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Rr. 100

Dienstag, dm 1. Mai 1S2S 97. Jahrgang

Tagesspiegel

Die deutsche Autrvsrknote «ruf Lurzons Rede wird «m Mittwoch gleichzeitig in London. Paris, Brüssel und Rom überreicht werden. 'Auch die Regierung in Wajhington wir» in Kenntnis gesetzt.

Nach den Londoner «Daily Rems" wird Deutschland ein« Entschädigung von 30 Milliarden Goldmark an- bieten und nötigenfalls dis Entschädigung von einem inler- nationalen Ausschuß, in dem Deutschland vertreten sem müßte, schätzen lassen. Ferner bietet Deutschland lang« ristige Sohle nlisferungen an. die zwischen pri­vaten GeMschaften der deutschen, französischen und belgischen Industrie gereaeit werden könnten. Als Sicherheit für dm Fmsendienil wäre das Reich bereit, den die Anleihen auf­lesenden Lanken dis Reich seisenbahnen zu ver­pfänden. Innerhalb einer gewisse» Frist verpflichtet sich das Reich, den Haushalt in Ausgaben und Lin nahmen ins Gleichgewicht zu brinZen. DeMlich der WiütÄrischen Sicher­heit soll das bekannte Angebot bezLMch ^ des Rheinland» jAjaheige Verpflichtung, keinen Krieg ohne Volksabstim­mung führen) wiederholt werden

Kardinal Faulhocher-MLnchsn besprach sich mit dem präfidenten Harding, von dem er empfangen wurde, über me Lage in Deutschland.

Der Vertreter Frankreichs auf der Friedenskonferenz In Lausanne weiaert sich, das Angebot anzunchmen, nachdem die srübcte türkische Staatsschuld bei Frankreich in französi­schen (Papier-) Franken statt in türkischen Goidpfund ver­zinst werden solle. Die Spannung zwischen beiden hak sich »ach englischen Berichten weiter verschärft.

Der Mederaufbau Nordfrankeichs

Fahlen. Lügen und Tittsachen

Am vergangenen Donnerstag hielt der Generalras de» ircmzöstschen Nord-Departements, man würde in Deutsch- !cmd jagen: die Kreisregierung, eine Sitzung ab, in der Lxminister Loucheur eine Rede hielt über die Lage in den zerstörten Gebieten Frankreichs und über die Maßnahmen, se notwendig seien, um den Wiederaufbau zu be- Meunigen. Dabei nannte Loucheur die Summe, die Frankreich bisher für den Wiederaufbauausgelegt" haben vill: 50 Milliarden Goldfranken. Das ist weniger, als bis­her allgemein angegeben wurde. Man hatte wiederholt '0100 Milliarden genannt. Aber aus dieses Zifferngespensi ivmmt es nicht an, sondern darauf, daß Loucheur behauptet, Frankreich habe bis heute von dieser Summe nichts erhalten, nrd auf der Tribüne des Deutschen Reichstags sei dieses Versagen Deutschlands anerkannt worden. Das sind natür­lich aufgelegte Unwahrheiten des Herrn Lou- Heur. Im Deutschen Reichstag ist nur darauf hingewiesen »orden, daß die Franzosen viel zu wenig Wiederaufbau- ieistung von Deutschland bestellt haben. Die deutschen Ge- verkschaften waren bereit, die ganze Zerstörung Nordfrank­teichs in kurzer Frist mit deutschen Arbeiten in einen blühen­den Garten zu verwandeln. Die französische Regierung hat diesen friedlichen Feldzug hintertrieden. Deutschland hat bis zum Bankrott gezahlt und geleistet. Aber die Gelder Kosten in die falschen Kassen. Von den 209 Millionen Eold- uark Sachleistungen an Frankreich im Jahre 1922 entfie­len auf den eigentlichen Wiederaufbau der zenstörten Gebiete dicht ganz 20 Millicmen. Die übrigen neun Zehntel ent- lelen auf KohLenlieferungen für die französische Industrie, Herr Loucheur! Soweit dis deutschen Entschädigung«- Milliarden zur Verwendung an den zerstörten Gebieten an­gewiesen wurden, sind sie so gut wie ausschließlich den Groß­industriellen, den Aktiengesellschaften, Banken und Groß­händlern zugute gekommen. Die kleinen Geschädigten haben davon kernen Pfennig bekommen. In der französischen kanimer wurde dies äusgeplaudsrt, und noch mehr: Statt hie deutschen Milliarden den armen Bewohnern des Rord- departements auszuzahlen oder Handwerker zürn Wieder- «ifbau der Häuser zu entsenden, hat die französische Regie­rung mit den internationalen Reisebüros Hetzfahrten in Lu- fus-Autobussen durch die zerstörten Gebiets veranstaltet, um namentlich den mnerikanischen und englischen Besucherndie Töausamkeit der Hunnen" nachzuweisen. Poincare sollte in keinem Augenblick den Wieder- °iif bau. Er will ihn heute noch nicht. Er'will, daß die Gefühle des Hasses gegen die Boches nicht einschlafen. Dar beweisen seine letzten Reden über die Ruhrfrage.

Und Louchedr ist dem Meister der Völkerverhetzung neuerdings ein williger Helfer. Noch eine Zahl zum Be- weis: Ms zum ANauf des Jahrs 1922 betrugen die deut­schen Lieferungen in freiem Verkehr an Frankreich nicht mehr als 2 370 000 Goldmark. Diese überraschend steine Summe war das ganze Ergebnis des mit so großem ßärm am 7. Oktober 1921 zwischen Rathenau und Lou­cheur abgeschlossenen Wiesbadener Abkommens. Diese Drosse­lung des friedlichen Wiederaufbaus ist das Werk Poincarss und Loucheurs. Loucheur stellt« in feiner letzten Rede vor dem Norddrpartement die Wahrheit aber noch in anderer Weise auf den Kopf. Er erzählte seinen Zuhörern, si» soll­en Acht erstaunt sein, wenn man eines Tags die Zahl vor dtzo Goldrrrark ül- jährliche Zahlung peuffchz

lcmds nennen könne. Das fei doch nicht viel, wenn man bedenke, daß der Haushalt Frankreichs in diesem Jahr 11 Milliarden Franken für Rückstände der französischen Anleihc verlangte. Warum solle Deutschland nicht in feinem Haus­halt eine derartige Summe für die französischen Entschä­digungen aufnehmen? So spricht derselbe Loucheur, der neulich in einer öffentlichen Rede den nahen wirtschaftlicher Zusammenbruch Deutschlands angekündigt hat, derselbe Lou­cheur, der ganz genau weiß, daß Deutschland nur deshalb in seine jetzig« trostlose Lage gekommen ist, weil seine Zah­lungsfähigkeit bisher nicht nach seinen Mitteln und Einnah­men, sondern nach den maßlosen Ansprüchen Frankreichs Ungeschützt wurde. Mit solchen Unredlichkeiten will Lou­cheur offenbar den französischen Standpunkt in den kom­menden Ruhrverhandlungen andeuten. Er verrät damit nur wieder die ganze Unehrlichkeit der französischen Enb schMgungspolitik. _er.

Krieg in. Lausanne

Konzessionen. Eiflachrch.-en und Gräber Aus Lausanne schreibt mir ein Sonderberichterstat­ter: Was hat die neue örienKonferenz mit dem Ruhrstreis zu tun? Scheinbar nichts, in Wahrheit sehr viel. Seitdem die Frage über den Besitz von Mossul aus dem Friedens­vertrag ausgeschaltet und einer späteren unmittelbaren Uebereinkunft zwischen England und der Türkei Vorbehal­ten ist, treten die englischen" Interessen stark hinter die fran­zösischen zurück, denn Frankreich ist von jeher weit mehr al» andere Staaten,finanziell in der Türkei festgelegt. Aber die «dicke Freundschaft" Frankreichs mit den Türken besteht picht mehr. Sie ist schon am Ende der ersten Lausanne« Lggung in die Brüche gegangen. Englische und amerika­nische Beobachter sprechen es offen aus, sie hätten das Ge­fühl, als wolle es der französische Vertreter in Lausanne auf einen neuen Krach ankommen lassen, um plötzlich mit den Griechen, also denBesiegten" zusammen gegen di« Türken Front zu machen. Durch eine solche Schwenkung sucht sich Poincare einen Ausweg offen zu halten, falls det Ruhrkampf einen ungünstigen Abschluß für Frankreich findet. Diese unterirdischen Pläne werden natürlich von kanzöstscher Seite lebhaft bestritten, aber-schon durch seine» Widerstand und seine Quertreibereien gegen das vielge­nannte Chesterabkommen verrät Frankreich, daß es der Di« vlomatie in Lausanne noch recht viel Schwierigkeiten zu machen und die Verbindungsknoten zwischen Orient« «äÜ Ruhrfrag« noch fester zu flechten wünscht,

Einigkeit besteht zwischen den Verbündeten bis jetzt nur noch in der Frage der Kapitulationen. England, Frankreich und Italien sind bereit, den Forderungen der Türkei zuzustimmen, daß die Kapitulationen endgültig und durch den jetzigen Vertrag abgeschafft werden. Es ist das eine politische Frage, über die man leichter einig wird, weil sie den Geldbeutel nicht unmittelbar berührt. Aber dis wirtschaftlichen Bestimmungen! Vor allem die Konzessionen! Die Verhandlungen darüber werden nur scheinbar erleichtert dadurch, daß die Verbündeten ihre Staatsangehörigen aufgefordert haben, wegen der Konzes­sionen unmittelbar mit der türkischen Negierung zu ver­handeln. Die Sache hat aber einen Haken, deutlicher: Den Türken ist wieder mal eine Falle gestellt. Führen nämlich die Verhandlungen der türkischen Regierung mit den Kon­zessionsinhaberninnerhalb nützlicher Frist", soll heißen noch vor Ende der jetzigen zweiten Konferenz zu einem befriedi­genden Ergebnis, so ist die Sache gut, d. h. so errübigt sich die Aufnahme der näheren Bestimmungen, wie sie im bis­herigen Entwurf vorhanden sind, in den Vertrag undder Abschluß des Friedens erscheint dann sehr erleichtert". Wird man privatim nicht fertig und einig, so diktiert die verbündete Diplomatie die Paragraphen in den Vertrag. Man nimmt hier mit der einen Hand, was man mit der anderen gegeben. Die türkische Regierung besitzt nun mal nicht den Beamtenapparat, um in Kürze die vielen Kon­zessionen zu prüfen, die von allen Seiten in allen möglichen und unmöglichen Gegenden angemeldet sind und für dt« meist die Akten, ja die einfachsten Anhaltspunkt« fehlen.

Und immer ist es Frankreich, da« «inen besonderen Drück ausübt und sozusagen noch Krieg führt. Krieg in der Türkei gegen alles, was dort einmal deutsch war. Vor allem gegen die Eisenbahnen. Die wichtigste Eisenbahn der Türkei, die anatolische, ist bekanntlich fast ganz mit deutschem Geld gebaut worden. Frankreich verlangt in sei­ner unersättlichen Ausrottungssucht jeglichen deutschen Ein­flusses in der Welt, daß die Türkei «Herr ihrer Bahnen sei", d. h. derjenigen, bei her nicht etwa verbündetes Kapital überwiegt. Innerhalb eines Jahrs soll jede Spur deutscher Kulturarbeit, soweit sie sich finanziell ausspricht, getilgt sein. Wie soll aber die Türkei binnen eines Jahrs die Millionen zum Rückkauf aufbringen? Die Verbündeten willen ihr das Geld vorstrecken, verlangen jedoch, daß die von den Deutschen zurückgekauften Bahnen solang«, bis das Geld zu­rückgezahlt ist, einer Verwaltung unterstehen, di« sich aus gleichen Teilen aus Engländern, Franzosen und Italienern zusammensetzt. Die Türken ständen also in der Verwaltung ihrerStaatsbahnen" den Verbündeten im Verhältnis von einem gegen drei gegenüber. Man ktznn es verst-hM, wenn

7 med Pascha auf solche Zumutungen nicht eingehen will. Man begreift auch, daß sich in der Türkei in allen Fragen, die Deutschland betreffen, die alte Liebe aus dem Weltkrieg regt. Die Türkei traut den Verbündeten nicht mehr, am wenigsten den Franzosen. Die Verbündeten greifen nach den ehemals deutschen Bahnen, sie greifen auch nach den Gräberfeldern von Gallipoli, um sie zu militä­rischen Zwecken zu mißbrauchen. Die Türken werden aus der Hut sein!er.

Die ägyptische Verfassung

Am Id. Apri Unterzeichnete König Fuad beim Donner von 101 Kanonenschüssen die neue Verfassung, deren Ar­tikel 1 Aegypten als einen souveränen, freien und unab­hängigen Staat erklärt; die Regievungsform ist die erbliche Monarchie, di« amtliche Religion der Islam und die Amts­sprache das Arabische. Alle Gewalt stammt von der Nation. Die gesetzgebende Gewalt wird vom König gemeinsam mit dem Senat und der Kammer ausgeübt, aber der König unk die Kammer allein haben das Recht, Steuern einzufiihren und zu erhöhen. Der König kann jedes Gesetz an das Par­lament zurückverwsisen, sein Veto kann aber durch eine Zweidrittelmehrheit in jedem Hause unwirksam gemacht wer­den. Der Senat besteht zu zwei Fünfteln aus ernannten und zu drei Fünfteln aus gewählten Mitgliedern; auf je 180 001 Einwohner kommt ein Senator. Die untere Altersgrenze st 40 Jahre, die AmtsLauer 10 Jahre; die Körperschaft wird alle fünf Jahre zur Hälfte erneuert. Die Abgeordnetenkam­mer geht aus allgemeinen Wahlen hervor, die alle füns Jahre stattfinden: die Wählbarkeit beginnt mit 30 Jahren, und ein Abgeordneter trifft auf je 60 000 Einwohner. Nach Artikel 159 istdie gegenwärtige Verfassung anwendbar auf das Königreich Aegypten. Diese Bestimmung berührt in keiner Weise die Rechre Aegyptens im Sudan", und der Artikel 160 sagt:Der Titel, den der König von Aegypten tragen wird, wird bestimmt werden, nachdem zuständige Abordnungen den endgültigen Stand des Sudans fest­gestellt haben."

Tauschungsversuche

Brmncrrba, poincare

Paris, 30. April. Die Pariser Ausgabe des Londoner Blaus läßtvon höchster Stelle" sagen: Obgleich ich über­zeugt bin, daß Deutschland die äußerste Grenze seiner Wider­standskraft erreicht hat, wünsche ich nicht, daß es so rasch kapituliert (I), weil es notwendig ist, daß unser Feinds!» diesmal weiß, daß er vernichtet und gezwungen ist, es einzugestehen. Es kann keine Halbheiten und Verständi­gungen geben. Wir haben unsere Pläne festgelegt und wer­den sie durchführen. Nebenbei: Poincare beschwerte sich amtlich in Berlin, daß Reichskanzler Cuno in seiner Trauer­rede am 8. April von den Franzosen und Belgiern als den «Feinden" gesprochen habe. Es ist nicht wahr gerochen; der Reichskanzler gebrauchte das WortGegner". Poincarö ober spricht ungeniert vonunserem Feind".

Fälschung der Essener Vorgänge

Paris» 30. April. Die von General Degootte eingesetzte llntersuchungskommisfion über die Vorgänge bei Krupp Hai dem Leutnant, der das Maschinengewehrfeuer besohlen hat, die Anerkennung ausgesprochen für seinegroße Kaltblütigkeit". Er habe trotz der Heraussorderungen. Drohungen und Angriffe seine Leute -anz in der ««Walt as- s-aüt undden Gebrauch der Waffen erst m dem Augenblick besohlen, als seine Soldaten sich in dringender Ge­fahr und im Zustand berechtigter Notwehr be­fanden". Die Mutschuld des Essener Mord» wir» durch diese brutale Fälschung nicht abgervaschen.

Heuchlerische Bemänteln«- der Reffe Joch»

Paris, 30. April. Marschall Fach ist mit seinem Stad nach Warschau abgereist um sich, wie der «Gauloi»" schroibt, von den Fortschritten des polnischen und dann de* tschechi­schen Heers unter den französischen Lehrmeistern zu über­zeugen und Maßnahmen ine Auge zu fassen, um die Feuers- orunst emzudämmen und zu zertreten, di« in der euro­päischen Stickluft sich ereignen könnte. Denn die Regierung Cuno in Deutschland, oie Sowjetregierung in Rußla.H und die türkische Regierung in Angora Hecken um dc- Wette ihre Ränke aus, im Morgen- und Abendland das Feuer zu legen. Di« Brandfackel habe Deutschland in den Händen. Dies« niederträchtige Verdächtigung ist doch wohl nicht geeignet. Len verabredeten Ueberfall auf Deutsch­land von Osten und Süden zu verschleiern, von dem dis Polen bisher nur durch die Angst vor den Russen abgehal- ten worden sind.

Ei« Der-man» erschaffe»

Vanne. 30. Avril. Der Bergmann Otto Worutzki wurlR von einem französischen Posten erschossen.

Als Täter de« Anschlags, bei dem am 26. April in Wesel zwei belgisch« Soldaten verletzt wurden, kommen belgisch* SchnmgAer iv Betracht.