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Freitag den 18. Januar 1924
Verbreitetste Zeitung t» Oberamlsbezirk. — Anzeigen sind daher vo» beste» Erfolg.
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98. Jahrgang
Tagesspiegel
Im Sachverskändigen-Ausschuß in Paris erklärte General Dawes die Berufung des Reichsbankpräsideuten Schacht sei nicht auf feine, sondern auf die Anregung des belgischen Mitglieds erfolgt. Mit den deutschen Vertretern werde man sich eine Woche lang besprechen müssen, dann werde der Ausschuß nach Berlin reisen, um eine Untersuchung vorzunehmen.
Poincar« hat die Uebernahme bezw. Fortsetzung der Sozialversicherungen in Elsaß-Lothringen, die das Land früher als Bestandteil des Deutschen Reichs genoß, abgelehnt, da der Staatshaushalt keine weitere Belastung vertrage.
Rach dem «Newyork Herald» haben die französische und die belgische Regierung der Regierung in Washington mitge- kcilt, sie wollen ihre Entscheidung über die Lebensmittel- a'.-leihe an Deutschland erst treffen, wenn die Sachverständi- gen-Ausfchüffe ihre Arbeiten beendigt haben. — Diese Verschleppung ist wohl einer Ablehnung gleichzuachten.
Die italienische Kammer wird voraussichtlich am 27. Januar aufgelöst werden. Mussolini wird am 28. Januar in eikwc sroßen Versammlung die politischen Richtlinien darlegen. — Mussolini wird Ende Januar mit dem südslawischen Ministerpräsidenten Pasitjch in Venedig zusammen- kommen.
Charles G. Dawes
Der Mann, der sich nicht an der Rase herumsühren läßt.
Charles G. Dawes. der amerikanische Vorsitzende des interalliierten Untersuchungsausschusses sür die deutschen Finanzen, ist durch die Pariser Rede, .mit der er sein neues Amt übernahm, der volkstümlichste Mann der politischen Oesfentlichkeit geworden. Bisher war er in Europa nur dunkel bekannt als der General, der so schrecklich — fluchen kann. Daß er auch sehr diplomatisch vorgey^n kann und ein feiner Seelenkenner ist, hat er jetzt bewiesen. Denn die kluge Zurückhaltung und Neutralität, mit der er sprach, soll bedeuten, daß er sich nicht als Vertreter des amerikanischen Volks fühlt und auch nicht im Auftrag seiner Regierung gekommen ist (was in Washington immer wieder betont wird). Die öffentliche Meinung in Deutschland tut gut, in General Dawes nun nicht gleich den Lohengrin zu sehen, der über das große Master gekommen ist, um als Kämpfer und Retter für die deutsche Bedrängnis aufzutreten. Gleichwohl sind die ersten Schritte, die dieser Mann der Tat auf europäischem Boden tut, erfreulich und werden mit Recht als der Beginn ein«: energischen Reinigung begrüßt. Wer ist eigentlich dieser Dawes?
Als Harding, der Vorgänger Coolidges, die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten übernahni, herrschte in der Ltaatsverwaltung mit ihren Ausgaben von mehreren Milliarden Dollar eine heillose Lotterwirtschaft von Wilson her. Jedes Staatsamt trachtete darnach, vom Kongreß so viel Geld als nur möglich bewilligt zu erhalten, ohne genau 'mitzuteilen, wofür es benötigt werde. Jedes Ministerium wachte eifersüchtig darüber, daß es im Geldausgeben nicht hinter den ruderen zurückbleibe. Dazu kam, daß die Zuständigkeiten der einzelnen Aemter meist sehr ungenau abgegrenzt waren, wodurch mehrere Dienstzweige von mehreren verschiedenen Stellen aus geleitet und auf diese Weife das Personal und die Ausgaben unnötig vergrößert wurden. Also ganz ähn- rch, wie es in Nachkriegs-Deutschland aussehen soll. Das vurde aber in Amerika plötzlich anders. Ein frischer Wind, ngemlich schon ein tüchtiger Sturm setzte ein, als man Herrn vawes, gerade Präsident einer Großbank in Illinois, als Vorstand des Haushaltbureaus zum Spardirektor der Vereinigten Staaten machte. Den Rang eines Generalleutnants hatte Dawes im Krieg erhalten. Er hatte damals die Verkaufsbureaus aller Verbündeten zu einem einheitlichen Wirt- ichaftskörper vereinigt und war als Vorsitzender dieser Bureaus teils angenehm teils aber auch gewissen Leuten sehr unangenehm ausgefallen.
Von dem Augercklick an, da Dawes im Amt eines Spardiktators saß, durfte kein Verwaltungszweig mehr auf eigene Faust etwas anschaffen, bestellen oder verkaufen. Wenn das Kriegsministerium Schreibtische brauchte, war dem Bureou- chef untersagt, zu einem Möbekfabrikanten zu gehen und sich »uszusuchen, was ihm gefiel, sondern er mußte den Bedarf dem Herrn Dawes Mitteilen. Und dieser schaffte dann die - kusche aus einem (von ihm abgebauten) anderen Bureau heran. Der Kontrolle des Herrn Darves unterstanden ins- iesamt 43 Regierungsämter. In diesen Aemtern mußte vochknlang hin- und herstudiert werden, was sich an den «tz!en Anforderungen noch streichen ließe. Und dann erst ^tzte Dawes noch einmal seinen Maustift in Bewegung.
, General Dawes kennt kein Ansehen der Person und nimmt Blatt vor den Mund, wenn er seine Meinung sagen will, "l/m erzählt sich, daß hohe Beamt«, sogar Generalsekretäre, sEnbleich und zitternd sein Bureau verlassen haben. Er setzte Mbst den „höchsten Tieren" sehr deutlich auseinander, daß De ln dem großen Staatsbetrieb nur ein Stäubchen und nicht mva die Allgewaltigen sind, die sie sich zu sein einbilden. «euer sich selbst sagte er gelegentlich: Ich bin ein einfacher
Geschäftsmann. Ach gebe immer Meder einen Beruf auf, der mir hunderttausend Dollar jährlich eintragen könnte, und nehme Posten an, die mir kaum den zehnten 2 eil einbringen. Warum tue ich das? . Well ich ein guter Staatsbürger sein will und, wenn man mich kuft, nicht absagen darf. Aber glaubt nur ja nicht, daß ich, weil ich schlecht bezahlt werde, mich an der Nase herum führen lasse)
Dawes wird sich auch in Paris nicht an der Nase herumführen lassen. Er hat einem deutschen Zeitungsberichterstatter angedeutet, daß er ganz genau die Absicht gewisser politischer Einflüsse merke, seinen Ausschuß mit Aktenstücken totzu- sthlagen, unter Aktenstücken zu ersticken und zu begraben. — Aber'das Temperament eines Darves wird sich durchsetzen. D»s erhoffen alle Freunde der Völkerverständigung.
^ Georg Hoch st etter.
Neue Nachrichten
Vom Reichslag
Berlin, 17. Jan. Die S>:utschnationale Fraktion hat im Reichstag eine Kleine Anfrage eingsbracht darüber, daß der deutsche Geschäftsträger in Mris, von Hösch, der französischen Regierung das Beileid der Reichsregierung zum Verlust des Luftschiffs „Dixmuiden" aisgedrückt habe in einer Zeit, wo Millionen Deutsche von den Franzosen aufs schwerste bedrückt werden. Die nationale Würde und Selbstachttmg der Deutschen muffe dadurch schwer verletzt werden, zumal das Luftschiff durch den GewaUfrieden Deutschland geraubt war- de« sei , , ,
Die sozialdemokratische Fraktion trat heute zusammen, »fp M verschiedenen Fragen, besonders zum Ausnahmezv- KtMd nach M einer früheren Einberufung des Reichstags Dbellung zu nehmen. Es soll mit der Möglichkeit zu rechnen daß der Aeltestenvat des Reichstags anfangs nächster Woche zusammentritt, um über die Einberufung des Reichstags sich WMg zu machen.
Die Verhaftung Tormanns
Berk«, 17. Jan. Rach Blätterberichten war der verhaftet« -Kaufmann Tormann vor einigen Tagen nach Berlin tz» Mmmnsn und warÄte sich an das Büro der Deutsch-vöMsche» Hretheitspartei, wo er seinen Plan entwickelte, den General v. Se« ckt M bssmLgen- Ein Herr D., den er keime, möchte chm dabei behilflich sein. Die ^rren des Büros gingen an» scheinend aus den. Plan ein, setzten aber sofort den Reichs» rommisiar Kr Lffentkche Sicherheit, Oberst Wnzer, von dem Vorhaben Tormanns in Kenntnis. Herr D. traf verabredeter- maßen mit seiner Frau im Kaffeehaus Iosty mit Tormann zusammen; dieser wurde dort verhaftet. General v. Seeckt pflegt jeden Morgen in einem Reithaus zu reiten. Dort sollte er erschossen werden. Die Polizei nimmt an, daß Tormann Helfer habe. Tormann war früher Mitglied des Bunds „Wicking", ist aber vor einiger Zeit ausgetreten
In München wird amtlich erklärt, daß der Regierung die Angelegenheit Tormann unbekannt sei.
Streik
Elberfeld, 17. Jan. In der rechtsrheinischen Webindustrie find die Arbeiter und Arbeiterinnen wegen Lvhnstreiti^eiten in den Ausstand getreten.
Postamt in Speyer die Raffen und ave Pakete geplünder? haben, während die Franzosen vor dem Gebäude Wach«! standen, um sie zu schützen. Ferner der Bericht, daß ins große Papierfabrik Knöckel, Schmidt u., Cie. in Lmdenbera kört wurde, weil ein sonderbündierischer Arbeiter «O m worden war.
,Beschränkung der Einwanderung in die Vereinigte» Staat««
Paris, 17. Jan. Nach einer Meldung der „Chicago Tribüne" aus Washington soll dem Kongreß in dieser Woche ein .neuer, sehr scharfer Gesetzentwurf über die Einwanderung Mgehen, der die Zulassung von nur 2 Prozent der fett dem Bahre 1850 in den betreffenden Ländern lebenden Beölke- -rung zur Einwanderung vorsisht. Demnach würden im lallten den Jahre nur 170 000 Einwanderer der verschiedenen RationÄitäten nach den Vereinigten Staaten zu gelassen werden. Die Zahl belief sich im vergangenen Jahre auj 360 000. Besonders starke Herabsetzungen sollen die Duo- Len sür Juden und Italiener erfahren. Andererseits seien Zugeständnisse mit Rücksicht aus die Familien derer varge- ,fetzen, die bereits die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben haben. Derartige Einwanderer sollten bei der Berechnung der Quote nicht mitzählen.
Die Aussprache zm: Thronrede im Unterhaus
London, 17. Jan. Aus die Angriffe Lloyd Georges gegen die Regierung, daß sie die Gelegenheit versäumt habe, mit Unterstützung der Vereinigten Staaten die Entschädigungs-l frage im Sinn der Vorschläge des Staatssekretärs Hughes gu lösen, antwortete gestern Unterstaatssekretär Mac Reill, die britische Regierung habe von den Borschlägevi vertraulich am 8. September 1022 durch den britischen Bobs schafter erfahren, amÄich habe sie keine Kenntnis erhaltend Poincare habe di« Vorschläge überdies entschieden abgelshnts Wenn England wirklich in den auswärtigen Angkisgerr- heiten durch eigen« Mißwirtschaft noigetitten haben
würde die gegenwärtige Regierung nur zu einem !kl, Re ReAerung Lloyd Georges,zu vier Fö hie Schuld tragen. Bezüglich der Sonderbündler in Deut kand habe die 'Negierung von Anfang an gesagt, Sech keine solche Bewegung gnkhekßen können, die aus eine ^ hängchkett von Gebieten, üre jetzt Teile des Deutschen Reichs sind, hinaus!ausen. Dadurch würde die Grundlage des FriederiKHertraas geändert. Sollte es sich um FreHaate^ innerhalb -es Reichs handeln, so wüiche England sich nicht einmischen, vorausgesetzt, daß e« sme echte Volksbewegung wäre. Im größeren Teil des Rheinlands so, sie das nickch sie habe im «^Aschen und behüiche« BHetzsngsgedi« ja «ich bereit» ausgehört. Die brWßhe Neo^rrmg Hobe den Ettw«»ck gewonnen, daß fi» auch « der Walz rMt echt sei; bi« Stcheichett wolle ste durch dir Untersuchung Ebnes erkalte»». Aue imverständNchen «nd jUdenfaüs törichten Gründen haben die sranzSWchen Stellen gegen di« Untersuchung Ein- Wändr erhoben, vemmrWch, weil ste darin einen Tadel ihrer Vmooktusg erbkick««.
Mach NeOl grfff her Arbektervertreter Shaw die Regie» r«g heftig an. Eine Politik, die dazu führte, daß «s in Europa nach dem Krieg eine Million Soldaten mehr gebe als vorher, dürfe sicht fortgesetzt werden. Shaw bedauerte, daß « der Thronrede nicht von der Anerkennung der Sowjet- » n g Wuu jg gesprochen word».
Die Aufgaben der französischen Anterfuchungskommifsion
Köln, 17. Jan. Die Aufgabe der französischen Unter- suchungskommission im enKischen Besetzungsgebiet besteht nach der Köln. Ztg. darin, zu erkunden, ob zurzett von diesem Gebiet aus Borbereitungen mrd Hilfeleistungen zur Bekämpfung -er Sonderbündler in Duren und Hennefs getroffen wurden.
Der Reichspostminister tu Karlsruhe
Karlsruhe, 17. Jan. Gestern war Reichspostminister Dich ö fl« hier und erörterte mit den Präsidenten der OKer- postdirektioneu Karlsruhe und Speyer sowie mit den Presse- Vertretungen Fragen des Post- und Telegraphendienstes- Wertretern der Beamten war Gelegenheit gegeben, ihre besonderen Wünsche vorzutvagen. Der Reichspostmimster ent« Wickelte die Ziele, die sich die Reichspostverwaltung für ihrett .Wiederaufbau gesteckt hat.
Die neue Danziger Regierung
Danzig, 17. Jan. Die gestern gebildete Regierung des- -Freistaats Danzig besteht aus 7 Deutschnationalen, 4 Abffe- »ordneten des Zentrums und 2 Senatoren der Deutsch-Dan^ ziger Bolkspartei.
Lkacke Besetzung von Essen
Essen, 17. Jan. Die Besetzungsbehördcn verlangten weitere 980 Wohnungen für Offiziere und Beamte. Die Unterbringung muß innerhalb eines Monats beendet sein.
Die Untersuchung Elches
Speyer, 17, Jan. Der britische Generalkonsul Clivc fetzte gestern seine Vernehmungen fori. Besonderes I,., r- jesie erregte die Mitteilung, daß die Sonderbündler aus cnu'.
keine Lebensmittelanleihe au Deutschland
Washington, 17. Jar^ Die Bankiervereinigung m Newyork teilte der Regierung mit, daß sie den Plan. Deutschland «ine Anleihe r«n 70 Milllonen Dollars zum Ankauf amerikanischer Lebensmittel zu geben, aufgegeben haben, da Frank-" reich und Belgien das Sicherhettsvorrecht vor ihren Entschädigungsansprüchen nicht zugestanden haben.
Die Lcmdoner „Times" erfährt, die Entscheidungen der verbündeten Regierungen über das Sicher hei tsvorrecht feie» in Paris eingegangen, nur diejenige Frankreichs stehe noch aus. Die belgische Antwort sei zustimmend unter Vorbshaü. Die Erttschädigungskornmission halte ihre nächste Sitzung am L6. Januar ab, die Antwort an die deutsche Reichsregierung werde also wieder verzögert.
Me devtfch-franzöfische .Verständigung'
BeEu» 17. Jan. Die Antwort der Reichsregiernng ans die französische und belgische Geheimnote wird frühestens Mitte nächster Woche erwartet. Das Kabinett wird sich mor- zen mit dem Bericht des Geschäftsträgers v. Hösch befassen. Wie verlautet, ist vorläufig nicht beabsichtigt, über das Angebot in der Denkschrift vom 24. Dezember hinauszugehen, Nährend die Mindestforderungen Frankreichs viel weiter susgreifen. Nach dem Pariser .Temps" wird die französische Regierung für das am 15. April zu erneuernde Abkommen ailk der Industrie des besetzten Gebiets keine Erleichterungen zugestehen.
Der Reichskanzler sagt- zu einigen Abgeordneten für xrotze Hoffnungen auf eine Berständiqnng sei die Zeit noch liicht'gekommen. Der Weg sei durch die bisherigen Ber- j» 2 n"! mgen noch nicht gefunden, er müsse durch sie erst gesucht werden.