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Kindern Gefangener oder Vermißter gegeben werden.
Die Mittel zur Finanzierung der Renten- zahlungen können aus dem Sühnefonds ent- nommen werden, der dadurch in einer seinem
Sinne entsprechenden Art verwandt würde. Wir können leben, wenn wir wollen. Auch heute noch schaffen unsere Arbeiter, Bauern, Handwerker und Geistesarbeiter die Werte für eine bescheidene Existenz unseres Volkes. Aber es kommt darauf an, an alle zu denken und die Lasten gerecht zu verteilen
Letzte Entscheidung beim Kontroll at FREIBURG. Nach einer Mitteilung der ba- dischen Staatskanzlei hat der Gouverneur von Südbaden am vergangenen Freitag den Staats- präsidenten, den Landtagspräsidenten, den Mi- nister für Wirtschaft und Arbeit, die Vor- sitzenden der Parteien und der Landtagsfrak- tionen auf ihre Bitte hin empfangen und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihren Standpunkt zum Problem der Demontage vorzutragen. Der Gouverneur habe versprochen, den Fragenkomplex noch einmal zu überprüfen, je- doch erneut darauf verwiesen, daß die end- gültige Entscheidung in dieser Frage dem Kontrollrat vorbehalten bleibe.
SCHWABISCHES TAG BLATT
Deutsche Bomben auf Freiburg
hatte. Um sich von dieser Behinderung zu be- freien, mußte der erste Schritt in dem erbar- mungslosen Kampf gegen Frauen und Kinder dem Feinde zugeschrieben werden. Das konnte nur durch einen fingierten Angriff auf eine offene deutsche Stadt geschehen.
Hitlers Verantwortung für den Luftangriff am 10. Mai 1940 festgestellt FREIBURG. Die badische Staatskanzlei teilt mit. Gerüchtweise wurde seit einiger Zeit in Freiburg behauptet, daß der Luftangriff vom 10. Mai 1940, dem 57 Personen, darunter 20 Kinder, zum Opfer fielen, von deutschen Flug- zeugen ausgeführt wurde. Bekräftigt wurden diese Gerüchte durch eine Stelle in dem Buch von Isa Vermehren, Reise durch den letzten Akt"( Christian Wegner- Verlag, Hamburg, 1947): ,, Einem späteren Gespräch mit ihm( Ge- neraloberst Halder) verdanke ich eine schwer- wiegende Information, die Bestätigung eines alten Verdachts: Jene ersten berüchtigten und furchtbaren sogenannten Terrorbomben im Diese Darstellung wurde einem zuverlässi- Frühjahr 1940, durch die in Freiburg zwanzig/ gen und kraft seines Amtes berufenen Zeugen Kinder ums Leben kamen, sind auf deutschen durch den unterdessen verstorbenen Admiral Befehl von deutschen Flugzeugen geworfen Canaris gegeben worden.
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Sobald diese erregende Behauptung in Frei- burg bekannt wurde, hat das Stadtarchiv Frei- burg die erforderlichen Erhebungen angestellt. Das Ergebnis liegt nun vor. Die Frage der Ver- antwortung für die Luftangriffe auf offene Städte hat nicht nur die Presse, sondern auch die Bevölkerung der von den Luftangriffen be- troffenen Städte schon oft beschäftigt. Die
Parteiegoismus überall nazistische Propaganda war während des Krie- DUSSELDORF. ,, Die Völker, die heute über ges bemüht, die Verantwortung den Gegnern
Deutschlands Schicksal entscheiden, mögen in den Annalen ihrer Geschichte nachschlagen, und wer sich dann frei von Schuld fühlt, werfe den ersten Stein auf uns", führte der erste Vorsitzende der CDU in der Ostzone, Jakob Kaiser, auf der Schlußkundgebung der Ta- gung sämtlicher Sozialausschüsse der CDU und CSU aller vier Zonen aus.
Nach Ansicht Kaisers hätte eine deutsche Vertretung bei der Londoner Konferenz durch- aus etwas ausrichten können. Der Vorschlag der CDU, eine nationale Repräsentation zu schaffen, sei am Widerstand der anderen Par- teien gescheitert. Der Parteiegoismus spiele heute eine größere Rolle, als verantwortet werden könne.
Der Aufruf der SED zu einem ,, Volkskongreẞ" sei ein Beweis dafür, daß die SED Partei- politik und gesamtdeutsche Interessen nicht auseinanderhalten könne. Die SPD zögere, weil sie auf ihre Wiederzulassung in der Ostzone hoffe. Schumacher dürfe jedoch nicht verges- sen, daß zahlreiche Anzeichen darauf hindeu- teten, wie viele Anhänger der SPD sowohl in der Ost- wie auch in den Westzonen nicht mehr mit allen Handlungen der Partei zufrieden seien.
„ Keine repräsentative Vertretung" TÜBINGEN. Staatspräsident Lorenz Bock hat die an ihn ergangene Einladung zum ,, Deutschen Volkskongreẞ" in Berlin telegra- fisch abgelehnt. Der Staatspräsident erklärte hierzu, der Volkskongreẞ werde nach seiner Auffassung keinerlei Einfluß auf den Gang der Londoner Verhandlungen auszuüben imstande sein, da er keine repräsentative Vertretung des deutschen Volkes darstelle. Nur einer aus all- gemeinen Wahlen hervorgegangenen Vertre- tung des gesamten deutschen Volkes könne Bedeutung zukommen. Der Berliner Volks- kongreß sei eine rein parteipolitische Ange- legenheit.
Auch die Landesvorsitzenden der CDU, der SPD und der DVP haben es abgelehnt, an dem Kongreß teilzunehmen.
Sozialistische Frauentagung TUBINGEN. Am vergangenen Wochenende hielt die SPD von Württemberg- Hohenzollern thre dritte Frauentagung in Pfullingen ab. An der Tagung nahmen Gäste aus Nordwürttem- berg, Südbaden und Berlin teil.
11. Sitzung des Landtags BEBENHAUSEN. Am Dienstag, dem 9. De- zember, 15.30 Uhr, tritt der Landtag von Würt- temberg- Hohenzollern im Schloß Bebenhausen zu seiner 11. Sitzung zusammen. Die Tages- ordnung umfaßt sieben Punkte, u. a. die Ent- gegennahme einer Regierungserklärung. Es ist mit einer mehrtägigen Sitzung zu rechnen.
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Robert Bosch
Von Theodor Heuß
Die Schulzeugnisse von Robert Bosch, die im altwürttembergischen Stil eine sehr durchgestufte Ordnung kannten, geben ein ziemlich wirres Bild: die Beurteilung der An- lage schwankt zwischen mittelmäßig( 3) und gut( 6); ziemlich konstant und löblich sind Fleiß und Betragen vermerkt. Das Abgangs- zeugnis erkennt in den Fächern ein„, Gut" für Englisch und Religion, ein„ Ziemlich gut bis Gut" für Deutsch, Französisch, Geschichte und Geometrisches Zeichnen, während Geographie, Mathematik, Physik, Zeichnen mit einem ,, Ziemlich gut" bedacht werden. Daß auch das Turnen diese bescheidene Zensur erhält, macht ein wenig mißtrauisch gegen den Katalog denn das Turnen wurde zur frühen und eifrig gepflogenen Leidenschaft. Bosch selbst meint zu diesem Schulabschluß:„ Wenn man nicht Gnade vor Recht hätte ergehen lassen, wären eine ganze Anzahl von uns, und ich mit dar- unter, durchgefallen."
zur Last zu legen.
Im Interesse der Wahrheit und der Besse- rung der Verständigung zwischen den ehemals gegnerischen Völkern sind die Landesregie- rung und die Stadtverwaltung verpflichtet, eine Feststellung über den ersten Angriff auf Freiburg im Frühjahr 1940 der Allgemeinheit
bekanntzugeben, so furchtbar und beschämend
das Ergebnis auch ist:
ren hat stattgefunden. Der Inhalt ist sinnge- 1. Das Gespräch mit Fräulein Isa Vermeh- mäß richtig wiedergegeben.
2. Die Grundlage des Gespräches ist fol- gende: In der Vorbereitungszeit des Westfeld- zuges( Herbst 1939 bis Frühjahr 1940) waren die Gegensätze der Widerstandsgruppe inner- halb der obersten Kommandobehörde und Hit- ler. besonders groß. Die Widerstandsgruppe wollte einen deutschen Angriff im Westen verhindern, den Hitler mit allen Mitteln be- schleunigen und rücksichtslos ausführen wollte Der Einsatz der überlegenen deutschen Luft- waffe gegen französische Städte spielte dabei eine wesentliche Rolle. Hitler hoffte, durch die Schockwirkung den Widerstandswillen des französischen Volkes rascher zu brechen, fühlte sich aber behindert durch die Tatsache, daß er selbst, noch während des polnischen Feld-
zuges, öffentlich gegen die Bombardierung of fener Städte Stellung genommen und sogar eine internationale Abmachung vorgeschlagen
Deutschland
Die Nähe dieser Stadt an der Grenze bot, wenn Dazu schien Freiburg besonders geeignet. die Täuschung nicht gelang, die Möglichkeit, sich auf einen Irrtum hinauszureden. Daraus entstand der Entschluß zu einem fingierten feindlichen Angriff auf die Stadt Freiburg
Der oben erwähnte Zeuge, der auch in cha- rakterlicher Beziehung als unbedingt zuver- lässig anzusehen ist, hat in seiner dienstlichen Stellung unmittelbar nach dem Ereignis aus Kreisen der Luftwaffe selbst die vertrauliche Mitteilung erhalten, die Bomben auf Freiburg seien deutsche Bomben gewesen. Der Zeuge wurde ferner von einem ihm persönlich be- kannten General der Luftwaffe, der dem Re-
gime des dritten Reiches mit der inneren Ab- lehnung des Offiziers alter Schule gegenüber stand, auf den Fall Freiburg angesprochen. Dieser Offizier berichtet, daß er in seiner da- maligen technischen Dienststelle einen Bericht mit der Feststellung, daß es sich in Freiburg Hand und diesen Bericht mit der Bitte um um deutsche Bomben gehandelt habe, in der Aufklärung weitergeleitet habe. Eine Aufklä- rung sei trotz seiner wiederholten Nachfrage
nie erfolgt.
NEUSTADT( bei Marburg). Der ehemalige Chef des deutschen Generalstabs, General- oberst Franz Halder, bestätigte am vergan- genen Mittwoch, daß er im Jahre 1941 von dem ehemaligen Leiter des deutschen Abwehrdien- stes, Admiral Canaris, erfahren habe, die Bombardierung der Stadt Freiburg am 10. Mai 1940 sei von deutschen Flugzeugen durchge- führt worden.
5. Dezember 1947
Wiedergutmachung
Von Rechtsanwalt und Dozent Dr. Sigloch die französische und die amerikanische Mili- Am 10. November 1947 haben gleichzeitig tärregierung für die Verfolgten des Nazi- systems einen präzisen Rechtsanspruch auf Rückerstattung der ihnen entzogenen Güter geschaffen. Es sind genau 9 Jahre nach dem ersten Höhepunkt der Beraubung, jener be- rüchtigten Verordnung Görings, die den deut- Friedensmark auferlegte. schen Juden eine Kontribution von 1 Milliarde
Die deutsche Rechtswissenschaft und Gesetz- gebung haben sich leider die Chance entgehen lassen, vor dem In- und Ausland durch eine großzügige, absolut gerechte Regelung der materiellen Wiedergutmachung die„ Stunde des Rechts" zu nutzen.
Während das Gesetz Nr. 59 der US- Zone in vielschichtiger Entstehung zu ei- nem komplizierten Netzwerk von 92 Paragra- phen geworden ist, bezieht sich die Verord- nung Nr. 120 der französischen Militärregie- mögensobjekte" in 22 Artikeln auf alle Gü- rung über die Rückerstattung geraubter Ver- ter, Rechte oder Interessen, die heute noch identifizierbar sind.
Es wird unterschieden, ob diese Güter den wegen ihrer Nationalität, Rasse, Religion,
politischen Ueberzeugung oder Tätigkeit be- nachteiligten Personen mit oder ohne ihre Zu- stimmung entzogen wurden.
wird bis zur Widerlegung angenommen, daß Für Verträge nach dem 30. Januar 1933 diese Personen unter physischem oder morali- dem 14. Juni 1938 zu angemessenem Preis ist schem Zwang standen, nur bei Abschluß vor der frühere Eigentümer für solchen Zwang
beweispflichtig.
Die Entscheidung über Nichtigkeit oder Nichtigerklärung der Vermögensver- fügungen und über die Rückerstattung der Gü- ter ist in die Hand des Richters gelegt. Bei allen Gerichten erster Instanz, also Amts- und Landgerichten, werden zu diesem Zweck drei- gliedrige Restitutionskammern gebildet, denen ein Opfer des Nationalsozialismus angehören muß.
Die viel diskutierte Frage, wie weit der Rückgabeanspruch gegen gutgläubige Erwer- Im Jahre 1943 habe ihm ein ehemaliger ber geht, ist durch einen Ausgleich gelöst. Wer Kriegskamerad in einem Brief mitgeteilt, daß guten Glaubens war, erhält vom wiedereinge- die in Freiburg aufgefundenen Bombensplitter.setzten Eigentümer den aufgewandten Kauf- deutscher Herkunft gewesen seien. Wieder- preis zuück, und zwar sogar dann, wenn die- holte Meldungen und Anfragen von dieser ser Preis seinerzeit gar nicht in die Hand des Seite seien jedoch unbeantwortet geblieben. Verfolgten gelangte, sondern vom nazistischen Staat kassiert wurde.
Halder befindet sich zurzeit in dem Inter- niertenlager Neustadt bei Marburg, in dem über 200 Generale und Generalstabsoffiziere
damit beschäftigt sind, dem amerikanischen Kriegsministerium die Geschichte dieses Krie- ges, von deutscher Seite gesehen, zu schreiben.
Nachrichten aus aller Welt
FREIBURG. Die in der USA von Henry Kayser gegründete, Metallurgische Gesellschaft hat von der USA- Regierung die Ermächtigung erhalten, die Tscheulin- Werke in Tenningen bei Freiburg zu de- montieren und anzukaufen. Die Werke sind von der internationalen Reparationsagentur in Brüssel der USA zugesprochen worden.
STUTTGART. Dr. Kurt Schumacher wird am mor-
gigen Samstag und nicht, wie irrtümlich berichtet, am Sonntag in Stuttgart sprechen.
STUTTGART. Gegen den beabsichtigten Indu- strieabbau in der französischen Zone hat der stän- tages Einspruch erhoben und die Besatzungsmächte dige Ausschuß des Württemberg- badischen Land- gebeten, den Demontageplan einer Ueberprüfung zu
unterziehen.
HANNOVER. Längs der britisch- sowjetischen Zo- nengrenze ließ die britische Militärregierung neuer- dings Drahtverhaue errichten. Hierzu wird berich- tet, daß es sich nicht um eine politische oder stra- tegische Maßnahme handeln solle, vielmehr mache richtung der Sperren notwendig. die Dreistigkeit der illegalen Grenzgänger die Er-
Ausland
LONDON. Die englische Post hat vorübergehend 100 000 Briefträger eingestellt, die bei der Vertei- lung der Weihnachts- und Neujahrspost aushelfen sollen.
LONDON. Der ehemalige Ministerpräsident Win- ston Churchill feierte am vergangenen Sonntag seinen 73. Geburtstag.
LONDON. Amtlich wird bekanntgegeben, daß der englische Handelsminister, Harald Wilson, nach Moskau reisen wird, um die Wirtschaftsverhand- lungen mit der UdSSR wieder aufzunehmen, die seit Juli abgebrochen sind.
PRESSBURG. Der ehemalige deutsche Gesandte bei der slowakischen Regierung, Hans Ludin und der Führer der ehemaligen deutschen Militärmis- sion in der Slowakei, SS- General Hermann Höffle wurden von einem tschechoslowakischen Gerichts-
hof in Preßburg zum Tode durch den Strang ver-
urteilt.
WARSCHAU. Einschließlich der 40 000 Kriegsge- fangenen leben heute noch etwa 100 000 Deutsche in Polen.
WASHINGTON. Nach einer Mitteilung des Atom- ausschusses der USA. hat die amerikanische Armee auf einem Atoll im Pazifik mit der Errichtung eines nen. Das Atoll soll zuf experimentellen Erpro- bung von Laboratoriumsergebnissen dienen.
Grundsätzen billigen Rechts und unter An- Die gesamte Rückerstattung ist nach den wendung der Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Geschäftsführung ohne Auftrag vorzunehmen, in denen ebenfalls der gute Glauben berücksichtigt wird Auf der an- deren Seite werden den Geschädigten auch alle Ansprüche aus sittenwidriger Schadenszu- fügung, sonstiger unerlaubter Handlung und aus, ungerechtfertigter Bereicherung zuzubilli- gen sein.
Aus den Gütern der ohne Erben Vermißten, aber auch aus den Gewinnen bösgläubiger Er- werber wird in jedem Land ein Fonds zur Ent- schädigung der Opfer unter deutscher Verwal- tung gebildet.
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Die lange Zeit Verfolgten und Enterbten er- halten damit oft erst nach einem halben Menschenalter eine späte Genugtuung. Die Sperre der Vermögen nach dem Gesetz Nr. 52, die bisher überall die Geltendmachung ihrer Ansprüche behinderte, wird durch die Urteile und Beschlüsse der Restitutionskammern so- wie durch alle gütlichen Vereinbarungen, die mit gerichtlicher Bestätigung ebenfalls im Ge- setz vorgesehen sind, aufgehoben. Aber auch ber derartiger Vermögen wissen nun, woran gut- oder schlechtgläubigen Erwer- sie sind und können ihr Handeln danach ein richten.
die
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Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion:
Dr Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer
Kinder von verschleppten Personen können jetzt BERLIN. Europäische Kinder. auch deutsche und von Amerikanern in Deutschland entsprechend den ständigen Versuchsgeländes für Atomwaffen begon- Monatlicher Bezugspreis einsch! Trägerlohr 1.50 RM., durch Gesetzen Nr. 10 der amerikanischen Militärregie- rung adoptiert werden.
für die Imkerei fertigen sollte, zehn Pfennig kriegte er für das Stück. Dem Servatius war der Sohn fast zu schnell und geschickt und er zog die Bestellung rasch wieder zurück. Am ausführlichsten verharren die Jugenderin- nerungen bei allem ,,, was mit Schießen zu- sammenhing: Ger, Pfeil und Bogen, Zwille, Blasrohr mit Lehmkugel". Das kameradschaft- liche Zusammenleben war wohl durch aller- hand Lausbubengeschichten bewegt, doch ohne außerordentliche Begebenheiten: ,, Zu wage- halsigen Streichen neigte ich immer. Ich war mir aber meiner Grenzen bewußt, und es ge- schah, mir nie etwas. Ich suchte nie Händel, wich denselben aber auch nicht aus, nament- lich nicht, wo dies nach Feigheit ausgesehen hätte."
In den Schulakten der Ulmer Realanstalt wird der künftige Beruf nicht erst beim Ab- gang eingetragen. Bei Robert Bosch ist für die beiden Jahreszeugnisse von 1874,, Kaufmann" angemerkt. Von Ostern 1875 an und auch beim Abschluß steht:„ Klein- Mechaniker". Das ist ganz offenkundig, daß irgendeine ausgespro- chene Neigung, die ein nahes Berufsziel vor sich sah, fehlte. Bosch selber gibt von der Be- Die Erinnerungen des Alters schließen sich rufswahl die ganz nüchterne Darstellung: ,, Als zum Teil an ungewisse Reflexionen, ob im ich nachgerade mich für einen Beruf entschei- Frühen das Spätere schon spürbar sei. Manche den sollte, fragte mich mein Vater einmal, ob gehen bis in die Albecker Jahre zurück. Dar- ich nicht Feinmechaniker werden wollte, und unter findet sich, was dauernd haften blieb, ich sagte ja. Mein Sinn stand allerdings mehr die Einsicht in die Gefahr der Lüge. Das spie- nach Zoologie und Botanik, aber ich hatte kei- lende Kind war in den Brunnentrog des väter- nen Gefallen an der Schule, in der ich die lichen Hofes gefallen und erzählte, herausge- großen Lücken in meinem Wissen stets als un- fischt, es sei hineingestoßen worden. Die zweck- angenehm empfinden würde, und so wurde hafte Lüge kam bald heraus, und der Misse- ich Mechaniker." Darin mag man einen Unter- täter wurde am hellichten Tag ins Bett ge- ton der Resignation hören. Der Vater, darf steckt. Das wirkte als Strafe. Damit war das man annehmen, würde kaum widersprochen Lügen verlernt. Oder es bleibt ihm die Ver- haben, wenn auch sein Jüngster die Schule bis blüffung im Gedächtnis, die die Kinderfrage zum Schluß durchgemacht und sich dem Stu- erregte, ob die Menschen auch Tiere seien dium der biologischen Fragen zugewandt hätte vielleicht spürte er darin die erste Regung des nun also, fast aus einer gewissen Verdros- nachdenksamen naturwissenschaftlichen Sinnes. senheit, wurde der Fünfzehnjährige Mechani- Ob er ein Bastler war? Vermutlich hat ihm die ker. Was sich daraus einmal entwickeln könnte, bedachtsame Geduld gefehlt. Er erzählt davon, war ihm selber denkbar unklar. daß er dem Vater einmal kleine Futtertrögchen
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nicht ermutigend war. Servatius Bosch hatte es bei der Auswahl eines Meisters offenbar an der nötigen Sorgfalt fehlen lassen. Auch in späten Jahren hat Robert Bosch mit einem unwirschen Aerger von dem Mann gesprochen, dem seine berufliche Grundausbildung anver- traut. war. Das abschätzige Urteil wurde auch der, eine gewisse Wohlhabenheit im Hinter- von anderen Zöglingen des Mannes gefällt, grund, sich mehr als Frühstücksschöppler in den Wirtschaften als in der Werkstatt sehen ließ. Bosch erzählt die Anekdote: er mußte für eine größere Arbeit eiserne Grundplatten fei- len und erbat sich, da die Feile sehr schlecht war, eine neue. Der Bescheid des Meisters, der im Gedächtnis blieb, lautete: ,, Jetzt habe ich die Feile zwölf Jahre und jetzt soll sie auf einmal nicht mehr gut sein." Daß der wache kritische Verstand des Jungen die Dummheit dieser Antwort verwahrte, ist für ihn selber bezeichnend. Da und dort, wo der Meister nicht mehr weiter wußte, konnte der Lehrbub mit guten Einfällen aushelfen. Dank erntete er nicht dafür. Aber die kleinen Triumphe hoben das Selbstgefühl. Die tech- nischen Disziplinen im Handwerksbetrieb wa- ren noch nicht so geteilt wie später. Der Mei- ster war Uhrmacher, Optiker, begann aber auch Aufträge für Haustelegrafen und Haus- telefone zu übernehmen, wie sie eben in jener Zeit etwas in Mode kamen, Die Lehrbuben hatten bald heraus, daß der Mann von den Dingen nichts verstand und selber immer fremden Rat sich holen mußte menschliche Autorität bald verspielt, und der so war die Stolz des Jungen rebellierte, als der Meister ihn auch für familiäre Dienstleistungen be- anspruchen wollte. Da mußte man ihn zu Hause besänftigen. Die Lehrzeit, meint die Rückschau, sei„ nicht glücklich" gewesen, eigentlich sei man ,, verbummelt". In jene Jahre fällt die eifrige Teilnahme am Turner- bund, der die Mitte des außerberuflichen Le- bens wurde.
Daß Robert Bosch eine menschlich und sach- Um so mehr, als die Lehre ganz und gar lich so wenig befriedigende Lehre durchzu-
die Post 1.74 RM, Einzelverkaufspreis 20 Pfg. Erscheinungstage Dienstag und Freitag
machen hatte, ist nicht folgenlos geblieben. Nicht in dem Sinn, daß sein berufliches Wei- terkommen darunter gelitten hätte Wanderjahre wurden für ihn zu den eigent- die lichen Lehrjahren. Aber die Erinnerung an die Mängel der eigenen Jugendausbildung hat ihm von Beginn der Selbständigkeit das Ge- vermeiden. Die großartige Umsicht, womit. er wissen geschärft, ähnliche Versäumnisse zu gleich beim Beginn der geschäftlichen Entfal- tung das Lehrlingswesen betreute, entwuchs nicht bloß einer rationalen Ueberlegung oder dem humanitären Erziehertrieb wirkte mit, sondern der unfrohen Erfah- rung, der die eigene Jugend ausgeliefert ge-
wesen war.
beides
Lehr- und Wanderjahre Achtzehnjährigen stand der Sinn in die Im Herbst 1879 war die Lehrzeit um. Dem Fremde; er wollte sich auf eigene Füße stellen. Aber das klappte nicht so rasch und so ein- fach, wie Selbstgefühl oder Romantik sich das vorstellten; man hatte weder in Pforzheim suchte, Arbeit für ihn. Er schien etwas den noch in Karlsruhe, wo er um solche nach- Mut verloren zu haben, ob weitere Besuche bei Meistern ihm eine Stellung bringen könn- ten und gab der Handwerksburschenzeit gleich am zweiten Tag einen etwas abrupten Schluß, indem er nach Köln zu dem Bruder Karl fuhr. Da sich in Köln und in Bonn Passendes für zunächst im eigenen Geschäft; der hatte eine ihn nicht fand, behielt ihn der ältere Bruder Handlung für Gas- und Wasserleitungsein- richtungen aufgemacht, und der Weltfahrer wollte sich etwas geborgen fühlen, als der Bruder ihn aufnahm und in seinem Betrieb als Gürtler beschäftigte. Karl Bosch hatte sich auch später um die Entwicklung des Jüngsten angenommen. Der empfand die feste erziehe- rische Fürsorglichkeit einer gelegentlich ironi- schen Abwehr diese Sache nun im Septem- ber 1879 war ein offenkundiger Notbehelf; sie dauerte nur einige Wochen.( Fortsetzung folgt)