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Nr. 136

Mittwoch den 14. Juni 1922

96. Jahrgang

Die Besatzungskosten

Der Reichsschatzminister hat dem Reichstag eine Denk­schrift über die Kosten Äör Rheinlandbesatzung zugehen lassen. Bis Ende März 1921 beliefen sich darnach die Ausgaben, die angeblich den Besatzungsmächten seit dem unerbetenen Einmarsch ins Rheinland für die Aufrechterhal­tung der Besetzung entstanden sein sollen, auf etwas über 3,9 Milliarden Goldmark. Zu den 3,9 Gold- milliarden unmittelbaren Besatzungskosten treten noch über 7,3 Milliarden Papiermark, die Deutschland durch Leistungen für die Rheinlandkommission und für die Be­satzungsarmee aufbringen muhte. ^

Für die Zeit vom 1. Mai bis Ende 1921 liegen über die Ausgaben der Besatzungsmächte noch keine amtlichen Mit­teilungen vor. Aus der früheren Kostenberechnung ergibt sich indessen, daß die Besatzungsmächte monatlich an­nähernd 136 Millionen Goldmark aufwen­den. Darnach ergibt sich für die 8 Monate vom 1. Mai bis Ende Dezember 1921 eine Ausgabe von über 1 Mil­liarde Goldmark. Die Ausgaben, die dem Deut­schen Reich durch Leistungen für die Rheinlandkommission und die Besatzungstruppen in dem gleichen Zeitraum ent­standen sind, ergaben insgesamt einen Betrag von 3,69 Milliarden Papiermark. Davon entfallen auf die-Rhein­landkommission über 178 Millionen und auf die Unterhal­tung der Besatzungstruppen 2,2 Milliarden, die übrigen Kosten find durch Grundstückserwerbungen, Beschaffung und Unterhaltung von Einrichtungsgegenständen, durch Post- und Telegraphengsbühren usw. entstanden!

Bis Ende des vorigen Jahrs ergibt sich also für die Be­setzung des Rheinlands, soweit die von Deutschland zu er­setzenden angeblichen Ausgaben der Besatzungsmächte in Frage kommen, ein Gesamtbetrag von rund 5 Milliarden Goldmark und soweit die Leistungen des Deutschen Reichs in Frage kommen, ein Gesamt­betrag von annähernd 14 Milliarden Papier­mark! .

Die Kosten der französischen Abteilung der Kom­mission haben sich vom ersten Vierteljahre 1920 bis zum vierten Vierteljahr 1922 beinahe versiebenfacht. Die Unterbringung des Vorsitzenden der Rheinlandskom­mission erforderte einen Aufwand von 11L Millionen Mark. Für die Einrichtung von Freudenhäusern (!) für die Be­satzungstruppen hatte das Reich bis Ende Oktober 1921 rund 802 000 -N zu zahlen.

Für Truppenübungsplätze wurden landwirt­schaftliche Betriebe im Wert von rund 2,5 Millionen Mark und 167 Fabrikanlagen im Wert von 74 Millionen Mark be­schlagnahmt. Während das deutsche Heer im besetzten- Ge­biet früher nur neun Flugplätze hatte, haben die Entente- Mächte bis zum 1. November 1921 24neueFlugplätze angelegt und damit 1303 Hektar zum Teil besten Acker­bodens der landwirtschaftlichen Benutzung entzogen. Aehnlich liegt es mit den Schieß- und Uebungsplätzen. Für Wohnungszwecke waren am 1. Dezember 1921 von der Rheinlandsbesatzung insgesamt 9700 Wohnungen, außerdem 13 000 Einzelzimmer beschlagnahmt. Weiter wur­den 60 Schulen, in denen 16 450 Kinder unterrichtet worden waren, mit Truppen belegt. Während die deutsche Gartnson früher in dem jetzt besetzten Gebiet eine Gesamtstärke von etwa 70 000 Köpfen hatte, betrug am 1. Dez. 1921 die Be­satzungsstärke des Verbands noch mindestens 130 000 Köpfe.

Die zweite Denkschrift des Reichsschatzministers macht folgende Vorschläge zur Herbeiführung einer Verringerung der Ausgaben:

1. Aufhebung bezw. Verringerung der Besatzung auf wenige tausend Mann Polizeitruppe:

2. Abbau des Personals der Rheinlandkommission und des Delegiertensystems:

b. Einsetzung eines beiderseitigen Schiedsgerichts unter Borsitz eines Finanzsachverständigen zur Entscheidung in Fallen von Lucken des Versailler Vertrags und Rheinland-

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Zusammenbruch

Aus Wien wird uns geschrieben:

-Zürich hat die österreichffche Krone einen nie gecchn- en Tiefstand erreicht und m Wien hat die langsame Auf. vartsentwicklung des Preises der auswärtigen Zahlung-- Nittel in den letzten zwei Tagen ein rasendes Tempo ein» Mammen. Die Aufbautätigkeit und Angleichungsarbeit »on Monaten ist in wenigen Stunden wieder zerstört wor- »en und die Hoffnungslosigkeit des Zustands hat sich wieder bedeutend erhöht. Denn wir stehen ja aller Voraussicht nach .licht am Abschluß des gegenwärtigen Neigungsabschnitts, vir müssen vielmehr erwarten, daß vielleicht die nächster Lage schon einen weiteren Rückgang des Züricher Kronen- 'urses mit sich bringen, die dann naturgemäß die Anreizung ür die Wiener Börse herbeiführt, die Valutenpreise hinauf- msetzen.

' Üeber die Ursachen dieses Zerfalls unserer Währung ist

chon genügend abgehandelt worden. Bald ist es die Speku­lation, die die Preise hinaustreibt, bald steht der Einkauf )er deutschen Regierung auf Entschädigungskonto im Vor- >ergrund und dann wiederum ist es der tägliche Bedarf un- erer Industrie, der die Nachfrage nach Valuten erhöht.

Alle diese Erscheinungen sind aber nur Ausflüsse der inen Tatsache, daß die Friedensverträge einen Zustand in Nitteleuropa geschaffen haben, der diese Länder aus der Weltwirtschaft ausschließt, ihnen beinahe jegliche wirkliche krwerbsmöglichkeit raubt und sie außerdem mit Entschädi- zungslasten und Pfandrechtsunfug beschwert. Außerdem assen die territorialen Bestimmungen der Verträge in Ber­andung mit der Beraubung des Rechts der freien Selbst- «estimmung eine Festigung der Verhältnisse in Mitteleuropa md besonders in Oesterreich nicht zu. Aus diesen Ursachen ,eraus entwickeln sich alle Erscheinungen, die sowohl die krankhaften Auswüchse an der Börse erzeugen, als auch rlle jene innerpolitischen Vorgänge, die mit mehr oder veniger Beschwernis den Tag füllen und die alle gemeinig- ich als österreichisches Problem'zusammengesaßt werden.

Wenn sich angesichts dieser trostlosen Verhältnisse die Frage aufdrängt:Wie lange kann dies noch gehen?", so ft der Vergleich mit Sowjetrußland gleich bei der Hand, wo )ie Valuta noch mehr zerrüttet ist und die Menschen doch . ,ioch leben soweit sie nicht verhungert sind. Dabei wird aber ganz außer Acht gelassen, daß wir im Vergleich zu Sowjetrußland ein beinahe industrieller Staat sind. Sow- etrußland besitzt Bodenschätze, die sich zu einem über- viegenden Teil in der Hand(der Regierung befinden, wäh­lend die Bodenschätze bei uns zum größeren Teil Privat­eigentum sind und daher nicht als Pfänder für die Beschas- -ung auswärtiger Anleihen in Betracht gezogen werden kön­nen. Sowjetrußland ist überhaupt kaum auf die Einfuhr zon Lebensmitteln angewiesen wie wir, war Rußland doch ;u Zeiten normaler Produktion Getreideausfuhrland, wäh­rend wir auch bei dem günstigsten Stand unserer lckndwirt- chaftlichen Produktion zur Einfuhr von Brotgetreide und auch von Fleisch gezwungen sind. Aus diesen wesentlichen llrsachen heraus ergibt sich, ganz abgesehen von anderen Gründen, die Tatsache, daß wir eine so weitgehende Geld­entwertung wie Sowjetrußland nicht ertragen können, ohne )abei physisch und moralisch zusammen zu brechen.

Angesichts dieser Tatsachen und der Schnelligkeit, mit )er sich der Währungszerfall vollzieht, erscheint der Zeit­abschnitt, der uns zur Wiederherstellung der Verhältnisse in Oesterreich -bleibt, äußerst kurz. Wir brauchen Kredite. Diese hat uns das Ausland versprochen, und auch ab und ju, allerdings in nicht ausreichendem Maße, gegeben. Diese Zuwendungen können heute schon in den Rauch geschrieben verden und auch die nächsten müssen naturnotwendig dem zleichen Schicksal verfallen, wenn sie nicht in ausreichendem lstaße gegeben werden und zugleich die staatsrechtliche Grundlage für ein lebensfähiges Oesterreich geschaffen wird. Dies aber verhindert der Friedensvertrag von St. Vermain, der Oesterreich die Angliederung an ein großes, wrmaler Weise überschüssiges Wirtschaftsgebiet verbietet. Wir sind aller jener Notwendigkeiten beraubt, die wir für üne überschüssige Wirtschaftsführung brauchen. An ein zroßes Wirtschaftsgebiet angegliedert, finden wir den nöti- zen Zufluß, den Ausgleich zwischen Verbrauch un- Pro- ruktion und damit -je Kestiaung unserer Wirtschaft viel leichter, als wenn wir auch fernerhin nur aus uns selbst ge- stellt dies für uns auf der Grundlage des Vertrags von St. Germain unlösbare Problem entwirren sollen.

Man gebe uns mit den Krediten die Abänderung des Vertrags, von St. Germain und den Anschluß an Deutschland, womit nicht nur wir die Möglichkeit ge- winnen weiter leben zu können, sondern für die Kreditgeber ganz andere Sicherheiten für die Anleihen erwachsen, als sie Oesterreich allein imstande ist, zu geben.

Men, 13. Juni. Dr. Bauer machte im Arbeiterrat den Vorschlag eines Währungsbunds zwffchen Deutsch­land und Oesterreich, falls dieses von den andern Staaten keine Notanleihe erhalten sollte. Das deutsche Privatkapi- tal soll Oesterreich einen Bankkredit von 8 Milliarden Pa- piermark einräumen und dafür das Recht der Notenaus- gaben in Oesterreich erhalten. Diese neue Notenbank müßte die österreichischen Kronen in ein festes Verhältnis zur deut- schen Mark setzen. Zur Deckung des staatlichen Fehlbetrags Oesterreichs (220 Milliarden Kronen) wäre ein weiterer ein­maliger Kredit von 8 Milliarden Papiermark erforderlich.

Bundeskanzler Seipel bat die Parteiführer des Na- tionalrats.-der übertriebenen Beunruhigung der Bevölkerung, die sich besonders in Angstkäufen äußert, entgegenzuwirken. Die Teuerung werde dadurch nur gesteigert und die allge­meine wirtschaftliche Lage erschwert.

Der Prozeß ÄMnger

Offenburg, 13. Juni. Der gestrige fünfte Verhandlung» tag brachte die Vernehmung solcher Zeugen, die an Schmz Tillessen und Killinger Zimmer vermietet Hafter« oder mit ihnen zusammen gearbeitet haben. Es wird fes- gestellt, daß Schulz Anfangs August zu einer Frau A sto > in München gezogen, nach der polizeilichen Anmeldung je­doch wieder abgereist sei. Am Morgen des 27. August, als« am Tag nach der Ermordung Crzbergers, kehrte er in dies« Wohnung zurück. Am 30. oder 31. August sei Schulz mit Tillessen, der ihn öfters besuchte, von München nach Lindau abgereist. Während der Abwesenheit kam Kil­linger und fragte, wann Schulz zurückkehre. Nach einigen Tagen sei Schulz zurückgekehrt und nach Berlin abgereift wo er eine Stelle gefunden habe.

Die Zimmeroermieterin Frl. Jllovics, bei welcher Killinger und dessen Freund Kautter wohnten, gibt an am 28. August habe Tillessen einen Zettel an Killinger ge­bracht und am andern Tag seien zwei Koffer angekommen Eines Abends erschienen zwei Herren, welche die Zeugin nicht kannte. Wer die Koffer weggebracht hat, weiß di» Zeugin nicht.

Ein Kriminal-Kommissar hat festgestellt, daß drei Kof­fer in München anfangs August gekauft wurden; die zer­rissene Rechnung fand man in Oppenau. Es wird weiter­hin festgestellt, daß Schulz und Tillessen in einem wirtschaft­lichen Genossenschaftsbetrieb in Regensburg tätig waren, der von dem Reichstagsabgeordneten Dr. Heim geleitet wird, Von den Regensburger Zeugen wird beiden ein günstige» Zeugnis ausgestellt.

Unter den Zeugen, die Mitglieder derOrganisation L* waren und die mit ihren Kriegsauszeichnungen vor den Ge­richtsschranken erscheinen, wird als erster Karl Tilles - s e n, der Bruder des Beschuldigten, Heinrich, vernommen. Er machte von seinem Recht der Zeugnisverweigerung Ge­brauch, bemerkte aber, daß sein Bruder ein schwer zu­gänglicher Charakter sei. Der Vorsitzende verlas sodanr einen Brief, den der Zeuge Karl Tillesfen im März 1921 au» Wien an feinen Bruder Heinrich gerichtet habe und in den es heißt:Die Ueberlegungen, die Du in Deinem Brief von 17. Febr. niederschriebst, sind mir Wort für Wort aus den Herzen gesprochen. Ein überzeugter Katholik muß ultra montan sein und erst Rom anhängen, dann erst Deutschland Erst wenn man in den Todfeinden wie Erzberger absolut« Jesuitenzöglinge erkannt hat, die, um das Seelenheil vor Rom aus versprochen zu bekommen, ihr deutsches Vaterlani verraten, erst dann wird man sich innerlich abwenden. De: Kampf ist ein Lebenskampf, mein lieber Heini, und all« stehen vereinzelt da." In dem Brief wird ferner der Un zufriedenheit über den neuen politischen Zustand Ausdruö gegeben. In einem andern Brief des Karl Tillessen von 30. August 1921, an den flüchtigen Heinrich heißt er:Herz lichen Dank für Deine Zeilen vom 29. August, Du bist ein« urbreite Axt. Gruß auch an Schulz im besonderen. " Der Zeuge Kgrl Tillessen erklärte, die Worteurbreite Axt' bedeuten eine Dankesbezeugung für ein Geschenk

Nach weiteren Vernehmungen von ca. 10 Mitgliederr wird Kautter, der mit Killinger in München zusammer wohnte und einige Monate in Offenburg in Untersuchung-!. Haft war, unvereidigt wie die vorgehenden Zeugen vernom men. Er gibt an, er sei Leiter der Presseabteilung dei Organisation L" gewesen. Von einem Plan, daß Erz berger ermordet werden solle, habe er nichts gewußt. Di« angeblichen Kennzeichen der beiden, nämlich eine Narbe ar der Nase und ein Merkmal am Ohr, seien ihm nicht auf. fällig erschienen. Sein Verhältnis zu Schulz und Tillesser sei nicht gerade freundschaftlich gewesen.

Zeuge Kapitänleutnant a. D. Alfred Hoffman n, be kündet, daß Tillessen den Erzberger oft einen gefährlicher Schädling genannt habe, ein Urteil, das in der Organisatior allgemein gewesen sei. Bon dem Mord selbst wisse sr nichts

Zeuge M ü l l e r - München soll einen anonymen Briü an die Frau des bayerischen Abg. Nittisch (Komm.) geschrio ben haben, in dem gedroht wurde, daß Nittisch wie ei, Pseifenkopf in'einer Schießbude abgeschossen werde. Müllei erklärte, er'habe mit diesem Brief nichts zu tun.

In der Nachmittagssitzung wurden verschiedene Zeuger vernommen, die sich widersprachen. Ein Kaufmann Fried lein, der Tillessen von früher kannte, gibt an, er Hab Tillessen in einem Kaffeehaus in Ulm getroffen. Tillessei habe dabei die tags zuvor erfolgte Ermordung Erzberger» zu rechtfertigen versucht; über die Täter sei nichts gespr» chen worden. Sie verabredeten sich für den nächsten Taz in -engoldnen Engel". Dort sei Tillessen und Schulz uni einige andere Herren, die angeblich Altmaterial in Uln kaufen wollten, erschienen. Einer der Herren habe zu Fried lein gesagt, der Reichskanzler Wirch komme auch noä daran.

Im Gegensatz dazu bekundete der Zeuge Rohlinge unter Eid: Im Dezember 1921 sei er dem Friedlein ft Stuttgart auf der Strotze begegnet. Friedkein erzählte daß er nach dem Mord den Tillessen in Ulm getroffen Hab, und Tillessen habe sich als Mörder Erzbergers bezeichnet Tillessen habe ihm (Frisdlein) auch seine Brieftasche mk viel Geld uezeiat und dabei gesagt, er könne ihm (den