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SCHWÄBISCHES TAGBLATT

FREITAG, 25. APRIL 1947 VERLAG UND SCHRIFTLEITUNG: TÜBINGEN, UHLANDSTRASSE 2

Der Verfassungsentwurf angenommen

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CDU. und SPD. stimmen zu DVP. und KPD. lehnen ab Nun haben die Wähler am 18. Mai das Wort BEBENHAUSEN. Am Dienstag, dem 22. April, morgens gegen 3 Uhr nahm die Be- ratende Landesversammlung von Württemberg- Hohenzollern nach rund 12stündiger Diskus- sion des vom Verfassungsausschuß ausgearbeiteten Verfassungsentwurfs diesen mit 46 Stim- men der CDU. und der SPD. gegen 11 Stimmen der DVP. und der KPD. an. Nunmehr liegt es beim württembergischen Volke selbst, am 18. Mai dieser Verfassung zuzustimmen oder sie abzulehnen. Die Beratende Landesversammlung jedenfalls hat ihre wichtigste Aufgabe, eine Verfassung zu schaffen, gelöst.

Dasselbe gelte für das Bekenntnis zur unum- schränkten Herrschaft des Völkerrechts und zur Aechtung des Krieges.

Als am vergangenen Montagnachmittag die Staatsbürgerbegriff gebunden seien, sondern Landesversammlung wieder zusammentrat, la- von Rechts und Natur wegen gegeben seien. gen von allen Parteien eine Reihe von Abän- derungsvorschlägen vor. Die zweite Lesung der Verfassung nahm dadurch sehr viel Zeit in Anspruch, da über sämtliche Artikel und Ab- änderungsanträge einzeln abgestimmt wurde. Die Berichterstattung muß sich darauf be- schränken, markante Beispiele herauszustellen und die wichtigsten Aenderungen aufzuführen. Vor Beginn der Beratungen verlas Ministe- rialrat Dr. Rupp( SPD.) eine Erklärung des Ausschusses, in der zum Ausdruck gebracht wurde, daß Württemberg ein Land sei, das den Wunsch hege, sich bald wieder mit einer Verfassung unter einer Regierung vereinigt zu sehen.

Im Artikel 3 wurden durch Mehrheitsbe- schluß als Landesfarben Schwarz- Rot gewählt. Die Anträge der SPD. und der DVP., Schwarz- Rot- Gold als Landesfarben zu nehmen, wurden mit Stimmenmehrheit abgelehnt

An den Artikel 16 anschließend wurden auf Antrag der SPD. zwei weitere Artikel eingescho- ben: ,, Strafen können nur verhängt werden auf Grund von Gesetzen..." und Niemand darf verfolgt, festgenommen oder in Haft gehalten werden, außer in Fällen, die das Gesetz be- stimmt..."

Einem Antrag, die Bezeichnung ,, Staatsprä- sident" aus der Verfassung überall zu streichen und an seine Stelle Ministerpräsident" zu setzen, wurde nicht stattgegeben.

Annahme fand ferner ein Antrag, der das ,, Notstandsrecht"( Artikel 48) des Staatspräsi- denten einschränkt. ,, Während der Dauer des Notstandes kann der Staatspräsident den Land- tag nicht auflösen und läuft die Wahlzeit des Landtags nicht ab."

Besonders lebhaft wurde die Diskussion bei der Besprechung der Wirtschafts- und der Schulartikel. Die DVP. wandte sich insbeson- dere gegen den ,, Sozialisierungsartikel", Artikel 96, der dem Staat im Interesse des Gemein- wohls einräumt, Enteignungen gegen ange- messene Entschädigungen vorzunehmen. Die DVP. empfahl eine Formulierung, die der Stuttgarter Verfassung entspricht. Dieser An- trag wurde, ebenso wie das Verlangen der DVP., dem Schulartikel die konfessionelle Enge" zu nehmen, abgelehnt.

Der zweiten Lesung des Verfassungsentwurfs schloß sich sogleich die dritte Lesung an. Hier wurde nur noch abschnittsweise en bloc abge- stimmt. Der Abg. Prof. Dr. Schmid( SPD.)

eröffnete die Generaldebatte.

Prof. Dr. Schmid stellte gleich eingangs fest, daß die SPD. für die Annahme des nun- mehrigen abgeänderten Verfassungsentwurfs

stimmen werde. Zu Anfang sei es im Verfas- sungsausschuß ziemlich turbulent zugegangen

da der erste Entwurf als Beratungsgrundlage

nicht geeignet erschienen sei und die Unter- schiede gegenüber dem Rechtszustand von Nordwürttemberg zu sehr vertieft hätte. Man komme jedoch am ehesten wieder zusammen, wenn man erst einmal alle Meinungsverschie- denheiten aufgedeckt habe. Ein weiterer Ent- wurf hingegen habe sich als geeignet erwiesen, da er dem Rechtsempfinden in Nordwürttem- berg ziemlich nahe komme.

Die SPD. habe erreicht, was nach den spe- ziellen Verhältnissen des Landes erreicht wer- den konnte. Die vorliegende Verfassung er- mögliche ein echt demokratisches System, da

die Macht im Staate im wesentlichen beim

Parlament liege. Besondere Bedeutung komme dem Umstand zu, daß eine Reihe von allge- meinen Menschenrechten in die Verfassung mit aufgenommen worden wären, die nicht an den

Kleine Weltchronik

Der frühere bayerische Ministerpräsident Dr. Fritz Schäffer wird sich wegen seiner Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz im Jahre 1933 vor einer Spruch- kammer zu verantworten haben.

Zwischen Jugoslawien und Italien ist ein Vertrag über Zusammenarbeit in Handels- und Wirtschafts- fragen unterzeichnet worden.

Der mit der Regierungsbildung beauftragte ehe- malige Innenminister Leino hat wegen der Haltung der Agrarpartei auf die Neubildung der finnischen Regierung verzichtet.

Das Truman- Hilfsprogramm für Griechenland und die Türkei wurde durch den amerikanischen Senat angenommen. Es bedarf noch der Billigung des Re- präsentantenhauses.

Die Wirtschaftsverfassung bedeute eine Ab- sage an das Prinzip der Erwerbswirtschaft und ein Bekenntnis zur Bedarfdeckungs- und dar- aus folgend zur Planwirtschaft. Die Sozialisie- rungsartikel seien weitergehend als die der Verfassung Nordwürttembergs. der Anspruch auf Arbeit festgelegt, das Koalitionsrecht wie das Recht, in sozialen Kämpfen den Streik le- gitim benutzen zu können, gesichert. Damit seien die Voraussetzungen für eine Wirtschafts- demokratie geschaffen.

Die Schulfrage werde, da die Verfassungs- artikel weit genug formuliert seien, um meh- rere Möglichkeiten zuzulassen. erst in einem Schulgesetz endgültig gelöst.

Es gelte nunmehr, mit dieser Verfassung zu arbeiten, um etwas Rechtes aus ihr zu machen. Eine endgültige Verfassung sei erst möglich, wenn beide Teile des Landes wieder zusam- mengewachsen seien.

Der Abg. Dr. Leuze( DVP.) stellte drei ein- flußreiche Richtungen in der Landesversamm- lung fest: eine, die den Staat in der Haupt- sache auf ihrer christlichen Gesinnung auf-

bauen wolle, eine zweite, die vom Sozialismus bestimmt werde und schließlich eine dritte, deren Aufgabe es sei, die Rechte der indivi- duellen Persönlichkeit zu verteidigen, im Ma- teriellen wie im Geistigen. Die Rechte der Per- sönlichkeit würden jedoch von der vorliegen- den Verfassung nicht gewahrt. Daher könne wurf nicht zustimmen. die DVP. dem vorliegenden Verfassungsent-

Der Abg. Acker( KPD.) lehnte für seine Partei den Entwurf gleichfalls ab. Er begrün- dete seine Ablehnung damit, daß in dieser Verfassung der Bürokratie zu viele, dem Volke aber zu wenig Rechte eingeräumt würden. Außerdem seien die Gewerkschaften sehr spär- lich weggekommen.

einmal den Weg, der zurückgelegt werden Der Abg. Dr. Bock( CDU.) schilderte noch mußte, um dieses Ziel zu dankte der SPD. für ihre Bereitschaft zur Zu- erreichen. Er sammenarbeit, wenngleich es für die CDU.- Fraktion schmerzlich gewesen wäre, ihren ersten Entwurf aufzugeben. Dr. Bock übte äußerst scharfe Kritik an der ablehnenden Haltung der DVP. wie der KPD. Er gab schließlich der Hoffnung Ausdruck, daß bald der Tag kommen möge, da das ganze deutsche Volk wieder politisch zusammengehöre.

Die namentliche Abstimmung über die Ver- fassung ergab 46 Stimmen für und 11 Stimmen gegen Annahme dieser Verfassung.

Die nächste Plenarsitzung des Hauses, vor- aussichtlich am 6. Mai, wird sich mit dem Haushaltsplan und dem Säuberungsgesetz zu befassen haben.

Das Haus beendete seine Sitzung kurz nach 3 Uhr früh.

Erklärungen der Opposition

DVP.: Gegen konfessionelle Enge/ KPD.: Gegen Beschränkung der Ansprüche des Arbeiters

Die Oppositionsparteien haben der Presse Erklärungen zur Verfügung gestellt, in denen sie ihre ablehnende Haltung begründen.

Demokratische Volkspartei

Die Fraktion der DVP. hat dem Verfassungs- entwurf nicht zugestimmt,

weil die Verfassung eine Enteignung im all- gemeinen und eine Enteignung der Landwirt- schaft im besonderen vorsieht, ohne im Regel- fall eine angemessene Entschädigung zu ga- rantieren. Die DVP. ist voll bereit, den sozialen Forderungen unserer Zeit zu genügen, aber man darf darüber den Gedanken des Eigen- tums nicht preisgeben;

weil die Verfassung die Möglichkeit schafft, die Konfessionsschule in ihrer einseitigen Aus- prägung zu verwirklichen und damit die gei- stige Freiheit unseres Volkes zu gefährden und die konfessionelle Spaltung in unserer Jugend

zu verewigen.

geben wird. Die DVP. wird sich ihrer Aufgabe, diese Güter zu schützen, bewußt bleiben.

Kommunistische Partei

Da es bei der gegenwärtigen Zusammen- nicht gelang, eine eindeutig klare Verfassung setzung der Beratenden Landesversammlung einer sozialen Demokratie zu entwerfen, be- mühte sich die KPD. um eine Verfassung eines gesunden Ausgleiches zwischen den politischen Richtungen. Bei unserer Absicht, bis an die äußerste Grenze des Möglichen zu gehen, fühlten wir uns jedoch durch die unveräußer- lichen Grundforderungen der werktätigen Schichten gebunden und waren nicht bereit, das Vertrauen unserer Wähler zu enttäuschen. Menschen willen einer Verfassung nicht zu- Die KPD. kann daher um des arbeitenden stimmen, die sich wie ein Bollwerk gegen den Fortschritt stemmen würde. Das Projekt der Bekenntnisschule tritt nunmehr in verschäm- ter und verkleideter Form auf. Arbeitern und Angestellten wird die Gleichberechtigung bei der Vertretung ihrer Interessen versagt, aber wiederum sollen die Unternehmer Verbände gründen dürfen. Der Form nach demokratisch, schafft der vorliegende Entwurf eine Demo- die Verwirklichung einer Demokratie der kratie des Großbürgertums, verhindert aber

Die DVP. fühlt sich als die Vertreterin eines gesunden Mittelstandes, der den Bauern- und Handwerkerstand ebenso umfaßt wie den so- zialen Unternehmer und den fortschrittlichen die Vertreterin der Freiheit der Persönlichkeit, Arbeiter und Angestellten. Sie fühlt sich als ohne die es eine deutsche Kultur nicht mehr werktätigen Menschen.

Dreierabkommen über die Kohlenfrage

Keine Einigung über den Friedensvertrag mit Oesterreich MOSKAU. Die Sonderzüge, mit denen Mar- shall, Bevin und Bidault Moskau ver- Außenminister versuchten noch einmal in letz- lassen werden, stehen schon bereit. Die vier ter Minute, in öffentlichen und geheimen Sit-

zungen, die sich am laufenden Band folgten, eine Einigung über den Friedensvertrag mit Oesterreich zu finden. Die Versuche blieben

ergebnislos! In der Frage des deutschen Ver- mögens in Oesterreich konnten sich die Fran- zosen, die Engländer und die Amerikaner mit der russischen Auffassung nicht zusammen- finden, und man war schließlich gezwungen, die Beratungen endgültig abzubrechen. Damit ist die Moskauer Konferenz auch in ihrem letzten Tagesordnungspunkt zu keinem Re- sultat gekommen.

Die Minister werden nur noch zur Bespre- chung drittrangiger Fragen zusammenkom- men. Dabei sollen auch Zeit und Ort der näch- sten Außenministertagung festgelegt werden.

Am Rande der Konferenz wurde, wie wir in der letzten Nummer schon kurz berichtet haben, ein Dreierabkommen über das Kohlen- problem getroffen. Das französische Außen- ministerium teilt hierzu mit: ,, Die Regierun- gen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreiches und Frankreichs geben bekannt, daß gemeinsame Abmachungen getroffen wor- den sind, um die Höhe der Kohlenexporte aus Deutschland in die europäischen Importländer festzulegen. Die Höhe des Exports wird in Prozenten der tatsächlich zur Verfügung ste- henden Kohlen angegeben werden. Solange die tägliche Kohlenförderung im Deutschlands 280 000 Tonnen beträgt, sollen 21 Prozent davon exportiert werden. Sobald die und Förderung 333 000 Tonnen erreicht hat, wird

Der republikanische Senator Homer Ferguson for- derte, daß die Regierung der USA. sofort Verhand- lungen mit der Sowjetunion wegen eines Abkom- mens zur Sicherung der türkischen Grenzen ein- leiten solle.

Bei der am Sonntag durchgeführten Wahl in Japan erhielten die Konservativen 180, die Sozialisten 45 und die Kommunisten 4 Sitze.

Bei Soerabaja auf Ostjava kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen niederländischen indonesischen republikanischen Truppen.

Westen

der Export auf 25 Prozent erhöht. Der festge-

setzte Prozentsatz trägt einerseits den An- sprüchen der befreiten Länder Europas Rech- nung, andererseits werden auch die vordring- lichsten Bedürfnisse der deutschen Industrie und anderer Zweige der deutschen Wirtschaft

berücksichtigt. Außerdem wurde vertragsmä- Big festgelegt, daß, sobald der wirtschaftliche Anschluß des Saargebiets an Frankreich be- schlossen sein wird, der ECO.( Europäische Kohlen- Organisation) eine zusätzliche Mittei- lung übergeben werden soll, worin festgelegt wird, daß Frankreich von da an die Interes- sen der gesamten französischen saarländischen Kohlengruben vertritt."

Auf Grund dieses Planes wird Frankreich bis zum Ende des Jahres 1947 370 000 Tonnen Kohlen monatlich erhalten. Diese Menge wird sich auf 600 000 Tonnen erhöhen, wenn das Saargebiet angegliedert wird. Frankreich wird jedoch, wie der Leiter der Wirtschaftsabtei- lung im französischen Außenministerium mit- teilt, die Saarkohle nicht hundertprozentig einführen, sondern sie teilweise, wie das schon früher üblich war, gegen deutschen Gaskoks austauschen.

Das Abkommen enthält jedoch keine Be- stimmungen über eine Zusammenlegung der französischen mit der amerikanisch- britischen Zone. Die Frage der Zonengrenzen wurde in Moskau überhaupt nicht berührt.

Schließlich wurde noch in Moskau auch außerhalb der Tagesordnung zwischen Ruß- land und den Vereinigten Staaten eine Ver- einbarung über Korea abgeschlossen. Korea ist bekanntlich zur Hälfte von russischen und zur anderen Hälfte von amerikanischen Trup- pen besetzt. Um eine Teilung des Landes zu verhindern, wurde die Bildung einer gemein samen Regierung beschlossen.

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3. JAHRGANG NUMMER 33

Befriedigende Lösung

Von Dr. Gebhard Müller

Die Geschichte der politischen Freiheit und temberg eine eindrucksvolle Tatsache. Würt- Demokratie verzeichnet aus dem alten Würt- temberg hat schon eine Volksvertretung be- dern noch der Absolutismus herrschte oder sessen, als in allen anderen deutschen Län- lediglich Stände dem Fürsten zur Seite stan- den, deren Mitglieder Sitz und Stimme nur der Geburt verdankten. Man hat daher in Schwaben gern das Wort des englischen Staats- mannes Fox angeführt, er kenne nur zwei Verfassungen in Europa, die diesen Namen verdienten, nämlich die englische und die württembergische. Nach dem Zusammenbruch als Folge des ersten Weltkrieges zeigte sich in Württemberg die tief eingewurzelte Schu- lung des rechtlichen und politischen Denkens. Es gelang in kurzer Frist, durch Zusammen- sung als Grundlage des Wiederaufbaues zu arbeit der großen Parteien eine neue Verfas- werden, daß Hitler in der ersten Wahl nach schaffen. Es verdient auch hervorgehoben zu der Machtübernahme in Württemberg keine Mehrheit gefunden hat, und daß gerade ein Teil der südwürttembergischen Kreise mit ih- ren Neinstimmen an der Spitze marschierte.

Zum Leidwesen aller nüchtern Denkenden standen die Beratungen zur Schaffung einer Verfassung für Südwürttemberg- Hohenzol- lern, die im März dieses Jahres begonnen haben, von Anfang an unter einem unglück- lichen Stern. Schon bei der Beratung der ersten Artikel zeigten sich tiefgehende Mei- nungsverschiedenheiten, die anläßlich der Beschlußfassung über die Frage der Entschä- digung bei Enteignungen aus öffentlichem Interesse dazu führten, daß die drei Parteien der Minderheit den Verfassungsausschuẞ ver- ließen. In der Oeffentlichkeit entwickelte sich ein sich steigernder Kampf um den Verfas- sungsentwurf. Ein weiterer Gedankenaustausch wurde von vornherein als sinn- und zwecklos abgelehnt. Der Wille, eine andere Auffassung als die eigene gelten zu lassen, schien nicht mehr vorhanden zu sein.

Nach Ablehnung des ersten Entwurfes durch die Militärregierung und Aenderung wesentlicher Bestimmungen bedurfte es ange- die Mitglieder des Verfassungsausschusses strengter Bemühungen der Parteiführer, um wieder an einen Tisch zu bringen. Und nun führten die Beratungen, die in einem vorbild- lichen Geist des Entgegenkommens und des sachlichen Ausgleichs gepflogen wurden, in er- staunlich kurzer Zeit zu einem Abschluß. Die Landesversammlung selbst hat in der Morgen- frühe des 22. April 1947 nach einer teilweise dramatischen, aber bemerkenswert hochste-

henden und ergiebigen Aussprache das Ver- fassungswerk mit 46 Stimmen der CDU. und SPD. gegen 11 Stimmen der DVP. und KPD. angenommen.

Die der Verfassung zustimmenden Parteien konnten ihre politischen und weltanschau- lichen Auffassungen nicht voll zur Geltung bringen. Beide haben an dem Idealbild, das sie in der Verfassung zu verwirklichen such- ten, wesentliche Abstriche machen müssen. Keine aber muß sich den Vorwurf machen, geben hätte. Sie trafen sich zuvörderst in ih- daß sie unveräußerliche Grundsätze preisge-

ren Auffassungen über die Erfordernisse einer sozialen Demokratie und waren sich darin einig, daß neben der Rechtsgleichheit auf po- litischem Gebiet auch das Recht des wirt- schaftlich Schwachen auf eine menschenwür- dige materielle Existenz in der Verfassung verankert werden müßte. So kam gerade über die das Wirtschafts- und Gemeinschaftsleben regelnden Artikel der Verfassung am rasche- sten eine Einigung zustande; sie können ohne Ueberheblichkeit als vorbildlich bezeichnet werden und geben Raum für eine fortschritt- liche Entwicklung auch in der Zukunft. Die besonders heiß umstrittene Regelung der Ab- grenzung der Zuständigkeiten des Landtags und des Staatspräsidenten und der Probleme der sogenannten Regierungskrise hat auf der Grundlage des parlamentarischen Systems zu einer Lösung geführt, die eine Gewähr dafür zu bieten scheint, daß die schweren und ver- hängnisvollen Nachteile des reinen parlamen- tarischen Systems der Weimarer Reichsverfas- sung wie aber auch die Gefahren einer allzu starken Stellung des Ministerpräsidenten ver- mieden werden. In der Schulfrage hat man von einer Festlegung bestimmter Schultypen abgesehen und ausgehend von der begrifflich sowohl die Bekenntnis- als die christliche Ge- meinschaftsschule umfassenden christlichen Schule die letzte Entscheidung über die Schul- form dem Willen der Erziehungsberechtigten überlassen.

An der Spitze der neuen Verfassung steht das Bekenntnis zu der föderativ gegliederten deutschen Republik, nicht als Klage um Ver- lorenes, sondern als rechtlicher Ausdruck des noch Bestehenden. In dem Glauben an ein demokratisches, christliches, friedfertiges und redliches Deutschland klang die Aussprache der Landesversammlung aus. In dem sehn- lichen Wunsch nach einer baldigen Vereini- gung mit dem getrennten Nordwürttemberg, zu der auch die jetzt beschlossene Verfassung Eigenes und Wertvolles beizutragen vermag, waren sich alle Parteien einig.