Erscheint ««jedemWerk, taa. Bestell angen nehmen sämtliche Postanstalten and Postboten entgegen.
Bezugspreis im August ^ 50000.- einschl. Trägerlohn, Einzelnummer 2500.-
Ameigen-Sebühr für die einspaltige Zeile aus ge- wShnlicher Schrift oder tznenRaum bei einmali- z« Pmückung ^ 8000, Familienanzeigen» 6000, bei mehrmaliger Rabatt »ach Tarif. Bei gerichtl. Veitreibung ».Konkursen ist der Rabatt hinfällig.
«r. I8L
P»A -<
Auzelgeblatt für den SberamksbeM Vagol
Sczründrk 182» Fernsprecher N- rL
«»lUriiiMll,, r>r«ü -v- »erioe v-n- «. ----- 8->!>ci Marl Lauen RagoU
Donnerstag, den 9 August L928
Berbreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk. — An« zeigen sind daher von bestem Erfolg.
Kür Auftrag» wird r»t> aerlel »«wähl übinl,««»». »» wird k«tu« »««Lhr dafkk äbem«mme», daß Au-itge» ,d»r RrklamiN iu b«K>mm««» Sutaaben oder au der ge» »Lnschien Stell« erfchitu«. An Fäll«» »,» HSHerer »« «all besteht few Anfpruth aus Steserung der Zeitung »der aut «tück,ahl»n, d.B»»u«»vre»e«.
Telegramm-Adresse: Gesellschafter Nagold.
Postscheckkonto: Stuttgart 5113.
97. Jahrgang
Tagesspiegel
Die belgischen Minister Jaspar und Theunis wurden in einigen Tagen in Paris erwartet, die Zusammenkunft ist je- wch plötzlich verschoben worden. Der englische Minister Lord Lecil hatte mit dem Präsidenten Millerand und mit poincare längere Besprechungen. Auch mit dem Vertreter Schwedens im Völkerbund. Dranlmg. halte Poincare eine Unterredung. die sich um den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gedreht haben soll. Lord Cursor, wird auf seiner Urlaubsreise nach Bagnoles (Südsrankreich) in Paris urzen Aufenthalt nehmen- Ob er mit Poincare zusammen- >ressen wird, ist noch ungewiss. Demnächst wird auch der iranzösische Gesandte beim Vatikan, Ionnark, in Paris ein- -ressen. nachdem er eine längere Unterredung mit dem Papst hatte. Gerüchtweise verlautet, der Papst beabsichtige sine» neuen Vermittlungsversuch.
Aach dem Londoner „Daily Telegraph" ist der aus Mittwoch anberaumte britische Mimskerrak wegen -Mei- mmgsverschiedenheiien im Kabinett aus Donnerstag vcr- schoben worden.
Die südslawischen Minister Pasilsch und Ninlschilsch be- zebcn sich nach Paris, um dort die Entschädigungs- und öülkanfraoe zr besprechen. Von Paris reisen sie nach Ma- rienbad (Böhmen), wo eine Zusmnmemr-.nft der Ministe, des Kiemen Verbands stattsindet.
Sollen Deutsche nach Kanada?
3m April d. I. wurde gemeldet, daß die kanadische Negierung die seit dem Krieg streng verbotene Einwanderung von Deutschen, Oesierreichern, Bulgaren und Türken wieder frei- gegeben habe. Wie traurig aber heute die Verhältnisse drüben sind, ersteht man aus folgenden Briefen zweier größerer kanadischer Farmer. In einem Brief vom 15. März 1922 wird gesagt, daß es den Briefschreibern, was persönliche Sicherung und Behandlung anbelangt, gut, finanziell aber sehr schlecht gehe. Die Steuern seien fast unerschwinglich Das Getreide fiel im Herbst 1921 auf ein Drittel seines Werks und das Vieh bezahlte oft nicht den Transport zurr nächsten Markt. Da zeitweilig die Dreschkosten nicht hrraus- kamen, droschen viele überhaupt nicht oder verbrannten di« Lrnke. In einem Brief vom 8. Juli 1922 heißt es: Biel, Fabriken arbeiteten nur die Hälfte der Zeit. Ein Mechanike, bei der Kanadischen Aeberlandbahn verdiente im Mona! )6 Dollar..Wie soll da einer den Lebensunterhalt für sein, Familie bestreiten? In Kanada mit seinen 8 Millionen Einwohnern gebe es mehr Arbeitslose als in ganz Deutschland ün einem Brief vom 30. März 1923 heißt es: Es geht uns hier jammervoll, es wandern mehr aus Kanada aus als ein Wir haben einen ungeheuer Harken Winter, Schnee liegt in solchen Massen, daß man weder in den Busch noch in dic Felder gehen kann. Es herrscht Holz- und Futtermangel auch Kohle ist nicht zu haben. Lebensmittel allerdings sind im (Überfluß da, weil sie nicht verkäuflich sind. Letztes Jahr Hai Kanada die größte Ernte seiner Geschichte eingcbrachk unk die Farmer stehen trotzdem vor dem Bankrott. Farmen sink unverkäuflich. Die Mennoniten bei Winnipeg boten ihr« Farmen für acht und zehn Dollar den Acker (40 Ar) an, viele ließen die Farm einfach im Stich und gingen davon
Das Land ist zum Teil recht gut und kostete vor dem Krieg etwa 60 Dollar der Acker. Kanada ist Neuland uni seine Entwicklung ist abhängig von der Landwirtschaft. Versagt diese, so muß alles andere versagen. Zunächst die Eisen bahnen, die keine Frachten erhalten, die landwirtschaftlicher und andere Maschinenindustrien, weil sie keine Abnehmei finden. Die Absatzmärkte der valutasiarken Skaater Mitteleuropas sind verschlossen, daher Aeberproduktion unk gedrückte Preise.
Vor dem Krieg hat Kanada riesige Werbung für die Ein Wanderung auch in Deutschland gemacht, man versprach der Deutschen alle Vorteile. Biele gingen hin, halfen das Lank kultivieren und waren die besten Bürger, die sich nicht um Politik kümmerten. Aber vom ersten Tag des Kriegs ar Die eine niederträchtige Deutschenhetze ein Man internierte sie und nahm ihnen ihr Eigentum. Jetzt aachdem es England gelungen ist, seine unruhigen Element« vach Kanada zu schieben und die wirtschaftlichen Verhältnisse immer trostloser wurden, bemerken die Kanadier, daß ue sich mit ihrem Vorgehen gegen die Deutschen daneben gesetzt haben. Nun dürfen sie wiederkommen. Was werden I>e finden? Zunächst eine, durch die Schuldlüge noch rmme: ganz verhetzte öffentliche Meinung und unwürdige Behänd inng, dazu die alterschwierigsien wirtschaftlichen Verhältnisse von einer Wiederaufnahme der deutschen Einwanderung vach Kanada kann erst die Rede sein, wenn einmal di« veukschenhetze eingestellt und das Land über die Schuldlüg«
aufgeklärt ist.
Kanada, das zu seiner Weiterentwicklung eine starke Einwanderung braucht, hat neuerdings seine alten Bemühungen, möglichst viele, seinen Wünschen entsprechende europäisch«
Elemente zu einer Auswanderung nach seinen Provinzen zv veranlassen, erheblich verstärkt. Als Einwanderer erwünscht sind ihm alle kapitalkräftigen Landwirte und Landarbeiter, sofern sie sich unter kanadischem Einfluß schnell und leicht kanadischem Volkstum anp'afsen lassen. Zu diesen zählen leider auch die in Frage kommenden deutschen Äuswande- rungswilligen. Dazu kommt, daß wir die Kräfte, die Kanada benötigt, nämlich Landwirte, Landarbeiter und Hausangestellte, selber brauchen. Auch darf die unwürdige und rücksichtslose Behandlung, die den Deutschen in Kanada während und nach dem Krieg zuteil wurde, nicht vergessen werden. Wegen dieser Behandlung wandern zurzeit die deutschen Mormonen größtenteils von Kanada nach Mexiko aus. Auch gegenwärtig noch sind zahlreiche Kanadier deutschfeindlich gesinnt, so daß auch im Interesse der Deutschen, die nach Kanada ausreisen wollen, eine Auswanderung nach dort zurzeit im allgemeinen nicht empfohlen werden kann.
Die neuen Steuervorlagen im Reichsrat
Der Reichsrat hat die neuen Steueroorlagen mit einigen Aenderungen genehmigt. Die Biersteuer wird dadurch auf Sen Durchschnittssatz von 288 000 Mark für das Hektoliter erhöht. Bei dem bisher geltenden Biersteuergesetz betrug die steuerliche Belastung nur 2,8 bis 3,7 v. H. der Brauereipreise, während die Vorkriegsbelastung 13,6 v. H. ausmachte, die neue Vorlage ermächtigt den Reichsfinanzminister, 20 o. H. der Brauereipreise zu erheben. Hinzu kommt eine bedeutend schnellere Einziehung der fälligen Steuer. Weiter bringt die Vorlage eine Neuregelung der Besteuerung bierähnlicher Getränke, die früher unter die Mineralwassersteuer sielen. Die Kohlensteuer wurde vom Reichsrat dahin geändert, daß der Neichsfinanzminister für bestimmte Bezirke und Betriebe die Zahlung bis zu den bisherigen Fälligkeitsterminen statt der reuen hinausschieben kann, wenn wirtschaftliche Gründe da- jür vorliegen. Der Minister kann auch zulassen, daß die am -5. jeden Monats füllige Kohlensteuer als Pauschsteuer vorbehaltlich der spätem genauen Berechnung entrichtet wird. Die übrigen Verbrauchssteuern, bei denen die Fälligkeitstermine wesentlich verkürzt sind, wurden unverändert genehmigt. Beim Rhein- und Ruhropser wurde vom Berichterstatter hervorgehooen, daß es sich um eine außerordentliche Abgabe handle, die notwendig geworden sei, da die freiwilligen Spenden nicht ausgerei.ht HAttsn, und dem Anwachsen der Inflation vorgebeugt werden müsse, soweit das Opfer sich ouf die Einkommensteuerpslichtigen bezieht, wurde es unverändert angenommen. Bei der Krastwagensteuer beschloß der Reichsrat die Befreiung derjenigen Kraftfahrzeuge, die der öffentlichen Fuhrhalrersi dienen. (Autoomnibusse usw.). Der bayerische Bevollmächtigte wünschte für die Landwirtschaft eine Hinausschiebung des Zahlungstermins. Der 25. August falle gerade in die Erntezeit, wo die Landwirte besonders große Ausgaben hätten. Ein Vertreter des Reichssinanzmini- steriums erklärte eine Hinausschiebung des ersten Zahlungstermins für die Landwirtschaft könne nicht allgemein in Aussicht gestellt werden, sonst würden andere Erwerbsschichten mit gleichen Wünschen kommen können. Heute komme es einmal darauf an. daß wir Steuern haben, dann aber vor sillem darauf, daß sic so schnell wie möglich fließen. In Einzel- sällen könne man natürlich Härten vermeiden. Dis Finanzämter würden angewiesen werden, sorgfältig zu prüfen, wo besondere Härten vorliegen. Sie müßten aber dabei berücksichtigen, daß die Vorauszahlungen für die ersten beiden Zahlungstermine des Jahres 1923 außerordentlich niedrig waren, so daß ein gewisser Ausgleich bei den jetzigen Zahlungen berechtigt sei. Im allgemeinen müsse der 25. August als Zahlungstermin eingehalten werden. Das Gesetz über die Erhöhung der Vorauszahlungen ans die Einkommenkörperschaftssteuer wurde dahin geändert, daß die Vorauszahlungsrate für das Augustquartal für natürliche Personen vom 25- fachen auf das lOOfache, bei Körperschaften vom 35fachen auf »das 140fache erhöht wird. Ein bayerischer Antrag, der auch bier Vergünstigungen für die Landwirtschaft verlangte, wurde nicht ausreichend unterstützt.
Der neue Finanzplan der Neichsregierung
Goldanlcihe und wertbeständige Steuern
Berlin, 8. Aug. Gestern vormittag waren die Führer der Reichstagsparteien mit Ausnahme der Kommunisten und der Bayerischen Volkspartei, deren Führer in Berlin noch nicht eingetroffen waren, beim Reichskanzler, um die Finanzlage des Reichs zu besprechen. Die Abgeordneten 'timmten mit dem Reichskanzler überein, daß durchgreifende Maßregeln notwendig seien, um den Gefahren der weiteren Notenvermehrung und dem Währungsverfall entgegenzu- >rten. So sollen die Steuern über den vom Reichsrat beschlossenen, von der Markentwertung bereits überholten Rahmen hinaus «usgebaut und auf eine wertbeständige Grundlage gestellt werden. Die neue Gold- Anleihe soll mit besonderer Sicherheit umgeben werden, damit sie ein vertrauenswürdiges und wirksames Mittel werde zur Schaffung einer wertbeständigen Kapitalsanlags irnd Geldquelle, die für den Irttandsverkehr den Aufkauf von ausländischen Devisen und Wechseln überflüssig wacht.
(Für Verzinsung und Rückzahlung der Anleihe übernimmt der ganze Kapitalüesitz des Reichs die Bürgschaft. Industrie^ Handel und Banken haben der Reichsbank gegen Dollarschatzanweisungen 50 Millionen Goldmark in Devisen zuv Verfügung gestellt, womit die Anleihe gesichert ist. Die Devisen sollen vor allem zur Beschaffung notwendiger Lebens- mittel verwendet werden. Durch die wertbeständigen Steuern hofft man, eine Sicherheit für die Anleiheverzinsungj und einen Damm gegen die weitere Verschlechterung derj Finanzlage schaffen zu können. Wie die Gebühren dev Reichspost, sollen auch diejenigen der Eisenbahn wertbeständig gestaltet werden.
Französische Quertreibereien
Paris, 8. August. Der „Temps" schreibt, die deutsche Geldanleihe werde zur Verlängerung und Stärkung des Widerstands im Ruhrgebiet dienen, sie könne daher nicht geduldet werden, ohne daß die Entschädigungskommission ihre Zustimmung gebe, denn die finanzielle Zukunft Deutschlands werde durch die Anleihe in Mitleidenschaft gezogen. Es wäre m prüfen, ob nicht die Zahlungsmittel der Anleihe zu „er- mfsen" seien. Darüber sollte die englische Regierung dis Verhandlungen wieder anknüpfen.
Aus dem Ruhrkamps
Der Gekdraub blüht
Essen, 8. August. Die Franzosen raubten aus der Reichsbankstelle in Siegburg 450Millionen Mark.
Beim Ueberschreiten der Rheinbrücke von Mannheim nach Ludwigshafen wurden Boten der Badischen Anilin- unk Sodafabrik von den Franzosen angehalten und dreiei Milliarden Lohngelder beraubt.
In Dortmund haben die Franzosen das städtisch« Kleinbahngleis aufgerissen, wodurch die Verbindung mr Obereving, die hauptsächlich für die Viehbeförderung nack dem Magerviehhos Dortmund in Frage kommt, unterbunder ist. Das Vieh muß jetzt angetrieben werden.
Gewaltstreich gegen die Erwerbslosen
Mainz, 8. Aug. Die Franzosen haben den Bürgermeistereien in Rheinhessen verboten, Unterstützungen an di« Erwerbslosen auszuzahlen, diese haben sich vielmehr bei der französischen Vahnverwaltung zur Arbeit zu melden. Iw Falle des Ungehorsams werden die Bürgermeister mit je vier Gemeinderatsnntgttedern und die Erwerbslosen aus l>em besetzten Gebiet ausgewiefen. Die Erwerbslosen lehnen die Franzosenarbeit ab.
Reue Sperre
Koblenz, 8. Aug. Laut Haoas hat die Rheinlandkommission im Einvernehmen mit General Degoutte wegen des Bombenwurfs in Düsseldorf den Tag- und Nachtoerkehr zwischen dem besetzten und dem unbesetzten Gebier vom 8./9. August nachts 12 Uhr an auf acht Tag« verboten.
Dortmund, 8. Aug. An zwei Häusern, die von der Franzosen besetzt sind, sind Sprengkörper rechtzeitig entdeckt worden. — Ohne Zweifel sind die „rechtzeitig entdeckten" Bomben, die übrigens nicht gefährlich zu sein scheinen, von den französischen Spionen uiedergelegt worden damit ein Grund zu weiterer Bedrückung der Bevölkerung geschaffen wird.
Recklinghausen. 8. Aug. Die Werkstätten der Zech« ».Recklinghausen I" sind von den Franzosen abermals be- setzt worden. Die ganze Belegschaft hat die Zeche verlassen Oie Franzosen beginnen, für die französischen Eisenbahnei Wohnungseinrichtungen bei den Bürgern zu beschlagnah. men. Auch in Datteln wurde die Sechszimmerwohnung des Amtmanns, der in Ferien abwesend ist, beschlagnahm! und zu einem Offizierkasino umgewandelt worden.
In Tanten a. Rh. beschlagnahmten die Belgier di« Lebensmittel des Roten Kreuzes, die für die Stadtarmer bestimmt waren. Der Bahnhof wurde besetzt und das Eisenbahnpersonal vertrieben.
Mainz, 8. Aug. Ein« große Zahl Familienangehörige: von ausgewiesenen Eisenbahnern wurden in Lastkraftwa gen an der Grenze des besetzten Gebiets abgesetzt.
Die Liste der Leiden
Berlin, 8. August. Welch ungeheure persönliche Opfer 8« Abwehrkampf an der Ruhr erfordert, ersieht man aus folgender Zusammenstellung über die Zahl der Ausweisungen, Verhaftungen und Verurteilungen bis zum 1. August ds. Js. Ausweisungen aus dem altbesetzten Gebiet 739 preußi- che Beamte, 202 Gemeindebeamte, aus dem Einbruchsgebiet -397 preußische, 73 Gemeindebeamte. Verhaftungen im iltbesetzten Gebiet 140 preußische, 86 Gemeindebeamte, im kinbruchsgebiet 621 preußische, 202 Gemeindebeamte. V e r° »rteilungen im altbesetzten Gebiet 46 preußische Beamte m insgesamt 15 Jahren. 7 Monaten und 3 Tagen Freiheirs- jtrafe und 38 614 000 Mark Geldstrafe, Gemeindebeamte zu insgesamt 39 Jahren 2 Monaten 21 Tagen Freiheitsstrafe i-nd 95 940 000 Mark Geldstrafe. Im Einbruchsgebiet 218 preußische Beamte zu insgesamt 146 Jahren 7 Monaten 29