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Keine Maßnahmen gegen Nominelle"

-a ,, Die Regierungen der Länder haben alle Maßnahmen zu ergreifen, um den Abschluß der Durchführung der Entnazifizierung zu be-- schleunigen", heißt es in der Verordnung Nr. 133 des Oberkommandierenden der französi- schen Besatzungszone über die wir bereits in unserer letzten Ausgabe berichteten. Von be- sonderer Bedeutung sind in dieser Verord- nung, die als Gesetz gilt, noch folgende nähe- ren Anweisungen. In Zukunft darf keine Säuberungsmaßnahme gegen die einfachen no- minellen Mitglieder der NSDAP. und der ihr angeschlossenen Verbände ergriffen werden,

die in diesen weder einen Titel noch ein Amt

Inne hatten"( Mit Ausnahme von Mitgliedern von für verbrecherisch erklärten Organisatio- nen oder Personen, die unter die Direktive Nr 38 als Hauptschuldige oder Belastete fallen.)

,, Die Gruppe der unter die Begünstigungs- vorschrift fallenden Personen, gegen die Sühne- maßnahmen bereits ausgesprochen worden sind, treten wieder in den Genuß ihrer poli- tischen und bürgerlichen Rechte ein und kön- nen sich in Zukunft um alle öffentlichen Po- sten und Anstellungen bewerben."

Diese Verordnung kann Wesentliches zur Klärung der innerdeutschen Situation beitra- gen und wird deshalb die ungeteilte Zustim- mung nicht nur der hiervon Betroffenen fin- den. Die Wiederaufbauarbeit in Deutschland fordert zwangsläufig die tätige Teilnahme al- ler zur Verfügung stehenden Kräfte, soweit ihre politische Vergangenheit dies nicht ver- bietet. Nach Jahren Ungewißheit ermög- licht dieses Gesetz einem immerhin nicht un- beträchtlichen Teil unserer Bevölkerung, wie- der vollen Anteil am staatlichen Leben zu nehmen, ihrem früheren Beruf nachzugehen und mit dazu beizutragen, daß auch unserem Volke wieder bessere Zeiten zuteil werden möchten.

Symbolisches Hochzeitsgeschenk DÜSSELDORF. Ein Päckchen mit der Tages- ration eines Normalverbrauchers im Ruhrge- biet sandte der Ortsausschuß Düsseldorf der Christlichen Arbeiterjugend als Hochzeitsge- schenk an Prinzessin Elisabeth von England.

In einem Begleitbrief wird das Päckchen als ,, symbolisches Geschenk" bezeichnet, das nicht als Ausdruck bitteren Vorwurfs betrachtet

werden solle, sondern als ehrlich gemeinter Glückwunsch, zugleich aber als ein Appell an das Verständnis der Prinzessin für die deut- sche Not und an das Gerechtigkeitsgefühl des ganzen englischen Volkes.

De- und Re- Montage

hwh. Der bekannte amerikanische Industrielle Henry J. Kaiser war der Meistbietende für das erste deutsche Reparationswerk, das der ame- rikanischen Industrie angeboten wurde. Er bot für ein deutsches Aluminiumwalzwerk 203 769 Dollar. Kaiser plant, das Werk abzubauen und es nach den Vereinigten Staaten zu bringen.

Gespräch über die Demontage möglich?

SCHWÄBISCHES TAG BLATT

, Deutschland soll ein Bundesstaat sein"

KÖLN. Der Hauptvorstand des CDU- Zonen- ausschusses der britischen Zone hat zur Neu- errichtung des staatlichen Gefüges Deutsch- lands folgende Grundsätze aufgestellt:

5. Noch ehe es zum Abschluß eines Friedens- vertrages kommt, ist ein Besatzungsstatut nach Verhandlungen mit den deutschen Stellen zu erlassen, durch das die Rechte und Pflichten der besetzenden Mächte und der deutschen In- stanzen festgelegt werden sollen.

28. November 1947

Gespensterspruchkammer

cz. Von der Absicht, Spruchkammerverfahren zur Regelung ihres Nachlasses gegen Adolf Hitler, Eva Braun und eine Reihe anderer prominenter Vertreter des NS- Regimes wie Göring, Himmler, Bormann und Schirach einzuleiten, wußte eine Pressemeldung zu berichten Der bayerische Son derminister Dr. Ludwig Hagenauer fügte hinzu,

1 Deutschland soll ein Bundesstaat sein. Die Grenzen der Länder müssen den Stammes- eigentümlichkeiten, den historischen, kulturel- len und wirtschaftlichen sowie den Verkehrs- Keine Pläne tür ,, Westdeutschen" Staat ihm sei hierüber nichts bekannt. Theoretisch sei gegebenheiten in besserer Weise Rechnung

tragen, als das bisher der Fall war.

2. Deutschland muß eine Zentralgewalt ha- ben. die so viel Recht bekommt wie nötig ist, damit das Ganze in geordneter Weise zusam- menhält. Die Exekutive. auch bei den von der Zentralgewalt gefaßten Beschlüssen, soll bei den Ländern liegen. Sein Parlament soll aus zwei Kammern bestehen, von denen eine di- rekt gewählt wird, während die andere auf indirekter Wahl beruhen soll.

3. Die Einrichtung eines Staatsgerichshofes, dessen Unabhängigkeit nach jeder Richtung hin gesichert und der berufen ist, die Rechte der Zentralgewalt und der Länder sowie die Grundrechte aller Deutschen gegenüber der Zentralgewalt zu schützen, ist vorgesehen.

4. Die alliierten Kontrollinstanzen müssen sich auf die Kontrolle beschränken und dürfen keine Verwaltung ausüben. Sie sollen kein Ge- nehmigungsrecht für Beschlüsse der zuständi- gen Stellen haben, sondern nur ein Vetorecht.

FRANKFURT. ,, Es bestehen noch keine Pläne für die Schaffung eines selbständigen westdeutschen Staates", erklärte am vergan- genen Dienstag der amerikanische Vorsitzende des Zweimächtekontrollamtes in Frankfurt, Adcock. Für die Ausarbeitung derartiger Pläne seien der Präsident der Vereinigten Staaten und der Außenminister zuständig.

Das gegenwärtige Wirtschaftsgebilde Bizone könne natürlich zur Grundlage für eine poli- tische Einheit benutzt werden. In diesem Fall müßten zunächst eine Verfassung und eine ge- setzgebende Körperschaft geschaffen und Wah- len durchgeführt werden. Danach sei eine Währungsreform und verstärkte Produktion von Verbrauchsgütern notwendig.

Er sei von den augenblicklich in leitenden Stellungen befindlichen deutschen Politikern enttäuscht. ,, Sie richten sich zu sehr nach ihren Parteiführern, anstatt sich ausschließlich um die Interessen ihres Amtsbereiches zu küm- mern."

Patenschaft für Kriegsgefangene

( K) Tausende und Abertausende von Kriegs- gefangenen haben durch die Ereignisse des Krieges und des Nachkrieges alle ihre Ange- hörigen verloren, und oft dazu noch die Hei- mat im engeren Sinne des Wortes. Sie sehen dem Tag der Entlassung mit Sorgen und Grauen entgegen: Sie wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen; sie haben kein Heim, keine Angehörigen, keine Freunde, die ihnen bei ihrer Eingliederung in Heimat und Wirtschaftsleben behilflich sein können. Oft haben sie das Gefühl, daß die Heimat sie vergessen hat. Die fast unvermeidliche Folge ist häufig politische Verbitterung und mora- lische Zersetzung der heimatlosen und ver- waisten ,, Heim" kehrer.

Die Zentralstelle der Kriegsgefangenen- Pa- tenschaftsaktion, München 2, hat sich die Aufgabe gestellt, diesen Unglücklichen unter unseren kriegsgefangenen Brüdern zu helfen, indem sie für sie Patenschaften vermittelt. Der Sinn dieser Patenschaften ist es, den Kriegsgefangenen nach ihrer Entlassung bei der Eingliederung in Heimat und Wirtschafts- leben behilflich zu sein.

Jeder, der eine solche Patenschaft überneh- men will, erhält unter Berücksichtigung seiner besonderen Wünsche( Alter, Beruf, eventuell Konfession usw.) die Anschrift eines solchen Kriegsgefangenen mitgeteilt, mit dem er sich

persönlich in Verbindung setzt. Die weiteren Beziehungen zwischen den beiden Patenteilen, dem ,, Patenvater" und dem, Patenkind", wer- den sich dann im Laufe des Briefwechsels ent- wickeln und später, wenn der Gefangene in die Heimat entlassen wird.

Die KG- Patenschaftsaktion entstand im De- zember 1946, sie kann also schon bald auf eine einjährige Tätigkeit zurückblicken. Bisher sind von der Zentralstelle in München, der Deut- schen Kriegsgefangenenhilfe in Hamburg und der Berliner Zeitschrift Horizont" etwa 1000 Patenschaften vermittelt worden.

Die Erfahrungen sind zum größten Teil außerordentlich erfreulich. Neben festen Ar- beitsverhältnissen( Einstellung in einem Be- trieb, in einem Bauernhof usw.) Hilfeleistung bei Fortsetzung eines Studiums und der übri- gen Fachausbildung, haben sich enge freund- schaftliche und familiäre Beziehungen ergeben. So tragen sich Eltern, die ihren einzigen Sohn im Krieg verloren haben, mit der Absicht, den jungen Kriegsgefangenen, den sie im Laufe der Korrespondenz liebgewonnen haben, nach seiner Entlassung zu adoptieren.

Etwa 1000 Patenschaften sind bisher vermit- telt worden; das ist wenig. Denn zehntausend heimatlose und verwaiste Kriegsgefangene warten darauf, daß die Heimat ihnen eine Brücke schlägt.

Nachrichten aus aller Welt

LONDON. Die Ehemänner der zwölf russischen

aus der UdSSR verweigern, haben eine Zusammen- kunft mit Molotow gefordert. Einer von ihnen er- klärte, daß sie, falls ihnen diese Zusammenkunft verweigert werden würde, eine Propagandakam- pagne während des ganzen Aufenthalts von Molo-

tow in London entfesseln würden.

TÜBINGEN. Die von der südwürttembergi- Frauen, denen die Sowjetbehörden die Ausreisevisa schen Regierung vorbereitete Denkschrift an den Oberkommandierenden der französischen Besatzungszone, General Koenig, zur De- montage in Württemberg- Hohenzollern wird in der ersten Hälfte des Dezembers fertigge- stellt sein und dann überreicht werden. Die Regierung von Württemberg- Hohenzollern hofft, daß die erbetene Audienz bei General Koenig sich an die Uebergabe der Denkschrift anschließen und damit ein neues Gespräch über die Demontage in Württemberg- Hohen- zollern ermöglicht wird.

LONDON. 18 deutsche Generale, die im Kriegs- gefangenenlager Glamorgan" gefangengehalten wer- den, werden aus Gesundheitsgründen nach Deutsch- land repatriiert.

WIEN. Um den Schmuggel zu unterbinden, hat die ungarische Grenzwache die Grenze gegen Oester- reich hermetisch gesperrt. Seit 15. November wur- den an der Grenze 623 Personen verhaftet, darunter 400 ausgewiesene Schwaben, 65 Schmuggler und einige politische Verbrecher.

BELGRAD. Am Tage des jugoslawischen National- festes zur Erinnerung an die Proklamierung der

SOFIA. Die jugoslawische Regierungsdelegation unter Führung von Marschall Tito ist in Sofia ein-

,, Mit Rücksicht auf die Finanzlage" TÜBINGEN. Entgegen der ursprünglichen Absicht, einen besonderen Finanzminister in das südwürttembergische Kabinett aufzuneh- Republik soll eine Kominform- Sitzung stattfinden. men, wird nach einer Mitteilung des Staats- präsidenten dieses Ressort Staatspräsident Bock, der es bisher interimistisch geführt hat, nunmehr definitiv beibehalten. Diese Maß- nahme ist entscheidend mit Rücksicht auf die Finanzlage des Staates beschlossen worden.

3)

Robert Bosch

Von Theodor Heuß

Nach diesen Ereignissen war die Gerech- tigkeit wieder ins Lot gebracht; aber das Recht wird dabei unzweifelhaft verletzt, und der Schultheiß erstattet Anzeige. Serva- tlus Bosch kriegt einen Prozeß auf den Hals. Die Akten darüber sind nicht mehr vorhanden. Das Urteil des erkennenden Kriminalsenats, des Gerichtshofes für den Donaukreis beim Oberamtsgericht Ulm, wird am 13. Dezember 1853 gefällt. Die Richter sind einsichtig gewe- sen und haben die ehrenhaften Motive des Angeklagten anerkannt. So wurde er mit zwei Monaten Festung bestraft, die er vom 18. April bis 17. Juni 1854 auf dem Hohenasperg absaß Gnadengesuche um Abkürzung, die der Ge- meinderat einreichte, waren erfolglos. Für sein Ansehen war dieser Zwischenfall keineswegs abträglich der Asperg hatte damals schon durch Schubart und List eine alte, hatte nach 1848 eine neue Weihe erhalten; es gehört in den demokratischen Kreisen Schwabens fast zu einem sorgfältig gehegten Stolz, einmal einen aus der Familie da droben gehabt zu ha- ben. Servatius Bosch versäumte denn auch nicht, sich einen Stich des so eindrucksvollen Hügels aus dem württembergischen Unterland rahmen zu lassen und ihn als Erinnerungsmal an die Wand zu hängen.

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Der rege öffentliche Sinn war das wichtigste seelische Erbe, das Servatius Bosch seinen Kin- dern hinterließ. Er war auch offenbar sonst ein geistig über das Gewohnte hinaus in- teressierter Mann. Die kirchlichen Dinge spiel- ten im Familienleben keine oder doch nur eine ganz konventionelle Rolle. Der Pfarrer, der Albeck zu betreuen hatte, saß im benachbarten Dorfe Göttingen. Von Beziehungen zu ihm ist nichts überliefert. ,, In religiöser Hinsicht wur- den wir sehr freisinnig erzogen. Wir wurden aber nicht in bestimmter Richtung beeinflußt, man überließ es uns, uns eine Meinung zu bil-

getroffen, um einen bulgarisch- jugoslawischen Freund- schafts-, Beistands- und Zusammenarbeitspakt ab-

zuschließen..

BUDAPEST. Die ungarische Regierung hat sich in einer Protestnote an die USA gegen die Unterstüt

zung für den Leiter der ungarischen Unabhängig- keitspartei, Zoltan Pfeiffer, der sich gegenwärtig in New York aufhält, ausgesprochen und bezeichnete diese Haltung als dem ungarischen Volke feindlich". ANKARA. Der türkische Außenminister Sadak er-

klärte in einem Interview: Ich hoffe zuversichtlich, daß eine Mittelmeer- Entente zwischen Griechenland, Italien, Frankreich und der Türkei zustande kom- men wird."

WASHINGTON. Die amerikanische Luftwaffe mel- det gelungene Flugversuche ihres ersten Düsen- jägers. Das einsitzige Flugzeug hat eine Spannweite von 11 m, steigt 12 000 m hoch und erreicht eine Geschwindigkeit von über 900 km.

WASHINGTON. Für die sowjetischen Staatsange- hörigen und die Bewohner Osteuropas wird künftig die Einreise nach den Vereinigten Staaten gesperrt sein.

TOKIO. Die kommunistische Partel Japans soll am Sonntag eine offizielle Einladung zur Teilnahme an der Eröffnung eines interasiatischen kommuni- stischen Informationsbüros, einer dem europäischen Kominform entsprechenden Organisation, erhalten haben.

TOKIO. Am Montag wurde das Gesetz über die Staatskontrolle der Kohlenbergwerke nach über zwei- monatigen heftigen Debatten vom Parlament mit 233 gegen 155 Stimmen angenommen.

zwar nach Artikel 37 des Befreiungsgesetzes ein solches Verfahren gegen Verstorbene, was hier größtenteils zutreffen dürfte, möglich. Er halte das Ganze aber doch mehr für einen April-( Frage: Warum April im November?) Scherz.

sei doch wohl durch das Nürnberger Urteil hin Hagenauer meinte, die Frage ihres Nachlasses reichend erledigt worden. Da es sich um Besitz und persönliches Eigentum in Höhe von mehreren Mil- lionen Mark handelt, würde es uns gar nicht ver wundern, wenn gutbürgerliche Redlichkeit Abge- tanem Brief und Siegel anhängen möchte. Da je doch der Erben genug sind: Opfer des Regimes, Flüchtlinge, die ihre Heimat und ihre gesamte Habe verloren, bis hin zu den Kriegsopfern, Versehrten und Ausgebombten, Erben mehr als das Vermögen der Gespenster" in Mark beträgt, dürfte sich die Spuksigung, falls wirklich beabsichtigt, erübrigen. Oder sollten da Okkultisten dahinterstecken, die da hoffen, noch einmal wiederzusehen, was wir nur allzugerne vermissen?

Steigbügelhalter

Einer der Steigbügelhalter Hitlers, der Kölner Bankier Kurt Freiherr von Schröder, SS- Brigade- führer und Leiter der Fachgruppe Privatbankier, ist vom Gericht in Bielefeld wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu drei Monaten Gefäng- Dabei wurde die Strafe durch die Internierungs- nis und 1500 Mark Geldstrafe verurteilt worden. haft als verbüßt angerechnet.

Herr von Schröder war der Mann, der wenige Wochen vor dem 30. Januar 1933 die vollkommen verschuldete NSDAP durch einen 12- Millionen- Scheck wieder finanzierte und dadurch wesentlich zur ,, Machtergreifung" der Nationalsozialisten bei- preis", mit dem Hochfinanz und Schwerindustrie getragen hat. Die Millionen waren der Kauf- die NSDAP ihren Zwecken dienstbar machten.

Das Bielefelder Urteil ist ein typisches Beispiel für die milde Beurteilung eines Mannes, der eine große Schuld auf sich geladen hat. Es wird des halb weiten Kreisen unverständlich sein. Die Biele- felder Arbeiterschaft hat durch einen einstündigen Proteststreik gegen diesen Gerichtsspruch pro-

testiert.

Ohne die Begründung dieses Urteils zu kennen, muß doch jeder zu dem Schluß kommen, daß hier ein ehemals einflußreicher deutscher Finanzmann außerordentlich gut davongekommen ist.

Wir nehmen an, daß Herr von Schröder sich noch vor einer Spruchkammer zu verantworten haben wird. el

Kanadier in Königsberg verhaftet PARIS In Königsberg wurden nach einer Meldung von Radio Moskau zwei Mitarbeiter der kanadischen Mission beim Alliierten Kon- trollrat in Deutschland durch sowjetische Po- sten festgenommen. In einem Kommunique wurde festgestellt, die Angehörigen der ka- nadischen Mission hätten illegal sowjetisches Gebiet betreten und nach der Verhaftung be- hauptet, sie hätten sich auf dem Wege von Warschau nach Danzig verirrt, bei näherer Befragung dann jedoch erklärt, sie hätten das Gebiet der Provinz Königsberg für die sowje- tische Besatzungszone Deutschlands angesehen. Radio Moskau fügt hinzu, es sei ganz offen- sichtlich, daß hier nicht von einem Irrtum die Rede sein kann, sondern Sonderaufträge vor- lägen.

Die beiden Mitglieder der kanadischen Mi- litärmission sind nunmehr aus der Haft ent- lassen worden.

Herausgeber und Schriftleiter: Will Hanns Hebsacker Dr Ernst Müller und Alfred Schwenger Weitere Mitglieder der Redaktion: Dr Helmut Kiecza und Joseph Klingelhöfer Monatlicher Bezugspreis einsch! Trägerlehr 1.50 RM., durch die Post 1.74 RM, Einzelverkaufspreis 20 Pfg. Erscheinungstage Dienstag und Freitag

gelten. Doch der hatte andere Dinge im Kopf; er saß schon in den unteren Klassen der Ulmer Realschule, und dem Vater war es ganz recht, daß er beruflich auf das Baufach losgehen wollte. Es wäre wider seine Art gewesen, die dem individuellen Streben und Wünschen gern Spielraum ließ, um des Gutsbesitzes wil- len in diese frühbeginnende, selbständige Le- benskurve einzugreifen. Das Erbe der Al- becker Generationen wartete auf den jüngsten, den am 23. September 1861 geborenen August Robert, um so mehr, als die Töchter sich alle in Städte verheirateten. Servatius Bosch selber war, als ihm der ausersehene Nachfolger starb, 48 Jahre alt und noch rüstig genug, an der Seite der unermüdlichen Frau das Anwesen zu betreuen, bis er es in die Hände seines Jüngsten würde übergeben können.

vatius Bosch gespielt hat, im größeren Rah- men gesehen gering, so war sie wichtig genug, die häusliche Atmosphäre zu bestimmen. Robert Bosch nennt seinen Vater einmal den alten Mannes. In einem frühen Brief aus dem Dezember 1885 charakterisiert er ihn der Braut Anna Kayser so: ,, Mein Vater war sehr weichherzig und wollte es um alle Welt nicht sehen lassen, sondern ging jeder Gelegenheit, bei der er hätte gerührt werden können, aus dem Wege; so kommt es auch, daß ich mich nicht erinnern kann, daß mein Vater mich je- mals küßte. Und bei meiner Mutter weiß ichs nur zweimal..." Das steht in einem Brief aus England, der sich über amerikanische und eng- lische Sitten ausläßt. Im späten Rückblick auf den inneren Geist des Hauses schreibt der Sohn den Satz einer schlichten Dankbarkeit nieder: Er hat es dann nicht getan. Der Anstoß, sich Wir Kinder hingen an den Eltern, die uns von dem Besitz zu trennen, kam von außen: Verständnis entgegenbrachten, wenn auch in die Eisenbahnlinie, die von Ulm nordwärts unserer Familie Zärtlichkeit nie zur Schau ge- führte, um über Heidenheim und Aalen den tragen wurde." Das wechselseitige Verhältnis Anschluß an die Strecken nach Nördlingen der Geschwister war gut. Der große Alters- und nach Nürnberg zu finden, war 1868 be- unterschied mußte sich in der Beeinflussung schlossen worden. Sie ließ Albeck auf der Seite auswirken: der älteste Bruder Jakob war selber liegen. Aber auch wenn sie den Ort aufgesucht schon verheiratet und hatte bereits das mütter- hätte ein Kernstück des Boschschen Betrie- liche Erbgut in Jungingen übernommen, als bes war damit getroffen: Ausspann und Vor- Robert geboren wurde. Der ihm folgende spann des Ueberlandverkehrs der ,, Boten" und zweite Sohn, Johann Georg, starb 1864, vier- der Eilwagen. Die einmal von den Fuhrleuten undzwanzig Jahre alt: die Feierlichkeit bei so gefürchtete und für den Anlieger ganz er- der Bestattung blieb als eine der frühesten tragreiche Steige auf die Alb hatte mit dem schreckhaften Erinnerungen in dem Gedächtnis Schienenweg ihr verkehrstechnisches Interesse des noch nicht dreijährigen kleinen Bruders. verloren. Der Wortführer des Fortschritts Dieser Todesfall hat auf das Schicksal der konnte, rationell denkend, gar nicht viel da- Familie sehr entscheidend eingewirkt. Denn gegen sagen und wurde selbst Mitglied des Johann Georg war bestimmt, das Albecker Eisenbahnkomitees. Doch zog er auch für sich Anwesen zu übernehmen und schon im elter- selbst seine raschen Folgerungen. Er wollte lichen Betrieb als Brauer und Landwirt tätig. nicht der Herr über leere Stallungen und über Wer sollte nun an dessen Stelle treten? Karl, verödende Gaststuben sein, und wenn auch 1843 geboren, hatte die Kaufmannschaft ge- der eigentlich landwirtschaftliche Betrieb groß lernt und sah sich gerade damals, bevor er sich genug war, um die Tatkraft und Sorge eines in Köln niederließ, im Auslande um. Von Mannes auszufüllen, Servatius Bosch war nun Marseille her würde er nicht mehr den Heim- in seinen Instinkten doch nicht oder nicht mehr weg in das Albdorf finden. Als der nächste Bauer genug, um darin Befriedigung zu fin- Anwärter mochte der jetzt zehnjährige Albert den.

den." In einem Brief des Jahres 1885, der von religiösen Dingen handelte, steht der Satz: ,, Mein Vater, der nie eine Kirche besuchte und dessen Religion: Sei Mensch und ehre Men- schenwürde' war, starb trotz großer Schmer- ,, wortkarg". Das ist das Urteil des rückschauen- zen, ohne nach einem Priester zu verlangen, mutig und gefaßt." Servatius Bosch fand, für einen Albbauern, sieht man ihn in überkom- menen Maßerr, überraschend genug, seinen in- neren Anschluß bei der Ulmer Freimaurerloge, der er frei und eifrig zugetan war. Er mochte, im Stil der Zeit, als Freigeist" gelten. Der Sohn weiß an dem Vater die Belesenheit zu rühmen; die Bücher, die in der guten Stube aufgereiht waren, dienten nicht nur als Zim- merschmuck, sondern wurden auch benützt. Sie sind zum Teil noch vorhanden. Nun mag gewiß der Graf Platen in einem schwäbischen Bauernhaus als Kuriosum wirken, aber es will einiges besagen, daß bei den Klassikern Cottas vierzigbändige Goethe- Ausgabe aus dem Jahre 1857 zu finden war. Der politische Sinn scheint vom persönlichen Ehrgeiz frei gewesen zu sein. Am öffentlichen Auftreten war dem Manne nicht gelegen; jene Sprödigkeit gegenüber allem Versammlungs- betrieb, die dem Sohn so sehr eignete, trat schon beim Vater hervor Er hat, wie der Nach- ruf des Beobachter"( 14. 10. 1880) mitteilt, das Angebot zu Landtagskandidaturen, selbst spä- ter zum Ulmer Gemeinderat, immer wieder abgelehnt. Aber die Uneigennützigkeit und charakterliche Zuverlässigkeit des Mannes ha- ben ihm eine überlokale Geltung gegeben. Als 1863 nach ihrer Amnestierung einige der sei- nerzeit ins Ausland geflohenen Führer der achtundvierziger Bewegung zurückkehrten und es im Frühjahr 1864 zur Neubegründung der demokratischen Organisation kam, der Deut- schen Volkspartei", war der Albecker Kronen- wirt schon in den weiteren Kreisen bekannt genug, um gleich in den Landesausschuß der neuen Gruppe berufen zu werden; er hat ihm bis zu seinem Ende zugehört. Die Ulmer haben ihn zum Ehrenvorsitzenden ihrer Ortsgruppe gewählt; blieb die politische Rolle", die Ser-

( Forts. folge