt, ob er damit seinem Volk, seiner Heimat nützt, jeder, der ein Opfer bringt, das anderen Mut gibt wieder zu glau- ben, jeder der auch einmal wieder sagen kann: Ntmmdr zuerst, ich komme nachher, jeder Bauer, der seine Preise nach dem Gewissen regelt und nicht nach der lockenden Gelegen­heit, jeder Kaufmann, der nach guten alten Kaufmannsgrund' sätzen Handel treibt, jeder Reiche, der nicht nur kleine Almo­sen gibt, sondern ein Stück von seinem Besitz, jeder Arbeiter, der tagtäglich den Hammer schwingt und dabei daran denkl, das Glück der Heimat zu vernieten sie alle, alle können aufrecht neben jenen Hirten htnstehen, der seinen Herrn aus Fährden und Nöten oor die Tore de» schützenden Zavelsteins geführt hat und ihnen allen wird eine besondere Wärme das Herz füllen und erheben wie jenem Hirten, und die Heimat, der gute Geist der Heimat, wird dann lächelnd nicken, wenn sie heute fingen:

Doch ein Kleinod hält'» verborgen Daß in Wäldern noch so groß Ich mein Haupt kann ruhig legen Jedem Untertan in Schoß.

Die wüste Urschel.

Dort an der Nagold, wo der Wald Herab zum Ufer steiget,

Siehst ou dort fitzen eine Maid,

Den Kopf zur Brust g,neiget?

Und hörst du nicht den wehen Ton, Dir geisterhafte Sprache.

In der der Wald hier Zwiesprach hält Mit seinem Freund, dem Bache?

ES sitzt das arme Grafenkind,

Die wüste Urschel, dorten.

Und von ihr sprechen Bach und Wald In immer gleichen Worten:

Wie sie, im Schloß der Eignen Spott Ob ihrer Echönheitsfehle Dem Wald und Bach ihr Leid geklagt Mit kummervoller Seele.

Und wie sie zu den Armen sich so gern herabgelassen,

Und wie der Kranken Auge« sie Erhellt,.die tränennassen.

Und wie sie an der Waldeseck',

Wo sie so gern gewesen,

Der Tod einst traf, um sie als Freund Vom Erdleid zu erlösen.

Drum seh' ich sie im Geiste dort.

Die wüste Urschel, gehen.

Und kann ihr Klagelied am Bach Und in dem Wald verstehen.

8. H. Kläger.

waren wir in den unterirdischen Gängen der Katakomben, zwischen Gräbern und Totengebeine«, herumgeirrt. Ja sogar den spanischen König hatten wir zu seben die Ehre gehabt, alr er eben mit seinem Minister, de Rtvera, vor dem Grab desunbekannten Soldaten" einen Kranz niederlegte, am Fuße der Denkmals Vittorio Emmanuele. ES fehlte jetzt nur noch, daß wir auch in den Vatikan heretnkamen und den heiligen Vater sahen. ... Aber, ob un» da» gelänge? .. - Wir gingen kurzerhand zur päpstlichen Kanzlei und am selben Abend noch kam ein päpstlicher Bote, der un» eine Einladung zu der am 30. November, nachmittags um 1 Uhr stattfinden- Audienz brachte. Höflich dankend verbeugten wir uns und hingen freudestrahlend, eifrig entziffernd, über dem Zettel, nachdem der Lakai gegangen war. Da, plötzlich ... wird «nein Kamerad leichenblaß ... zitternd steht sein Finger auf einer Zeile des Zettel»:Die Herren erscheinen in Schwarz mit weißer Binde, die Frauen in schwarzem Schleier." . . . WN waren vernichtet. . . . Ganz erschöpft setzten wir uns am unsere Betten, den Ellbogen aufs Knie und den Kopf in die Hand. WaS war da zu tun? Vielleicht daß wir jemand fänden, der uns «inen Frack liehe, wenn wir unsere RuaMt Instrumente, Kleider, Pässe, alles, aller alr Pfand gäben. Wir rechneten, aber, da» alle» zusammen war nur ein Ten von dem Wert eines Anzuges und dann sollte man auq noch Stiefel, «inen Zylinder, ein weißes Hemd und was noch alle» haben. DaS hatte aber keinen Wert. Wir kamen am die absonderlichsten Ideen. Als er aber 1 Uhr der andem Tages war, da schritten wir in unfern gewöhnlichen Sonn- tagS-Werktagrkleidern über den St. Petersplatz dem Vattkmr zu. Di« Schweizerwache in ihren mittelalterlichen, farbigen Uniformen, ließ un» passieren, denn wir hatten ja den »>n ladeschein. Droben nahm un» ein in karminroten Samum gekleideter Lakai in Empfang. Ob wir etwas abzugev hätten? ... Wir hatten nichts. ... Der Lakai führte ur» über einen Vorraum, auf dem er von Soldaten wimme - In dem herrlichen großen Saal, in welchen uns der va weiter führte, warteten schon Herren in Schwarz und ffra im Schleier. Erstaunte Blicke trafen un, beide absondeM-yeu Pilger, die «inen versteckt grinsend, die andern vorwers und auch wir selbst empfanden deutlich, daß unsere gr»v ' groben Bergstiefel nicht zu den feisten Fußteppichen pav^

(Fortsetzung folg»-