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«Iditnieui»»,, Lr»a »» »erta« von «. « Satter Marl Satter! »tagol».

Mittwoch, den 8. August 1S2S

verbreitetste Zeitung tm Oberamtsbezirk. An« zeigen find daher von bestem Erfolg.

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97. Jahrgang

Tagesspiegel

In der ersten Sitzung der auf S Tage berechneken Som- meriagung des Reichstags am Mittwoch nachmittag wird Reichskanzler Dr. Enno über die allgemeine Lage sprechen.

Auf Grund der Verordnung des Generats Degoutte ist bis jetzt 29 Großbetrieben der Ruhrindustrie die Beschlag- «ahme durch die Besetzungsbehörden angekündigt worden. Kluch die kruppwerke sichen aus der Liste.

Am Mittwoch findet in London ein Minisierrak über die KulMdigungsfrage und tue Ruhrbesehung statt.

Teixeira Gomez ist zum Präsidenten der Rqrublik Por­tugal gewählt worden.

Rach derChicago Tribüne" wird der amerikanische Bot­schafter in London, Harvey, der Freund Hardings, nächster Tage zurücktreten. Als sein Nachfolger wird der frühere Erziehungskommissar in Neuyork, John h. Finley, genannt.

Die Rettung der kleinen Vermögen

Ist das wertbeständige Anlagepapier, mit dem die deutsche Reichsregierung den Kampf gegen die Währungsnot aus- uchmen will, wirtlich eine Volksanleihe? Die bekannt- gegebenen Bedingungen sind günstiger ausgefallen, als man nach Len Vornotizen annehmen durfte. Offenbar ist in letzter Minute einiges verbessert worden. Volkstümlich ist an der Zeichnungsbedingungen jetzt zweierlei. Erstens das Herunter­gehen bis zu Len kleinsten Stücken von einem Dollar, also von ungefähr dem fünften Teil eines Pfunds, einer englischen Kleina ktie. Es ist das der beste Beweis für die trostlose Ver­armung weiter deutscher Geschäftskreise. Das Ausland, so­weit es immer noch nicht glauben will, wird nun Bescheid wis­sen. Zugleich ist es erfreulich, daß nun auch der kleinste Klein- tzausmann erspartes Vermögen sichern und sein Betriebs­kapital bis zum Augenblick neuer Auszahlungen gegen Ent­wertung schützen kann. Volkstümlich ist zweitens, daß der Betrag der Gesamtanleihe vorläufig unbegrenzt bleibt. Nur für die Deckung des Zinsenbedarfs wird zunächst an eine Kapitalsumme von 500 Millionen Goldmark gedacht. Aus Liese Deckung, die vor allem Vertrauen wecken muß, kommt alles an.

Der Anleihe-Entwurf weist allerdings auch noch einige Schönheitsfehler auf. Die Zinsen sollen nicht, wie bisher üb- kch, zweimal, sondern nur einmal im Jahr ausbezahlt wer­den, was indessen insofern zu billigen ist, als dadurch wesent­liche Verwaltungskosten erspart werden. Bedenklicher scheint zu sein, daß die kleinen Anleihsstücke bis zu 5 Dollar über­haupt keine Zinsen tragen, wenngleich die Zinszahlung durch ein Draufgeld von gewisser Höhe ausgeglichen wird. Es ist zuzugeben, daß auch hiedurch namhafte Verwaltungskosten vermieden werden, aber dem kleinen Sparer wäre mit einer sicheren Zinseinnahme ohne Zweifel mehr gedient. Endlich: es ist nicht recht einzusehen, warum bei Einzahlungen in Devissen- und Dollarschatzanweisungen eine Vergünstigung von 5 Prozent gegenüber der Einzahlung in Mark gewährt werden soll, nämlich mit einem Zeichnungs- Preis von 95 gegen 100 Prozent. Gewiß, der Dsvisenvorrat der Reichsbank soll gestärkt werden. Aber wird damit nichl die Geldwertigkeit der neuen Anleihe etwas herabgemindert? jedenfalls wird der Devisenhamsterer gegenüber dem kleinen Sparer bevorzugt.

Für die Deckung der Zinsen und der KapitalrückzahlulM haftet die Vermögenssteuer der gesamten deutschen Wirtschaft schlimmstenfalls jeder Steuerpflichtige mit seinem Besitz. Diese Bestimmung erscheint etwas unklar. Richtiger wäre es wohl die Anleihe auf die.Grundlage ganz bestimmter wertbeständi­ger Reichseinnahmen und Steuern zu stellen. OhneGold­steuern" würde die Anleihe in der Luft schweben. Ein Gesetz dieser Art ist, wie berichtet wird, in Vorbereitung. Die Volks- «nleihe soll ein Mittel sein zur Gesundung der Reichsfinanzen stnd zur Festigung der Währung, sie wird aber andererseits Mch bedingt durch die sichere Aussicht auf eine solche Gesun­dung, und diese wiederum ist ohne eine gründliche Abkehr von 'dem jetzigen verfahrenen Finanzsystem nicht denkbar.

Die Nissiandsbewegung im ersten Halbjahr 1923

Im ersten Halbjahr 1923 betrug in den erfaßte!' Ländern dw Zahl der an der Streik- und Ausstandsbewegung betei­ligten Personen 1822 623. Die ermittelte Gesamtsumme der Floren gegangenen Arbeitstage betrug 39 308 886. Hin- Wllch der Verteilung nach Gewerbegruppen steht an erster stelle der Bergbau mit 522 700 ausständigen Personen und »3 669 000 verloren gegangenen Arbeitstagen, dann folg er dse Eisen- und Metallindustrie mit 281 095 bzw. 5 584 412, dw Landwirtschaft und Gärtnerei mit 250 000 bzw. 5 832 000, "äs Handels- und Verkehrsgewerbe mit 246 424 bzw «685 744, die Textilindustrie mit 151350 bzw. 2 815 600, die Eolzbearbeitungsgewerbe mit 93 480 bzw. 2 144 360, das Baugewerbe mit 111120 bzw. 2107 820, Leder und Papier mit 38 987 bzw. 1100 040. die Nabrungs- und Genußmittel-

gsrverbe mit 40 950 bzw. 765 160, die Industrie der Stein« imd Erden mit 28 470 bzw. 623 000 usw. Bezüglich der «Erteilung nach -den erfaßten Ländern marschiert an der Aiitze Frankreich mit 344 500 ausständigen Personen und LE 742000 verloren gegangenen Arbeitstagen, dann folgen Deutschland mit 337 864 bzw- 5 531 848, England mit 229 500 bzw. 4 458 MO, die Vereinigten Staaten (Amerika) mit 373 700 bzw. 3 314 000, Indien mu 82 000 bzw. 2 310 000. Belgien mit 90 IM bzw. 2 IM 200, Schweden mit 57 300 bzw. 1689 MO, Italien mit 131 OM bzw. 1498 MH Australien mit 64 OM bzw. 1300 OM, Oesterreich mit W OM bzw. 890 OM. die Tscheche,-Slowakei mit 36 5M ^w. 865 MO. Spanien mit 39 7M bzw. 847 MO, Ungarn mit Kl MO bzw. 630 OM, China mit 31 000 bzw. 620 OM, Rumä- 10 700 bzw. 617 OM, Norwegen mit 20 7M bzw.

Gegenüber dem Vorjahr hat die Streik- und Ausstands- im ersten HaKtzahr 1923 ganz beträchtlich nachge­

lassen (Im ersten Halbjahr 1922 wurden 6 781732 ausstän« t ige Perlonen imd 174 050 186 verloren gegangene Arbeits­tage und im zweiten Halbjahr 1922: 4 085 148 ausständig« Personen und 99 266 393 verloren gegangene Arbeitstags gezählt). Die Ursachen dieses Rückgangs in der Arbeits- emnpfbewegung sind verschiedener Nalur. In Deutschland haben sicherlich die Vorgänge an dcc Ruhr eine beeinflussende Rolle gespielt. In anderen Ländern wirkte die andauernde Wirtschaftskrise einschränkend. Dis als Protest gegen das ungesctzmäßige Vorgehen der Franzosen und Belgier im be­setzten Gebiet anzuschenden Stellbewegungen sind nicht mit berücksichtigt.

Aus dem Ruhrkampf

Ein Bombenanschlag?

Essen, 7. Aug. Nach Blättermeldungsn soll in der Nacht zum 5. August in eine Fensternische des von den Franzosen deschlagnabmten Hauses des Kohlensyndikats ein Paket mit Sprengstoff und Zünder gelegt worden sein. Zwei in fran­zösischen Diensten stehende Deutsche wallen dieBombe" entdeckt haben (wahrscheinlich haben sie Las Paket selbst hin- gslegt). Sie meldeten es bei der deutschen Polizei, die das Paket entfernte. Eineverdächtige" Person wurde verhaften

Ucber den Handgranatenwurf in Essen am Samstag abend wird noch gemeldet: Eine französische Abteilung zog mit Musik durch die Königsallee. Ein HaufenDeutscher", wahrscheinlich Sonderbündler/scheute sich nicht, die Trupp« zu begleiten und voranzuschreiten. Im Grimm über die un­würdige Haltung derDeutschen" schleuderte der Maschinen­techniker Rabe eine Handgranate gegen die Voranmarschie­renden. Durch die Explosion wurden drei Zivilisten und vier Franzosen verletzt. Rabe wurde verhaftet. Auch Beamt« sind als Geiseln in Haft genommen worden.

Aus Duisburg wurden 110 Eisenbahner mit Fami­lien, zusammen 4M Personen, ausgewiesen.

Milliardenraub

Mainz, 7. August- Die Franzosen besthlagncchmten laui Hcrvas in Wiesbaden 8 Milliarden Mark, die angeblich zur Bezahlungstreikender" Eisenbahner bestimmt gewesen sein sollen. Ferner wurden 147 Millionen beschlagnahmt, dis an die Eisenbahner in Diez an der Bahn ausbezahlt wer­den sollten.

Bei der Besetzung der Reichsbank in Gelsenkirchen wurden die Zivilpersonen, die zufällig in der Nähe waren, voir den Franzosen mit Fußtritten und Peitschenhieben weg­getrieben.

Die über das Post- und Telegraphenamt Landau (Pfalz) vor 8 Tagen verhängte Sperre ist noch nicht aufge­hoben.

Wiesbaden, 7. August. Durch Verfügung der Rheinland­kommission wurden in den Kassen der Reichsvermögensver­waltung 100 000 Franken beschlagnahmt, da sich das Reich geweigert hat, den Schaden zu ersetzen, der durch Bombe» «nschlag im Wiesbadener Hauptbahnhof entstanden ist.

Französische Räubersoldaken

Neviges, 7. August. In der letzten Zeit verübten franzötz Kavalleristen an der Grenze des besetzten Gebiets Plünderun­gen. Sie verbargen sich hinter dem Gebüsch und brachten di« Straßenbahnwagen -der Strecke Barmen-Elberfeld unmittel­bar an der Grenze -es besetzten Gebiets bei Neviges zur« Halten; wenn die Wagen auf Anruf nicht stehen blieben, feuerten'die Soldaten. Unter dem Vorwand, das Gepäck zr kontrollieren, was aber schon durch die ordnungsmäßige« Kontrollposten geschehen war, ließen sich die Soldaten da« Gepäck der Reisenden vorzeigen, wobei sie alle mögliche« Gegenstände, vor allem Zigarren und Zigaretten, aber auck Kleidungsstücke, Wertsachen usw. raubten. Schließlich fandst der französische Ortskommandant, der von diesen Vorgänger in Kenntnis gesetzt worden war, ein starkes Gendarmerie Aufgebot aus, das die räuberischen Soldaten verhaftete.

Trier, 7. August. Die Franzosen sind in dem benachbarte« Karthaus zur Requisitton privaten Eigentums über-

gegangen. Tagtäglich erscheinen Soldaten in den Wohnunger der Bürger und nehmen diesen alles das ab, was ihnen gs! fällt: Möbel, Kleider, Unterwäsche, Gardinen usw., ohns irgend einen Requisittonsschein zurückzulasssn oder einen Bq rechtlgungsschein vorzuzeigen.

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Die Sozialdemokraten des besetzten Gebiets wollen keine Unterwerfung

Köln, 7. August. Eine sozialdemokratische Vertrauens mämierversatnmlung der Wahlkreise Aachen, Koblenz, Triei und des Saargebiets lehnte die von den 30 sozialistische» Reichstagsabgeordneten in Weimar verlangte Einstellung des passiven Widerstands gegen eine Stimme ab, da dst Unterwerfung keine Erleichterung, sondern noch größere Vs drückung der Bevölkerung bringen würde. Eine Entschließun« verlangte, daß die Reichsregierung jode Gelegenheit ergreife um mit dem Verband in Verhandlungen über die Entschäd-i gung und die Beendigung der Ruhrbesetzung zu kommen Zugleich wird der Eintritt Deutschlands in den Nökkerbun- befürwortet und schärfste Abwehr der Bestrebungen der Sooß derbündler ausgesprochen.

Die Bergarbeiter arbeiten nicht für die Franzosenverwalkunj

Essen, 7. Aug. Durch die Verordnung des Generals Do- goutte über die Beschlagnahme der Werke ist eine ganz neu« Lag« geschaffen. Die Bergarbeiter glauben, daß es nur aus die Werke abgesehen sei, die Kohlen zu Koks verarbeite» da an dem Koksmangel das ganze Ruhrunternehinen zu scheitern droht. Da die Zechenvorräte nunmehr fast gantz verbraucht sind, müssen die Franzosen die Kohlenförderung in die Hand nehmen. Die deutschen Arbeiter sind aber enbl schlossen, den Plan zu durchkreuzen und nicht für die Fron» zosenverwaltung zu arbeiten, selbst wenn von Berlin etnjs andere Weisung käme. Man rechnet daher mit der Aus­weisung ganzer Reihen von Bergarbeitern.

Iechenkrawallc

Recklinghausen, ?. August. Am Sonntag verlangte dt« Belegschaft der KohlenzecheKönig Ludwig", geführt von einem radikalen Betriebsratsmitglied, von der Betriebs- Leitung unter Drohungen die außerordentliche Zahlung von 4 bis 5 Millionen Mark auf den Kopf. Generaldirektor, Hennenberg und ein anderer Herr der Verwaltung wurden schwer mißhandelt. Die Verwaltung zahlte schließe lich 500 000 Mark auf den Kopf aus.

Neue Nachrichten

Einigung in der Berliner Metallindustrie

Berlin, 7. Aug. In später Nachtstunde kam eine Einigung, tn den Gehaltsverhandlungen Mischen der Berliner Metall«! Industrie und den Angestellten zustande.

Teuerungsunruhen

Berlin, 7. Aug. Aus verschiedenen Reichsteilen werden wieder Ausschreitungen wegen der fortschreitenden Preis­erhöhungen berichtet. Besonders in Sachsen dauern die Un­ruhen fort. In Stettin versuchten die Arbeiter der Vulkan­werft und der Röske-Odenrverft in geschlossenen Zügen in das Siadtinnere einzudringen, sie wurden aber von dev Schutzpolizei zurückgedrängt. Viele Scheiben und Schau­fenster wurden eingeschlagen.

Keynes warnt Daldwin

London, 7. Aug. Der bekannte Volkswirtschaftler K eY-- aes hat einen Vorschlag für die Entfchädigungssrage vei> öffentlichst nach dein Deutschland etwa 40 Milliarden Gold- mark zu zahlen hätte, die Ruhrbesetzung nrüsse aber sofort! aufhören. In einem langen Brief in derTimes" richtest Keynes an den Erstminister Baldwin die Frage, ob e« sich der ungeheuren Verantwortung bewußt geworden seH die er mit demRat" an Deutschland übernommen habH den passiven Widerstand aufzugeben. Keynes warnt Bald- min, sich in dieselbe Unehre zu stürzen, wie Wilson mit! feinen 14 Punkten.

Loolidge an Millerand

Paris, 7. August Der neue Präsident der Deveinigken Staaten, Coolidge, hat telegraphisch dem Präsidenten Millerand und dem französischen Volk die herzlichen Wünsch« für bestes Wohlergehen übersandt.

Die Politik Loolidge»

Paris, 7. August. Nach derChicago Tribuns" soll di« Politik des neuen Präsidfienten Eoolidge folgende Richt­linien verfolgen: 1. Unbedingte Ablehnung des Beitritts zmN Völkerbund. 2. Beteiligung am internationalen Gerichtshof unter Vorbehalten, die eine Unterstützung des Völkerbunds ausschließen. 3. Rückzahlung der Verbandsschulden zu ver­nünftigen Bedingungen, die nur auf die noch nicht fundierten Schulden zur Anwendung kommen sollen- 4. Kein Eingreifen! in die Ruhrfrage. 5. Wiederaufnahme der diplornattfchen Be«