Menschliche Arbeitskraft.
Die Ersüllung der Pariser Forderungen setzt eine Der mehrung der menschlichen Arbeitsleistung voraus, die nur in Ja nzehnien verwirklicht werden könnte. Vermehrte Arbsiierzahlen verlangen wiederum erhöhten Konsum. Zunächst aber ist eine bedenkliche Verminderung nach Leistung und Zahl eingetreten. D-e Leistung des einzelnen unterernährten Arbeiiers ist gesunken (Beweis Dortmund). Die zahlreichen ausländische; Arbeiter, die Deutschland früher beschäftigte, sind sowohl durch die Umgestaltung der politischen Verhältnisse der umliegenden Länder, als auch durch die wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands uns entzogen. Der Ausfall beträgt allein für Deutschlands industrielle Arbeit eine Menschenzahl von annähernd einer halben Million.
Es bleibt somit nur als letztes Mittel Verlängerung der Arbeitszeit Durch internationale Vereinbarung ist der Wellardeirstag auf 8 Stunden beschränkt. Um die von Deut chlaud geforderte Leistung zu erfüllen, müßte, wenn alle Voraussetzungen hinsichtlich der Produktionsmittel, der Rohstoffe, der Absatzmöglichkeit und des Kapitals gegeben wären, die Arbeitszeit des deutschen Arbeiters von 8 auf 14 Stunden erhöht werden. Dies bedeutet eine Leistung, die selbst in der Frühzeit des euro- ! päischen Kapitalismus, die rücksichtsloser mit Menschenkräf- ^ ten umging, als unerträglich und unerfüllbar angesehen wor- j den wäre. Es besteht keine Möglichkeit für ein Land, einen Anspruch von solcher Unmenschlichkeit an den größten Teil seiner eigenen Bevölkerung zu stellen, und es kann niemals die Meinung der Alliierten gewesen sein, unter Verletzung nicht nur des Geistes, sondern auch des Wortlautes des 13. Teiles des Versailler Vertrages, Deutschland zur Stellung eines solchen Anspruches zu zwingen. Qualitätsarbeit, wie der Produktionsapparat Deutschlands und seine Verpflichtung zu gesteigerter Erzeugung sie erfordert, kann nur von gesunden, arbeitswilligen und arbetrsfrohen Menschen, nicht von unterernährten, geknechteten und hoffnungslosen Zwangsarbeitern verrichtet werden. Der Eintritt eines solchen Arbeitsverhältnisses in irgend einem Lande der Erde, ganz abgesehen von Deutschland, würde einen gefährlichen kulturellen Rückschritt bedeuten und unabsehbare Folgen für die Eidbevölkerung nach sich ziehen. Bei der internationalen Verknüpfung aller Arbeilsverhältinsse können überdies grundlegende Umgestaltungen auf diesem Gebiete in keinem Lande ohne Zustimmung der Arbeiterorganisationen aller Kultur floaten herbeigeführt werden.
Kapital und Kredit.
Um Deutschlands Produktion in der geforderten gewaltsamen Weise zu steigern, sind für den Ausbau wie für den Betrieb Kapital mengen in einem Umfange, wie gegenwärtig weder das Land selbst, noch die übrige Welt liefern kann, erforderlich. Keine noch so gesteigerte Notenemission ist im Stande, Realkapitalien zu schaffen. Gleichzeitig mit der Konsumkcise zieht durch die Welt eine Kapiia krists, deren Wirkungen auch wir zu spüren beginnen. Wollten unsere Gläubiger cs dennoch unreinehmen, Deutschland die erforderlichen Kapitalien im Laufe der nächsten Jahre zur Verfügung zu stellen, so würden die jährlich zu leistenden Zahlungen unsere Reparationsleistungen mehr als aufwiegen.
Erzwungene Ueberspannung der deutschen Produktion und Ausfuhr. Gelänge es, 40 Milliarden deutscher Waren zu erzeugen u. auf dem Weltmarkt abzuladen, wie dies nach den Pariser Beschlüssen erforderlich wäre, so würde eine vollkommene Umstellung des merkantilen und industriellen Weltbildes die Folge sein. Deutschland wäre die zentrale industrielle Werkstätte der Erde, die zwar unter gedrückten Verhältnissen und zu Hungerlöhnen arbeitet, die aber mit der ganzen Leidenschaft und Zähigkeit eines um sein Leben ringenden Volkes u. mit der ganzen Gewalt seines konzentrierten ProdukiionsapparateS auf die Mäikle der Welt wirken müßte.
Der Weltmarkt ist kleiner, als gemeinhin angenommen wird. Die Aussuhrziffern sämtlicher Kullurstaaten zusammen- genommeu belaufen sich auf weniger als 100 Milliarden Goldmaik. Hatte Deutschland von diesen Beträgen in der Vergangenheit ein Zehntel des Gesamtbetraaes zu decken, so würde es gezwungen sein, m Zukunft 40 Prozent aufzubringen und entsprechende Mengen an Konkurrenzgütern zu verdrängen. Dies könnte nur geschehen unter gewaltigem Widerstande aller beteiligten und betroffenen Nationen und unler einer Absenkung sämtlicher Warenpreise in einem Umfange, der allen Ländern die Produktion unrentabel machte. Bei jeder Marktlage wäre Deutschland gezwungen, zu unterbieien und täte es dies nicht treiwillig, so würde seine Valuta so lange sinken, bis ein automatisches Herausspülen des erforderlichen Warenquantums aus dem Lant.e erfolgte.
Deutschland will den Weltmarkt durch Dumping nicht stören. Ein unfreiwilliges Dumping entsteht aber durch den Zwang zu einer Exportiätigkeit, die jedes bisher gekannte Maß überschreitet uno, da sie überdies von der Valutaentwertung getragen wird, von keinem menschlichen Willen abgestellt werden kann. Gegen solche Ueberflatung würden sich nicht nur die Fertigfabrikate erzeugenden Länder wehren, sondern vor allem die Rohstoffe aussührenden, u. diese würden es in der Hand haben, den ganzen Plan zu durchkreuzen, indem sie Deutschland die erforderlichen Rohstoffe verweigern oder nur zu Bedingungen liefern, die die Lebenshaltung des deutschen Arbeiters vernichten.
Deutschlands Export würde vor allem in Fertigfabrikaten bestehen müssen, denn nur in der Form der verfeinerten Produktion wäre das Land in der Lage, so konzentrierte Werte zu liefern, wie einerseits sein Produkrionsap- parat, andererseits die Größe der ihm auferlegten Leistungen eS fort ert. Der Mar kt der Fertig iabrikale aber ist der empfindlichste, auf ihm spielen sich umso härtere Kämpfe ab, als die hauptsächlichsten Nationen tief verschuldet sind und sämtlich die gleiche Tendenz haben, ihre innere Verschuldung auf den Weltmarkt umzulegen.
Es gibt schon heute eine Anzahl von Produkten, bei denen die deutsche Ausfuhr derart innerhalb des Weltkonsums überwiegt, daß eine Steigerung des Anteils überhaupt nicht mehr möglich ist, ohne unmittelbar jede ausländische Konkurrenz zu zerstören. Z» diesen Produkten gehören Kleineisenwaren, Spielwaren, einfache Porzellauwaren, Chemikalien und Farben.
Die KonsumkristS ist nicht bloß veranlaßt durch den
, Ausfall einer großen Zahl konsumierender Völker, sondern auch durch die Schwächung konsumierender Schichten innerhalb selbst der reichsten Länder. Die gesamte Kaufkraft ist t auf euren Stand gesunken, der hinter dem Eude des vorigen : Jahrhunderts weit zurückbleibt. Die Tendenz zum Sparen macht sich allenthalben geltend bet verringerter Aufnabme-
- fähigkeit für Produkte und gesteigertem Antzfuhrwilleir. Stößt j das allgemeine Ausfuhrbedücsnis an jedem Platze der Erde
- auf den Strom der deutschen Waren, die sich dort zwangsweise ausbieten müssen, so entsteht eine Erbitterung im merkantilen Verkehr der Länder, di« alle Konkurrenzkämpfe der Vergangenheit überlrifft. Die Unmöglichkeit eines Warenumsatzes in der Giößenordnung von 40 Milliarden ergibt sich somit von selbst und damit die Unmöglichkeit überhaupt, innerhalb der gegenwärtig bestehenden Weltwirtschaft Aus-
> pleichszahlungen in einem Umfange vorzunehmen, wie die I Pariser Vorschläge es verlangen.
j Die Reparationsleistung kann nickt das Problem einer
- einzelnen Volkswirtschaft sein: sie ist das erste Problem einer neu zu gestaltenden Weltwirtschaft.
Deutschland ist entschlossen,
bis an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit ^
zu gehen, um innerhalb dieser Gesamtwirtschafr den ihm obliegenden^schwersten Teil der Arveitsleistung auf sich zu nehmen. Freiheit der wirtschaftlichen Bewegung ist hier Voraussetzung. London wird die Reihe der Verständigungen zu eröffnen haben, deren die Welt zum Aufbau ihrer Wirtschaft bedarf, die eine Wirtschaft der Solidarität sein muß, wenn sie ntch«, von Krise zu Krise treibend, in unabsehbarer Verwirrung enden soll.
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Forderung und Gegenvorschlag. „
Eine nähere Betrachtung und ein Vergleich des deutschen Gegenvorschlags mit der Pariser Forderung zeigt, daß eine ablihnende Haltung der Gegner in der Sache ganz und gar nicht gerechtfertigt ist. Der deutsche Vorschlag kommt der gegnerischen Forderung so außerordentlich nahe, daß der rechnerische Unter schied zwischen beiden ganz gering ist. Die Gegner verlangten von uns Zahlungen, die über 42 Jahre verteilt sein und dann eine Gesamtsumme von etwa 226 Milliarden ergeben sollten. Wir bieten Leistungen an, die sich über 30 Jahre erstrecken und im Gesamteffekl auf ungelähr 150 Milliarden htnauslaufen. Rechnet man von der feindlichen Forderung zunächst die 20 Milliarden ab, die wir bereits bezahlt haben, und ferner die Z nsleillungen für die 12 Jahre Unterschied zwischen den beiden Vorschlägen, so bleibt eine Differenz übrig, die so gering ist, daß man vorher nicht geglaubt hätte, daß eine so weitgehende, ja fast vollständige Elfüllung de: Pariser Beschlüsse möglich wäre. Wenn man natürlich die Z ffer von 226 Milliarden und von 50 Milliarden ganz naiv neveneinander hält, so will es auf den ersten Blick scheinen, als ob wir der Riesenforderung gegenüber ein minimales Gegenangebot gemacht hätten. Was bedeuten aber diese 50 Milliarden? In der deutschen Antwort an die Entente ist gesagt worden, daß es sich um den Gegenwartswert der Pariser Forderungen handelt. Das heißt also: Wenn man jetzt ein Kapital von 50 Milliarden Mark festlegen würde, um 42 Jahre lang daraus eine Rente zu beziehen, so würde man bet dem vorgesehenen Zinsfüße von 8 Prozent im Laufe dieser Zeit Zahlungen im Gesamtwerte von 226 Milliarden erhalten. Wir würden also bei einer sofortigen Zahlung von 50 Milliarden die Pariser Forderung glatt erfüllt haben, nur mit Ausnahme der 12°/oigen Ausfuhrabgabe, die in unseren Gegenvorschlägen allerdings zurückgewiesen wird und die ja auch in der internationalen Kritik als ein zweischneidiges Schwert bezeichnet wurde. Da Deutschland zu einer sofortigen Zahlung von 50 Milliarden nicht in der Lage ist, ist auch von uns eine Verteilung der Zahlungen über 30 Jahre vorgesehen, wobei zunächst 8 Milliarden auf dem Anleihewege sofort flüssig gemacht werden sollten, ein Vorteil für die Alliierten, den die Pariser Beschlüsse nicht enthielten. Ein Unterschied gegen die feindlichen Forderungen ist also nicht in dem Grundkapital der Wiedergutmachungssumme, sondern nur in der Verzinsung zu finden. Ueber die Verzinsung der Anleihe wird noch zu verhandeln sein und es ist vrn uns nur der Wuntch ausgesprochen worden, daß diese Zinsen möglichst niedrig bemessen werden, wogegen natürlich in der all. Presse ebenfalls Sturm gelaufen wird. Als Zinssatz für die 22 Milliarden, die von den 50 Milliarden übrig bleiben, wenn die 20 Milliarden, die wir bereits geldistet haben, und die 8 Milliarden der ersten Anleihe abgezogen sind, werden von uns 5 Pcoz. vorgeschlagen. Diese Verminderung des Zinssatzes (die übrigens der Verzinsung des Hundertmilliardenangebots aus der Versailler Zeit entspricht) und der Wegfall der Zinsen für die 12 Jahre, welche nach den Pariser Forderungen über die Zahlungsfrist des deutschen Gegenvorschlages hinausgehen, sind neben dem bereits erwähnten Wegfall der Ausfuhrabgabe der einzige sachliche Unterschied zwischen Forderung und Gegenvorschlag. Die von deutscher Seite mit so großem Nachdruck betonte Undurchführbaiketi der Pariser Beschlüsse reduziert sich also letzten Endes auf diese verhältnismäßig geringfügige ZinSdifferenz. Denn daß die 12prozentige Ausfuhrabgabe eine unmögliche Doppelbe- laftung darstellt, sowie die Forderung, daß die bereits geleisteten 20 Milliarden nicht nochmals bezahlt, noch auch weiterhin verzinst werden können, sind Selbstverständlichkeiten, die man nicht als eine Ablehnung sachlich fundierter gegnerischer Ansprüche auffaffen kann.
Die Stellungnahme des Reichs zu London.
Berlin, 5. März. (Eig. Drahtber.) Gestern nachmittag trat das Reichskabinett zu einer Besprechung über den Verlauf der Londoner Konferenz zusammen. Den Verhandlungen lag ein ausführlicher Situationsplan des Außenministers Dr. Simons zu Grunde. Im Anschluß hieran fand eineMespre- chung mit den Fraktionssührern der einzelnen Parteien statt. Heute wird der Reichskanzler im Reichstage eine Erklärung zu den Verhandlungen abgeben und sich dann das Haus für einige Stunden vertagen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, unter sich die Lage zu besprechen. Nach Wiederzusammentritt des Hauses wird eine große politische Aussprache stattfinden.
' Die niedttheinifche Handelskammer fordert Festigkeit.
Berlin, 4. März. Die „Deutsche Allgemeine Zeitung" meldet aus Duisburg: Die gestrige Vollversammlung der nrederrheimschen Handelskammer mit dem Sch in Dui-burq- Ruhrort erklärte in einer Entschließung, daß sie sich der T-ag» weile der bet Nichtannahme des Dckmts der Entente in Aus- sicht gestellten Maßnahmen für das deutsche Wirtschaftsleben insbesondere auch für das von ihr vertretene Gebiet voll bewußt sei. Umsomehr dürfe sie in dieser Stunde Anspruch auf Gehör haben. Sie bittet die ReichSregierunq aufs dringendste, au der Vertretung des einmal für recht und gerecht Erkannten ukrter allen Umständen festzuhalteu.
Berlin, 4 März. Der ReichSveiband der deutschen Industrie. der ReichsauSschnß der deutschen Landwirtschaft und der Zentralosrband des deutschen Großhandels haben dem Reichrminister Dr. Simons folgende telegraphische Kund- gebuna zureben lassen: Industrie. Handel und Landwirt» fchaft Deutschlands erwarten von Ihnen, Herr Minister, in dieser schicksalschweren Stunde unbedingte Festigkeit gegenüber dem Ultimatum der Entente und erneuern die Versicherung, für die Folgen der Ablehnung der Londoner F ederungen, so schwer sie auch für die deutsche Wirtschaft sein werden, voll und ganz ein» zustehen.
Vorsorge für die besetzten Gebiete.
Berlin, 4. März. Bei einer Besprechung, die gestern abend der Reichsminister des Innern mit den parlamentarischen Vertretern des besetzten Gebiets abhielt, wurde festgestellt, daß die angekündigten Zwangsmaßnahmen schwer, aber nicht unerwartet seien und daß die Regierung wegen der zu . beiürchtendeu Schädigungen so weit als möglich Vorsorge ge- -trogen Habs. Die angedrohten Maßnahmen könnten keine Veranlassung geben, die von der Reichsregieruug bisher angenommene Haltung zu ändern.
Lefövres Erprefsungsvorschlag. ",
Paris, 3. März. Wie ver „Ceuvre" mitleilt, hat der ehemalige Kriegsminister Andrs L-seore gestern in den Wandelgängen der Kammer erklärt, die Alliierten hätten kostbare Zeit verloren. Sie hätten 24 Stunden unnütz verstreichen taffen. Man müsse das Ruhrgebtet mit imposanten Sireit- kräflen besetzen. Die Deutschen hätten nur für einen Monat Kohlenreserven. Sie würden sehr rasch gezwungen, nachzugeben. Um diese Opsrarionen durchzusühren, habe er die Mobilisierung von acht Jahresklassen anempfohlen.
Hardings Programm.
Neutralität gegenüber den Angelegenheiten Europas.
Washington, 4. März. In seiner AntrittSbotschaft bei der Uebernahme der Präsidentschaft erklärte Harding, die neue amerikanische Regierung beabsichtige eine Politik der Nichteinmisckuug in die Angelegenheiten Eurrpas zu befolgen. Sie lehnt es ab, an irgend einer dauernden militärischen Allianz teilzunehmen oder irgend welche ausländischen wirtschaftlichen Verpflichtungen zu übernehmen. Sie ist jedoch bereit, an einer Konferenz über die Abrüstungsfiage teilzu- nehmen. Harding tritt für die Schaffung eines Weltgerichts- hofes zur Regelung gerichtlicher Fragen ein u. erkiäit: Wir werden keiner Nation einen gerechten Grund geben, mit uns Krieg zu führen. Ich hoffe jedoch, daß, wenn uns von neuem der Krieg ausgezwungen wird, er dann Amerika in nationaler Verteidigung vereinen wird. Ja Anbetracht des Wettbewerbs des Auslands erklärt sich die Botschaft für den Schutz der amerikanischen Industrie und sagt weiter: Wir können nicht mit Erfolg verkaufen, wenn mir die amerikanischen Waren nicht in amerikanischen Fahrzeugen auf die Weltmärkte bringen. Außerdem tritt der Präsident ein für eine Verminderung der Steuerlasten^ angemessene Krediterleichterung und für den Frieden in der Industrie. Für die Schuldverpflichtungen, die aus dem Kriege entstanden sind, müsse gesorgt werden, da keine Zivilisation ihre Nichtanerkennung überleben könnte.
Berlin, 5. März. Zu der Botschaft des amerikanischen Präsidenten Harding schreibt der „Berl. Lokalanz.", daß sich der Präsident für die europäische Frage vollkr mmen freie Hand Vorbehalten habe. Anstatt, worauf man in London gehofft habe, sich in den europäischen Fragen irgendwie fest- zulegen, habe er sich alle Möglichkeiten offen gehalten. In der Tatsache, daß der Präsident von der Möglichkeit eines neuen Kriegs sprach, glaubt das Blatt ein Symptom für den gegenwärtigen Reizzustand der internationalen Beziehungen zwischen allen Großmächten zu sehen.
Dos ,Berliner Tageblatt" hebt hervor, daß durch die Botschaft des Präsidenten die Absage Amerikas an den Völkerbund endgültig überreicht ist. Aber Harding wolle den Vö.kerbund nicht zu Grabe tragen, ohne der Welt etwas Neues und Besseres dafür zu bieten. Sein Programm so» dere das obligatorische Wellschiedsgericht.
Politische Wochenschau.
Ueber die Londoner Konferenz sind die Leser an dieser Stelle auf dem laufenden gehalten. In der letzten Woche waren verheißungsvolle Ansätze in einem eigenen Handeln auf den großen Stuttgarter Tagungen des landwirtschaftlichen Hauptoerbandes und des Bauernbundes vorhanden. Auch im Landtag war der gute Wille stärker als die Versuchung, und zu den befürchteten Kulturkampfdebatten ist eS trotz aller sachlichen Auseinandersetzungen und trotz des Hey- mann'schen Dreinredens in die Angelegenheiten der christlichen Kirchen nicht gekommen. Eine Ministeikonserenz ^ der süddeutschen Staaten in Stuttgart verlief durchaus befriedigend. Auch der Zankapfel der Landesmilchzentrale ist ver- schwunden. Pmschgerüchre, wie sie hm und dort in Nord- deutschland austauchien entbehrten vollständig der Begrün- duna Nur der Reichstag hatte seine gewohnten Diskussionen, mit den üblichen Reden zum Fenster hinaus fortgesetzt. Diese erwecken mitunter rpirklich Zweifel, ob man es mit ernst- und verantwortungsbewußten Männern zu tun hat und die Wahl nicht auf Unwürdige gefallen ist. Das war besonders in jenen Tagen der Fall, als während den Verhandlungen in London, die um dos Sein und Nichtsein de» deuischen Volkes gehen, über die Verlängerung de« Ent- i waffnungsgesetzes verhandelt wurde und in allerlei schädigen-