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Mittwoch, den 28. Juli 1923

Verbreitetste Zeitung im Oberamtsbezirk. An­zeigen find daher von bestem Erfolg.

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97. Jahrgang

Tagesspiegel

Der deutsche Währungsverfall macht weitere Fortschritte.

Auch in Frankfurt a. M. sind im Anschluß an Demcmsica- kionen größere Unruhen ausZebrochen, wobei ein Staats- ünrvalt ermordet wurde und Plünderungen und Ver­wüstungen vorkamen.

Der Leipziger Staaksgerichkshof verurteilte im Ehrhardk- Prozrß die Prinzessin von Hohenlohe-Oehringen wegen Be­günstigung zu 6 Monaten Gefängnis.

Im Verfsssnngsausschuß des bayerischen Landtags wurde dis Erleichterung des Volksbegehrens mit 15:13 Stim­men angenommen.

Belgien wir- voraussichtlich als Vermittler zwischen Eng­land und Frankreich auflreten.

Auf einen AbrüstnnZsanlrag im englischen Unterhaus er­widerte der englische Ministerpräsident, daß so lange die Re­paration ssrage nicht geklärt wäre, der Friede nicht gesichert und an eure Abröstung nicht zu Lenken sei.

Gestern fand in Lausanne dis Unterzeichnung des Frie­dens zwischen der Türkei, Rumänien, den ÄestmSchten und Japan statt. Die Lüdslarvcn lehnen die Unterzeichnung ab.

Die Ver- Staaten lehnen di- Anerkennung von Lowsek- ruhland ab.

Mdrgsr

Der Reichswirtschaftsrat hat einstimmig Vorschläge zur Festigung unserer Währung angenommen. In der Einlei­tung wird festgestellt: Die gewaltige Steigeruna der Inan­spruchnahme der Notenpresse seit Beginn des Nuhreinfall- hat wesentlich den neuen Zusammenbruch der Mark ver­ursacht. Hunderttausende von Familien des Ruhrgcbiet- müssen ernährt werden, obwohl sie selbst zu dem Waren­vorrat, aus dem das deutsche Volk lebt, nichts mehr bei­tragen können, und auch sonst muß der, Kämpfenden ar der Ruhr mit Gütern und Dienstleistungen vielfach gehol­fen werden. Es gibt dafür nur die eine Möglichkeit, das jeder Deutsche einen Teil der Lebensmittel und" sonstige, Waren, aus die er Anspruch hat, an den Staat oder ar die kämpfenden Landsleute abtrilt. Dir Hilfe vollzieht sick nur Zum geringen Teil in der Werse, daß Landwi'rte Kini der der Ruhr zu sich nehmen und Lebensmittel in die be­drängten Städte schicken, oder daß Städter freiwillig aus einen Teil ihres Einkommens verzichten und Beiträge, den Ruhrkampf stiften. Die Hilfe findet auch nicht in der Art statt, daß der Staat in deutlich erkennbarer Weist Steuern auferiegt. Würden die Opfer so gebracht, so würd, jeder sich deutlicher in den Kampf hineingezogen fühlen und in diesem Empfinden ebenso unbedenklich wie die Bevölke­rung des Nuhrgebiets entschlossen sein, das Schwerere unl Härtere zu ertragen, was die Fortsetzung des Ruhrkampfe! m ständiger Steigerung darüber darf kein Zweifel seir bringen muß.

Die Regierung aber versagt der großen Maste das er hebende Empfinden, mit den Einschränkungen, denen st, unterworfen ist, ihren Einsatz in dem schicksalsschwerer Kamps um das Deutschtum zu bringen, jenes erhebend, Empfinden, das die oft schwerere Not der letzten Kriegs- Pipe leichter ertragen ließ als den unheimlichen Druck, den wir jetzt im Westen widerstehen. Die Hilfe, zu der jeder fül den Ruhrkampf herangezogen wird, vollzieht sich in de, he-mtückischen und unsozialen Form der Notenvermehrung Im Ertrag für die Regierung und in de? Belastung für der e>Meinen ist es dasselbe, ob der Staat eine Steuer, me Ruhrunterstützung einzieht oder ob er unser Einkomme- dadurch an Kaufkraft schmälert, daß er mit seinen imme, heuen Noten auf dem Markt erscheint und alle Waren ver­teuert. Für die Wirtschaft und die Politik ist es aber etwa« ?anz anderes. Eine Steuer die erwähnte Entschließung des Reichsrvirtschaftsrates fordert die Finanzierung des Kuhrkampfes unter anderem auch durch Zuschläge auf be- r-chende Steuern würde dem Wirbel des Geldoerfalls und der Teuerung entgegenwirken, ohne unsere Lebenshal­tung mehr einzuengen, als es jetzt durch die Entwertung des Einkommens geschieht. Die Regierung hat aber bis jetz, den bequemeren Weg der Noienvermehrung gewühlt und pch nicht getraut, dem Volke unverschleiert Opfer abzuver- Egen.

Cs wäre ein gefährlicher Irrtum, zn meinen, daß der genannte wertbeständige Lohn, dem jetzt im Zusammen­hang mit dieser Notenflut die Bahn gebrochen wird,, ein« dhr:,-greifende Besserung für den Lohnempfänger bringen wnnte. Kein noch so großer Tarifkünstler wird das Rätsel w>cn können, bei abnehmender Produktion das Einkommen huf der alten Höhe zu halten. Die Folge der neuen Lohn- !Mung, wie sie die jetzt veröffentlichten Richtlinien an di« ^chuchtungsstellen und Demobilmachungskommissare emp- Men, Eh sein, daß, wenn die Arbeiter jetzt mit mehr Papier am Markt erscheinen, der Staat mit noch mehr «auen Noten als bisher austreten muß, um seinen Beamten und den von ihm entlohnten oder unterstützten Arbeitern

öle Waren zu sichern, deren sie bedürfen. Die Papierlawine wird, wie das österreichische Beispiel der Jndexlohnzahlung befürchten läßt, nur noch größer und schneller in ihrem Lauf. Im kleinen ist eine wöchentliche Anpassung an die Geldentwertung auf Grund fester Richtlinien gewiß nütz­lich. Der Praxis, angemessene Lohnzuschläge verspätet und entwertet auszuzahlen, wird entgegengewirkt: der Kraft- und Zeitaufwand bei den Tarifoerhandlungen wird vermindert Dabei wird die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft nicht aufgehoben, da die Richtlinien nicht schematisch bindend sind und keine allgemeingültige gesetzliche Kraft haben. Aber diese Vorteile wiegen die Gefahren nicht auf, die von einem noch schnelleren Währungsverfall drohen.

Die Anpassung der Löhne an dis Preise, die auf Grund eines noch immer umstrittenen Index erfolgen soll, bedarf, wenn sie im ganzen zu einer Festigung unserer Verhältnisse Umschlägen soll, gleichzeitig einer mit allen Mitteln zu er­strebenden Eindämmuna unserer blind waltenden Noten,

lut, mit anderen Worten einer Deckung der Fehlbeträge ns Reichs durch Steuern nach soizalen Gesichtspunkten.

Der Reichswirtschaftsrat wünscht in seinen Vorschlägen leben den schon erwähnten Zuschlägen für die Finanzie­rung des Ruhrkampfes eine schnelle Anpassung der Steuern an die Entwertung, so daß durch späte Steuerzahlung kein Nutzen mehr entsteht, und kurzfristige Anpassung der Eisenbahn- und Posttarife an die Teuerung, am nur das Hauptsächliche und in das Leben des einzelnen im meisten Einschneidende zu nennen. Die Cisenbahnverwal- ung hat sich mit ihren gewaltigen Ausschlägen tür August and ihrer Ankündigung der Einführung wertbeständiger Tarife diese Vorschläge schon zu eigen gemacht.

Solang wir im Kampf an der Ruhr stehen, wird es uns aicht bester gehen. Die Erbitterung, die in weiten Kreisen unseres Volks herscht, richtet sich auch nicht gegen die Not, ine wir um unseres Deutschlands willen tragen, sondern zegen die Ungerechtigkeit, von der unser soizales Leben wie ue vorher durchsetzt wird. Der Kampf gegen diese Unge­rechtigkeit wird nur dann von Erfolg sein, wenn sich an die E-uführung sogenannter wertbeständiger Löhne eine durch­greifende Aenderung unserer Finanzpo­litik schließt.

Neue Nachrichten

Blutige Skraßenausfchreikungen in Frankfurt Frankfurt, 24. Juli. Die Frankfurter sozialdemokratische Varlei, die Kommunisten und der Afabund hatte nach einer .Reibung aus Frankfurt a. M. für gestern nachmittag zu einer Kundgebung gegen Wucher und Faszismus aufgerufen. Sämtliche Geschäfte der Stadt waren geschlossen. Bon den Fabriken zogen die Arbeiter in geschlossenem Zug nach dem Römerberg. Sämtliche Straßen uni das Rathaus wurden oon der Menge eingenommen. Mehrere Redner hielten An­sprachen an die Menge. An der Kundgebung beteiligten sick nenigstens IVO 000 Personen. Au Ruhestörungen ist es in der Schwindstrnße gekommen. Der im Erdgeschoß eines Hau- sts wohnende Staatsanwaltschaftsrat Dr. Frist Haas wollte die Vorgartentüre schließen, als die Menge inrückte. Plötzlich fielen zwei Schüsse. Die Menge stürmte ins Haus. Die Möbel wurden zertrümmert, i-ie-e wertvollen Gegenstände geraubt. Die Menge schlug mit Stöt­ten und eisernen Gegenständen aus Dr. Haas ein. Man zerrte ihn ein Stück Weges mit und ließ ihn dann liegen. Später wurde der Schwerverletzte m eins nahe Apotheke gebracht, wo er nach kurzer Zeit verstarb. Auch die Frau des Ermordeten und sein betagte, Vater wurden mißhandelt. Die Polizei ist miede, Herrin der Lage.

Essen von der Außenwelt angeschnitten Berlin, 24. Juli. Nach einer Meldung derBossischer Zeitung" aus Essen haben die Franzosen gestern vormiitac len gesamten Betrieb des Essener Telegraphen amts stillgelegt. Vier Bauführer des Telegraphenamt- murden verhaftet und ins Gefängnis nach Werden gebracht Da der Telegraph die letzte Möglichkeit war, einen wirt schaftlichen Verkehr Essens mit der Außenwelt aufrecht zr erhalten, bedeutet der neue französische Eingriff eine wei ie, c Gefährdung der Lebensmittelversorgung Essens.

. DerBerliner Lokalanzeiger" meldet aus Gelsenkirchen dak die Franzosen gestern morgen die ZecheUnser Fritz' m Wanne besetzt und die Kohlenhalden beschlagnahmt haben Da die ZecheUnser Fritz" einer der Hauptlieferanten de Vertragskohlen für Holland ist, haben also die Franzoser ügentlich den Holländern die Kohlen fortgenommen. Die Be egschaft der Zeche ist in einen 24stündigen Proteststreik ge rclcn.

Immer neue Ausweisungen Mannheim, 24. Juli. Mit brutaler Rücksichtslosigkeit letzen die Franzosen die Ausweisung des Eisenbahnpersonal« >ort. Innerhalb der letzten drei Wochen sind aus der Pfalz richt weniger als 720 Eisenbahner mit 1328 Familienomge porigen ausgewiesen worden. Während zu Beginn der Ruhr iktion die Ausaewisenen ihre Möbel mitnehmen konnten, if

Res schon seit längerer Zeit verboten und nur mit dem vcor wendigsten versehen kommen die Ausgewiesenen hier an. An M. Juli wurden wieder 16 verheiratete Eisenbahner mit ihrer Frauen und 37 Kindern ausgewiesen, ferner die Frauen unt Emder der vom Kriegsgericht in Landau verurteilten zwe Eisenbahninspektoren. Am 21- Juli sind neuerdings 22 ver heiratete Eisenbahner mit ihren Frauen und 36 Kindern aus rewtesen worden. Hier handelt es sich in der Hauptsache un Lokomotivführer aus Kaiserslautern.

Das Derben um die Eisenbahner

Mainz, 24. Juli. Das Werben um die deutschen Eisen >ahner hat aufs neue begonnen. Eine nach Eltville einbe mfene Versammlung hatte für den Veranstalter einen Miß willig. In Mainz suchte der berüchtigte ehemalige Eisenbahn ekretär Kirch zusammen mit dem Sonderbündler Mülle, mehrere Eisenbahner mif, von denen ihnen bekannt war > sie für die deutsche Sache führend tätig sind, um sie zu, Einberufung einer Versammlung und zu Verhandlungen mi >en Franzosen zu bewegen. Sie erklärten dabei, die Fran­zosen seien bereit, bei der Arbeitsaufnahme die Inhaftierter in Freiheit zu setzen und die Rückkehr der Ausgewiesenen zr gestatten. Kirch und Müller wurden mit dem Anfinnen selbst »erständlich abgewiesen-

Die in Mainz als geräumt gemeldeten Gefängnisse sin-! iast restlos mit verhafteten französischen Soldaten und deut- Ichen Eisenbahnern belegt. Von der für die Unterbringung der Gefangenen in Beschlag genommenen Schule haben di« Franzosen noch keine« Gebrauch gemacht,

VedlvgunMn für die Aufgabe des Widerstandes

Berlin, 24. Juli. Beim Reichskanzler waren am Sams­tag abend Vertreter der Gewerkschaften Westfalens und des Rheinlandes, soweit sie bei Beginn der Grenzsperre außer­halb des besetzten Gebiets weilten, um vom Reichskanzler Erklärungen über die Stellungnahme Deutschlands zur Auf­gabe des passiven Widerstandes zu erbitten. Der Kanzler legre in längerer Unterredung die Bedingungen und Garantien für die Aufgabe des passiven Widerstandes dar, die die einmütige Zustimmung der Erschienenen fanden. Danach seien die Voraussetzungen die Wieüerherstel- lnng der deutschen Staatshoheit im Ruhrgebiet, die Zu­sicherung der Zurücknahme der Besatzung und die Begnadigung und Rückk hr der Verurteilten, Ver« hasteten und Ausgewiesenen.

Frankreich schiebt Belgien als Vermittler vor

Paris, 24. Juli. Trotz des großen Stillschweigens, da» über den Inhalt der englischen Dokumente gewahrt wird, ist der Außenpolitiker desEcho de Paris" in der Lage, eins, Kritik zu veröffentlichen, die sicher in Kenntnis der Dinge ge^ schrieben wurde. Er sagt, es sei klar, daß man keine authen-z tische Auskunft über die Schlüsse geben könne, zu denen matt gestern nachmittag in der Beratung Poincares mit seinen hauptsächlichsten Mitarbeitern gelangt sei, doch märe esi zwecklos, zu verheimlichen, daß man gefunden hat, daß diel Ansichten des englischen Auswärtigen Amtes nun schwer vereinbar seien mit denen der französi­schen Politik vom 11. Januar. Frankreich könne nicht lagen lassen, daß das Ruhrunternehmen bankerott gemacht habe, weil eine derartige Behauptung den Tatsachen zuwider-^ lause. Ferner könne man den Handel nicht annehmen, dev hinsichtlich des passiven Widerstands vorgescblagen werde- Was den Zahlungsplan vom 5. Mai 1921 anlangs, so ssl Frankreich gezwungen, ihn so lange aufrecht zu erhalten, als das Damoklesschwert der e n g l i j ch - a m e r i k a - nlschen Forderungen über Frankreichs Haupt aufoehängt bleibe. Wenn man an diesem Zahlungs­plan rühre, müsse zugegeben werden, daß Frankreichs Schuld gegenüber Amerika und England das Schicksal der Obliga­tionen der Serie C erdulden würde. Frankreich sei bereit, das von Deutschland vorgelegte Zahlungssystem, das man Garantien nenne, zu prüfen; aber deshalb dürsten die Pfän­der, die Frankreich heute in Händen habe, nicht ausgegebcn werden. Was wird die belgische Negierung machen? Sie hat uns gegenüber zwei Verpflichtungen übernommen, das Ruhrgebiet nicht vor vollkommener Reparationszahlung zu räumen und mit Deutschland nicht zu verhandeln, solange der passive Widerstand nichl beseitigt ist. Diese beiden Bestimmungen verpflichten die belgische Regierung, in der gleichen Weise hinsichtlich des passiven Widerstands und der Garantiefrags zu antworten. Wird die belgische Regierung sich wegen des Zahlungsplans von Frankreich trennen? Es steht Belgien frei, eine unab­hängige Politik zu verfolgen; aber cs muß wissen, daß es in dem Maße, in dem es den Anforderungen von London folgt, die enylisch-sranzösischsn Schwierig­keiten, d. h. seine eigene Verlegenheit erschweren. wird.

Zur Frage Belgiens drückt sich übrigens derMatin" deutlicher aus. Nachdem er festgestellt, daß höchst wahr- peinlich, wieLiibre Parole" ankündigte, die Minister Jaspar und Theunis in kurzer Frist nach Paris kommen werden, um mit Poincare zu verhandeln, schreibt er: Wir können erwarten, daß Theunis und Jaspar Vorschlägen werden, in der Antwort an Deutschland die ein wenig pla-