Tagesspiegel

Im Hitterprozeß beantragte der Staatsanwalt gegen pmUiche 10 Angeklagte Festungsstrase».

Die Wuchergerlck^e werden am 1. April aufgehoben. Viel Gutes haben sie nicht geschaffen.

Die preußischen Landtags- und Gemeindewahten soffen voraussichtlich bis Herbst (September) verschoben werden.

Marschaff Hoch ist am Donnerstag nach Rom abgerrift.

Dos enAifche Unterhaus hat die Erhöhung der Luftstrsit- IkSfie aus 35 000 Manu einschließlich Offiziere bewilligt.

Australien beabsichtigt, eine eigene Kriegsflotte mit Stütz­punkten zu bauen. Im Kriegsfall soll die Flotte unter eng- tzchen Befehl gestellt werden.

Politische Wochenschau

Die Auflösung des Reichstags in vorige, Woche ist die fünfte gewesen seit seinem Bestehen. Nie wurdc eine Auflösung mit solcher Ruhe vom deutschen Volk ausge nommen wie diesmal. Wie ein Sturm ging es durch das Reich, als 1878 Bismarck nach den beiden Mordanschläger auf Kaiser Wilhelm I. das Volk zu den Wahlurnen rief, uni sich für oder gegen das Sozialistengesetz und den Uebergan? zu den Schutzzöllen für die Industrie zu entscheiden. Kaum minder groß war die Erregung bei der Auflösung von 1887, m der es um die große siebenjährige Militärvorlage ging Lebhaft war immerhin noch der Kampf um die Mil:tärvor> läge Caprivis 1893. und mehr noch, als 1907 Fürst Bülow du Wählerschaft aufrief, sich für Heer und Kolonien zu ent­scheiden, nachdem die Vorlage für.den Kampf um Deutsch- Südwest zu Fall gebracht war. Dis Wahlbewegung halt« nationalen Schwung, die Wahlparole war vorhanden. Diesmal von alledem keine Spur. Die Auflösung wurdc überall als eine Selbstverständlichkeit, als eine Erlösung aus­genommen, kein Mensch hat sich aufgeregt. Auch die Reichs­regierung hatte dem Volk keine Wahlparole mitzuteilen. Der Reichskanzler beschränkte sich auf ziemlich trüb gestimmt« Betrachtungen der Vergangeicheit. Die Regierung hat den Reichstag aufgelöst, weil sie in ihm keine Mehrheit hatte, aber es wurde kein Wort gesprochen, über ihre Absichten und Ziele, sich die fehlende Mehrheit zu schaffen; sie scheint auf jede Führung im Wahlkampf verzichtet zu haben. Sorg­los machten der Reichskanzler und Minister S t r e s e- mann einen Besuch in Wien, angeblich einen reinen Freundschaftsbesuch beim Kanzler Seipel, so nebenher werden aber doch auch politische Unterhaltungen geführt worden sein und zwar nicht bloß über den Handelsvertrag, bei dem der deutsche Minister des Aeußcrn eigentlich nicht nötig gewesen wäre, und deutsche und österreichische Staats- ienker haben sich doch gegenwärtig unter vier Augen aller­hand zu sagen.

Die Frage ist: wie kommen wir zu einem besseren Reichstag? An Bewerbern fehlt es natürlich nicht; 1850 stehen jetzt schon auf den Listen. Auch an Parteien ist kein Mangel mehr, nachdem vor einigen Tagen die 26 be­stehenden noch um zwei weitere vermehrt worden sind. Das soll uns ein anderes Volk der Welt nachmachen! Ls ist erreicht, oder vielmehr noch nicht einmal erreicht, vielleicht kommen vor dem 4. Ma: noch ein paar Neu­gründungen hinzu, damit wir den richtigen Kampf Aller gegen Alle haben. Und doch, so stimmungslos die letzte Reichstagsauflösung gewesen ist, kein Wahlkampf hat je eine solche Bedeutung gehabt wie der gegenwärtige. Cs gilt nicht den Wettkampf der Parteien, sondern es gilt den Stimmzettelkampf für die Erhaltung des deutschen Vater-, lands, für die Ehre und Freiheit des deutschen Volks Es muß der Beweis geliefert werden, daß die Mehrheit der Deutschen jetzt endlich frei wird von innerlich unwahren Schlagworten, und es müssen aus den Wahlen Volksver­treter hervorgehen, denen zuzutrauen ist, daß sie furchtlos und -unbekümmert um ihr Mandat und die mit diesem ver­bundenen Vorteile, sich als Geschäftsführer des großen deut­schen Volks fühlen und danach handeln. Es dürfte jetzt eigentlich nur noch zwei Parteien geben: eine die für Vater­land und Volk alles dranzusetzen bereit ist und die anderen, Ne das eben nicht wollen. Das wäre jetzt die rechte Wahl­parole. aber es fehlt der Meister, mit ihr den Massen Ziel und Weg zu zeigest^und die Regierung hat, wie es scheint, auf diese Führung verzichtet. Vielleicht hofft sie auf das Wunder eines günstigen Berichts der Sachverständi­ge» in Paris, wodurch die ihr zusagende Wahlstimmung sich ganz von selbst ergeben würde. Es ist aber zu fürchten, daß' das Wunderbare eine schlimmere Enttäuschung geben wird, als die kühnsten Köpfe erwartet haben, und dann würde die innere Verwirrung diesmal ärger denn je zuvor.

Verdächtig viel ist in den Blättern über den noch lang« nicht fertigen Bericht der Sachverständigen-Ausschüsse ge­schrieben worden: es lohnte sich wirklich nicht, alle dis Sal­badereien über das ungelegte Ei weiterzageben. Ein Blatt wußte schon, daß die Berichte zusammen 30 bis 3b 000 Worte zäblen werden. Was man als sehr wahrscheinlich bis jetzt anzunehmen hat, ist nicht viel, aber auch nichts Gutes, und die großen Hoffnungen, die man w Berlin aus tre Arbeit der Ausschüsse gesetzt hatte, werden sehr u-eit kerabgestimmt werden müssen. In dem zähen Ringen in den Ausschüssen haben offenbar die Franzosen mit ihrem Anhang über die Vertreter aus England und Amerika lang­sam aber sicher die Oberhand gewonnen, wie cs bisher bei jeder Konferenz war, wenn sie nicht, wie in Cannes, von französischer Seite einfach gesprengt wurde. So wird es erst recht in Paris der Fall sein. Nur so und nicht etwa durch sogenannte technische Schwierigkeiten, die General D a- wes längst überwunden zu haben glaubte, ist es zu er­klären, daß die Ausschußarbeiten Woche um Woche die vor­gesehene Frist überschritten haben und vom Abschluß viel­leicht noch Wochen entfernt sind. Das Endergebnis wird sein, wie es der französischen Regierung gefällt, oder es wird nicht sein, und wen« die Ausschüsse noch ein ganzes Jahr beieinander bleiben müßten. Von denErgebnissen" selbst scheint so viel sestzustehen, daß an der Ruhrbesetzang nichts Wesentliches geändert wird; daß es um die Selbstän­digkeit der deutschen Eisenbahnen geschehen ist; daß eine Reihe von Monopolen im Reich eingefühlt werden mutz, die Me wesentliche Verteuerung der betreffende« Artikl zur

Folge hasten müssen; daß die deutsche Industrie und der Grundbesitz eine neue Pfandschuldbelastung von 10 Milliar­den Goldmark auf sich nehmen müssen; daß Deutschland zu­gunsten der Verbandsstaaten Entschädigungsanleihen von 10 Milliarde» Goldmark Übernamen muß, was Lei etwa 6, vielleicht mehr Prozent, eine jährliche Zinsenlast von 600 Millionen Goldmark ausmacht; daß daneben bedeutende Sachloistunge« an Kohlen, Holz, Kunstdünger, Farbstoffe» und dergl. wetterlaufen: daß das deutsche Finanzwesen unter fremde Aufsicht kommt und daß die militärische lleber- wachung in dieser oder jener Form auf unabsehbare Zeit hinaus bestehen bleibt. Von irgend welchen Erleichterungen für Deutschland hört man nichts mehr, man wüßte auch wirklich nicht, worin sie noch bestehen könnten Der soge­nannte Zahlungsaufschub still im Schoß .des Ausschusses noch heiß umstritten sein, er wird aber seinen Namen gar nicht verdienen, denn die Entschädigungslefftungen Deutsch­lands müßten bis zu einem hohen Maß auch während des Aufschubs fortzusetzen sein; und was denErfolg" der Eold- kredit- oder Diskontbank betrifft, fo scheint dem deutschen Publikum etwas Sand in die Augen gestreut worden zu sein. Wohl ein Dutzendmal mußte Reichsbankpräsident Schacht vor dem Sachverständigen-Ausschuß erscheinen, und kaum glaubte er seine Kreditbank in der Tasche zu haben und mit der Gründung beginnen zu können, da gab es in Paris schon wiederMeinungsverschiedenheiten" und eben erst mußte er wieder nach Paris reisen.

So sieht also jetzt die Grundlage derVerständigung" aus, d. h. genau so, wie man bei unbefangener Beurteilung der Sachlage voraussehen mußte. Enttäuscht könnte man eigentlich nur von der Haltung Englands sein. Der Friedens­mann Mac Donald hat früher viel; und große Worte gemacht, die in Deutschland gern gehört wurden. Als er aber selber Erstminister wurde, ist er allgemach wie ein umgedrehter Handschuh geworden. So oft die Sprache aus deutsche Angelegenheiten kommt, versteckt er sich bald hinter die Sachverständigen- oder die Entschädigungskommission oder den Völkerbund. Mac Donald ist es, der die- deutsche Reichsrcgierung mit besonderem Eifer z:: überreden sucht, um. die Ausnahme in den Völkerbund zu bitten, den­selben Völkerbund, von dem dev frühere englische Erstmini- sier Asguith sagte:Der Völkerbund, wie er augenblicklich zu­sammengesetzt ist und geführt wird, ist eine Lächerlichkeit und ein Betrug." Wenn Deutschland auf Len englischen Leim o nge, so würde es allerdings England einen großen Ge­fallen tun. Mac Donald und seine Leute würden versuchen, dem Völkerbund alle Streitpunkte Deutschlands mit Frankreich, zur Schlichtung zu übertragen, um allen Unannehmlichkeiten Frankreich gegenüber aus dem Wege zu sein und nebenbei etwa mit der Unterstützung Deutschlands den Einfluß Eng­lands im Völkerbund wiederherzustellen, denn England hat feine Rolle im Bund längst ausgespielt- Solange der Völ­kerbund besteht, hat er bei jeder Gelegenheit die Rechte Deutschlands mit Füßen getreten, man denke an das Saar- gsblet, an Oberschlesien, Eupen-Malmedy, das Memelland, Danzig und erst neulich wieder die fieberweisung der Dan- tziger Hafeninsel Holm an Polen zur Errichtung eines Waf­fenlagers psw. Deutschland wäre künftig. schütz- und macht­los der Willkür des Völkerbunds, in dem der französische C.ufluß allmächtig ist, preisgegeben, es dürste nicht einmal e.nen Widerspruch wagen, sondern müßte die Entscheidungen noch schriftlich als Ausfluß desWeltfriedens" bestätigen. Ln der Schweiz und in Schweden, in Italien. Spanien und In einer Reihe südamerikanischer Staaten ist eins große A olksbervegungLos vom Völkerbund!" entstanden. Die Vereinigten Staaten und die Sorvjetrevubliken haben des öfteren erklärt, daß sie nicht daran denken, in diesen den Ist ftieden in der Welt fördernden Völkerbund einzutreten, vmbrkich, Deutschland müßte von seinen leisten autsn Ge-stern v - Nissen sein, wenn es diesem bankerotten Gebilde des Lugs und Trugs beitreten würde.

Die Vorschläge der Sachverständigen

Paris, 21. März. DasEcho de Paris" weiß von dem Gericht der Sachverständigen, der in der nächsten Woche fchon der Entschädigungskommission übergeben und veröf­fentlicht werden solle, folgendes zu melden:

1. Es soll eine Goldnoienbank mit dem Sitz im Ausland 'errichtet werden, deren Kapital und Rücklagen von auslön- L -en und deutschen Kapitalisten aufzubringen sind. Der jE rag wird durch eine internationale Anleihe begründet, wofür die Reichseisenbahnen als Pfand hasten.

2. Zur Ausgleichung des Reichshaushalts erhält Deutsch­land einen zweijährigen Zahlungsaufschub, wahrend dessen «der die Nachlieferungen und Barzahlungen von 800 MS. iE stdmark jährlich für Vesetzungskosten (!) fortgesetzt werden «n ifsen. Deutschland hat aus demUeberschuß" seiner wie- tn. hergestellten Wirtschaft jährlich drei Milliarden Gokdmark «n seiner Entschädigungsschuld abzuzahlen. (Die französi- Ic Mitglieder des Ausschusses hatten sogar 4)H Milliarden znrlangt).

3. Das deutsche Eisenbahnnetz wirdunter nachdrücklicher D chführung der finanziellen Einheit" in verschiedene Di- Lc. ionsbezirk, um im besetzten Gebiet das Fortbestehen einer »verwaltungsmäßigen Selbständigkeit zurSicherung der IT ppenbeförderungen" zu ermöglichen. Diese Selbständig- lke-t fdüefte derjenigen der bayerischen Eisenbahnen sich

ern. (Das ist anscheinend ein anderer Ausdruck für die F ffetzung der französisch-belgischen Bahnverwaltung im besetzten Gebiet. D. Schr.) Die Reichseisenbahnen haben «n die Verbündeten den Betrag von 15 Millionen Gokd- Tiiark abzuführen, weil sie durch die Markenkweriung sich ihrer Schulden entledigt Hube. Diese Summe ist der Ent- schüdigunyskommffsion nach und nach in Schuldverschreib- »mgen zu übergeben.

4. Der Besitz von Industrie, Handel «nd Landwirtschaft Ist mit einer Abgcche von 1011 Milliarde» cm die Verbün­deten in Form von Hypotheken zu belasten, wovon 1200 Millionen Goldmark vorweg zur Rückzahlung der Vorschüsse der Renlenbank an die Reichsfinanzverwaltung zu verwen­den sind. Die Rentenbank wird ausgelöst beKv. in die Gold- notenbcmk (Goldkreditbank?) übergeführt.

5. In Deutschland find verschiedene Reichsmonopole für Tabak, Alkohol, Streichhölzer, Zucker ulw. einzuführen, ÄiS etw arund 11X Milliarden Goldmark für die Verbündete»! embringen sollen. In Höhe dieser Einnahmen sollen Schplbdi verMceibunaen ausgegeben werden.

; Wenn diese Meldung im großen ganzen zutreffend sein f sollte, und es ist bei den Beziehungen, die dasEcho de i Paris" zur gegenwärtigen französischen Regierung unterhält: - wohl nicht daran zu zweifeln, so ist die Arbeit der Sach- ! verständigen noch weit schlimmer als das berüchtigte Londo-- > ner Ultimatum vom Mai 1921, und es bestätigt sich, daß -ce Ausschüsse ganz unter den französischen Einfluß geraten sind, j Des ganzen Apparats hätte es nicht bedurft. Cs ist bemer- kenswert, daß in den Vorschlägen von einer Gesamtsumme der Kriegsentschädigung, die Deutschland nach der Meinung der Sachverstärüngen aufbringen könne, mit keinem Wort die Rede ist, der Ausschuß hat also «ach dem Wort Poinaresb daß er an der Gesamtsumme von 132 Milliarden Goldm.irh nicht rütteln lasse, vermieden, aus die Hauptsache einzugshem. Wie Deutschland übrigens die vorgeschlagenen Leistungen aufbringen soll, das bleibt das Geheimnis der Sachverstän­digen. Auf eines muß noch hingewiesen werden. Durch dis dritte Steuernotverordnung glaubte die Reichs­regierung de alten Schulden von sich abstresen zu können.

! Nun kommt der Feind und macht eineAufwertung" für sich? i er holt vom Reich durch seine Verordnung, was das Reich ! durch die Markentwertung gewonnen zu haben glaubte,

;denn ich bin groß und du bist klein!". Was ist nun bester,

! Laß der feindliche Verband dieAufwertung" für seine Ta- ! scheu besorgt, oder wenn das Reich ehrlicherweise seine Schul- ! den in angemessener Höhe anerkannt hätte, statt Millionen ! deutscher Staatsbürger und Sparer in grenzenlose Not und ! in Verzweiflung zu stürzen. Die erschreckende Zunahme der.

! Selbstmorde sind eine blutige Anklage. Oder sollten die Ab- ^ sichten der Sachverständigen in Berlin ihre Schatten schon i» die Ausarbeitung der dritten Steuernotverordnung, dis be­kanntlich viele Wochen in Anspruch nabm und mehrmals um- zzearbeft wurde, hineingeworsen haben?

Der Hitlerprozetz

Die Reden der Staatsanwälte

München, 21. März

In der heutigen Sitzung gibt der Vorsitzende eine Erklär rung zu einem Artikel derFrankfurter Zeitung" ab, in den» darauf hingerviesen wird, daß Konprinz Ru pp recht im Hintergrund des Prozesses als handelnde Persönlichkeit stehe, und daß, um ihn zu schützen, die Oeffentlichkeit bei ge­wissen Abschnitten der Verhandlungen ausgeschlossen wor­den sei. Das Gericht bemerkt hiezu:Dem Gericht ist nichts davon bekannt, daß im Prozeß eine immer im Hintergrund bandelnde Persönlichkeit mehrmals erwähnt wurde und daß das Kronprinz Rupprecht sein soll. Unrichtig ist, daß un» der Persönlichkeit des Kronprinzen willen jemals die OeffenL- l chkeit ausgeschlossen wurde. Die Veryandlung hat keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, daß Kronprinz Rupprecht irgendwie in die Ereignisse des 8. und 9- November und ii» die damit zusammenhängenden Ereignisse eingegrisfen hättet

Das Gericht begründet darauf folgenden Beschluß:Für! die Ausführungen und Anträge der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger und die letzten Warle der Angeklagte» wird die Oeffentlichkeit zunächst nicht LusZsschlossLn. Das Gericht behält sich vor, im Bedarfsfall d:e Oeffeniuchkeit auszu- schließsn."

Erster Staatsanwalt Dr. Stenglein: Ich schicke vor­aus, daß ich mich jeder persönlichen Stellungnahme zu de» politischen Parteifragen enthalte. Es soll nur die Tat der? Angeklagten erörtert werden und das zu ihrer Aufklärung Notwendige, und zwar ohne das Beiwerk, das einen großen! Raum in der Verhandlung eingenommen hat. Ueberblick« man die Ereignisse vom 8. und 9. November und die zr» ihnen führende Entwicklung, so treten uns vor allem von» vaterländischen Standpunkt aus zwei ries bedauerliche Er­scheinungen entgegen. Einmal die Zerrissenheit nnd Zer­klüftung der vaterländisch gerichteten Kreise, ihre Spaltung in verschiedene Lager, die einander argwöhnisch, mißtrauisch und feindselig gegenüberstehen. Das schroffe, einseitige Par-! te Programm, das jeden als Schädling verurteilt, der nur um! e;ne Linie davon abweicht, ist ein Nebel. Die zweite Schädi­gung sehe ich in der gährenden, heißen, brennenden Arme- duld, die in national aktiven Kreisen Platz gegriffen hat, di« meint, sie könne mit einem Gewaltstreich das alte Deutsch­land in seiner strahlenden Herrlichkeit wieder aufrichten. Ich verkenne den guten Kern nicht, und es ist selbstverständliche daß gerade unsere begeisterungsfähige Iugend dieser Unge­duld verfällt. Aber an die Stelle dieser Ungeduld muß trete» die harte, zähe und eiserne Geduld, die in der Stille arbciieH d e, tatfreudig und der Zukunft sicher, die Geduld, die miß zuj. mmengebistencn Zahnen wartest bis die Saat reif ist.

Abgesehen von diesen beiden schädlichen Erscheinungen liegt die tiefe Wurzel der Geschehnisse in der Zerrüttung de« Klaatsaukorikät. Die Weimarer Verfassung bildet di« Grundlage des Reichs. Die Gegnerschaft gegen diese Ver­fassung darf, mag sie auch aus nationalen Gründen berech­tigt erscheinen, niemals dazu führen, daß sie mit Gewalt zN ändern oder zu beseitigen ist. Die gleiche Strafbestimmung die bisher die monarchische Staatsform geschützt hat, schüA nun in unverminderter Geltung die Republik. Freilich war das, was im November 1918 geschehen ist, ein Verbrechers und Hochverrat. Allein damals ist die neue Regierung in kurzer Zeit im ganzen Reich vollständig durchgedrungen und' damit ist der tatsächliche Zustand in einen rechtlichen umge- wandelt worden. Hitler hat recht, wenn er ausgeführt Hatz daß der Hochverrat das einzige Delikt ist, das nur dann be­straft wird, wenn es mißlingt. Dieser Grundsatz mutz auch ent die Angeklagten an gewendet werden. Ihre Tat ist nicht gelungen und daher die StraffähiAkeik. Die Frage, ob di« drei Männer Kahr, Lossow und Seißer in sttcafbare« Weife sich an der Tat der Angeklagten beteiligt hätten, sei für die Schuldfrage belanglos. In dem Ermittelungsverfah­ren sei selbstverständlich die Frage ihrer strafbaren Beteili­gung gewissenhaft erforscht worden. Ein Anlaß zur Erhebung! der öffentlichen Klage habe nicht festgestanden. Auch dafür, daß sie kurz zuvor an der Vorbereitung sich beteiligt haben: »erde kein Beweis erbracht. Es sei also der Tatbestand de» Hochverrats nicht feststellbar. Im übrigen werde die neuer-> iiche Prüfung der Strafbarkeit der drei Männer mit aller Vewifsenhaftigkeit verfolgt.

DerKampfbund" habe sich unter Führung Hitlers oo» Anfang an eine unabhängige Rechtsstellung zu verschaffe gewußt. Dem sei mit der nötigen Entschiedenheit entgegen aetreten worden. DerKamvidund" sei infolge der Tatenhjj