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an der Schwelle einer neuen Epoche steht und daß den zwischenstaatlichen Einrichtungen noch stark der Charakter des Uebergangs an- haftet. Das Wesentliche bleibt, daß sich die verantwortlichen Staatsmänner über die ihnen zugefallene schicksalsschwere Aufgabe klar sind: zwischen dem einzelstaatlichen Interesse und seiner Bindung im überstaatlichen Recht einen dauerhaften Ausgleich herzustellen..
SCHWÄBISCHES TAG BLATT
Krise des Wirtschaftsrats in der Bi- Zone
Staaten seinerzeit übereinkamen, ihre Besat- durch die Zahl zu ersetzen. M. A. Als England und die Vereinigten hörden aufgebaut, um die fehlende Autorität zungszonen wirtschaftlich zusammenzuschlie- Ben und den deutschen Behörden Vollmacht zu erteilen, eine wirtschaftliche Dachorganisation zu schaffen, wurde von deutscher Seite mit ren eben nur wir Deutsche fähig sind, daran- gegangen, diese Organisation aufzubauen. Sie ist inzwischen zu einem Monstrum angewach- sen, das ein Heer von Beamten und Angestell- ten umfaßt. Ihre Zahl würde spielend für eine Weltregierung ausreichen.
12. Dezember 1947
Jakob Kaiser unerwünscht? BERLIN. Der sowjetische Verbindungsoffi- zier Hauptmann Kratyn hat nach Meldungen aus Berlin den Parteivorsitzenden der CDU in der Ostzone, Jakob Kaiser, gefragt, ob er nicht die Absicht habe, zurückzutreten. Im Laufe der Unterhaltung ließ Jakob Kai- ser durchblicken, daß er absolut nicht die Ab- sowjetische Offizier machte geltend, daß zahl- reiche wichtige Persönlichkeiten der Partei aus eigener Initiative an dem Volkskongreẞ teil-
In außenpolitischer Hinsicht ergibt sich Eifer und allen bürokratischen Finessen, de- rat verfügt über keine Exekutive. So wurde sicht habe, seine Haltung zu ändern. Der
daraus für den Einzelstaat, zumal für den übermächtigen Einzelstaat, die Notwendigkeit, sich in der Ausspielung der Souveränitätsrechte und des Machtgedankens zu mäßigen und die Weltorganisation der Vereinten Nationen nicht zu einem Kampfplatz zu degradieren, auf dem die Mächte zwar mit neuen Methoden, aber mit
der alten Gesinnung nationaler Unduldsamkeit und den alten Zielen machtmäßiger Ueber- trumpfung nur wieder erbittert die Waffen
kreuzen. Stehen wir vor einer solchen grund-
sätzlich neuen Außenpolitik oder gar vor einer neuen Völkerordnung, die die außenpolitischen Funktionen allmählich auf ein Minimum be- schränkt? Die Londoner Außenministerkonfe- renz wird für die Antwort von entscheidender Bedeutung sein.
Gleichberechtigung im Betrieb BADEN- BADEN. Bei einer Besprechung ar- beitsrechtlicher Fragen durch die Arbeitsmini- ster der Länder der französischen Besatzungs- zone in Baden- Baden wurde bei der Erörte- rung des zukünftigen Betriebsrätegesetzes da- von ausgegangen, daß die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital gleich zu bewerten und da- her auch die Arbeitnehmer den Unternehmern als gleichberechtigt anzusehen seien. Diese Gleichberechtigung rechtfertige das Mitbe- stimmungsrecht der Betriebsräte in den Be-
trieben.
Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in wirtschaftlichen Angelegenheiten der Betriebe werde grundsätzlich anerkannt. Hier müßten jedoch zuvor die zurzeit geltenden gesetzlichen Grundlagen entsprechend geändert werden. Zu klären sind noch die Möglichkeiten, die für die Verwirklichung des Mitbestimmungsrechts im Wirtschaftsprozeß gegeben sind.
Unter den Ministern bestand Einhelligkeit darüber, daß in den drei Ländern der Zone gleichlautende Betriebsrätegesetze anzustreben selen, um so auf dem Gebiet des Sozialrechts in einem großen Teil Südwestdeutschlands eine gleichartige Regelung zu erreichen. Fortsetzung von Seite 1
Regierungserklärung...
einen Treuhänder zu bestellen haben. Es sel zugleich zu überlegen, inwieweit der Staat hier Kapital investieren dürfe, falls die Ren- tabilität nicht gewährleistet sei.
In der Mittwochvormittagsitzung befaßte sich der Landtag wiederum mit einer Reihe von Anträgen, die zum Teil an die entspre- chenden Ausschüsse, zum andern Teil an die Regierung verwiesen wurden.
In der Nachmittagssitzung beschloß der Landtag in zweiter und dritter Lesung über den Entwurf eines Gesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich zwischen Land und Ge- meinden( Gemeindeverbände) für das Rech- nungsjahr 1947. Der Gesetzentwurf wurde un- verändert angenommen.
Eine lebhafte Diskussion entwickelte sich bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfes über die Einführung der Dienstpflicht zum Zwecke der Durchführung der politischen Säuberung". Die einzelnen Fraktionsführer, der Staatspräsident, der Justizminister und der Innenminister erwogen eingehend Für und Wider dieses Gesetzentwurfes.
Der Gesetzentwurf wurde in zweiter und dritter Lesung gegen die Stimmen der SPD, KPD und eines Teils der DVP angenommen. Vier Anträge des Finanzausschusses( zum Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes, über die Wirtschaftlichkeit der Oelschieferwerke, aber Grundstücksentschädigung im Zusam- menhang mit den Oelschieferwerken und über Beschäftigung von Arbeitnehmern über 65 Jahre) wurde zugestimmt.
Die nächste Sitzung des Landtags dürfte wohl erst 1948 stattfinden.
A
Robert Bosch
Von Theodor Heuß
Damals, 1881, als der Bruder zu den Solda- ten ging, war Albert eine füllige Kraftnatur gewesen; sein früher, trauriger Ausgang ist gewiß auf Robert Boschs strenge, ja vorsich- ge spätere Lebensführung nicht ohne Einfluß geblieben. Als Truppe wählte sich der Einjäh- g- Freiwillige das Pionier- Bataillon 13; die Verbindung des Militärischen mit dem Tech- aischen legte das nahe. Nun ist freilich von
Das sogenannte Bewirtschaftungsnotgesetz ist ein weiteres Kriterium dieses Zustandes. Der Wirtschaftsrat hat es angenommen. Wer aber sorgt für seine Durchführung? Der Wirtschafts- folgerichtig ein„ Erzwingbarkeitsgesetz" ge- fordert. Wer aber erzwingt die Durchführung des„ Erzwingbarkeitsgesetzes?" Hier bewegt man sich doch auf dem berühmten circulus vitiosus... Will man aber einen scharfen planwirtschaft- Der Normalverbraucher als zahlender Zu- lichen Kurs steuern, dann müßte Frankfurt
schauer im Zirkus der deutschen Bürokratie war gespannt auf die ersten Darbietungen. Sie ließen recht lange auf sich warten, und als es endlich losging, wickelte sich das Programm
sehr schleppend ab. Doch schließlich braucht eine neue Organisation ihre Zeit, bis sie sich eingespielt hat, und an dem ehrlichen Willen der Männer im Frankfurter Wirtschaftsrat, die bizonalen Probleme zu meistern, konnte auch ein Böswilliger nicht zweifeln.
Leider ist es mit dem guten Willen allein nicht getan. Dies hat sich gerade auf einem der wichtigsten Sektoren der Winterversor- gung für die Bizone erwiesen auf dem Sektor rühmlichen„ Kartoffelkrieg" zwischen Bayern der Kartoffelversorgung nämlich. Mit dem un- und dem Wirtschaftsrat begann es und mit der Feststellung im Wirtschaftsrat, die Kartof- felversorgung sei zusammengebrochen, hörte es auf. Wenigstens für den Wirtschaftsrat.
Für einen Großteil der Bevölkerung der Bi- zone fängt es damit aber erst an. Es fielen noch härtere Worte in Frankfurt: das Ver- sagen des Wirtschaftsrates habe vor aller Welt klar erwiesen, daß das gegenwärtige Verwal- tungssystem der Bizone völlig unmöglich sei. Dr. Schlange- Schöningen sprach diese Worte. Er wünscht einen schärferen Zentralismus und macht den Länderegoismus der einzelnen Län- derregierungen für das Versagen des Wirt- schaftsrates weitgehend verantwortlich. Vom Standpunkt des Wirtschaftsrates aus hat er recht. Wenn aber die Länderregierungen als Gegenargument anführen der Wirtschaftsrat stelle teilweise Forderungen, die von den Län- dern unmöglich zu erfüllen seien, so haben auch sie nicht ganz unrecht.
Der Norden braucht zum Beispiel vor allem Lebensmittel, der Süden Kohle. Beides aber ist nicht in genügender Menge vorhanden. So spielt sich tagtäglich ein Tauziehen zwischen dem Wirtschaftsrat und den Ländern ab, wo- bei jeder Teil möglichst viel haben und mög- lichst wenig geben will. Und im Zuge dieses Tauziehens werden bürokratische Mammutbe-
Deutschland
seine Vollmachten nicht nur auf dem Papier erhalten; eine Wirtschaftexekutive wäre not- wendig. Doch als Vorbedingung einer wirt-
schaftlichen Weiterentwicklung bleibt nach wie Produktion bestehen. Erst, muß produziert
vor die Notwendigkeit einer Steigerung der
werden, dann erst kann verteilt werden.
genommen hätten und daß diese Tatsache eine tischen Linie sei. Mißbilligung der von Kaiser verfolgten poli-
len Sie daraus ziehen?"" Ueberhaupt keine"
Welche Konsequenzen", so fragte er ,,, wol antwortete Kaiser, und fügte hinzu ,,, ick werde erst zurücktreten, wenn mir ein Partei- sowjetische Militärverwaltung mir den for-
kongreß sein Mißtrauen ausspricht, oder die
mellen Befehl dazu verwaltu
Kreise der CDU haben jedoch den Eindruck, daß ein derartiger Befehl nicht erlassen wird. Man betrachtet den Schritt des Hauptmanns Kratyn als einen Versuch zur Beeinflussung des Vorstandes der CDU in der Ostzone, der die Frage des endgültigen Beitrittes der Partei zum Volkskongreß bearbeiten soll.
Wohin aber das gegenwärtige Bewirtschafts- system in der Bizone führt, das geht aus fol- gendem hervor: Im bayerischen Wirtschafts- ministerium besteht seit 1946 eine Stelle, die und die mit vier Herrn besetzt ist. In einem die Verteilung von Nähmaschinen vornimmt ganzen Jahr sind aber nur vier Nähmaschinen tödliche Krankheit unserer Wirtschaft sicht- verteilt worden. Die vier Herren beziehen also praktisch eine Staatspension Hier wird die bar: einer geringen Produktion stehen unge- gesprochene ehemalige Senatspräsident des
heure Verteilungsapparate gegenüber.
Praktisch wirkt sich das so aus, daß die Zahl der Arbeitsstunden, die für die Herstel- lung eines bewirtschafteten Artikels nötig ist, nicht einen Bruchteil der Arbeitsstunden be- trägt, die die Bürokratie nachträglich noch zur Verteilung aufwendet... Unter derartigen Umständen ist eine Wirtschaftankurbelung un- möglich, da die unproduktive Behördenarbeit die produktive Arbeit in den Betrieben weit übersteigt und jede produktive Arbeit lang- erstickt wird... sam aber sicher unter einer Flut von Papier
Nachdem erst kürzlich der„ Kartoffelkrieg" zwischen Bayern und dem Frankfurter Wirt- schaftsamt durch ein Kompromiẞ beigelegt werden konnte, droht jetzt der Ausbruch eines „ Fettkrieges". Der bayerische Landwirtschafts- minister, Dr. Baumgartner hat erklärt, er habe von Frankfurt die Auflage bekommen, 800 Tonnen Fett aus Bayern zu liefern. Einige Tage später sei die Auflage auf 1200 Tonnen erhöht worden. Es sei für Bayern völlig un- möglich, die 1200 Tonnen Fett auszuführen. Er Komplex der Militärregierung und dem Ver- werde jetzt das ganze Material über diesen waltungsamt für Ernährung und Landwirt- schaft in Frankfurt zuleiten.
Nachrichten aus aller Welt
BADEN- BADEN. Der frühere Generaladministra- teur der französischen Besatzungszone, Laffon, der am 14. November von seinem Posten zurückgetre- ten ist, hat am vergangenen Montag endgültig die französische Besatzungszone verlassen.
STUTTGART. Das Württembergische Münzamt hat unter Kontrolle einer alliierten Kommission die Prägung von Zehnpfennigstücken aufgenommen. STUTTGART. Württemberg- Baden muß noch rund 430 000 Flüchtlinge aufnehmen. Bisher hat Württem- berg- Baden 623 000 Flüchtlinge untergebracht.
STUTTGART. Die Lagerspruchkammer des Inter- niertenlagers Ludwigsburg reihte die ehemalige Chefsekretärin Hitlers, Christa Schröder, in die Gruppe der Hauptschuldigen ein und verwies sie für die Dauer von drei Jahren in ein Arbeitslager. WIESBADEN. Die Gesamtheit der Wiesbadener Industriearbeiterschaft leistete der Aufforderung
der Wiesbadener Gewerkschaften zu einem einstün- digen Streik als Protest gegen die schlechte Ernäh- rungslage Folge.
DÜSSELDORF. In Düsseldorf wurden nach An- gaben des Wirtschaftsministeriums für Nordrhein- Westfalen vier Ausschüsse, die den Fahrplan" für den Demontageablauf aufstellen sollen, gebildet. MUHLHEIM/ RUHR. Der Entnazifizierungsausschuẞ von Mühlheim/ Ruhr hat den westdeutschen Groß- industriellen Hugo Stinnes in die Gruppe 3 ein- gestuft. Das Urteil bedarf noch der Bestätigung durch die zuständige britische Stelle.
BERLIN. Der Vorsitzende der SED, Wilhelm Pieck, und der zweite Vorsitzende der LDP, Arthur Lieute- nant, überreichten am vergangenen Dienstag der britischen Militärregierung ein Einreisegesuch für die auf dem Volkskongreẞ" gewählte Delegation zur Londoner Außenministerkonferenz.
Ausland
WIEN. Die sowjetischen Behörden in Oesterreich haben die Erlaubnis zur Ueberfliegung des russi- schen Besatzungsgebiets in Oberösterreich zurück- gezogen und die Kontrolle der alllierten Luftfahrt über Oesterreich gefordert.
PARIS. Winston Churchill ist in Begleitung seiner Frau und seiner Tochter über Paris nach Marokko geflogen. Er hofft, dort die notwendige Ruhe zur Fertigstellung seiner„ Erinnerungen" zu finden. STOCKHOLM. Am vergangenen Montag feierte Schweden den 40. Jahrestag der Thronbesteigung König Gustav V.
PRAG. Am vergangenen Dienstag wurde der persönliche Gesandte Hitlers bei der slowakischen Regierung Tiso, Ludin, und der SS- General Her- mann Höfle, im Hofe des Preßburger Gefängnisses gehängt.
TEHERAN. Der iranische Ministerpräsident Gha- vam ist zurückgetreten, nachdem ihm die Kammer mit 46 gegen 39 Stimmen bel 23 Stimmenthaltun- gen das Vertrauensvotum verweigerte. Sämtliche Mitglieder des Kabinetts Ghavam sind bereits vor einer Woche zurückgetreten.
Cuhorst wieder in Haft FRIEDRICHSHAFEN. Der in Nürnberg frei- Sondergerichts Stuttgart, Hermann Cuhorst, ist am vergangenen Dienstagabend in Kreẞ- bronn im Hause seiner Mutter von der fran- zösischen Gendarmerie verhaftet worden. Ein amerikanischer Offizier hatte ihn nach dem Freispruch dorthin gebracht.
Nach einer Mitteilung der US- Militärregie- französische Militärregierung das Ersuchen rung für Württemberg- Baden wurde an die gerichtet, Cuhorst solange festzuhalten, bis seine Auslieferung an die deutschen Behörden erfolgen könne. Cuhorst wird sich vor einer Stuttgarter Spruchkammer zu verantworten haben.
wurde der ehemalige Senatspräsident der Lan- Nach einer weiteren Meldung aus Stuttgart despolizei von Nordwürttemberg zur Einliefe- rung in ein Internierungslager übergeben.
Notenneudruck, für alle Fälle" und London über den Neudruck FRANKFURT. Meldungen aus Washington von Noten, die im Falle eines Scheiterns der Londoner Kon- ferenz bei einer Währungsreform in der Bizone Verwendung finden sollen, sind von der Son- derstelle ,, Geld und Kredit" der Zweizonen- finanzverwaltung ohne Ueberraschung oder Bestürzung aufgenommen worden. Man ist dort der Ansicht, daß eine Währungsreform nicht allein von dem Neudruck der Noten ab- hänge, und daß die zu ihrer Durchführung unerläßliche sorgfältig vorbereitete rechtliche Grundlage zurzeit noch keineswegs gegeben sei.
Im übrigen werden für die Veröffentlichung der Nachrichten über den Notenneudruck bel der Sonderstelle, wie auch in Kreisen des Wirtschaftsrates, hauptsächlich politische und weniger sachliche Gründe angenommen.
Ausgabe des Notgelds Württemberg- Hohenzollern hat am Mittwoch TÜBINGEN. Das Finanzministerium von mit der Ausgabe der in einer Reutlinger Druk- kerei hergestellten Geldscheine über 5, 10 und 50 Pfennig begonnen. Der 5- Pfennigschein zeigt in brauner Farbe das Schloß Lichten- stein bei Honau, der 10- Pfennigschein in blauer Farbe das Schloß in Sigmaringen und der 50- Pfennigschein in karminroter Farbe das Tor des Schlosses Hohentübingen. Die Scheine haben in der gesamten französischen Zone Gül- tigkeit.
Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr. Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion:- Dr. Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer Monatlicher Bezugspreis einschl. Trägerlohn 1.50 RM., durch die Post 1.74 RM., Einzelverkaufspreis 20 Pfg. Erscheinungstage Dienstag und Freitag
sagte ihm wohl, daß der Militärdienst als Be- ruf seinen Grundelementen nicht entsprach. Wohl war ihm der urtümliche Freiheitsdrang, der alle bloẞ konventionellen Bindungen kämp- ferisch angehende Individualismus seines We- sens noch nicht bewußt geworden Entfaltung denn die des Eigentümlich- Persönlichen vollzog sich nicht in früher Reife, sondern in einer spröden, vielfach zögernden und dem eigenen Ingenium mißtrauenden Art. Bosch wäre ein guter, viel fordernder, vielleistender und gerechter Vorgesetzter geworden, aber ein unbequemer und schwieriger Untergebener. hat offenbar auch die Familie beschäftigt, deren Die Frage eines möglichen Berufswechsels politische Ueberlieferung, nach der Gewöh- nung der damaligen ,, Deutschen Volkspartei", litär auszeichnete. Vielleicht hat Albert in dieser Sache anders gedacht. In jenem schon weitung und Festigung des Hauses Robert München eine Internationale Elektizitätsaus- zitierten Brief aus dem Frühjahr 1885, der die Glieder der Familie der späteren Gattin vor- stellt, kommt Bosch, den ältesten Bruder, den Adlerwirt von Jungingen charakterisierend, auf die Geschichte in guter Laune zurück: ,, Jakob ist ein Hauptdemokrat und Volkstribun, des-
Das Militärjahr brachte ihm eine für sein hat sich ihm eingeprägt und darum auch, wo Leben wichtige Begegnung Er wird auch sonst er sie fand: es war in dem Werk von Pisko ein guter Kamerad gewesen sein, freilich spä- ,, Licht und Farbe". Die Erinnerung ist gewiß ter es ablehnend, im Vereinsbetrieb die Er- beiläufig; sie zeigt einiges von den tastenden innerung an eine ihm innerlich gleichgültige Versuchen des Selbstunterrichts. Zeit zu organisieren. Unter den Einjährigen Nun war das Meer des Lebens, in das sich des Bataillons befand sich ein junger Inge- ein junger Techniker um 1880 hinauswagte, nieur, er war gegen drei Jahre älter als Ro- gerade aufs stärkste bewegt, von guten Win- bert Bosch, gut geschult, von etwas weichem den, wenn er es verstand, das Ruder geschickt Naturell, der Freundschaft und des Austau- sches bedürftig, Eugen Kayser. Er entstammte Als die Soldatenzeit vorbei war, nahm Karl zu führen und den Kurs richtig zu wählen. einer Kaufmannsfamilie in Obertürkheim. In den Bruder Robert mit zu einer Reise nach diesem Hause lernte Bosch des Kameraden Nürnberg und München. Sie galt nicht, in einem Eugen Kayser ging, nach etwas unentschiede- alterlichen Schönheit Schwester Anna, seine spätere Gattin, kennen. unvermuteten Kunstenthusiasmus, der mittel- verschiedene der Berliner großindustriellen den ehrwürdigen Kunstsammlungen, sondern da brauchte ein Ulmer nem Beginnen, seinen sicheren Weg durch sich nicht erst auf die Bahn zu setzen- oder deutenden, selbständigen Anteil an der Aus- nitz eine Bayerische Landesausstellung, in Bosch zu nehmen.
diesem Dienstjahr wenig zu berichten. Robert Bosch hat in seinen„ Erinnerungen" sich mit kurzen Sätzen begnügt. die besagen, daß die Rückschau wenig Wichtiges fand:„ Obgleich sich nicht gerade durch Hinneigung zum Mi. Firmen, um im letzten Lebensjahrzehnt be- neuen, nützlichen Dingen. Es gab an der Peg-
Ich eigentlich keine Freude hatte am Soldat- bein, machte mir die Arbeit doch manchen Spaß. Körperlich gewandt und unternehmen bis zur Waghalsigkeit, überschätzte ich doch stellung, und auf beiden konnte man erstaun- meine Kräfte nicht, sondern verstand mich Freunde, spürte Bosch, was ihm fehlte, was lampen, die ersten Versuche der elektrischen Damals, vor dem neugewonnenen älteren liche Dinge sehen, die eine Reise schon lohn- Buch aus manchmal gefährlichen Lagen her- ihm noch fehlte an theoretischer Kenntnis und Kraftübertragung. Die Münchner Ausstellung ten: elektrische Bogenlampen, elektrische Glüh- auszufinden." Das ist alles. In den gelegent- klarem Verfügen über die inneren Zusammen- lichen Aufschrieben sind einige solche Wag- hänge der technischen Dinge. Die schlechte trizität in Deutschland sehr wichtig geworden. halsigkeiten" aufbewahrt: Wettschwimmen bei vor allem ist für die Popularisierung der Elek- einer Uebung in der Nähe von Koblenz, der erlangte, daß ich nicht Offizier geworden bin, bisherige Arbeiten war ein empirisches Prö- Der junge, draufgängerische Wasserbauinge- Lehre hatte davon nichts geben können, das beln, aus dem gelegentlich ein brauchbarer Einfall heraussprang. Die Entwicklung Boschs, bigkeit. Davon kann aber nicht die Rede sein, druck einer von Anbeginn bewußten Zielstre- aus der Ferne gesehen, macht leicht den Ein-
Sprung über einen Wallgraben von vier bis fünf Meter Breite, vor dem Leutnant und Ser- geant zögerten es ist das Gefühl der tur- nerischen Sicherheit, das Wissen, daß er die
Kraft der Muskeln und die bewegliche Ge- wandtheit des Körpers richtig einschätzte, das Ihn zum technisch guten Soldaten machte.
Die militärische Laufbahn ging reibungslos: zu den üblichen Terminen wurde Bosch Ge- fretter und Unteroffizier. Die Vorgesetzten hatten offenbar Freude an seinen Leistungen, vielleicht gefiel ihnen besonders die zuverläs- lige und gute Art, in der er Karten zeichnen konnte. Der Kommandeur des Bataillons machte ihm am Abschluß der Dienstzeit den Vorschlag, Berufsoffizier zu werden.„ Aber vom Soldatsein wollte ich nichts wissen." Das ist die Formulierung der Rückschau. Der Instinkt
sen besonderes Wohlwollen ich dadurch noch
äußerte, daß dies für mich gut wäre." trotzdem Major Ziegler ihm gegenüber sich
worden, hat sich aber, da er seine berufliche Bosch war als Offiziersaspirant entlassen Weiterbildung nicht unterbrechen wollte, von den Reserveübungen beurlauben lassen. Bei einer Untersuchung durch einen deutschen Konsulatsarzt während seines amerikanischen Aufenthaltes ist er 1885 feld- und garnisons- dienstunfähig geschrieben worden. Ein Trom- melfelldefekt, der aus Schießerei stammte und sich im Dienst öfters einer jugendlichen als lästig erwies, hatte sich verschlimmert. Die linksseitige Gehörbehinderung hat sich nie ganz behoben, blieb aber in erträglichen Gren- zen, so daß Bosch sich wohl gelegentlich dar- über ärgerte, aber nie eigentlich darunter litt.
um so mehr als er sich der Lücken des Wis- sens lebhaft bewußt war. Lehrbücher sollten lag ein Zetel darin, den die Mutter für ihn aushelfen. Als er in Hanau einmal eines, das er von daheim mitgebracht hatte, aufschlug, aufgeschrieben hatte:
„ Ein Schiff ohne Steuer vertraut sich den Wellen, nicht lange, so wird es an Klippen zerschellen. Das Meer ist das Leben, das Schifflein bist Du, die Klugheit, mein Freund, ist das Ruder dazu." Diese wohlmeinende Fernpädagogik in Reimen mag ihn damals gerührt haben, die Anekdote
nieur Oskar von Miller hatte sie mit seiner ansteckenden Energie durchgesetzt und damit krampft und erzwungen, denn gerade ein Jahr gestiver Organisator geleistet. Die ganze Ge- sein Gesellenstück als unermüdlicher und sug- schichte erschien manchem wohl etwas ver zuvor hatte man in Paris mit dem gleichen Anspruch( und Erfolg) des Internationalen ein ner von Siemens hielt nichts davon, daß man großartiges Spektakulum aufgeführt. Wer jetzt gleich wieder solche Reklamegeschichten weg. Aber die Schau wurde dann zu einem mache; die führende deutsche Firma blieb Triumph des Mannes, der erst vor wenigen Jahren, 1873, in seiner Heimatstadt eine kleine, hatte: Sigmund Schuckert in Nürnberg, damals zweifenstrige Mechanikerwerkstatt eingerichtet siebenundzwanzigjährig.( Fortsetzung fol