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und zur Vernunft aufzufordern. Die beweis- kräftigsten Argumente in der menschlichen Geschichte waren bisher immer noch die hand- festen. Die Erfahrungen lassen beinahe ver- muten, daß es bei der Enthumanisierung der

Welt bleiben wird.

Da uns Deutschen nur übrigbleibt, abzuwar- ten, was da wird oder werden könnte, sollte die ,, Unfrohe Botschaft" kurz vor dem Weih- nachtsfest nicht die Hoffnung auslöschen, daß die Konferenz der letzten Chance" das Los aller voreiligen Superlative erleidet. Es blei- ben immer noch Möglichkeiten genug, dem Chaos einen neuen, ordnenden Impuls zu geben.

,, Der kalte Krieg"

Dr. Ò. E. Wenn man nicht jeden Tag ganz gründlich Zeitung liest oder gar einige Wochen nur in den blauen Himmel guckt und von der Weltgeschichte keine Kenntnis nimmt, kann es einem passieren, daß man auf einmal in der Zeitung Ausdrücke findet, die man nicht kennt. deren Verständnis aber vorausgesetzt wird. So erging es uns Deutschen 1933, als wir mit der Innenpolitik voll beschäftigt wa- ren, mit dem Ausdruck ,, New Deal", dem Ver- such einer neuen Wirtschaftsordnung in den USA unter dem neugewählten Präsidenten Roosevelt, später war es ähnlich mit der ,, Achse Berlin- Rom", die uns eines Tages ohne größere Vorbereitung präsentiert wurde.

Heute finden wir auf einmal den Ausdruck ,, Kalter Krieg" Zunächst kann man sich dar- unter nichts vorstellen. Wenn man dem Ur- sprung dieser Terminologie nachgeht, so findet man, daß amerikanische Journalisten diesen Ausdruck geprägt haben, um damit den Zu- stand zu kennzeichnen, der zurzeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion herrscht. Beide Staaten leben im Frieden, sind sogar Verbündete in dem immer noch nicht durch einen Friedensvertrag beendeten Welt- krieg II, aber sie haben Differenzen, die an vielen Stellen scharf aufeinanderprallen. Beide Mächte tasten hier Machtpositionen gegenein-

ander ab

In Deutschland ist der Alliierte Kontrollrat in Berlin der Schauplatz, an der Adria stehen sich 10 000 Mann englischer und amerikani- scher Truppen und die Armee des jugoslawi- schen Diktators Tito in der Freien Stadt Triest gegenüber in einer Kriegsbereitschaft, bei der nur das Feuer fehlt, um den kalten in eine heißen Krieg zu verwandeln. Auch der Kampf, den in Griechenland die von den USA ausge- rüsteten Truppen der Regierung gegen die Aufständischen an der Nordgrenze Griechen- lands führen, ist im Verhältnis der beiden Großmächte USA und Sowjetunion ein kalter Krieg, denn geschossen wird nur zwischen den beiderseitigen Anhängern.

Die Türkei und Persien nehmen mit der Rückendeckung der USA einen sehr festen Standpunkt gegen Rußland ein, aber diplo- matisch, wirtschaftlich und vor allem propa- gandistisch ist auch dort der kalte Krieg im Gange. Wenig wissen wir von China und der Mandschurei und von Korea, sicher ist aber, daß beide Großmächte auch dort mit wech- selndem Erfolg um Positionen ringen, die ih- nen die Vormachtstellung in diesen Gebieten einbringen sollen.

Nicht zu vergessen ist vor allem der Wort- wechsel, dessen Zeuge die Welt wurde, als der

russische stellvertretende Außenminister Wy-

schinski vor der UN in einer Tonart, die un- ter Diplomaten zumindest ungewöhnlich ist, zeitig erschienen in der russischen Presse

die USA der Kriegshetze beschuldigte; gleich-

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Aufsätze, in denen so freundliche Sätze stan- den wie der: den Hemdenmacher von Jack- womit Präsident Truman gemeint ist gelüste es nach dem Lorbeer, den auch der Korporal von München erstrebt habe.

Ob es glücklich ist, einen Ausdruck wie Der kalte Krieg" zu verwenden in einer Welt, die sich nach wahrem Frieden sehnt und in der gleichzeitig so viel Zündstoff zu Konflikten an- gesammelt ist, mag dahingestellt bleiben. Wir haben nur festzustellen, daß dieser Ausdruck verwendet wird und daß alle Beteiligten hof- fen, daß der Krieg ein kalter bleiben möge.

Robert Bosch

Von Theodor Heuß

Kein Wunder, daß das unbegrenzte Neuland die unverbrauchten Begabungen an sich zog, gleichviel, von was für einer Schule ihr regu- läres Abgangszeugnis ausgestellt war, wenn sie überhaupt eine besaßen; der beweglichste und erfolgreichste unter diesen Männern, Edi son, besaß ganz gewiß keines. Es ist wichtig genug, den kräftigen und wirksamen Einschlag der nicht schulmäßig und quasi gelehrt vor- bereiteten Männer in der Frühzeit der Ent- wicklung zu sehen: S. Schuckert und S. Berg- mann gehören zu ihnen, die als Buben aus der Volks- oder Bürgerschule mit vierzehn Jahren in die Lehre geschickt wurden, aber auch Philipp Reis steht in dieser Linie. Das gilt auch noch für die Zeit, da jetzt die Elek- trotechnik, aus den Bedürfnissen der Praxis heraus, zum anerkannten Hochschulfach vor- rückte.

W. Dietrich stand hier unter den Pionieren. Er hat selber keine wissenschaftlichen oder konstruktiven Sonderleistungen hinterlassen, die seinen Namen dauernd geprägt hätten; der Elfer seines außerberuflichen Wirkens gehörte der Kommunalpolitik; durch viele Jahre spielte er, ein liberaler Gemeinderat, anregend und begutachtend, in dem Stuttgarter Rathaus eine nicht unerhebliche Rolle. Vor allem war er ein besorgter und ausgezeichneter Lehrer, der, wenn auch von der theoretischen Physik kom- mend, und diese Herkunft nicht verleugnend, Im Vereinfachen und Klären von Begriff und Erscheinung den Adepten eine solide Hand- reichung gab.

Der außerordentliche Studierende" Bosch mußte, um für die erwählten Spezialfächer zu- gelassen zu werden, Vorkenntnisse nachweisen, ,, ohne welche sie( die Hörer) die einzelnen betreffenden Unterrichtsfächer nicht mit Nut- zen besuchen können". Die Ansprüche waren bescheiden. Der Professor von Zech, bei dem

Fortsetzung von Sette 1

SCHWABISCHES TAG BLATT

Konferenz ,, der letzten Chance" gescheitert

Besitzes begnügen werde, also nicht auf allen Rechten bestehe, die ihr in Potsdam zuerkannt worden seien. Hierauf antwortete Bevin, die Delegationen der Westmächte hätten vorge- schlagen, der Sowjetunion ein Drittel zu gewäh- ren. Marshall, Bidault und Molotow stimmten der Weiterleitung des Oesterreichkomplexes an die Stellvertreter zu.

Die Konferenz der Sonderbeauftragten der Außenminister für die österreichische Frage hat sich am vergangenen Mittwoch auf 1. Fe- bruar 1948 vertagt.

Außenminister Bidault erklärte auf einer Pressekonferenz, das vorzeitige Ende der Kon- ferenz sei peinlich, aber unvermeidlich gewe- sen. Auf die Frage, ob jetzt die Fusion der drei Westzonen Deutschlands zwangsläufig ge- worden sei, antwortete Bidault, eine solche Lösung erscheine nun zwar nicht mehr un- möglich, eine imperative Verpflichtung zur Fusion bestehe indes nicht. Er glaube nicht an ,, obligatorische oder imperative" Lösungen. Er habe den Eindruck, daß der Wunsch be- stehe, die deutsche Frage offen zu lassen, da- mit alle Möglichkeiten ausgenützt werden könnten, um zu einer allgemeinen Lösung zu gelangen.

Das ,, Foreign Office" veröffentlichte eine Er- klärung Bevins, der sich nachdrücklich gegen

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die Zahlen wandte, die die sowjetische Dele- gation über den Gesamtbetrag der bisherigen deutschen Reparationen( 33 Millionen Dollar) bekanntgab. Er fügte hinzu: Wir können von den Deutschen nicht erhalten, was sie nicht haben".

Zu 33 Millionen an Goldwert, 70 Millionen für Schiffe und 400 Millionen bereits für auf- gebrachte Industrieausrüstungen kämen noch mehr als 500 Millionen Dollar an Auslands- guthaben.

Wenn Molotow sich auch geweigert habe, über die Ostzone Auskünfte zu erteilen, so sei doch bekannt, daß die Russen bereits Repa- rationen in enormer Höhe entnommen hätten

ungefähr 70 Prozent der Industrieproduk- tion der Sowjetzone seien im Widerspruch zu den Bestimmungen des Potsdamer Abkom- mens als Reparationsleistung nach Rußland ausgeführt oder von den russischen Streit- kräften in Deutschland verbraucht worden.

,, Es ist mir zur Kenntnis gelangt, daß der Wert der von den Russen bis jetzt in An- spruch genommenen Reparationsleistungen eine Summe erreicht, die 7 Milliarden Dollar erheblich überschreitet. Wir können aber, solange man uns keinen Einblick in die Geschehnisse gibt, diese Frage nicht ernsthaft diskutieren."

Initiativgesetzentwurf der KPD zur Bodenreform

BEBENHAUSEN. Die kommunistische Frak- tion des Landtags von Württemberg- Hohen- zollern hat bei der letzten Landtagssitzung einen Initiativgesetzentwurf zur Durchführung einer demokratischen Bodenreform in Würt- temberg- Hohenzollern eingereicht. Mit der Vorlage des von der Regierung auszuarbeiten- den Gesetzes ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

In der Präambel zu dem Gesetzentwurf der KPD wird darauf hingewiesen, daß ,, die Siche- rung des Friedens und der demokratischen Zukunft sowie die Verbesserung der Ernäh- rungslage gebieterisch die Neuordnung der Besitzverhältnisse an Grund und Boden durch Enteignung der Großgrundbesitzer sowie des feudalen und junkerlichen Grundbesitzes und die Aufteilung ihres Grund und Bodens an landlose und landarme Bauern und Kriegs- vertriebene" notwendig mache.

Im Artikel 1 wird gefordert, daß der land- und forstwirtschaftliche Großgrundbesitz über 100 ha, der gesamte Grundbesitz der Kriegs- verbrecher und Kriegsschuldigen, der NS- Führer und aktiven Verfechter der NSDAP und ihrer Gliederungen sowie führender Per- sonen des Hitlerstaates, schließlich schlecht bewirtschaftete Güter unter 100 ha mit allem lebenden und toten Inventar entschädigungs- los enteignet und einem Bodenfond zugeschla-

gen werden.

militärische Anlagen in die Bodenreform ein- bezogen werden. Im Artikel 4 wird u. a. fest- gelegt, daß Großbauern, die über 100 ha be- sitzen, ausgenommen werden können, um un- billigen Härten in Einzelfällen vorzubeugen, wenn sie auf ihren Höfen mit ihren Familien ständig selbst mitgearbeitet haben.

Nicht berührt wird nach dem vorliegenden Entwurf der Grundbesitz der Religionsgemein- schaften, der Gemeinden, der landwirtschaft- lichen Verbrauchergenossenschaften, des Staa- tes sowie der Schulen, Lehr- und Versuchs- anstalten.

Aus dem Bodenfonds sollen pro Familie bis zu 10 ha Land als unveräußerliches erbliches Eigentum an Landarbeiter, bäuerliche Neu- bürger, landlose Bauern, Besitzer von Klein- betrieben und seitherige Pächter übergeben werden.

Nach Artikel 6 hat das Ministerium für Er- nährung und Landwirtschaft eine Boden- reformkommission, bestehend aus je fünf Ver- tretern der zugelassenen Parteien sowie aus zwei Vertretern der Gewerkschaften unter dem Vorsitz eines von der Landesregierung einzu- setzenden Staatskommissars für Bodenreform zu bilden. In den Gemeinden seien Gemeinde- kommissionen und von diesen wiederum Kreis- bodenkommissionen zu wählen.

Artikel 8 schließlich fordert die Durchfüh- rung der Bodenreform bis zur Frühjahrsaus- Nach Artikel 2 sollen Fideikommisse und saat 1948, spätestens bis zum 1. April 1948.

Deutschland hat an Interesse verloren"

BERLIN. Der evangelische Bischof von Ber- lin und Brandenburg, Dr. Otto Dibelius, berichtete nach seiner Rückkehr aus den USA in einer Pressekonferenz, Rußland und der Kommunismus seien die Probleme, die die tigten: Deutschland dagegen hat an Interesse Oeffentlichkeit der USA am meisten beschäf-

verloren."

In kirchlichen Kreisen Amerikas sei die Frage der Kriegsschuld Deutschlands nie ge- stellt worden. Deshalb würden auch keine Schuldbekenntnisse erwartet. Dagegen sei in nichtkirchlichen Kreisen noch erbitterte Geg- nerschaft gegen alles Deutsche lebendig. Man interessiere sich nicht so sehr für Einzelfra- gen wie z. B. Grenzziehung im deutschen Osten sondern mehr für allgemeine Fragen, etwa wie oder die mögliche Aufspaltung Deutschlands, Europa zu helfen sei.

Dibelius vertrat die Ansicht, daß der Mar- shall- Plan nicht nur ein politisches Geschäft, sondern in erster Linie Ausdruck des mensch- lichen Verantwortungsgefühls der USA sel: Kein Amerikaner würde Millionen von Dol-

Bosch Experimentalphysik belegte, setzte nur die ,, elementare Mathematik" voraus. Dietrich, mit drei Stunden Vorlesungen und für die ,, Elektriker" zwei Halbtagsübungen in der Woche, ging ganz auf die Praxis aus. In jenem Winter behandelte er Stromerzeuger, elektri- sche Beleuchtung, Kraftübertragung, Elektro- lyse und Grundzüge des elektrischen Messungs- wesens; in einigen dieser Sparten hatte Bosch schon gearbeitet. Die Uebungen hatten vor allem Meßstärken und Meßmethoden zum Ge- genstand. Eine Spezialvorlesung des Mannes, die noch gehört wurde, behandelte Telegrafie und Eisenbahnsignalwesen; auch schrieb sich Bosch für englische Sprache ein.

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Die wenigen Kameraden nun, die aus jener Zeit noch leben, erzählen, daß Bosch ein sehr gewissenhafter und fleißiger Student gewesen ist. Er wußte, daß diese Art von Lehrzeit be- grenzt sei und daß es sie zu nutzen gelte. Des- halb seine Ernsthaftigkeit, das Neugelernte zu verarbeiten. Hier erwarb er sich zu dem ein- geborenen technischen Gefühl", das er sich selber zusprach, jene Sicherheit im Elemen- taren, die fester Besitz wurde und blieb. Den geselligen Anschluß fand er bei der Vereini- gung Hütte", von der aus einige freund- schaftliche Beziehungen auch in den künftigen Lebenslauf dauerten. Doch war seine Natur nicht eigentlich auf studentische Kameradie mit Dauercharakter angelegt. Wichtig wurde die Begegnung mit dem gleichaltrigen Richard Stribeck; er erspürt den wissenschaftlichen Sonderwillen, der ihm selber im Grunde fehlte, den er zu achten lernte. Stribecks Laufbahn führte über Professoren in Darmstadt und Dresden an die Neubabelsberger Zentralstelle für wissenschaftliche Untersuchungen und in das Kruppsche Direktorium; er wurde zu einer Autorität in der Maschinen- Baustoff- Forschung. 1918 kehrte er in die Heimat zurück; die Ju- gendfreundschaft erneuerte sich als fruchtbare Arbeitsgemeinschaft des Alters.

Das Berufliche stand für den Lernenden durchaus im Vordergrund. Aber an der Stutt- garter Technischen Hochschule wirkten damals

lar in einem Geschäft investieren, bei dem die Gewinnaussichten so gering sind wie beim Marshall- Plan."

19. Dezember 1947.

Kleine Weltchronik

Deutschland

SAARBRÜCKEN. Der Landesvorsitzende der christ- des Saargebiets, Johannes Hoffmann, wurde in der lichen Volkspartei und bisherige Landtagspräsident Sitzung des saarländischen Landtags am vergange-

nen Montag zum Ministerpräsidenten gewählt. MÜNCHEN. Der bayerische Ministerpräsident, Dr. Ehard, genehmigte am vergangenen Montag den Rücktritt des bayerischen Landwirtschaftsministers Dr. Baumgartner. Dr. Ehard hat sich für den Ge- neralsekretär des bayerischen Bauernverbandes, Dr. Schlögl, als Nachfolger von Dr. Baumgartner ent- schieden.

Ausland

DEN HAAG. In holländischen Regierungskreisen werden augenblicklich Maßnahmen zur Unterbin- dung kommunistischer Betätigung, Hetze und Pro- pangda, soweit sie eine Gefahr für den Staat dar- stellen, erwogen.

BELGRAD. Eine jugoslawische Regierungsabord- nung mit Ministerpräsident Marschall Tito ist am vergangenen Mittwoch zu einem Staatsbesuch in Bukarest eingetroffen.

SOFIA. Am vergangenen Montag haben die sow- jetischen Truppen entsprechend den Bestimmungen des Friedensvertrages Bulgarien geräumt.

MOSKAU. Am vergangenen Samstagabend haben die letzten Mitglieder der französischen Repatri- terungskommission die russische Hauptstadt ver- lassen, um nach Frankreich zurückzukehren.

KAIRO. Die Chefs der arabischen Regierung ha- ben bei ihren Besprechungen in Kairo beschlos- sen, die Teilung Palästinas mit allen Mitteln zu verhindern.

LAKE SUCCESS. Die Abrüstungskommission der UN kam auch in ihrer letzten Sitzung in diesem Jahr zu keiner Einigung über die Grundsätze der allgemeinen Abrüstung auf dem Gebiet der soge- nannten klassischen Waffen( alle Waffen außer den Atomwaffen).

CARACAS. Romulo Gallegos wurde am vergan- genen Sonntag mit mehr als einer Million Stimmen zum Präsidenten von Venezuela gewählt. Der Ge- genkandidat erhielt 500 000 Stimmen.

in der Mandschurel ihre Winteroffensive begonnen. NANKING. Die chinesischen Kommunisten haben Von den wichtigsten Abschnitten dieser Front wer- den kommunistische Angriffe gemeldet.

VVN für deutsche Einheit

religiös Verfolgten legen auf der Interzonen- 0. Sch. Die ehemals politisch, rassisch und tagung am vergangenen Wochenende in Ham- burg ein Bekenntnis zur Unteilbarkeit Deutsch- lands und für einen gerechten Frieden ab.

fest wurde die Bereitschaft von über 250 000 In einem einstimmig angenommenen Mani- ehemaligen Verfolgten des NS- Regimes, für die politische und wirtschaftliche Einheit des deutschen Volkes einzutreten, proklamiert. Das Manifest fordert die deutschen Parteien auf, über alle trennenden weltanschaulichen Dif- ferenzen hinweg die gemeinsamen Ziele nicht

zu vergessen.

und darüber hinaus alle Deutschen, nicht eng- ,, Die VVN ermahnt alle politischen Parteien herzige Standpunkte zu vertreten, nicht egoi- stisch nach taktischen Vorteilen zu trachten,

sondern im Interesse Deutschlands und der Völkerverständigung alle Bedenken dem gro- Ben Ziele unterzuordnen: Der Wiederherstel- lung gesunder Entwicklungsmöglichkeiten in einem ungeteilten Deutschland."

Weihnachtsamnestie

BADEN- BADEN. Anläßlich der Weihnachts- feiertage hat der französische Oberbefehls- haber in Deutschland eine allgemeine Begna- digung für diejenigen der von den Gerichten der Militärregierung verurteilten Personen er- lassen, deren Strafe zwischen dem 15. Sep- tember 1947 und dem 31. Januar 1948 ab- läuft.

,, Unzulässiger Gewissenszwang" KASSEL. Der hessische Verwaltungsgerichts- anwalts gegen den hessischen Minister für po- hof hat die Anfechtungsklage eines Rechts- litische Befreiung wegen einer auf Grund eines Gesetzes vom 18. April 1947 ausgesprochenen Verpflichtung zur Mitarbeit bei der Durch- führung des Befreiungsgesetzes zugunsten des Klägers entschieden. Der Kläger hatte geltend gemacht, daß auf ihn durch die vom Befrei- ungsministerium ausgesprochene Verpflichtung ein unzulässiger Gewissenszwang ausgeübt werde und daß er keine Sache mit Ueberzeu- haftierten wurden am 15. Dezember 1947 80- gung vertreten könne, von deren Richtigkeit fort auf freien Fuß gesetzt. er nicht selbst überzeugt sei.

Die von dieser Maßnahme begünstigten In-

Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr. Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer

Gleichzeitig hatte er den Nachweis erbracht, daß er sich während der NS- Zeit gegen die Sondergerichtsbarkeit und für gleichen Rechts- schutz für alle Personen eingesetzt hätte. Die Spruchkammern seien ebenfalls Sonderge- Monatlicher Bezugspreis einschl. Trägerlohn 1.50 RM., durch richte.

in der allgemeinen Abteilung" einige Män- ner, eindrucksstark genug, um auf junge Men- schen mit Lebensneugier und aufgeschlossener Art zu wirken. Da las noch der alte Friedrich Theodor Vischer über Geschichte der deut- schen Dichtung, und es gehörte dazu, auch wenn man sich nicht den Musen verschrieben hatte, seiner plastischen und temperamentvol- len Beredsamkeit sich zu unterwerfen. Für Bosch blieb die Begegnung mit diesem Lehrer nur Angelegenheit des Randes, hin und wieder beruft er sich auf ihn. In die Mitte seines We- sens aber trifft ihn die Lehrtätigkeit von Gu- stav Jaeger; sie wird weithin bestimmend für die persönliche Lebensführung und legt den Grund für die ausgreifende und großartige Teilnahme, die Bosch in späten Jahren den Fragen der Heilkunde und des öffentlichen Gesundheitswesens zuwendet

Gustav Jaeger verwaltet drei Professuren, an der Hohenheimer Landwirtschaftsakademie, Hochschule an der Tierärztlichen und an der Technischen 1884 machte er sich von den akademischen Verpflichtungen frei, um ganz den lebensreformerischen und medizinpoliti- schen Arbeiten sich zu widmen, in denen er, streitbar und umstritten, seit ein paar Jahren steckte. Er gehörte zu den merkwürdigen und bedeutenden, sehr schwäbischen Erscheinun- gen, von denen die Legende stärker die skur- rilen Züge bewahrt, als daß sie bereit ist, das Anregung von ihm ausging und zum Teil zu sehen und anzuerkennen, was an wichtiger schließlich banale Selbstverständlichkeit wurde. Der Mediziner war Zoologe geworden, hatte in Wien Aquarium und Tiergarten eingerichtet, Darwins ,, Entstehung der Arten"( 1859) ließ ihn zu einem der entschiedensten publizisti- schen Verfechter der Entwicklungslehre wer- den. Seine originale Leistung begann, als er, von der Beobachtung des Tieres ausgehend, die Frage der menschlichen Bekleidung unter- suchte. Was Pettenkofer für die Hygiene des Wohnens eingeleitet hatte, unternahm er für die menschliche Bekleidung. Das Ergebnis ist bekannt: er verwarf radikal die Textilien

die Post 1.74 RM., Einzelverkaufspreis 20 Pfg. Erscheinungstage Dienstag und Freitag

aus pflanzlichen Grundstoffen, um das ,, Woll- regime" zu predigen: Training der Haut, starke Durchlaßfähigkeit der Ausdünstung usw. Das Ziel war die Abhärtung, die Jaeger, im Zusammenhang mit Studien über die menschliche Arbeitskraft und das ,, Spezifische Gewicht" des Menschen, zu einem Sonder- begriff entwickelte. Selbstverständlich kam er mit seiner These bald in Konflikte mit star- ken ökonomischen Industrieinteressen, aber das störte ihn nicht. Die Weiterbildung seiner Lehre galt der Untersuchung der Duftstoffe. Auch hier waren Beobachtungen aus dem Tier- leben der Ausgang gewesen, er untersuchte und maß die Reaktionen auf bestimmte Ge- rüche, die Emanationen des Trieblebens; der Weg führte zur Entdeckung der Seele". Das war nun kühn genug, daß er mit diesem Be- griff als einer biologischen Essenz zu operieren begann, man mag von einem sublimierten Ma- terialismus reden. Aus dem, Wollejäger" war der Seelenjäger" geworden.

Dieser Mann nun, damals 51jährig, unter- setzt, kräftig, gesund, humorvoll, auch derb, muß auf den jungen Bosch einen starken Ein- druck gemacht haben. Jaeger, als Schriftsteller unermüdlich, wenn auch etwas salopp und formlos, von zupackender rationaler Wissen- schaft

tomische Schulmedizin" sein Verfahren ab- daß er gegen die physiologisch- ana- grenzte, heißt gerade bei ihm nicht Verzicht Naturbeobachtung ist anders gewählt. Mora- auf rationale Erkenntnis; nur das Zielbild der lisch das Bild und Vorbild einer unbefangenen Natur, die sich an Konventionen nicht kehrte die Händel nicht gerade suchte, ihnen aber sicher nicht auswich. Der einer höhnenden Fachwelt entgegenlachende Trotz imponierte.

sich auch zu den Grundsätzen der Hahnemann- In einem späteren Zeitpunkt hat G. Jaeger schen Homöopathie bekannt und ihre Lehre von der Wirkkraft der kleinen Mengen in seine eigene Gesamtanschauung eingebaut. Das mußte für Bosch, in dessen väterlicher Familie schon die Homöopathie Hausrecht besaß, wie eine Bestätigung klingen.( Fortsetzung folgt)