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m. 128
Dienstag» den 8. Juni 1923
97. Jahrgang
Tagesspiegel
Die verlautet, hak der Reichskanzler Privatnachrichten ms London erhalten, die ihm die Zustimmung der britischen Regierung zur neuen Rote sicher erscheinen lassen. Die Rote soll keine bestimmten Iahlungsangebote enthalten, die Festsetzung soll vielmehr einer internationalen Sachverständigen- konferenz überlassen werden.
Im Reichsfinanzministerium finden Besprechungen mit Vertretern der Privatbanken und der Reichsbank stakt, die noch zu keinem bestimmten Ergebnis geführt haben. Es soll angeregt worden sein, den freien Devisen^mdet ganz zu verbieten.
Der Sondcrgesandte des Papstes ist ans Roni wieder im Ruhrgebiet eingetroffen.
Die Würfel fallen . . .
Deutschösterreich als Warnung
Don besonderer Seite aus führenden politischen Kreisen trholte ich folgende Betrachtung: Die laufende Woche entscheidet über das Schicksal Deutschlands. Ein neues Re- arationsangebot soll in die Welt hinaus gehen. Es ist aber urch die letzten Ereignisse auf dem Valutamarkt in seinen Aufstellungen sicherlich überholt. Welche Reparationszahlen auch genannt werden, sie sind gegenstandslos geworden in dem Augenblick, da die deutsche Mark mit einem Dollarkurs von 80 000 unter den Wert der österreichischen Krone sank. Für Deutschösterreich gibt es schon lange keine Lntschädigungsfvage mehr. Der zerstückelte Zwerg- und Rumpsstaat hat wie ein Verstorbener „überwunden". In Wien arbeitet man nur noch an der sogenannten Sanierung, und während die Stützung der Berliner Reichsbank zusammengebrochen ist, genießt der deutsche Bruder im Al- penreich tatsächlich die Vorteile einer gewissen Festigkeit des Gelds.
Seit September vorigen Jahrs ist der Kurs der österreichischen Krone fest, das heißt, auf ungefähr den 14 000. Lei! des einstigen Werts befestigt. Die Spartätigkeit der Bevölkerung hat wieder begonnen. Die Einlagen bei den Wiener Sparkassen mehren sich. (Sie werden allerdings zu 7 Prozent verzinst.) Die Angstkäufe der Verbraucher haben aufgehört. Die Panik des Sicheindecksns ist abge- slaut. Die Verhältnisse des Landes scheinen sich etwas zu bessern. Aber mit welchem Preis ist dieser Umschwung bezahlt! Als hie neuen Sanierungsgesetze im Wiener Nation ürat verabschiedet wurden, verkündete der Bundeskanzler Prälat Dr. Seipel: „Wir tun nichts, was wir nicht mit den Interessen und mit der Würde des Vaterlands in Einklang bringen können." Aber sogar der sozialdemokratische Sprecher, der frühere Staatskanzler Dr. Renner mußte feststellen, daß Deuschöstetrreich in eine Schulden- knechtfchafl vor dem Ausland gerate, die mindestens 20 Jahre währen werde. Ein dreimaliges Nein setze er der fremden Ueberwachung entgegen. Denn vom Völkerbund, der die Ueberwachung einführt, wisse niemand, wie lange er noch leben werde.
Tatsächlich hat Oesterreich durch Annahme der fremden Hilfe ein gutes Stück seiner Staatshoheit geopfert. Es muß sich Maßnahmen gefallen lassen, wie sie vordem kaum in der Türkei oder in finanziell zusammengebrochenen süd- amcrikanischen Republiken angewendet wurden. Und das traurigste: Unter dem Druck der Stabilisierung geht die österreichische Industrie zurück. Die Wirtschaft stirbt ab. Die Auswanderung droht riesengroß am Horizont. Schon bei den letzten Genfer Beratungen der VAkerbunds- anleihe schnitt der neue Generalkommissar für Deutschösterreich, Dr. Zimmermann, der frühere Oberbürgermeister von Rotterdam, die Auswcmderungsfrage an und forderte die in Betracht kommenden Staaten auf, die Sperre gegen den Zustrom von Arbeitskräften aus Oesterreich aufzuheben. Ein ernst zu nehmendes Wiener Montagsblatt brachte kürzlich einen aufsehenerregenden Artikel unter der Ueberfchrist: „Zweihunderttausend Arbeiter und Angestellte werden auswandern müssen." Denn: „Der österreichische Ar- beitsmarkt ist viel zu klein." Der Kern der Ausführungen: Dhne eine planmäßig geordnete Auswanderung aus Oesterreich gibt es keine Wiederkehr geordneter Verhältnisse. Ein riesiges Heer beschäftigungsloser Menschen bildet eine dau- e>nde Gefahr nicht bloß für das Sanierungswerk, sondern auch für den Bestand des Staats.
. Es ist richtig, nach der amtlichen Statistik leben zurzeit rn Deutschösterreich 150 000 Arbeitslose nur von der kar- Un gesetzlichen Unterstützung. In zahllosen Betrieben erhalten dis Arbeiter bei Kurzarbeit Löhne, die kaum höher siud. Zu diesem Heere (dreimal so groß als das erlaubte Militär von 30 000 Mann) kommen noch die 130 000 ab- gebouten oder noch abzubauenden Beamten. Nach Abzug der Alien und Kranken uner den Pensionisten müßte rund fuie ViertelmMon Menschen Mit Stellen und Arbeit versorgt werden, während es nur möglich sein wird, etwa uOOOo von ihnen Beschäftigung zu bieten. 200 000 sind asto überflüssig. Rechnet man, daß von dieser Zahl etwa A? Hälfte Familie hat, so hätten ungefähr 500 O0O Deutsch- ouerreicher von den vorhandenen 6 Millionen, also jeder
Zwölfte, der Heimat den Rücken zu kehren. Eine Halbs Million Oesterrcicher müssen, um Oesterreich am Leben zu erhalten, das Vaterland verlassen.
Ist diese traurige Aussicht nicht auch für Reichsdeutschland ein warnendes Zukunftsbild? Wird die Sanierung nach dem neuesten Zusammenbruch der Währung nicht ebenfalls zum Einnschrumpfen der Wirtschaft und zu einer noch nicht dagewesenen Arbeitslosigkeit führen, und zwar alles der Größe des reichsdeuischen Gebiets entsprechend ins Vielfache verschärft? Wird sich dann das grauenhafte Wort Clemenceaus bewahrheiten, daß 20 Millionen Deutsche zuviel auf der Welt sind? In dieser Woche fallen die Würfel, und man wagt nicht auszudenken, welche Katastrophe über Europa hsreinbricht, wenn die Negierungen, die vor ihren Völkern und der Geschichte verantwortlich sind, den Ausweg aus der Reparationswirrnis nicht finden!
—ei.
Die heiligsten aller menschlichen Verbindlichkeiten
Auf der Liste der amerikanischen Forderungen an Deutschland — insgesamt 1l^ Milliarden Dollar — finden sich auch, wie bereits mitgeteilt, 21 Millionen Dollar für Verluste, die die Börsenspekulanten in Amerika verloren ha' en oder verloren haben wollen. Auf die Frechheit, waghalsige u schamlose Börsenspekulationen, die auf dem Kriegsunglück eines Volks aufgebaut sind, als „Kriegsschäden" anzumelden, nachdem sie mißglückt waren, haben wir bereits hingewiesen. Es ist aber doch noch von Interesse, auch die inzwischen bekannt gewordene Begründung der unverschämten Forderungen kennen zu lernen, die die deutschfeindliche New Uork Times vom 12. Mai veröffentlicht. „Die deutsche Reichs- rgierung — so sagt der ehrenwerte „Verband der amerikanischen Inhaber fremder Wertpapiere" in seiner Schadens- cmmeldung bei der amerikanischen Regierung — hat durch unnötige und gemeine Aufblähung (Inflation) der deutschen Währung den Wert amerikanischer Vermögen-Umlagen in Deutschland und in deutschen Wertpapieren absichtlich zerstört. Deutschland hat nur den einen Gedanken, sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Die moralische (!) Seits der deutschen Verpflichtungen übrrwiegt aber die rechtliche und technische Seite. R s g i e r u n g ss ch u l d sch e i n s sind die heiligsten aller menschlichen Verbindlichkeiten. Es bandelt sie' h er um eine politische und nicht nur um ein: rechllick-s Frag?."
Daß Schuldscheine höher stehen als z. V. Walstustillstands- und Friedensbedingungen und Vierzehn Punkte, haben wir seit einigen Jahren schon wahrgenommen; daß sie aber nach der Auffassung des Verbands der Markspekulanten dis -„heiligsten" aller menschlichen Verbindlichkeiten darstellen, haben wir erst aus dem Schriftsatz des Verbands erfahren» Aber wie ist es denn damit: In Deutschland gibt es Leuts genug und zwar keine Dcllarspekulanten, die seit etwa 60 Jahren „Regierungsschuldscheine" amerikanisch. Einzelstaaten der Union besitzen und seit der Zeit vergeblich die Bezahlung dieser heiligsten aller menschlichen Verpflichtungen betreiben, — aber sie haben ihre Darlehen,nicht einmal in entwertetem Geld zurückbekommen! Die nordamerikanischen Schuldner, staaten weigern sich einfach, ihre „heiligsten" alten Schulden anzuerkennen und die Bundesregierung erklärt, sie habe keine Machtmittel, um die Schuldner zum Zahlen zu zwingen.
Ferner überlegt sich der Verband der Markspekulanten vielleicht auch einmal, ob nicht am Ende gewisse, außerhalb des Willensbereichs der deutschen Reichsregierung liegende Ursachen zum Verfall der deutschen Währung und damit zur Zerstörung der amerikanischen Werte beigetragen oder gar ihn veranlaßt haben, wie z. B. der Ruhreiübruch und andere Ereignisse, die zeitlich so genau nachgevrüft werden können, daß mit Leichtigkeit festzustellen ist, ob sie vor oder nach einer deutschen Markentwertung unid der dann naturnitwendigen Inflation (Papiergeldvermehrung liegen.
Erhöhung von Verbrauchssteuern
Im Reichssinanzministerium sind verschiedene Gesetzentwürfe ferüggestellt worden, die eine Aenderung und Erhöhung einer Reihe bestehender Verbrauchssteuern vorsehen- Sie sollen spätestens am 1. September in Kraft treten. Der Entwurf eines Salzsteuergesetzes sieht einen Steuersatz von 10 Mark (bisher 12 Pfennig) für 1 Kg. Reingewicht des Salzes vor. Der Entwurf beabsichtigt fernerhin Beseitigung sämtlicher Abgabebefreiungen. Schließlich soll noch die bisherige Art der Steuerkontrolle durch eine einfache Vuchkontrolle ersetzt werden. Die künftige jährliche Salzsteueremnahme wird aus mindestens 13 Milliarden Mark (bisher 100 Millionen Mark) geschätzt. Der dem Reichsrat zugegangene Entwurf eines Mineralwasserst e u e r g e se tz e s sieht eine Verhundertfach ung der bestehenden Sätze vor. Nach Verhundertfachung wird der Ertrag der Steuer, der im Jahr 1922 etwas über 37 Millionen Mark betrug, voraussichtlich künftig 3,5 Milliarden Mark betragen. Der Entwurf soll am 1. August in Kraft treten. In der Novelle zum Leucht mittel- st e u e r g e s etz ist für die Besteuerung der Leuchtmittel (elektrische Glühlampen, Brennstifte und Glühkörper) eine Wertsteuer vorgesehen, und zwar ist die Besteuerung nach dem
vom Hersteller in Rechnung gestellten Preise vcrgeschkagem Die Steuer soll 20 Prozent des Stsuerwerts betragen. Das Jahresaufkommen einer Leuchtmittelsteuer wird in der dem Entwurf beigefügten Begründung auf nahezu 45 Milliarden Mark veranschlagt, während es im Rechnungsjahr 1922 nur rund 70 Millionen betrug.
Welche Gebiete Deutschlands sind die teuersten?
Heber den Unterschied der Teuerung in den einzenen Gebieten Deutschlands hat das Statistische Reichsamt eine Untersuchung angestellt. Im Durchschnitt des Jahres 1922 war Westdeutschland das euerste, Ostdeutschland das billigste Gebiet. Ungefähr in der Mitte liegt Mitteldeutschland. Norddeutschland kam in der ersten Hälfte des Jahrs, abgesehen von einigen ganz besonders teuren Städten, ungefähr Mitteldeutschland gleich. Gegen Ende des Jahrs nähert es sich aber ganz auffallend den westlichen Zuständen. Ebenso hat sich im Süden die Teuerung im Vergleich zum Durchschnitt des Reichs verstärkt, wenn auch nicht in dem Maß. Im Sommer war die Höhe, abgesehen etwa von Oberbayern, noch einigermaßen mit der des Ostens zu vergleichen, im September bis Dezember näherte sich Süddeutschland mehr und mehr Mitteldeutschland, ohne es aber ganz zu erreichen. Die Statistik erstreckt sich auf Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern.
Der Raubkrieg im Ruhrgebiet
Ausweisungen
Mainz, 4. Juni. Vom 26. bis 29. Mai hat die Nheinlcmd- kommission 1384 neue Ausweisungen von Angestellten der Eisenbahn- und Zollverwaltung verfügt. — InDuisburg wurden am 2. Juni 72 Eisenbahnersamilien ausgewiescn. In Recklinghausen wurden die französischen Eisenbahner bei den deutschen ins Duartier gelegt.
Düsseldorf, 4. Juni. Das „Düsseldorfer Tagblatt" wurde beschlagnahmt weil die Geschäftsleitung es ablehnte, ei Fran- zvsenblatt in deutscher Sprache zu drucken. Auch das gesamte Personal hat den Dienst für die Franzosen verweigert.
Vom französischen Kriegsgericht in Landau wurde Wachtmeister Barberich zu 5 Monaten Gefängnis und 50 000 -gl Geldstrafe und Wachtmeister Münch zu 2 Monaten Gefängnis und 50 000 rst Geldstrafe verurteilt. Aus welchen Gründen die Verhaftung und Verurteilung erfolgte, ist nicht bekannt.
Dieder ein Mord
Trier. 4. Juni. Auf dem Hauptmarkt wurde der Gärtner D i tz von den Sonderbündlern Schneider und Reuter erschossen. Die Mörder entzogen sich der Verhaftung durch französische Ausweise. Die Besatzungsbehörde Hai überdies dieVerhaftungverboten und nur gestattet^ daß die Mörder in Gegenwart französischer Gerichtsbcamtett den Augenzeugen gegenübergestellt werden.
127^L Milliarden Reichsbankgelder geraubt
Berlin, 4. Juni. In einer Unterredung mit Vertretern der Presse teilte der zweite Präsident der Reichsbank von 8 lasenapp mit, seit Mitte Februar bis Ende Mai seien' der Reichsbank von den Franzosen und Belgiern, 127 386 750 000 Mark geraubt' worden, wovon etwa 1)Ä Milliarden aus die Belgier kommen. Der in der Reichsbankstelle in Koblenz am 17. Mai geraubte Bettag, den dce Franzosen mit einem regelrechten von Maurern ausgeführten Einbruch in die Kellergewölbe mittels Durchschlagens der Mauern und Sprengung der eisernen Geldschränke durch Sauerstoffgebläse erbeuteten, wird von ihnen selbst auf 6 Milliarden Mark angegeben, er ist aber sicher viel höher. Das Schatzgewölbe ist seither nicht mehr benützt worden, weil die Franzosen es sicher zum zweitenmal erbrechen würden. Außerdem haben die Franzosen die in Mülheim geraubten halbfertigen Reichsbanknoten als vollwertig in den Verkehr gegeben und die damals geraubten Druckplatten Mw Herstellung gefälschter Banknoten, zusammen im Wert von mehreren Milliarden, mißbraucht. Nimmt man, abgesehen von dem Kohlenraub, Milliardenwerte an Maschinen, Holz, Wein, Tabak, chemischen Stoffen usw. geraubt haben, so begreift man, wie Poincare am 30. Mai in der Kammer sagen konnte: „Unser Ruhrunternehmen trägt sich selbst" — und auch die sozialistischen Abgeordneten gaben sich damit zufrieden.
Schlageker meuchlings erschossen
In der Oeffentlichkeit werden über die letzten Augenblicke ^chlageters einige Einzelheiten bekannt: Der Abführung zur Richtstätte mußten alle übrigen politischen Gefangenen, darunter Krupp von Bohlen-Halbach, beiwohnen. Im Vor- äbergehen rief Schlageter ihnen zu: „Lebt wohl, Kameraden, ich sterbe als preußischer Offizier!" — Im Steinbrnch Himer dem Düsseldorfer Nordfrisdhos «»gekommen, wurde Schlag- eter, trotz seines heftig geäußerten Wunsches, den Tod stehend m erwarten, kniend an einen Pfahl gefesselt und ihm die Augen verbunden, woraus ihm das französische Kommando durch den Rücken schoß. Der kommandierende Offizier schoß ihn zuguterletzt noch in die Schläfe. ..