Mozarts Begräbnis
Als Mozart in der ersten Morgenstunde des 5. Dezembers 1791 starb, schlief die große Stadt Wien, und als sie erwachte, war es ein Sonn- tag, den die Glocken mühselig durch den näẞ- lichen Winternebel einläuteten, Die trotzdem zur Kirche gingen, hatten andere Gedanken als jene, die verdrossen zu Hause blieben: an den gestorbenen Musikanten in der Rauhen- steingasse dachten sie beide nicht, weil den wenigsten der Name, geschweige der Mann be- kannt war. der von seinem Fieber erlöst auf dem ärmlichen Bett lag.
Nur seine Frau Konstanze und ihre Schwe- ster Sophie hatten Mozart sterben gesehen wie er zuletzt sein Gesicht bitter zur Wand kehrte. Von ihnen geholt, war im Morgen- grauen Franz Xaver Süßmayer gekommen, der als sein getreuer Famulus noch am Abend über den Zetteln zum Requiem am Bett Mo- zarts gesessen hatte. Er fand den Toten nach der Leichenvorschrift auf dem Rücken gebet- tet; auch hatten sie ihm die Hände gefaltet. dem die letzte Oelung versagt worden war, weil der in der Nacht angerufene Priester nicht kam. Und die Frau Konstanze war hilflos ge- nug gewesen, ihm den geliebten Kanarienvogel ans Bett zu stellen, der aus dem Kranken- zimmer verbannt gewesen war ,, Weil aber der Mund seines Herrn nicht mehr pfiff, so schwieg auch das Tier", es war still um den Leichnam, der immer noch Mozart hieß und in einer kargen Mietwohnung der Rauhen- steingasse Nummer 8 auf seine Verabschie- dung wartete.
Sophie die Schwester, war nach Hause ge- gangen und Frau Konstanze lag nebenan auf dem Ruhebett, weinend in Schlaf gesunken. So saß Süßmayer allein bei dem Toten, der auch ihm keinen Blick mehr gab, der sein Gesicht, das unter der grauen Haut bis auf die Knochen abgezehrt war, starr zur Zimmer- decke gerichtet hielt, und der auf all die trau- rigen Fragen des Jünglings nur die bittere Antwort hatte, daß er den Rest seiner Le- benskraft ausgeben mußte, um mit Stunden- geben und Schuldenmachen sein Dasein zu fristen.
Wohl hieß ich Hofkapellmeister, aber mit dem Gehalt eines Lakaien, und daß mir die Nachricht der hundertsten Aufführung meiner ,, Zauberflöte" ans Krankenbett kam, war eine getrübte Freude. Den Wienern galt meine Oper als ein Werk Schikaneders, der den Text gemacht hatte, und der geschäftige Mann be- hielt die Einnahmen seines Theaters für sich selber. Für mich im Käf meiner Musik blie- ben nur die Brosamen übrig, wie sie der Ka- n. rienvogel an meinem Totenbett aus dem Blechnapf pickt!
Der getreue Süßmayer wußte besser als sonst einer, wer alles mit aus dem Blechnapf ge- pickt hatte. Er selber hatte Frau Konstanze aus Baden ans Krankenbett rufen müssen, wo sie ihren Vergnügungen zu leben gewohnt war, indessen die Kinder der siebenjährige Karl und der halbjährige Wolfgang nach Perchtoldsdorf in Pflege gegeben waren: Jetzt weint sie, weil die gefalteten Hände kein Geld mehr scharren können!
Als gegen 10 Uhr der reiche van Swieten kam, hängte Frau Konstanze ihre Hoffnung mit Schluchzen und Klagen an ihn, er würde ihr helfen, Mozart zu begraben. Aber der angeb- liche Gönner, der im pelzverbrämten Mantel an das Totenbett trat, sah den Gestorbenen beleidigt an, daß er sich ohne Rücksicht auf ihn davon gemacht hatte; denn er war in der herrischen Hoffnung gekommen, daß der Kranke wieder gesund genug wäre, bei ihm zu spie- len. Wer soll ihn mir am Klavier ersetzen?, klagte er, dem Mozart bei seinen sonntäglichen Hauskonzerten eine nie versagende Nummer gewesen war. Und er riet Frau Konstanze ein Armenbegräbnis an, weil es das billigste wäre, den Leichnam Mozarts unter die Erde zu bringen.
Wie der reiche van Swieten am Sonntag ge- raten hatte, so geschah es am Montag. Zur dritten Nachmittagsstunde schafften zwei Män- ner den Tannensarg Mozarts auf die Straße hinab; und der Süßmayer allein ging hinter- her, als sie ihn auf einer Bahre eilfertig da- vontrugen. Er allein hatte auch die Toten- wache gehalten, nachdem Frau Konstanze aus ihrem Elend zu Bekannten geflüchtet war.
Es schneite in den Regen, als Mozart die letzte von seinen vielen irdischen Wohnungen so kläglich verließ. Der Wind wehte den Schnee gegen den Sarg, daß die Bretter bald von der Nässe glänzten; nur in den Rillen setzte sich eine weiße Spur an, als ob das Wet- ter den kahlen Sarg schmücken wollte. Die dem traurigen Trupp begegneten, nahmen den Hut ab; aber es war der Tod, nicht der Mann, dem sie die Ehrfurcht bezeigten. Es fragte auch keiner, wen sie da trügen, weil es sicht- bar ein Armer war, der verscharrt werden sollte. In den Kaffeestuben saßen die Bürger, von ihrem Alltag zu schwatzen; in den Läden wurde gefeilscht und hinter verronnenen Fen- stern über das Wetter geklagt; die Handwer- ker regten die Hände ihrer Gewerbe, und die Bankherren rechneten an Zahlenreihen den Gewinn oder Verlust ihrer Geschäfte aus; die Soldaten in den Kasernen putzten an ihren Monturen, und die Leutnante spielten Karten, weil das Wetter ihnen nicht zu fla- nieren erlaubte; in der dunklen Hofburg stan- den die Lakaien herum, auf das Licht der Kerzen zu warten, und der, dem die Kerzen angesteckt werden sollten, der Kaiser Leo- pold, hatte böse Post aus Paris bekommen, wo seine Schwester Marie Antoinette im Schrecken der Revolution noch auf ihre Flucht hoffte. Von all den vielen tausend Herzen in Wien fühlte nicht eins das Ereignis, davon eine Trauer über die Stadt hätte ausgehen sollen, daß Mozart tot war, und daß zwei Männer seinen Leichnam auf einer Bahre zum Armenbegräbnis hinaustrugen.
Am Stephansdom freilich wartete eine ge- ringe Trauergesellschaft, um der Einsegnung beizuwohnen; aber ihrer nur sechs waren danach bereit, Mozart das letzte Geleit zu geben. Der zuvorderst, mit dem van Swieten hinter der Tragbahre her ging, im Pelzmantel wie er, war der italienische Opernkomponist Salieri, der seinen Nebenbuhler endlich los wurde. Die danach kamen, der Kapellmeister Roser und der Violoncellist Orsler, hatten zum täglichen Umgang Mozarts gehört, und der neben Süßmayer den Beschluß bildete.
war
der Hausknecht aus der ,, Silbernen Schlange", wo Mozart seinen Stammtisch ge- habt hatte.
Der Schnee aber, der sich immer dichter und nasser an Röcke und Hüte hing und im Brei der Straße die Schuhe durchweichte, schien mit im Bunde der bösen Mächte zu sein, die das ehemalige Wunderkind an den Höfen Europas zu diesem Ende geführt hatten. Er fegte den Männern um jede Straßenecke kälter in die roten Gesichter; und die Bahr- träger beschleunigten ihre Schritte, aus der Mühsal zu kommen, so daß sie erschöpft am Stubentor anlangten. Während sie da ihre Last eine Weile absetzten, die kalten Hände zu reiben, hätte es nicht des Schneebrettes bedurft, das ein Windstoẞ vom Dach auf sie herniederwarf, daß die sechs des Gefolges in eine Beratung eintraten.
Bis zum Friedhof hinaus ist es noch eine Viertelstunde, sagte der van Swieten, und Salieri nickte dazu. Hier ist das Weichbild der Stadt zu Ende und draußen sind keine Häuser mehr, den Wind abzuhalten; auch hemmen
wir nur die Träger, die ins Trockene kommen möchten!
Der reiche van Swieten war gewohnt, daß sein Wort galt; so verneigte er sich flüchtig gegen die anderen, beugte das Knie vor dem Sarg und ging mit dem Saliere in die Stadt zurück. Desgleichen taten nach einer Weile jämmerlich froren. Nur der Famulus mit dem die Musikanten. die in ihren dünnen Röcken ten noch, bis sie das Kreuz schlugen und als Hausknecht der Silbernen Schlange" zöger- die letzten den Rückweg antraten; als der Hausknecht sich seiner Tränen schämen wollte, sah er, daß auch der Süßmayer weinte.
Die beiden Träger, nun sie die letzte Rück- Bahre, sie durch das Schneewetter hinaus auf sicht los waren, ergriffen von neuem die den Friedhof zu tragen. Dort wurde der Sarg Leichenhaus angesammelt hatten. Unter den zu den anderen Särgen gestellt, die sich im Armen der Stadt blieb der Leichnam Mozarts seine letzte Nacht über der Erde, bis er an- derntags in ein Massengrab kam; derart, daß Frau Konstanze, als sie nach Tagen am Grab ihres Mannes beten wollte, nicht mehr erfah- niederknien durfte ren konnte, an welcher Stelle sie mit Recht Wilhelm Schäfer
Fuchs, du hast die Gans gestohlen..
Eine wahre Geschichte aus dem alten Diese traurige Geschichte ist dereinst im guten alten Stuttgart passiert. Meine Groß- mutter hat sie mir selbst erzählt. Die Gute war damals noch eine hübsche, junge Frau und hieß Pauline.
anderes Gesicht. Es war noch ,, königlich" und Zu dieser Zeit hatte Stuttgart noch ein ganz voller Seelenruhe und Behagen Die Frauen trugen die schmucken Federn von Straußen in Pelzen aus Kanada und Sibirien, die Wirt- auf den Hüten, die Männer gingen winters' schäftle schenkten Weine aus. Und, indem doch Stuttgart„ königlich" war, freuten sie sich auch„ königlich über jeden Dreck. Sie tun Dies ,, keniglich fraie" haben sie beibehalten, dies ja auch heute noch, was die echten sind. allerdings um einige Grade kühler und mit etlichen Hintergedanken.
Ich glaube nun gerade in diesem Winter „ des G'schichtle" weitersagen zu dürfen, ohne befürchten zu müssen, daß es Schule macht, denn erstens haben wir ja ganz andere Zeiten und siebtens die Gänse, sprich Weihnachts- gänse!
Wenn wirklich einer eine haben sollte, so wird er es gewiß nicht am Stammtisch er- zählen, sondern still in sein Speisekämmerlein gehen und sagen:„ Lieber Gott, ich danke dir!"
Der Heinrich Kölble aber hat es damals ganz offen im„ Rauh" erzählt, und nicht nur das. In allen Tönen hat er seine Weihnachts- gans besungen. Als Marzipanengel hat er sie hingezaubert vor die lüsternen Augen seiner Früh- und Abendschoppenbrüder, so daß es nicht wundernehmen darf, wenn es ein Un- glück gab.
Die Freunde hegten ohnehin schon lange einen geheimen Groll auf ihn, weil er sich gar so aufblähte und ständig derart von den Kochkünsten seiner Frau schwärmte, daß den armen Junggesellen der ,, Fraẞ" im Hotel Rauh schon gar nicht mehr schmeckte.
Und unter den Brüdern quoll der Neid und schwoll der Zorn, und es ward daraus eine Verschwörung. Dem Kölble, diesem ausge- machten Genießer, mußte einmal etwas ange- tan werden, etwas, das ihn so recht an seiner empfindlichsten Stelle treffen sollte, Fuchs, der Apotheker, sein bester Freund, war dazu ausersehen, das Attentat zu begehen. Gerade der Fuchs hatte das richtige Maß an Neid und Verstimmung beisammen und besaß auch die nötigen Orts- und Gepflogenheitskenntnisse, um den kühnen Plan zur Ausführung bringen zu können.
Als am Christtagmorgen der Kölble nach dem festlichen Frühschoppen sein übliches Appetitholspaziergängle" antrat, steckten die „ Hinterbliebenen" eifrig tuschelnd die Köpfe zusammen und ,, machten aus", wie die Schul- buben hinter dem Oberamt. Sie brauchten nicht zu eilen, denn dem Kölble sein ,, Gängle" war immer dasselbe: Die Königstraße hinun- ter, rechts ab, dreimal um den Anlagensee her- um, dann noch zum ruhig schlafenden Eber- hard und zurück. Damit waren dann die nö- tigen 75 Minuten um, die der Kölble brauchte, um seinen Appetit auf die richtige Höhe zu bringen. Und länger brauchten die Freunde auch nicht, um ihm etwas dagegen zu tun.
Es muß gesagt werden, daß dem Fuchs nicht so ganz wohl war in seiner Haut, denn als Hauptfunktionär mußte er etwas tun, was ihm eigentlich doch gegen sein Gefühl ging. Er war so häufig Gast beim Kölble, er hatte schon so viel liebenswürdige Betreuung von dessen Frau erfahren und er war zu allem hin noch verliebt in das Luisle, die Ueberperle in dem gastfreundlichen Hause, so daß es ihm schon schwer fiel, bei der Stange zu bleiben. Wenn er daran dachte, daß er, der sich seit Jahr und Tag mit ,, gebildeten Hausdamen" herum- schlug, fast schon eine Brautwerbung um das frohmütige, tüchtige Luisle auf der Zunge hatte, daß er diese nur noch von Weihnachten auf Neujahr verschoben, weil er eben noch achtmal darüber schlafen wollte, weil er das Geschwätz der ,, Leute" fürchtete, von wegen der unstandesgemäßen Partie, dann wurde ihm sollte, die Brautwerbung und das. was er ganz wirblig zumute. Wie das zusammenpassen heute im Schilde führte, das wußte er noch nicht. Aber daß er die Tat begehen mußte, wenn er vor den Freunden als Mann von Schneid bestehen wollte, das wußte er. Er wollte also nicht mehr an das denken, was ihm schon Gutes und Freundliches im Hause Kölble widerfahren, und auch nicht an das Luisle, das ihm doch nicht eben vérborgen hatte, daß es ihn gerne sah. Er schritt also zur Tat und der Doktor Eisele mußte mit als Spähtrupp und Ablenker. Dem Kölble seine Weihnachtsgans bruzzelte derweilen verhei- Bungsvoll im Röhrle. Luisle übergoß sie mit Sachkenntnis und Andacht. Keines konnte ahnen, daß der listige Fuchs auf dem Wege war, und als er mit dem Doktor Eisele an der Haustüre stand, da freute sich das Luisle, wie immer, wenn sie ihn sah. Als die beiden, ein frohes Fest wünschend, bei Frau Pauline eintraten, ging das Luisle eifrig wieder zu seinem Gänsle in die Küche.
armen
Edlen über den Schmaus und gedachten auf ihre Weise das Fest zu feiern.
-
Doch, wer andern eine Grube gräbt, wer dem vertrauenden Freunde eine Gans stiehlt der sollte selbst heiliger Strohsack, wie schmeckte denn die Gans? Es sanken Messer und Gabeln, es liefen es merken und jeder hatte es gemerkt: fragende Blicke um den Tisch, keiner wollte
Aber es dauerte immerhin eine Weile, bis man endlich darauf kam, nach ,, was" die Gang eigentlich schmeckte:„ Nach Seife. ganz ge- wöhnlich nach Seife."
,, Fuchs, du dreimal geimpftes Rindvieh, was hast du uns denn da gebracht?" Das Biermädel tüte" auf dem Kleiderständer entdeckt und Fanni löste die Frage. Sie hatte die ,, Mehl- darauf stand:
Reinigungskraft ,, Hofmanns feinstes Seifenpulver größte stark schäumend
mild
10 Kilo" das Hagelwetter, das den Apotheker nunmehr Stark schäumend, aber keineswegs mild war traf, und von großer Reinigungskraft war die Rechnung, die ihm für Schnitzel und Kotelet- ten alsdann aufgebremst wurde. Denn, daß man die Schlegele und Pfaffenschnitzle unter der Wasserleitung abspülte, half gar nichts mehr. Die Gans, schon zum Vorhinein belei- digt durch den unwürdigen und jäh abkühlen- den Aufenthalt unter der Kellertreppe, war und blieb ungenießbar. Zäh und durchaus un- erfreulich, denn im tiefsten Innern war sie noch gar nicht fertig gebraten, wurde sie ab- serviert, und nur Bello, der Allesfresser, hatte noch seine Freude daran.
Stuttgart um 1880, erzählt von H. Kisel ,, Ach, Frau Kölble, bei Ihnen duftet es ja herrlich", schmunzelte der Doktor, der dies- mal nicht wegen Halsweh oder sonst was hier war. ,, Ja, unsere Weihnachtsgans, mein Hein- rich würde sterben, wenn er zum Christkindle chelnd Frau Pauline.„ Ach, da müssen wir etwas anderes essen müßte", erwiderte' ä- aber den Wein dazu stiften" rief der Apothe- ker, erlauben Sie, daß ich das Luisle ins thaler, ein Weinle, das müssen Sie versuchen." „ Rauh" schicke, der Rauhwirt hat einen Affen- „ Aber nur, wenn ich die Herrn zu Tisch ein- laden darf", entgegnete Frau Pauline. ,, Ein anderes Mal gerne, Frau Kölble", erwiderten Stammtisch auch eine Gans, wir haben sie die zwei Spitzbuben, aber heute hat unser beim Rauhwirt bestellt, damit wir Junggesellen auch wissen, daß Weihnachten ist. Es war selbst dem abgebrühten Fuchs nicht ganz leicht, in die hellen Augen von Frau Pauline zu sehen bei dieser Schwindelei. tisch ein, und der Meisteingeseifte war Aber es gab kein Zurück mehr, nun man schon so nahe bei Kölbles, das heißt bei Luisles Ganskachel war. Man mußte nun hinaus in die Küche und das Luisle um den Wein fortschik- ken. Der Doktor mochte Frau Pauline inzwi- schen mit Dorfklatsch unterhalten Mutig wie ein Mann ging der Apotheker also in Luisles Machtbereich, und listig wie ein Fuchs lockte er das ahnungslose Mädle fort von der Ka- chei, hinaus aus der Küche. Beim Apotheker konnte das Luisle nicht nein sagen, es sprang mit dem Henkelkorb davon, und wie der Blitz fuhr der Fuchs mit seinen langen Armen in den Holzbiegel. Er angelte sich ein Papier, ah, eine wundervolle, große Mehltüte, da paẞte die Gans gerade hinein und war blitzschnell darin verschwunden. Bis das flinke Luisle zurückkam, war der Raub schon unter der Kellertreppe versteckt, um nach schicklicher Zeit dort abgeholt und fortgeschleppt zu wer- den.
zählt, aber oft und gern sein Freund Kölble So war das mit der Gans. Wie es dann mit dem Luisle war, hat der Apotheker nie er- Die Freundschaft mit letzterem hatte um den worden, aber das Luisle, das in seiner Ehre Spaß kein Loch bekommen, auch Frau Pauline war mit einem Kistle Tokaier Wein versöhnt schwer gekränkte Luisle...
der Pechsträhne kaim er schon gar nicht mehr Dem Apotheker ließ es keine Ruhe und aus verdreht wurde. Alles war ihm daneben ge- heraus, so daß der Pillendreher zuletzt ganz muß noch einen weiteren dazu haben. glückt, und wer den Schaden hat, nun, der
Den Kölble wollte er einseifen. und seifte dafür die Gans und den ehrenwerten Stamm-
Die Abschiedszeremonien verliefen glücklich, Das Ablenkungs- und Hinhaltemanöver gelang dem pfiffigen Apotheker bei dem nicht ganz unverliebten Luisle sehr wohl, und bis es end- lich wieder an seine Gans dachte, war das edle Freundespaar schon über die Marienstraße geflüchtet. Hätte der Apotheker sehen kön- nen, ein wie sehr heulendes, total geknicktes Mädchen er dahinten gelassen, ihm wäre viel- leicht doch die Reue aufgestiegen. So kam diese erst viel später und sogar zu spät.
Als die Räuber ins Rauh kamen, fiel der ehrenwerte Stammtisch sogleich über die lek- kere Beute her. Mit Aermelaufstülpen und wildem Messerschwingen gingen sie ans Werk. Die Mehltüte wurde wie eine Triumphfahne auf den Kleiderständer gestülpt und, mathe- matisches Wunder, aus der Gans sechs Viertele gemacht. Und der Kölble? Nun, der würde eben sterben, weil er zum Christkindle heute bestimmt ,, etwas anderes" essen mußte. Mit der echtesten aller Freuden machten sich die
Der Krieg
selber.
er
Je öfter ihm der föppische Kölble erzählte, wie schwer beleidigt das Luisle sei, um so heftiger entflammten seine Gefühle, um so mehr stieg das Verlangen, das Mädle wieder auszusöhnen mit nun eben mit einem Ver- lobungskuẞ. Alle Bedenken und alle„ Leut" versanken in nichts, nur das Luisle lebte noch in seinen wirbelnden Gedanken.
-
So schritt er also zur Tat. Schon an der Glastür sah er das Gewitter aufsteigen, doch drang er unerschrocken in die Gefechtszone, Nähe Küche, wo ihm aber so höllisch heiß wurde, daß ihm beinahe die Luft ausging. Erst in einer, geschickt erspähten, Atempause fand er die Möglichkeit, das bedrohliche Luisle um seine zarte Hand zu bitten. In seiner ganzen Apotheke glaubte er kein besseres Mittel zu finden, den Sturm ob seinem Haupte zu sänf- tigen, als eben die restlose Hingabe seiner zer- knirschten Männlichkeit an dieses funken- sprühende Mädchen. Doch die Wirkung seiner Wiedergutmachungsbestrebungen war durch-
aus contrair.
Was wellet se, mi no foppe?" fauchte das Luisle.
,, Noi, Mädle,' s isch mei heiliger Ernscht sich meiner Apothekere will i di mache", wimmerte der Fuchs.
Aber dem Luisle sein Gesicht hellte sich nicht auf.
,, Des tät Ihne so passa, ond no moine, jetzt isch älles vergessa, so a Fetz, so a liedricher, stiehlt ema ehrliche Mädle d'Gaus uß dr Ka- chel am helle Dag, ond no moint er, er derf's vom Platz weg heirota. Noi, so en Kerle tät i net nemma, ond wenn er der Abodeger von der Hofabodeg wär' ond net bloß der aus dr Paulinestroẞ."
Sprachs und verlobte sich andern tags mit Florian Ellenbog, dem jungen Schuhmacher- meister von vis- à- vis.
/ Ein Schulaufsatz vom Jahre 1906
Der Krieg( bellum) ist jener Zustand, in welchem zwei oder mehrere Völker es gegen- einander probieren. Man kennt ihn schon seit den ältesten Zeiten, und weil er so oft in der Bibel vorkommt, heißt man ihn heilig.
Im alten Rom wurde der Tempel geschlos- leicht nichts davon wissen wollte. sen, wenn es anging, weil der Gott Janus viel-
durch das Christentum abgeschafft, welches Das ist aber ein lächerlicher Aberglaube und die Kirchen deswegen nicht schließt.
Es gibt Religionskriege, Eroberungskriege. Existenzkriege, Nationalkriege und so weiter Wenn ein Volk verliert, und es geht dann von vorne an, heißt man es einen Rachekrieg. Am häufigsten waren früher die Religions- kriege, weil damals die Menschen wollten, daß alle Leute Gott gleich liebhaben sollten, und sich deswegen totschlugen. In der jetzigen Zeit gibt es mehr Handelskriege, weil die Welt jetzt nicht mehr so ideal ist.
Wenn es im Altertum einen Krieg gab, zer- kriegten sich auch die Götter. Die einen hal- fen den einen, und die anderen halfen den an- dern. Man sieht das schon im Homer.
Die Götter setzten sich auf die Hügel und schauten zu. Wenn sie dann zornig wurden, hauten sie sich auf die Köpfe.
Das heißt, die Alten glaubten das. Man muß darüber lachen, weil es so kindlich ist, daß es verschiedene Gottheiten gibt, welche sich zer- kriegen.
Heute glauben die Menschen nur an einen Gott, und wenn es angeht, beten sie, daß er ihnen hilft.
Auf beiden Seiten sagen die Priester, daß ist, weil es doch zwei sind. er zu ihnen steht, welches aber nicht möglich
sagt dann, daß er bloß geprüft worden ist. Man sieht es erst hinterdrein. Wer verliert, Wenn der Krieg angegangen ist, spielt die Musik. Die Menschen singen dann auf der Straße und weinen.
Man heißt dies die Nationalhymne.
Fenster heraus, wodurch die Begeisterung noch größer wird. Dann geht es los. Es beginnt der eigentliche Teil des Krieges, welchen man Schlacht heißt.
Sie fängt mit einem Gebet an, dann wird geschossen, und es werden die Leute umge- bracht. Wenn es vorbei ist, reitet der König herum und schaut, wie viele tot sind.
sein muß. Aber die, welche gesund bleiben, Alle sagen, daß es traurig ist, daß so etwas trösten sich, weil es doch der schönste Tod ist. Nach der Schlacht werden wieder fromme Lieder gesungen, was schon öfter gemalt wor- den ist. Die Gefallenen werden in Massen- gräber gelegt, wo sie ruhen, bis die Profes- soren sie ausgraben lassen.
Dann kommen ihre Uniformen in ein Mu- seum; meistens sind aber nur mehr die Knöpfe übrig. Die Gegend, wo die Menschen umge- bracht worden sind, heißt man das Feld der
Ehre.
Wenn es genug ist, ziehen die Sieger heim; überall ist eine große Freude, daß der Krieg vorbei ist, und alle Menschen gehen in die Kirche, um Gott dafür zu danken.
Wenn einer denkt, daß es noch gescheiter gewesen wäre, wenn man gar nicht angefan gen hätte, so ist er ein Sozialdemokrat und wird eingesperrt.
Dann kommt der Friede, in welchem der Mensch verkümmert, wie Schiller sagt. Be- sonders verkümmern die Invaliden, weil sie kein Geld kriegen und nichts verdienen kön-
nen.
Manche erhalten eine Drehorgel, mit der sie patriotische Lieder spielen, welche die Jugend begeistern, daß sie auch einmal recht fest zu- hauen, wenn es losgeht.
runde Medaillen, welche klirren, wenn die In- Alle, welche im Krieg waren, bekommen haber damit spazieren gehen. Viele kriegen auch den Rheumatismus und werden dann Pe- delle am Gymnasium, wie der unsrige. So hat auch der Krieg sein Gutes und be- Ludwig Thom
Bei jedem Volk schaut dann der König zum fruchtet alles.